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Wie das Unmögliche möglich wurde – Die erfolgreiche Schaffung einer funktionierenden internationalen Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg

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Veröffentlicht/Copyright: 31. März 2020

Zusammenfassung

Der Artikel analysiert die Entstehung der bis heute wirksamen liberalen westlich geprägten internationalen Ordnung. Die entsprechenden Regelungen haben einen Zeitraum von etwa zwanzig Jahren benötigt. Sie entstanden aus klassischen liberalen und institutionalistischen Impulsen, die sich im Nachhinein besehen als unrealistisch erwiesen, die dann aber in einem politischen Prozess des Verhandelns so angepasst wurden, dass sie reale Wirkungen entfalteten. Dieser politische Prozess fand innerhalb der USA (Regierung/Kongress) statt, er wurde zwischen der amerikanischen Regierung und den Regierungen der europäischen Staaten (bzw. innerhalb der Europäer) verhandelt, und er wurde auch in den Gesellschaften und politischen Institutionen der Europäer ausgetragen. Er drehte sich um die Frage, wie eine neue große Depression verhindert, wie der Wiederaufbau Europas und Deutschlands geschafft und wie der Frieden unter den Staaten Europas gewahrt bleiben konnte. Es ging auch darum, wie die westlichen Staaten angesichts der sowjetischen Herausforderung bestehen (wirtschafts- und sozialpolitisch ebenso wie sicherheitspolitisch), wie die marktwirtschaftlich ausgerichteten Staaten ihren inneren Frieden wiederfinden und wie funktionierende parlamentarische Demokratien hergestellt werden konnten.

Abstract

The article traces back the successful establishment of a liberal, Western international order after World War II. It took twenty years to arrive at a status, where a sustainable international order was achieved. Early efforts were directed at creating a global order based on traditional liberal and institutionalist concepts. While these concepts turned out to be impractical, it was the process of negotiating among Western democratic leaders (and within most Western states) that paved the way for a great settlement that was finally shaped by the beginning of the 1960 s. It encompassed a security order based on US security guarantees, with NATO instead of the United Nations at the core of that order. It was based on liberal trade and the stabilization of Western democracies by state intervention into the economy, welfare state measures and a reform of democratic systems. The core intention was to prevent a repetition of those economic, social, and political developments that made possible the path towards World War II. This settlement was eased by the East-West conflict. The Soviet military threat in combination with the Marxist political threat to democratic societies provided for a necessary degree of political discipline and cohesion among Western governments. The leitmotiv of the creation of the international order was to provide domestic peace within Western societies and among them and to create the conditions to have this world being able to sustain in light of the Soviet challenge.

1 Einleitung

In der heutigen Zeit wird viel über den Verfall der liberalen internationalen Ordnung lamentiert. Diese sei angesichts des Aufstrebens neuer Mächte (wie China und Indien) und des machtpolitischen Anspruchs Russlands und anderer Staaten in Gefahr. Auch stehen die USA unter Präsident Trump nicht mehr dahinter. Viel wird darüber spekuliert, wie eine neue Ordnung gestaltet werden könne, aber wenige haben eine Vorstellung davon, wie eine neue internationale Ordnung tatsächlich aussehen kann bzw. was eine internationale Ordnung ist und was diese konstituiert. Der folgende Aufsatz versucht ein Bild über das Entstehen des bislang erfolgreichsten Versuchs internationaler Ordnungsbildung zu vermitteln: jener liberalen Ordnung, die so viele heute untergehen oder zumindest erodieren sehen. Von vielen wird diese Ordnung als selbstverständlich angenommen, als etwas, das mehr oder weniger von allein entstanden ist. Tatsächlich ist der Prozess der Ordnungsbildung voller Widersprüche und Rückschritte gewesen, aber letztlich war der Erfolg die Folge politischer Führungsfähigkeit und der Bereitschaft führender Politiker, strategischen Weitblick zu zeigen.

Diese Bemühungen um Ordnungsbildung wären nicht so erfolgreich gewesen, wenn nicht allen Beteiligten der Schock der zwei Weltkriege in den Knochen gesessen und wenn es nicht den Ost-West-Konflikt gegeben hätte. Der Zweite Weltkrieg war die schlimmste und nachhaltigste Katastrophe der neueren Geschichte. Er begann in Europa als ein vermeintlich begrenzter Angriffskrieg Deutschlands gegen Polen, der am Ende zu einem weltumspannenden Waffengang wurde, bei dem mindestens 55 Millionen Menschen ihr Leben verloren. Zudem wurden in dieser Zeit Dutzende Millionen von Menschen aus politischen oder rassischen Gründen ermordet, allein 20 Millionen durch das Dritte Reich.

Deshalb nimmt es nicht Wunder, dass während des Zweiten Weltkriegs (teilweise schon davor) und natürlich in der Zeit danach eine breite Diskussion in Politik und in der akademischen Welt darüber einsetzte, wie eine derartige Katastrophe hätte verhindert werden können und was daraus für die Neuordnung der internationalen Beziehungen folgen müsse. Was diese Debatte von früheren Debatten über die internationale Ordnung unterschied, war, dass sie von Anbeginn an nicht nur Fragen der zwischenstaatlichen Ordnungsbildung umfasste, sondern auch die innenpolitische und die wirtschaftspolitische Ordnung miteinbezog. Angesichts der Tatsache, dass der Zweite Weltkrieg hätte vermieden werden können, wenn nicht die Schwäche der Demokratie und die katastrophale Wirtschaftslage in Deutschland den Aufstieg der Nationalsozialisten ermöglicht hätten, war dies nicht verwunderlich. In der heutigen politikwissenschaftlichen Literatur wird dieser Konnex eher selten berücksichtigt. Die Veränderungen in den internationalen Beziehungen der vergangenen 70 Jahre sind ohne Parallele in der Geschichte der Menschheit und haben sich auf das Leben von Milliarden von Menschen überwiegend positiv ausgewirkt. Sie stellen den historisch gesehen erfolgreichsten Versuch der Zivilisierung internationaler Beziehungen dar. Heute ist diese Ordnung in Gefahr, denn die internationalen Beziehungen verändern sich gravierend und die Kräfte, die diese Ordnung aufrechterhalten haben, verlieren ihre Wirksamkeit. Um die Bedeutung des derzeitigen Ordnungsverlustes korrekt einordnen zu können, ist es angebracht, den Prozess der Herausbildung dieses bislang erfolgreichsten Beispiels internationaler Ordnungsbildung zu rekapitulieren.

2 Die Analyse einer erfolgreichen Ordnungsbildung

Um zu verstehen, was diese revolutionären Veränderungen möglich gemacht hat, ist daher eine Form der Analyse notwendig, die die Ordnungsbildung in den verschiedenen Bereichen miteinander verbindet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ordnungsbildung nach 1945 – das neue settlement[1] – nicht nur mit den klassischen Aufgaben der Ordnungsbildung zu tun hatte, sondern sieben schwierige Probleme zu lösen hatte:

  1. Wie können die internationalen Wirtschaftsbeziehungen so organisiert werden, dass eine weitere globale Depression vermieden wird? Dafür galt es Konzepte zu entwickeln, wie die Wirtschaftsbeziehungen dauerhaft und stabil kooperativ gestaltet werden können. Das Umschlagen in Protektionismus sowie Wirtschaftsimperialismus aus Anlass einer globalen Wirtschaftskrise sollten künftig verhindert werden.

  2. Wie kann eine wirtschaftliche Gesundung Europas in kurzer Zeit erfolgen, sodass Rückfälle in Extremismus linker oder rechter Natur nicht stattfinden?

  3. Wie kann eine politische Ordnung für Europa und Ostasien hergestellt werden, bei der die einzige intakte Führungsmacht – die USA – die Führungsrolle übernimmt, obwohl diese weit entfernt lag und zudem eine lange Tradition des Isolationismus aufwies?

  4. Wie kann eine politische Ordnung für Europa gefunden werden, die das deutsche Problem löste? Für viele gab es damals nur zwei Optionen: Entweder dominiert Deutschland den europäischen Kontinent oder die Staaten Europas bezwingen Deutschland. Die Frage stellte sich, ob es dazu Alternativen gab, etwa durch die Schaffung eines föderalen Europas. Die gleiche Frage stellte sich mit Blick auf Japan für Ostasien.

  5. Wie kann in Europa, aber auch in Ostasien eine politische Ordnung hergestellt werden, wenn der – neben den USA – zweite Sieger des Zweiten Weltkriegs – die Sowjetunion – völlig unterschiedliche Vorstellungen von einer künftigen internationalen Ordnung hat und eher die Konfrontation als den Kompromiss mit den USA sucht?

  6. Wie kann sichergestellt werden, dass Demokratien nicht wieder reihenweise scheitern?

  7. Wie kann eine Ordnung geschaffen werden, die nicht nur Europa und die westliche Welt, sondern tendenziell die gesamte westliche Welt sowie die südlichen Kontinente umfasste, die zu der Zeit weitgehend noch Kolonialbesitz europäischer Mächte waren?

Es ist erstaunlich zu sehen, wie sich in einem Prozess, der etwas mehr als 20 Jahre umfasste (1942–1962/63) eine neue internationale Ordnung entwickelte, die nicht nur Europa und Ostasien einschloss, sondern auch auf andere Regionen ausstrahlte und letztlich eine global wirksame Dynamik auslöste. Diese Ordnung wurde nicht auf dem Reißbrett entworfen, sondern sie war das Ergebnis amerikanischer Führung und europäischer Mitgestaltung bzw. eigener europäischer Initiativen. Sie nahm ihren Ausgang mit den Bemühungen der Roosevelt-Administration, die liberalen und institutionellen Ideen von Wilson wiederzubeleben, und sie setzte sich fort in einem jahrelangen Reform- und Wandlungsprozess, aus dem die heutige „westliche Welt“ hervorging und als dessen Folge die Globalisierung einsetzte. Im Rahmen dieses Prozesses haben sich nicht nur die europäischen Staaten und Japan radikal verändert, sondern auch die USA.

3 Die amerikanischen Bemühungen um die Gestaltung einer Nachkriegsordnung während des Zweiten Weltkrieges

Überlegungen in Richtung einer Neugestaltung der internationalen Beziehungen wurden in den USA schon vor dem Überfall auf Pearl Harbour vom Dezember 1941 angestellt. Außenminister Cordell Hull hatte bereits Ende 1939 eine Kommission einberufen, die sich mit den grundsätzlichen Problemen der 30er-Jahre und den daraus zu ziehenden Folgen für eine Neuordnung der internationalen Beziehungen befassen sollte.[2] Die Verschlechterung der internationalen Beziehungen hatte sich schon lange vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs abgezeichnet, und es galt zu untersuchen, was den Zerfall der internationalen Ordnung bewirkt hatte und was zu tun sei, um diese wiederherzustellen. Es ging primär um die Vermeidung einer weiteren Depression, die enormen Schaden hinterlassen hatte.[3] Nicht nur, dass in Deutschland dadurch die extremistischen Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren, auch die USA hatten schwer gelitten: Zwischen 1929 und 1933 war das Bruttosozialprodukt der USA um mehr als 30 % gesunken, die Arbeitslosigkeit von 5 % auf fast 25 % gestiegen. Die Atlantik-Charta, die am 14. August 1941 zwischen Roosevelt und Churchill vereinbart worden war, ließ erkennen, dass die beiden angelsächsischen Mächte in diesem Sinne eine Neuordnung der internationalen Beziehungen nach dem Kriege anstrebten, die vor allem der Verhinderung weiterer Depressionen (und ihrer katastrophalen politischen Folgen) dienen sollte.[4]

Im Februar 1942 regte der damalige US-Außenminister Cordell Hull die Einberufung einer Kommission an, die Ideen für eine Neuordnung Europas und der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg (d. h. nach einem Sieg der Alliierten) entwickeln sollte. Diese Beratungen führten noch zu keinen konsensfähigen Ergebnissen, aber in den beiden folgenden Jahren entwickelte das Department of State Grundsätze für die Zeit nach dem Krieg, die weitgehend auf den Vorgaben der Atlantik-Charta beruhten und die Präferenzen von Präsident Roosevelt reflektierten. Diese bestanden weitgehend aus zwei Elementen: (1) einer Neuauflage der Wilsonschen Ideen von der Schaffung einer weltumspannenden internationalen Organisation, die den Frieden und die Wahrung des Gewaltverbots generell überwachen sollte, und (2) aus dem Versuch, den Welthandel wiederzubeleben.[5]

Was die Schaffung der internationalen Organisation betraf, so beabsichtigte Präsident Franklin D. Roosevelt, an Wilsons Politik anzuknüpfen, aber dessen Fehler wollte er vermeiden. Für Roosevelt war es wichtig, dass nach dem Ende des Krieges die Siegermächte (USA, Großbritannien, die Sowjetunion und die Republik China, später gesellte sich noch Frankreich zu den „Siegern“) zusammenstehen, um den internationalen Frieden zu garantieren. Das hatte Ähnlichkeit mit der Allianz von Wien (1815), aber dieses Mal sollte die Allianz in einen festen völkerrechtlichen Rahmen gestellt werden. Der Völkerbund sollte durch eine neue weltumspannende Organisation ersetzt werden, der Rat des Völkerbundes durch einen Sicherheitsrat, der weitgehende Kompetenzen bekommen sollte und in dem die Siegermächte einen ständigen Sitz erhalten würden. Anstelle eines allgemeinen Garantieversprechens (wie Art. 11 und 16 der Völkerbundsatzung, wegen denen die Ratifikation der Völkerbundsatzung im US-Senat misslang) sollte der Sicherheitsrat als Kollektivorgan die Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung und Wahrung des internationalen Friedens übernehmen und dafür weitgehende Kompetenzen bekommen – wobei den Siegermächten auch besondere Rechte zukommen sollten. Das Gewaltverbot, welches nie klar in der Völkerbundsatzung ausgesprochen worden war, sollte nunmehr zur zentralen Norm der neuen Weltorganisation werden. Außerdem sollte die neue Weltorganisation auf weitaus mehr Gebieten tätig sein, als es der Völkerbund je war. Die internationale Kooperation sollte in einer Vielzahl von Bereichen vertieft und institutionalisiert werden.

Neben dem System der Kollektiven Sicherheit sollte das globale System des Freihandels wiederhergestellt werden, wie es gegen Ende des 19. Jahrhunderts bestanden hatte. Auch hier legte Roosevelt Wert darauf, dass multilaterale und völkerrechtlich bindende Vereinbarungen geschlossen wurden. Die Zeiten des Protektionismus sollten sich nicht mehr wiederholen, weil dadurch die Weltwirtschaftskrise nur verschärft worden war und die Bedingungen dafür geschaffen wurden, dass in Deutschland die Nationalsozialisten (und in Japan die extremen Nationalisten) an die Macht gekommen waren. Aber die Vereinbarungen über die Belebung des internationalen Handels sollten im Gegensatz zu den bilateralen Absprachen des 19. Jahrhunderts größere Dauerhaftigkeit besitzen und daher den Charakter bindender, multilateraler Verpflichtungen bekommen. Vor allem sollten sie drei funktionale Elemente enthalten: (1) den Abbau von Zöllen; (2) einen Mechanismus zur Herstellung einer dauerhaften Konvertibilität von nationalen Währungen sowie (3) eine Institution, die dafür sorgt, dass es nach dem Krieg zum Wiederaufbau in Europa und Ostasien kommt und dass auch die unterentwickelten Länder außerhalb Europas gefördert werden können.

Damit hatte Roosevelt Konzepte präferiert, die weitgehend universell, institutionalistisch und liberal waren. Roosevelts Administration knüpfte an den liberalen Optimismus Richard Cobdens[6] ebenso an wie an die institutionalistischen Vorstellungen Wilsons[7] und auch an die Vorstellungen Castlereaghs von 1815.[8] Insgesamt ging es um nichts Geringeres als um die grundsätzliche Transformation der internationalen Beziehungen auf der Basis von Kollektiver Sicherheit, Freihandel, Öffnung der Wirtschaften und Gesellschaften, Demokratisierung und die Ermöglichung vielfältiger internationaler Kontakte auf gesellschaftlicher, nicht-staatlicher Ebene. Anstelle von gegenseitiger wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Abkapselung und einer Politik wechselnder Allianzen sollte ein System der offenen Gesellschaften mit berechenbarer Außen- und Sicherheitspolitik und stabilen Volkswirtschaften entstehen. Im Zentrum sollte ein Ausschuss stehen, gebildet aus den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs, dessen Mitglieder darüber wachten, dass es keine neuen Diktatoren wie Hitler mehr geben sollte.[9]

Die US-Regierung sah durchaus Parallelen zu 1815, aber anders als damals sollte es Beratungen über die Nachkriegsordnung schon während des Krieges geben und die Verbündeten sollten an diesen Beratungen beteiligt werden. Zu diesem Zweck wurden ab 1942 Bemühungen unternommen, auf einer breiten internationalen Basis eine neue Weltorganisation aufzubauen und die Wirtschaftsbeziehungen neu zu ordnen.

Erster Schritt war die Verabschiedung der Deklaration der Vereinten Nationen vom Januar 1942, in der die 26 Mitgliedstaaten der Anti-Hitler-Koalition die Zielvorgaben der Atlantik-Charta übernahmen. Weitere 19 Staaten schlossen sich bis Mai 1945 dieser Erklärung an. Auf der Moskauer Tagung der vier Mächte (USA, Großbritannien, Sowjetunion und China) wurde 1943 bekräftigt, dass diese nach dem Sieg gemeinsam für die Erhaltung des Friedens Verantwortung tragen wollten. Im Herbst 1944 wurde in dem Landhaus Dumbarton Oaks in dem Washingtoner Stadtviertel Georgetown unter den vier großen Mächten ein Entwurf der Charta der zu schaffenden Vereinten Nationen vorbereitet.[10] In ihm wurde nicht nur das System Kollektiver Sicherheit neu gestaltet, es wurde auch ein System von Unterorganisationen geschaffen, um weltweit die Zusammenarbeit in einer Vielzahl von Bereichen zu erweitern. Neben dem Sicherheitsrat als der hauptverantwortlichen Organisation für die Aufrechterhaltung der Sicherheit wurde der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) konzipiert, der die nicht sicherheitsbezogenen Aufgaben der Vereinten Nationen koordinieren sollte. Der Entwurf für die Charta wurde im Februar 1945 von den USA, Großbritannien und der Sowjetunion in Jalta noch einmal revidiert. In diesem Zusammenhang wurde das Veto-Recht der Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates festgeschrieben.[11] Im Mai 1945 wurden die Vereinten Nationen mit der Verabschiedung der Charta ins Leben gerufen.

Die Verhandlungen ließen erkennen, dass mit der Gründung der Vereinten Nationen wichtige Lehren aus den Fehlern des Völkerbundes (der im Übrigen erst 1947 aufgelöst wurde) gezogen worden waren. Aber die künftigen Sollbruchstellen der neuen Organisation wurden schnell erkennbar: Die Sowjetunion zeigte nur geringe Bereitschaft, sich der Logik der Kollektiven Sicherheit und des offenen Multilateralismus der Vereinten Nationen anzuschließen. Die Einräumung des Vetorechts für die Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates gab der sowjetischen Führung die Möglichkeit, die Effektivität des gesamten Systems zu zerstören. Trotz eines – im Vergleich zur Völkerbundsatzung – weitaus klügeren Entwurfs blieb das System der Vereinten Nationen in seiner Funktionsfähigkeit davon abhängig, dass die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen freundschaftlich waren.

Ähnlich problematisch sah es mit den Verhandlungen über eine neue Weltwirtschaftsordnung aus. Noch vor dem Treffen von Dumbarton Oaks fand vom 1. bis 21. Juli 1944 im malerisch gelegenen Hotel Mount Washington in Bretton Woods eine internationale Konferenz statt, auf der die Grundlagen für eine neue Weltwirtschaftsordnung gelegt werden sollten. An ihr nahmen Vertreter von insgesamt 44 Regierungen teil – viele von ihnen noch im Exil oder nur teilweise in Kontrolle ihrer Länder. Schon bei der Vorbereitung der Konferenz von Bretton Woods zeigte sich, dass die amerikanischen Planungen problematisch waren. Die US-Regierung wollte auf der Konferenz ein gemeinsam mit der britischen Regierung verfasstes Konzeptpapier zur Neuordnung der internationalen Wirtschaft vorlegen. Die Verabschiedung des amerikanisch-britischen Vorpapiers bedurfte langer und mühsamer Verhandlungen, denn die britische Delegation – angeführt von dem bekannten Ökonomen John M. Keynes – kritisierte die von dem amerikanischen Unterhändler Harry Dexter White vorgelegten Pläne als idealistisch und angesichts der desolaten Lage der Wirtschaft in Europa als nicht umsetzbar.[12] Letztlich setzten sich die amerikanischen Vorstellungen durch, denn es waren die USA, die das größte Gewicht in die Schale warfen. Auch die anderen Konferenzteilnehmer stimmten am Ende einem Kompromisspapier zu, welches im Wesentlichen die Ideen der amerikanischen Regierung reflektierte. Harry Dexter White saß da noch am längeren Hebel – vier Jahre später wurde er als sowjetischer Agent enttarnt und starb wenige Tage danach an einem Herzinfarkt.[13]

 Harry Dexter White und John M. Keynes

Harry Dexter White und John M. Keynes

Kernstück des Systems von Bretton Woods war die Wiedereinführung des Goldstandards als Grundlage der internationalen Handelsbeziehungen. Da die Goldreserven der meisten Industrieländer durch den Krieg sowie die Folgen der schweren Wirtschaftskrisen der 30er-Jahre zu gering waren, erklärten sich die USA bereit, die Rolle des Garanten des internationalen Zahlungsverkehrs zu übernehmen. Die US-Regierung führte für den Dollar den Goldstandard ein und erklärte sich bereit, die US-Währung in feste Wechselkursbeziehungen zu den Währungen der anderen Staaten des Abkommens von Bretton Woods zu setzen. Damit sollte der Wiederaufschwung des internationalen Handels ermöglicht werden. Zur Umsetzung der Vereinbarungen wurde beschlossen, nach dem Krieg den Internationalen Währungsfonds zu gründen, der zwei zentrale Aufgaben zu erledigen hatte: Zum einen sollte er das Entscheidungsgremium für solche Fälle sein, wo Änderungen der Währungsparitäten zu beschließen sind, zum anderen sollte der Währungsfonds einen tatsächlichen Fonds an Geldmitteln bereithalten, mit dessen Hilfe Staaten unterstützt werden konnten, die Schwierigkeiten haben, ihre Währung zu stabilisieren.

Neben dem Weltwährungssystem sollten nach Ansicht der amerikanischen Administration noch zwei weitere Institutionen treten: eine internationale Bank für Wiederaufbau (auch Weltbank genannt, auf Englisch International Bank for Recovery and Development – IBRD) und eine internationale Handelsorganisation, zu deren Aufgaben es gehören sollte, die Zölle abzuschaffen und den Handel im Sinne liberaler Ziele zu gestalten (International Trade Organisation – ITO). Während die Weltbank mit Sitz in Washington, D. C. in Bretton Woods beschlossen und 1947 tatsächlich errichtet wurde, war die politische Unterstützung für die Handelsorganisation von Anbeginn an schwach. Hier gab es nur eine unverbindliche Erklärung. Ab 1946 wurde tatsächlich versucht, diese Organisation zu gründen. Aber als sich abzeichnete, dass der Widerstand im US-Kongress dagegen zu groß werden würde, wurde das Projekt eingestellt.

Was die Neuordnung Europas betraf, so beschränkte sich die Roosevelt-Administration auf die Erarbeitung von Vorschlägen für Nachkriegsdeutschland im Rahmen der Viermächte-Verhandlungen. Die amerikanischen Vorstellungen waren dadurch charakterisiert, dass die nationalsozialistischen Führer entmachtet und bestraft werden sollten. Deutschland sollte ungeteilt bleiben und wieder auf den Weg zur Demokratie gebracht werden. Der Wirtschaft sollten Restriktionen auferlegt werden und es sollten Kompensationen für Schäden erfolgen, aber ohne dass diese den demokratischen Wiederaufbau gefährdeten. Auch waren keine territorialen Abtretungen vorgesehen, so wie es schon in der Atlantik-Charta ausgeführt worden war. Diese Ideen waren nicht unumstritten, im Sommer 1944 legte der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau einen Alternativplan vor, der eine Agrarisierung Deutschlands vorsah. Dieser Plan wurde aber recht schnell beiseitegelegt.[14] Die amerikanischen Deutschlandpläne wurden vor allem von der Sowjetunion abgelehnt und durch die Schaffung von vollendeten Tatsachen konterkariert.

4 Die verhandelte Ordnung (1945–1957)

Die amerikanischen Konzepte für die Neuordnung der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg, die unter der Administration von Präsident Franklin D. Roosevelt entwickelt worden waren, ließen sehr viel guten Willen und Idealismus erkennen. Sie basierten auf der Bereitschaft, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und entsprechende Konsequenzen zu ziehen (insbesondere was die Fehler des Völkerbundes sowie den Umgang mit der Weltwirtschaftskrise in den 30er-Jahren und den Umgang mit Deutschland betraf). Ihnen allen war gemein, dass sie sich in der Realität nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs weitgehend nicht – oder erst einmal nicht – umsetzen ließen. Die Vereinten Nationen erwiesen sich als ineffektiv wegen des Konfliktes mit der Sowjetunion. Für die Einführung des Währungssystems von Bretton Woods waren die europäischen Staaten viel zu geschwächt. Der wirtschaftliche Aufbau Europas und Ostasiens kam anfangs kaum voran und es war illusorisch, die Regeln des Währungssystems umsetzen zu wollen. Auch die amerikanischen Vorstellungen zur Regelung der Deutschlandfrage und zum demokratischen Neubeginn in ganz Europa erwiesen sich als unrealistisch angesichts der sowjetischen Politik. Diese nahm weitgehend eigenständig Grenzänderungen vor und erzwang die Einführung kommunistischer Regime in Osteuropa und in der sowjetischen Besatzungszone: Mehr und mehr wurde in Moskau den USA offene Feindseligkeit entgegengebracht.

Es ist im Nachhinein besehen ein Wunder, dass die amerikanische Politik in den Jahren zwischen 1945 und 1955 all die Mängel der Politik Roosevelts wettmachte und nach und nach in Erfolge umwandelte. Dies ging nur im Rahmen einer Adaption an die sich verändernden Umstände. Die entsprechenden Bemühungen gelangen nur, weil die US-Administration (ab April 1945 unter Präsident Harry S. Truman) sich auf einen Verhandlungsprozess einließ, der alle relevanten internationalen Partner innerhalb der erweiterten Welt des „Westens“ ebenso miteinschloss wie den Kongress, und in dessen Verlauf es gelang, aus schwierigen Konstellationen heraus zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen, die allerdings ohne amerikanische Hegemonie nicht möglich gewesen wären. Andererseits hätte die US-Administration den gesamten Prozess auch nicht allein bewältigen können. Dabei zeigte sich, dass nicht nur die amerikanische Administration wichtige Impulse geben konnte, sondern auch Senatoren des Kongresses und europäische Politiker konstruktiv mitwirkten und somit den Prozess entscheidend mitgestalten konnten. Dieser Prozess stand mehr als einmal vor dem Scheitern und nahm am Ende eine andere Richtung an, als es ursprünglich von seinen Initiatoren beabsichtigt war. Aber die Ergebnisse konnten sich sehen lassen.

4.1 Die ablehnende Haltung der Sowjetunion

Schon während der Konferenzen von Teheran, Moskau und Jalta war deutlich geworden, dass die sowjetischen Ziele nicht mit denjenigen der Atlantik-Charta vereinbar waren. Nicht nur, dass Stalin selbstherrlich die Grenzen der Sowjetunion und Polens nach Westen verschob, Teile der Tschechoslowakei, Rumäniens und Deutschlands und die baltischen Staaten vollständig annektierte, er richtete auch entgegen den Absprachen mit den Westmächten kommunistische Satellitenregime in den eroberten Staaten Osteuropas ein und begann schon im Mai 1945 mit der Vorbereitung einer kommunistisch geführten Staatlichkeit in der sowjetisch besetzten Zone (Gruppe Ulbricht).[15] Die Machtübernahme erfolgte – wenn nötig – unter Anwendung brachialer Gewalt. Zwar wurden im Prinzip breite politische Bündnisse mit nicht-faschistischen Kräften angestrebt, in der Regel wurden die Verbündeten aber bald aus allen Machtpositionen verdrängt und später marginalisiert oder vernichtet.[16] Zudem fiel die Demobilisierung der sowjetischen Streitkräfte weit zurückhaltender aus als diejenige der amerikanischen Truppen. Dies wurde von Stalin offenbar für notwendig gehalten, um die gewaltsame Einführung der kommunistischen Systeme zu unterstützen. Lediglich in der Tschechoslowakei gab es bis 1948 noch einen einigermaßen freien Parlamentarismus, aber hier sorgte die sowjetische Besatzungsmacht dafür, dass die kommunistische Partei einen Einfluss erhielt, der weit über ihr Stimmengewicht hinausging.

Die Führung der Sowjetunion bestand aus Männern, die einer marxistischen Ideologie anhingen, für die die Pläne der USA für eine Neuordnung der internationalen Beziehungen Klassenkampfcharakter hatten. Für Stalin und das Politbüro der Kommunistischen Partei der UdSSR (KPdSU) befand sich die Sowjetunion geopolitisch gesehen in einer Lage, wo sie international noch relativ schwach war im Vergleich zu den USA, wo sich aber die Möglichkeit bot, die eigene machtpolitische Stellung durch die dauerhafte Kontrolle der eroberten Gebiete zu festigen und wo sich dank der Schwäche der westeuropäischen Staaten auch noch Chancen boten, den eigenen Machtraum weiter auszudehnen.

Dieser Umstand war in Washington nicht unbekannt. Schon Anfang April 1945 hatte der Geheimdienst OSS dem damaligen Präsidenten Franklin D. Roosevelt ein Memorandum vorgelegt, in dem es hieß, Russland werde nach dem Ende des Krieges als stärkste Nation in Europa und Asien hervorgehen. Weiter hieß es dort, Russland sei in der Lage, Europa und große Teile Asiens zu dominieren, sollte sich die USA zurückziehen. Aufgrund der Ausstattung mit menschlichen und materiellen Ressourcen könne die Sowjetunion mehr Macht ansammeln als das Deutsche Reich oder Japan. „In the easily foreseeable future Russia may well outrank even the United States in military potential“, hieß es warnend in dem Bericht.[17] Weitere hochrangige Beamte schlossen sich der Warnung an und sowohl Roosevelt als auch sein Nachfolger Truman zeigten sich wiederholt im Zweifel darüber, ob es richtig gewesen sei, sich auf Stalin als Verbündeten zu verlassen. Sie versuchten mit guten Gründen nach Möglichkeiten zu suchen, wie mit der sowjetischen Führung kooperiert werden könne, weil sie die Konsequenzen eines größeren Konfliktes erahnten – besonders unter den Bedingungen einer absehbaren Ausbreitung der Verfügbarkeit von Kernwaffen. Der damalige Verteidigungsminister, Henry Stimson, und der Staatssekretär im State Department, Dean Acheson, forderten Ende 1945 sogar, als vertrauensbildende Maßnahme die Technologie der Atomwaffen mit der Sowjetunion zu teilen.[18]

Den Ausschlag zugunsten der Skeptiker gab ein Telegramm des damaligen Gesandten an der US-Botschaft in Moskau, George F. Kennan, vom Februar 1946. In diesem Telegramm, bestehend aus etwa 8.000 Worten, legte der Russlandkenner Kennan ziemlich deutlich dar, warum es unmöglich sei, die Pläne der USA für eine Neuordnung Europas, der Welt und der Weltwirtschaft in Zusammenarbeit mit der sowjetischen Führung umzusetzen. Diese sei aufgrund ihrer ideologischen Ausrichtung und ihrer Verstrickung in ein despotisches System unfähig, den Kern dieser Bemühungen zu erfassen. Die Sowjetunion stehe für ein völlig anderes Gesellschaftsmodell, dessen Umsetzung bislang nicht gerade vielversprechend verlaufen sei, sondern nur durch den Einsatz massiver Unterdrückung und Gewalt möglich gewesen wäre. Zudem sprach er von einer überwiegend „neurotischen Betrachtungsweise“ der sowjetischen Führung bezüglich der weltweiten politischen Entwicklung, die auf das traditionelle und instinktive russische Gefühl der Unterlegenheit zurückgehe.[19]

Die Analyse Kennans fand nach und nach Akzeptanz in der Administration und auch im Kongress und diente als Begründung für die später von Kennan maßgeblich mitgestaltete Eindämmungspolitik. Anlass für das Überwiegen dieser russlandkritischen Haltung war, dass die sowjetische Politik in fast allen Bereichen darauf ausgerichtet war, die amerikanischen Bemühungen um Neuordnung und Wiederaufbau zu konterkarieren. Das betraf nicht nur die Frage nach der Gründung von Weltbank und Währungsfonds, sondern auch das Verhalten bezüglich der Verwaltung Deutschlands oder bei Fragen, die den Mittleren Osten betrafen (Iran).

4.2 Britische und französische Sonderwege

Aber die Sowjetunion war nicht das einzige Land, welches Vorstellungen hinsichtlich einer Neuordnung Europas und der Welt hatte, die von denjenigen der Truman-Administration abwichen. Auch Frankreich und Großbritannien standen den amerikanischen Konzepten teilweise kritisch bis ablehnend gegenüber. Einiges wollten sie akzeptieren, anderes nicht. Die Kritik deckte teilweise konzeptionelle Schwächen der amerikanischen Politik auf, sie reflektierte aber auch tradierte nationale Einstellungen und politische Prioritäten, die sich in der Vergangenheit als problematisch erwiesen hatten, an denen britische und französische Politiker aber dennoch festhielten. Zudem wollten London und Paris die internen Probleme ihrer Gesellschaften durch nationale Anstrengungen im Bereich Sozialstaat und staatlicher Intervention lösen.

Die Regierungen in London und Paris standen den Plänen zur Liberalisierung des Welthandels und der Währungskonvertibilität grundsätzlich positiv gegenüber. Aber sowohl die französischen Übergangsregierungen als auch die Mitte 1945 ins Amt gekommene Labour-Regierung in London waren realistisch genug einzusehen, dass die wirtschaftliche Lage in Europa so katastrophal war, dass an Liberalisierung und Währungskompatibilität noch lange nicht zu denken war. Tatsächlich musste der Staat viele Bereiche der Wirtschaft direkt übernehmen und der Handel lief noch unter strikter Regulierung ab. Die Währungen waren schwach und instabil. Es dauerte tatsächlich bis Ende der 50er-Jahre, bis die Konvertibilität der meisten europäischen Währungen mit dem US-Dollar hergestellt werden konnte. Auch die Einrichtung der Weltbank und des Währungsfonds dauerte länger als erwartet. Das bedeutete, die großen Pläne zur liberalen Neuordnung der Weltwirtschaft waren erst einmal nicht umsetzbar. Die konkreten wirtschaftlichen Probleme erforderten aber schnelle Lösungen – und finanzielle Unterstützung aus den USA. Und beides musste neu verhandelt werden, wobei die amerikanische Seite die Gewährung von Unterstützung von der Akzeptanz ihrer Pläne zur Neuordnung der Weltwirtschaft abhängig machte – was auf Großbritannien und Frankreich erst einmal anmaßend wirkte, im Nachhinein aber eine vernünftige Forderung war.

Erst einmal schlugen Frankreich und Großbritannien bereits 1945 in der Wirtschafts- und Sozialpolitik Wege ein, die in Washington für Stirnrunzeln sorgten. Die im August 1945 gewählte Labour-Regierung unter Premierminister Clement Attlee verschrieb sich der Einführung eines aufwendigen und umfassenden Sozialstaates. Ein Konzept hierfür war 1942 von dem liberalen Wissenschaftler William Beveridge vorgelegt und 1944 durch einen weiteren Bericht erweitert worden.[20] Beveridge nahm eine Debatte auf, die damals in der westlichen Welt geführt wurde. Es ging vor dem Hintergrund der großen Depression der 30er-Jahre um die Frage, ob und wieweit der Staat in die Wirtschaft eingreifen kann und soll und wie weit er sich zurückhalten soll.

Der wichtigste Vordenker in dieser Debatte war der britische Ökonom John Meynard Keynes, der schon in den 20er-Jahren eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik gefordert hatte. Sein Hauptwerk war das 1936 erschienene Buch The General Theory of Employment, Interest and Money.[21] Er wurde zum Berater vieler britischer und auch amerikanischer Politiker, seine Ideen hatten auch die New-Deal-Politik des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt nachhaltig beeinflusst. Die hauptsächlichen Defekte der heutigen Gesellschaften, so Keynes, seien die Unfähigkeit des Kapitalismus, Vollbeschäftigung zu garantieren sowie die weiterhin bestehende ungleiche Verteilung von Wohlstand und Einkommen. Beides habe das Potenzial, zu einer Erschütterung der Gesellschaft bis hin zum Kollaps zu führen. Die Krisen könnten nur bewältigt werden, wenn der Staat eingreife, und zwar an sinnvoller Stelle: durch indirekte Eingriffe in das Wirtschaftsleben sowie durch eine moderate Umverteilung.

Besonders die Eingriffe in das Wirtschaftsleben wurden von ihm herausgestellt. Im Gegensatz zu den vorherrschenden Auffassungen der liberalen Wirtschaftswissenschaftler in den 20er- und frühen 30er-Jahren vertrat er die Meinung, dass man bei einer konjunkturellen Krise nicht so lange warten dürfe, bis sich ein Gleichgewicht von allein herstelle (das heißt bis Löhne und die Preise sinken). Diese Krisen könnten Gesellschaften wegen der damit verbundenen existenziellen Gefährdungen für Millionen von Menschen nicht dauerhaft verkraften. Es müsse dem Aufkommen derartiger konjunktureller Krisen durch eine bewusste staatliche Politik entgegengewirkt werden. Diese müsse primär an der Geldpolitik ansetzen. Der Staat müsse dafür Sorge tragen, dass während einer Konjunkturkrise der Geldumlauf nicht kleiner werde, sondern dass eher eine Art Geldspritze erfolge, um die Konjunktur wieder zu beleben. Dies müsse durch drei Instrumente geschehen:

  • Die Schaffung von Nachfrage durch staatliche Aufträge, vor allem im Bereich der Bauwirtschaft. Hier seien nicht nur Maßnahmen zur Förderung des Hausbaus wichtig, sondern vor allem Investitionen im Bereich der Infrastruktur (Straßenbau, Eisenbahnbau, Staudämme, Elektrifizierung etc.). Diese Ausgaben lösten Konjunkturschübe aus und stimulierten damit die Nachfrage in anderen Sektoren.

  • Eine Geldpolitik, die sich nicht davor scheue, in Krisenzeiten mehr Geld auszugeben als sie einnehme. Der Staat solle sich verschulden, müsse diese Schulden allerdings bei Verbesserung der Konjunkturlage zurückzahlen.

  • Eine Zinspolitik, die auf niedrige Zinsen abziele, weil nur so erreicht werden könne, dass sich die Menschen aktiv ökonomisch engagierten und sich nicht zu Rentnern entwickelten, die nur vom Kapitaleinkommen lebten.

Während Keynes sich für Eingriffe des Staates aussprach, die weitgehend indirekt blieben, weil sie nicht in die private Verfügungsgewalt eingriffen, sondern mit Anreizen arbeiteten und die Bedeutung des Staates als fiskalischen Akteur nutzten, stand Beveridge – wie Josef Schumpeter – für eine sehr viel radikalere Sichtweise. Ähnlich wie Keynes befürwortete auch Beveridge weitgehende Eingriffe des Staates in die Wirtschaft, um dieser eine Richtung zu geben, zu der diese allein nicht fähig sei. Aber sein Anliegen war darüber hinaus vor allem auf die Errichtung einer Gesellschaft ausgerichtet, die mehr war als nur ein Reparaturbetrieb für Krisen des Kapitalismus. Er stand den Theorien Keynes nicht ablehnend gegenüber, aber er schrieb: „Eine solche Politik geht der Sache nicht auf den Grund, und weil sie nicht gründlich ist, ist sie auch nicht gut“. „Mein Programm,“ so Beveridge, „besteht in einer langfristigen Planung der Nationalausgaben, mit dem Ziel, in erster Linie die gigantischen sozialen Missstände Not, Krankheit, Elend und Unwissenheit zu bekämpfen und durch Verbesserung unserer Kapitalausrüstung die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft zu heben.“[22] Er schlug eine Vielzahl von teilweise radikalen Maßnahmen vor, darunter die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen, Nahrungsmitteln und Heizenergie durch den Staat, die Ankurbelung und Regulierung der Privatinvestitionen durch eine Zentralstelle für Kapitalinvestitionen, die Ausdehnung des öffentlichen Sektors der Wirtschaft, unbeschränkte Staatskontrolle über die Industrie aufgrund eines Landesplans, Marktkontrolle für Rohstoffe, ein umfassendes System der sozialen Risikoabsicherung, eine Reform des Bildungswesen und die Schaffung eines staatlichen Gesundheitssystems.

 William Beveridge im Jahr 1943

William Beveridge im Jahr 1943

Beveridges Vorschläge klangen utopisch, aber infolge des überraschenden Wahlsiegs der Labour Party im Juli 1945 wurden diese zum Ausgangspunkt für die Sozial- und Wirtschaftsgesetzgebung Großbritanniens. Der Begriff „Beveridge-Sozialismus“ oder „Beveridge-Sozialstaat“ wurde weit über Großbritannien hinaus bekannt. In den USA traf diese Politik auf Skepsis. Kaum einer glaubte, dass so etwas funktionieren könne. Die Befürchtung war groß, dass der britische Sozialstaat viel Geld kosten würde, welches die amerikanische Regierung vorschießen sollte, ohne dass daraus eine langfristige Erholung der britischen Wirtschaft resultierte. Das alles machte die Politik der Truman-Administration nicht einfacher.

Auch in Frankreich ging die seit 1944 amtierende Übergangsregierung (erst unter General de Gaulle, ab Februar 1946 unter den nachfolgend amtierenden Präsidenten Felix Gouin, George Bidault und Léon Blum) in Richtung Sozialstaat und gemischter Wirtschaft, wenngleich die Konzepte weniger radikal waren als in Großbritannien. Hier war es vor allem der umtriebige und gut vernetzte Cognac-Hersteller Jean Monnet, der im Auftrag de Gaulles die französische Wirtschaft erfolgreich neu organisierte. Niemand glaubte in Frankreich zu der Zeit an die Möglichkeit, dass sich die Wirtschaft allein werde erholen können. Zu sehr wirkte die Erfahrung der großen Depression nach. Die Wirtschaft Frankreichs hatte bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Agonie verharrt und nunmehr sollte der Staat dazu dienen, durch die Vorgabe von Planungszielen die wirtschaftlichen Aktivitäten zu beleben. Der Monnet-Plan diente in erster Linie dazu, Prioritäten für die Wirtschaft festzulegen und dann zu klären, wie und durch wen diese Ziele zu erfüllen seien. In diesem Zusammenhang wurde auch die Verstaatlichung ganzer Industriezweige vorgenommen, die für das Funktionieren der Wirtschaft von strategischer Bedeutung waren. Es sollten staatliche Investitionen nach vorgegebenen Prioritäten vergeben werden, um damit eine „sinnvolle Ausrichtung“ der wirtschaftlichen Aktivitäten zu bewirken. Das hatte sehr viel von Dirigismus an sich und es gab auch in Frankreich erhebliche Sozialstaatsreformen. Monnet ging aber geschickter vor als die britische Regierung. Er unterstand direkt dem jeweiligen Premierminister, er war zudem in Washington hervorragend vernetzt und galt als zuverlässig und effizient. Seine Planungen erlaubten es, der amerikanischen Seite Konzepte vorzulegen, auf deren Basis die USA Kredite zur Ankurbelung der Wirtschaft Frankreichs vergeben konnten.[23] Sein dirigistisches Konzept ermöglichte Frankreich in den 50er-Jahren tatsächlich den Weg zum wirtschaftlichen Aufschwung.

Derartige Ideen einer gemischten Wirtschaft waren zu der Zeit in Europa weitverbreitet. Der liberale Kapitalismus galt als abgehalftert, als „selbstzerstörerisch“, wie es der in Harvard lehrende österreichische Ökonom Josef Schumpeter in einem während des Weltkriegs erschienen Buches ausgedrückt hatte.[24] Für Schumpeter war der Kapitalismus in seiner Reinform nicht überlebensfähig. Der Staat müsse regelnd eingreifen und zentrale Einrichtungen der Wirtschaft verstaatlichen. Nur so könne sichergestellt werden, dass die marktwirtschaftliche Anarchie aufhöre und eine Wirtschaft entstehe, die am Gemeinwohl orientiert sei. Schumpeter nannte das eine Form von Sozialismus, er schlug die Sozialisierung mehrerer Sektoren des Wirtschaftslebens vor: des Bankapparats, des Versicherungswesens, der Eisenbahn und des übrigen öffentlichen Transportwesens, der Bergwerke, Kohlengruben, der Erzeugung, Übertragung und Verteilung der elektrischen Energie, der Eisen- und Stahlindustrie sowie der Bauindustrie und Baumaterialindustrie und auch der Rüstungsindustrie.

In Frankreich, Großbritannien und im übrigen Europa der Jahre nach 1945 war die Überzeugung weitverbreitet, dass die Zukunft in irgendeiner Form des „Sozialismus“ läge. In Frankreich und in Italien hatten die kommunistischen Parteien Stimmanteile bei den Wahlen, die zwischen 20 % und 30 % lagen. In Frankreich stellten die Kommunisten bei der ersten Wahl zum Nationalrat mit 27 % die stärkste Partei. Kommunisten und Sozialisten hatten zusammen eine Mehrheit in der ersten Verfassungsgebenden Versammlung. Aber auch in Deutschland war die Vorstellung weitverbreitet, dass ein ungeregelter Kapitalismus schädlich sei. Im Ahlener Programm der gerade gegründeten CDU hieß es im Februar 1947: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen … Durch eine gemeinschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.“ Auch in Italien, den Benelux-Ländern und anderen westeuropäischen Staaten wurde in ähnlicher Richtung gedacht.[25]

4.3 Die Phase des Stillstands

Die Tatsache, dass die Europäer in Richtung gemischte oder sozialistische Marktwirtschaft gingen, stellte in den USA vor allem für viele Kongressabgeordnete ein grundsätzliches Problem dar. Es klang viel zu sozialistisch. Die Truman-Administration war da pragmatischer. Für sie war wichtig, dass konkrete und umsetzbare Pläne mit mittel- bis langfristigen Perspektiven für den Wiederaufbau vorgelegt wurden, die es erlaubten, Kredite zu vergeben.[26] Aber die ab 1945 zur Verfügung stehenden US-Gelder für bilaterale Finanzhilfe waren viel zu gering. Die wirtschaftlichen Probleme Frankreichs, Großbritanniens, der Benelux-Länder, Italiens und vor allem Deutschlands waren viel größer und tiefgehender als erwartet. In Frankreich, Belgien und den Niederlanden lag die Industrieproduktion Ende 1946 immer noch um 20 Prozent niedriger als 1936 (zur Zeit der Depression). In Italien lag die Industrieproduktion bei 60 Prozent der Leistung von 1936 und am schlimmsten war die Lage in Deutschland mit gerade einmal 36 Prozent. Zudem war die Versorgungslage in den deutschen Besatzungszonen katastrophal.

Besonders der Winter 1946/1947 fiel nicht nur extrem kalt aus, in dieser Zeit brach auch die Lebensmittelversorgung teilweise zusammen. Deutschland durchlebte einen Hungerwinter, der Zehntausende das Leben kostete oder in den Selbstmord trieb.[27] Das Magazin „Der Spiegel“ schrieb zu dieser Zeit: „Im Juni 1946 erhielten die deutschen Normalverbraucher in der britischen Zone 1.050, in der amerikanischen 1.270 und in der französischen Zone sogar nur 880 Kalorien (Nach einer Völkerbundrechnung benötigt ein nicht arbeitender Mensch täglich 2.400 Kalorien).“[28] In der sowjetischen Besatzungszone war die Lage nicht ganz so katastrophal.

Die Lage in Deutschland wurde 1946 immer schlechter und 1947 geradezu dramatisch. Die amerikanische Regierung sah sich in dieser Situation nicht nur mit der Obstruktionspolitik der sowjetischen Seite konfrontiert, die immer mehr Reparationen durch Abbau von Industrieanlagen in ganz Deutschland verlangte, sondern auch durch die Politik Frankreichs. Die Regierung in Paris legte bis März 1948 im Alliierten Kontrollrat ihr Veto gegen die Bildung gesamtdeutscher Organe und gegen den Wiederaufbau der Wirtschaft in den Besatzungszonen ein. Die Regierung in Paris war nur bereit, über diese Fragen zu diskutieren, wenn gleichzeitig die Abtrennung des Rheinlandes und des Ruhrgebiets vom deutschen Staatsgebiet und deren wirtschaftliche Mitnutzung durch Frankreich beschlossen würden.[29] Auf Vorhaltungen der amerikanischen Regierung, dass Frankreich mit dieser Obstruktionspolitik den wirtschaftlichen Wiederaufbau ganz Europas gefährde, wurde vom französischen Interimspräsidenten Bidault argumentiert, man müsse auf die Bedenken der kommunistischen Mitglieder der Regierung Rücksicht nehmen, ansonsten werde das Land noch mehr destabilisiert.

Spätestens Anfang 1947 war die Lage so verfahren, dass das Scheitern der amerikanischen Nachkriegspolitik in Europa – und damit des gesamten Projektes der internationalen Neuordnung – absehbar wurde. Zudem hatte sich die Lage in Griechenland zugespitzt. Mit Unterstützung des kommunistischen Jugoslawiens begannen die griechischen Kommunisten einen Bürgerkrieg gegen die Regierung in Athen. Gleichzeitig drängte Moskau die Türkei, ihr das Recht zur Kontrolle der Schifffahrt durch den Bosporus und die Dardanellen zu überlassen. Der Druck auf Präsident Truman, auf diese Lage zu reagieren, wurde immer größer. Am 12. März 1947 verkündete Präsident Truman die später nach ihm benannte Doktrin, wonach die Vereinigten Staaten jene Völker unterstützen würden, die sich im Kampf gegen bewaffnete Minderheiten oder äußere Feinde befänden, die sie unter ein totalitäres Regime zwingen wollten.[30] Damit war die Politik des Offenhaltens der Kooperation mit der Sowjetunion beendet und der Kalte Krieg „offiziell“ eröffnet.

4.4 Die Ost-West-Konfrontation als Motor der Ordnungsbildung in Westeuropa

Dieser Schritt war angesichts der sowjetischen Politik unvermeidlich, wenngleich er bedeutete, dass die amerikanische Politik auf Dauer die Teilung Europas akzeptierte. Dieser Schritt ermöglichte es umgekehrt der Truman-Administration, die Frage des Wiederaufbaus Westeuropas – einschließlich der westlichen Besatzungszonen Deutschlands – mit neuer Energie anzugehen. Der amerikanische Außenminister George Marshall ging davon aus, dass jegliches Hinauszögern wirtschaftlicher Stützmaßnahmen aus Furcht, „durch einseitiges amerikanisches Vorgehen die Zusammenarbeit der Großmächte zu stören“, katastrophale Folgen haben werde und nur die kommunistischen Kräfte gestärkt würden.[31] Nunmehr ging die Truman-Administration einseitig vor und setzte sich vor allem über die sowjetischen, aber auch über die französischen und britischen Bedenken hinweg.

Das Ergebnis war der Marshallplan. Er wurde am 4. Juni 1947 von Außenminister Marshall vorgestellt. Die Initiative bedeutete zweierlei: Zum einen sollten die Europäer mehr Kredite bekommen, damit der wirtschaftliche Aufschwung tatsächlich eintreten konnte. Im Gespräch waren 13 Milliarden US-Dollar, die zu den bereits vergebenen 12 Milliarden Dollar an bilateraler Hilfe hinzukommen sollten. Angesichts eines Bruttosozialprodukts der USA von 258 Milliarden Dollar war das ein erheblicher Betrag (5 Prozent). Diese Kredite sollten im Prinzip für alle europäischen Regierungen oder Verwaltungseinheiten zugänglich sein, also auch den deutschen Besatzungszonen und den Staaten im sowjetischen Einflussbereich. Bedingung für die Gewährung der Kredite war jedoch, dass die europäischen Regierungen sich zusammentaten „und in gemeinsamer Arbeit ein koordiniertes europäisches Wiederaufbauprogramm entwerfen.“[32] Ziel war es laut George F. Kennan, dem eigentlichen Vater dieses Programms, „Westeuropa instand zu setzen, aus eigener finanzieller Kraft einen erträglichen Lebensstandard zu halten“ und damit der Gefahr vorzubeugen, dass kommunistische Kräfte in Westeuropa die Macht übernahmen und der ganze Kontinent in die Abhängigkeit von der Sowjetunion geriet. Kennan hielt die Beherrschung ganz Europas durch Moskau für eine wahrscheinliche Möglichkeit, von der er sagte, dass sie schlecht für die USA sei, aber auch nicht so schlecht, dass daraus eine Existenzgefährdung resultiere. Er hielt das kommunistische System für dauerhaft nicht überlebensfähig und ging davon aus, dass sich das Blatt nach einigen Jahrzehnten wieder wenden werde – wie Recht er damit hatte, konnte man 1989 erleben.

 George F. Kennan im Jahr 1947

George F. Kennan im Jahr 1947

Der Marshallplan wurde von der Sowjetunion und deren Satellitenstaaten abgelehnt. Auch Finnland, welches zum sowjetischen Interessenbereich zählte und ähnlich starkem innen- wie außenpolitischen Druck ausgesetzt war wie die Tschechoslowakei, musste zähneknirschend ablehnen. Beginnend im Sommer 1947, wurden Verhandlungen der Europäer eingeleitet. Dazu waren sie laut Marshallplan verpflichtet. Ohne ein gemeinsames Konzept gab es kein Geld. Und Geld gab es auch nur, wenn dadurch die Lage der Menschen in den Westzonen Deutschlands verbessert wurde. Die Absicht der USA war es, angesichts der Gefahr des erneuten Zusammenbruchs Europas die „europäische Krankheit“ zu überwinden und die Europäer dazu zu zwingen, eine Föderation oder Konföderation oder irgendeine andere Art der multilateralen Kooperation zu bilden, die ihnen helfen sollte, die ewigen Streitigkeiten zu überwinden. Vor allem für die Wiedereingliederung Deutschlands in die europäische Völkerfamilie war es der Truman-Administration wichtig, dass europäische Strukturen geschaffen wurden. Der abgewählte britische Premierminister Winston Churchill hatte derartiges schon 1946 in seiner berühmten Züricher Rede gefordert. Diese fand zwar in der Öffentlichkeit – besonders unter jungen Menschen – große Resonanz, wurde aber weder in Frankreich noch in Großbritannien von der Politik aufgegriffen. Auch gab es eine pan-europäische Bewegung, die sich dem Gedanken einer europäischen Föderation verpflichtet fühlte, dennoch sah die politische Realität in den meisten Hauptstädten Europas anders aus.

Die Verhandlungen der Europäer wurden erst im lockeren Rahmen (das Verhandlungsgremium nannte sich Committee for European Economic Cooperation – CEEC) geführt. Im April 1948 wurde die Zusammenarbeit durch die Schaffung der Organisation for European Economic Cooperation (OEEC), mit Sitz im Chateau de la Muette in Paris, institutionalisiert. Sie sollte einen effektiven Rahmen für die spätere Verteilung der Gelder schaffen. Die Verhandlungen waren mühsam, aber sie mussten einen Erfolg erbringen, ansonsten hätte der Kongress den Krediten nicht zugestimmt. Wieder zeigte sich, dass jeder jedem misstraute und für sich irgendeinen Sonderstatus beanspruchte. Besonders Frankreich und Großbritannien setzten auf ihre besondere Rolle als Siegermächte und Kolonialmächte, die skandinavischen Länder betonten, wie wichtig es für sie sei, dass sie ihre Neutralität bewahrten, und andere versuchten Sonderregelungen für sich auszuhandeln. Westdeutschland war durch die amerikanisch-britische Bi-Zonenverwaltung und durch die französische Zonenverwaltung vertreten. Eine eigenständige deutsche Vertretung gab es nicht.

Es gelang trotz aller Schwierigkeiten bis April 1948 im Rahmen von technischen Arbeitsgruppen die wesentlichen Anforderungen zusammenzustellen und dann im Rat nach langem Hin und Her einstimmig zu verabschieden. Am Ende einigten sich die Teilnehmer auf ein Programm, welches über 17 Milliarden Dollar umfassen sollte und bei dem ein Verteilungsschlüssel gefunden wurde: Demnach sollten 24 % auf Großbritannien entfallen, 20 % auf Frankreich, 11,1 % auf Italien und 11 % auf Westdeutschland. Dass Westdeutschland immerhin 11 % bekommen sollte, war weniger dem Vertrauen in einen demokratischen Neuanfang in Deutschland geschuldet als vielmehr der Furcht, dass angesichts des dort vorherrschenden Hungers und Elends die Deutschen sich einer anderen radikalen Ideologie verschreiben könnten – oder dass sie in Massen versuchten auszuwandern. Mit den 11 % sollte erreicht werden, dass es wieder zu einer gewissen Erholung kommen konnte, allerdings sollte die Industrieproduktion das Niveau von 1936 nicht überschreiten. Dahinter stand die Furcht Frankreichs, dass das Ruhrgebiet zur erneuten Rüstungsschmiede Deutschlands werden könne. In diesem Zusammenhang forderte die französische Regierung weiterhin die Abtrennung des Ruhrgebiets oder einen Sonderstatus, der eine Form der direkten oder indirekten Kontrolle durch Frankreich ermöglichte.

Im Rahmen der CEEC-Verhandlungen wurde auch die Gründung der Europäischen Zahlungsunion beschlossen. Mit der Union sollten Hindernisse für die Konvertibilität der Währungen beseitigt und Mengenbeschränkungen abgeschafft werden. Am Ende wurden von Seiten des US-Kongresses knapp 13 Milliarden Dollar bewilligt, wobei die Europäer noch eine Reihe von Konzessionen machen mussten, die die Liberalisierung des Handels in Europa betrafen.[33]

Die Marshallplan-Gelder wurden für vier Jahre vergeben und hatten den gewünschten Effekt, dass mit ihnen die wirtschaftliche Entwicklung gefördert wurde. Allerdings wäre ohne das gleichzeitige Drängen der USA auf Handelsliberalisierung der Effekt deutlich geringer ausgefallen. Ab April 1947 liefen ernsthafte multilaterale Gespräche über Zollsenkungen, an denen 23 Staaten der westlichen Hemisphäre teilnahmen. Die Verhandlungen begannen mit dem grundsätzlichen Bekenntnis der teilnehmenden Staaten, ihre Zölle zu reduzieren oder ganz abzuschaffen. Im Oktober 1947 warteten die Teilnehmer bereits mit einem ersten Abkommen auf, welches für 45.000 Positionen Zölle reduzierte oder abschaffte. Zur gleichen Zeit wurden die Verhandlungen über die Schaffung einer Internationalen Handelsorganisation eingestellt. Stattdessen wurden die Verhandlungen über den Zollabbau unter der Bezeichnung General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) fortgesetzt.

Für Westdeutschland wurden die Segnungen des Marshallplans mit Einführung der Währungsreform im Sommer 1948 spürbar. Aber die wirtschaftliche Entwicklung blieb begrenzt, da bis 1950 hinein noch Industrieanlagen abgebaut wurden[34] und die Produktion von Stahl und Kohle auf Anordnung des Alliierten Kontrollrates auf das Niveau der frühen dreißiger Jahre beschränkt bleiben sollte. Erst mit der Erlangung der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland zum Herbst 1949 sollte sich die Situation langsam verbessern.

Die CEEC-Verhandlungen und deren Institutionalisierung im Rahmen der OEEC stellten einen „defining moment“ der Europäischen Geschichte dar. Unter dem sanften Druck des demokratischen Hegemons wurden die Europäer dazu gezwungen, miteinander in einem multilateralen Rahmen zu kooperieren. Das fiel vielen sichtlich schwer, denn Nationalismus, Egoismus, Überheblichkeit, Kurzsichtigkeit und das Streben nach kurzfristigen Vorteilen waren weitverbreitet. Männer und Frauen mit Augenmaß gab es überall, aber deren Stimmen wurden viel zu wenig gehört. Die europäischen Staatsmänner mussten aber kooperieren, denn ansonsten wäre es zu einem weiteren Kollaps Europas gekommen. Zudem gab es ein Ereignis, welches die Verhandlungspartner zur Kooperation zwang: Im Februar 1948 übernahmen in Prag die Kommunisten durch einen gewaltsamen Putsch die Macht, wobei Außenminister Jan Masaryk zu Tode kam („Prager Fenstersturz“). Damit schienen sich alle Befürchtungen über ein zunehmend aggressiveres Vorgehen der Sowjetunion und der von Moskau weitgehend gelenkten Kommunistischen Parteien zu bewahrheiten.

4.5 Initiativen für europäische Integration

Die von vielen Menschen damals gehegten Hoffnungen, wonach die Gründung der OEEC die Initialzündung für die europäische Einheit werden könnte, erfüllten sich in den kommenden Jahren aber nicht. Die OEEC beschränkte sich auf die Verwaltung der Mittel des Marshallplans und war ein Gremium, in dem über den Abbau von Handelsrestriktionen innerhalb Europas verhandelt wurde.[35] Ab der Mitte der 50er-Jahre wurde ihre Bedeutung nachrangig. Auch ein Versuch der europäischen Einigungsbewegungen – zumeist junge Menschen, die die Vereinigten Staaten von Europa anstrebten und dabei von den USA unterstützt wurden – die europäischen Regierungen zu mutigen politischen Schritten zu veranlassen, hatte nur geringen Erfolg: Im Mai 1949 wurde in London im Rahmen des sogenannten Zehn-Mächte-Paktes zwar der Europarat gegründet, um ein Forum für eine breit angelegte politische Zusammenarbeit der Staaten Europas zu schaffen. Dieses Forum wurde aber wenig genutzt. Der Europarat blieb ein unverbindliches Gremium, welches der europäischen Integrationsbewegung keine wesentlichen Impulse verlieh.

Der wichtigste, der zündende Impuls für die europäische Integration sollte überraschenderweise aus Frankreich kommen. Anlass war weniger ein völliges Umdenken der bis dahin extrem restriktiv auf die Einhegung Deutschlands bedachten und mit einer europakritischen Haltung ausgestatteten französischen Regierung, als vielmehr der Versuch, einen Ausweg aus einer immer unhaltbareren Position zu finden. Es war der oben erwähnte Jean Monnet, der in dieser Situation aus der Not eine Tugend machte und den französischen Außenminister Robert Schuman von einer revolutionären Idee überzeugte – die Schaffung einer supranationalen Behörde.

Anlass war die Gründung der Bundesrepublik Deutschland, die auf Drängen der amerikanischen Administration im September 1949 erfolgt war. Die französische Regierung verfolgte die Sorge, dass im Ruhrgebiet die Stahl- und Kohleproduktion wiederaufgenommen würde und dass Deutschland erneut zu einer Bedrohung für Frankreich werden könne. Um den französischen Bedenken Rechnung zu tragen, wurde im November 1949 vereinbart, das Ruhrgebiet einer internationalen Kontrolle der Alliierten und der Benelux-Länder zu unterstellen (das sogenannte Ruhrstatut). Diese Regelung behinderte aber die industrielle Entwicklung Deutschlands und galt in der Bundesrepublik als unfair, weil sie ein dauerhaftes Diktat der Siegermächte über die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands bedeutete, weitergehender als die wirtschaftlichen Bestimmungen des Versailler Vertrags. Besonders für die Ende 1949 ins Amt gekommene Adenauer-Regierung stellte dieses Statut eine hohe politische Belastung dar. Die französische Regierung stand daher unter erheblichem Druck aus Washington, das Ruhrstatut wieder aufzugeben. Im Mai 1950 legte dann der französische Außenminister den nach ihm benannten Schuman-Plan vor, in dem vorgeschlagen wurde, die Stahl- und Kohleindustrie aller daran beteiligten europäischen Staaten unter die Kontrolle einer gemeinsamen, übernationalen Behörde zu stellen. Der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer reagierte sofort positiv und Verhandlungen begannen, an denen neben Frankreich und der Bundesregierung auch die Regierungen der BeNeLux-Staaten sowie später auch Italiens mitwirkten. Nach knapp 11 Monaten war der Vertrag über die Etablierung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) fertig und trat im Sommer 1952 für alle beteiligten Staaten in Kraft.[36] Das war die Geburtsstunde der europäischen Integration. Auch hier war das Muster ähnlich: Die USA übten mehr oder weniger sanften Druck auf die französische Regierung aus, die in ihrer Politik gegenüber Deutschland immer noch den Zielen und Prinzipien der 20er-Jahre anhing und genau wie damals begann, den Bezug zur Realität zu verlieren. Die Truman-Administration verschärfte dieses Dilemma, indem sie Fakten schuf und die Regierung Frankreichs am Ende kaum noch eine andere Wahl hatte, als mit einer mutigen Initiative nach vorne zu gehen. Es kann dabei als ein Glücksfall der Geschichte gelten, dass ein derart unabhängiger und kreativer Mann wie Jean Monnet zur Stelle war und die richtige Idee einbrachte. Es hätte auch anders kommen können.[37]

 Jean Monnet und Adenauer im Jahr 1953

Jean Monnet und Adenauer im Jahr 1953

4.6 Die Regelung der sicherheitspolitischen Fragen

Die „Methode Monnet“, wie dieses Vorgehen danach genannt wurde, sollte kurz darauf erneut angewendet werden, um der französischen Politik aus einer weiteren Klemme zu helfen. Die Forderungen der USA und Großbritanniens nach einem deutschen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung des Westens hatten 1949 und 1950 zugenommen. Im Juni 1950 bekamen sie eine erneute Aktualität, als das kommunistisch regierte Nordkorea den Süden des Landes angriff. Zuvor hatte der nordkoreanische Diktator Kim Il-Sung von der Sowjetunion die dazu notwendigen Waffen (und die damit verbundenen Ausbildungsleistungen) erhalten und konnte sich auf das Wohlwollen Moskaus und der kommunistischen Führung Chinas verlassen.[38] Die nordkoreanischen Truppen hatten bei ihrem Angriff weder Rücksicht auf die Bevölkerung noch auf die dort befindlichen kleinen Kontingente amerikanischer Streitkräfte genommen. Die kommunistischen Verbände waren kurz davor, die gesamte Halbinsel zu besetzen, erst eine amerikanische Gegenoffensive im Auftrag der Vereinten Nationen wendete den Kriegsverlauf.

Zwar war die Ausgangslage in Europa anders als auf der koreanischen Halbinsel (vor allem standen hier mehr amerikanische Soldaten, in Korea befanden sich im Juni 1950 keine US-Kampfeinheiten), aber nunmehr trat die Furcht vor einer sowjetischen Invasion in Europa in den Vordergrund. Diese Angst war nicht unbegründet, denn die Demobilisierung nach dem Zweiten Weltkrieg war asymmetrisch verlaufen: Die USA und Großbritannien hatten ihre in Europa stationierten Truppen relativ rasch demobilisiert.[39] Auf dem europäischen Kontinent (d. h. weitgehend in Deutschland) standen 1950 gerade noch 6 amerikanische und 2 britische Divisionen, deren Bereitschaftsgrad nicht sehr hoch war. Auf sowjetischer Seite war die Demobilisierung sehr viel langsamer verlaufen. Im Jahr 1950 standen immer noch sechs sowjetische Armeen in Ostdeutschland. Das waren zwanzig Divisionen, deren Bereitschaftsgrad ab 1949 deutlich erhöht worden war (im Jahr 1950 standen ca. 600.000 sowjetische Soldaten in Ostdeutschland, 1947 waren es nur 350.000 gewesen). Zudem hatte die Sowjetunion im September 1949 ihren ersten erfolgreichen Kernwaffentest unternommen, was bedeutete, dass das amerikanische Nuklearwaffenmonopol seine Wirkung verlor.

Die Furcht vor einer militärischen Bedrohung durch die Sowjetunion stand schon zuvor im Raum, jetzt wurde sie aber immer akuter. In diesem Zusammenhang wurden erneut die unterschiedlichen Interessen der westlichen Partner deutlich, die sich aus der engen Verknüpfung der Sicherheitsproblematik mit der Deutschlandfrage ergaben. Von Briten und Franzosen auf der einen Seite und der Truman Administration auf der anderen Seite wurde dabei versucht, die jeweils andere Seite in schriftlich fixierte Abkommen einzuschließen.[40] Während die USA das Ziel verfolgten, die westlichen Besatzungszonen Deutschlands wirtschaftlich und politisch zusammenzuschließen und Briten und Franzosen dahin zu drängen, gemeinsam mit dem entstehenden westdeutschen Staat (ab Mai 1949 der Bundesrepublik Deutschland) eine „dritte Kraft Europa“ zu bilden, die in der Lage sein sollte, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen und sich selber zu verteidigen,[41] hatten Briten und Franzosen andere Vorstellungen. Die Regierung in London teilte zwar die amerikanische Zielsetzung, sie sah sich selbst aber nicht unbedingt als Teil der Lösung der Probleme des europäischen Kontinents, sondern legte Wert auf ihren Sonderstatus als Großmacht und als besonderer Verbündeter der USA.[42] Das Hauptaugenmerk der britischen Politik lag unter der Führung der Labour Party zudem auf der Innen- und Sozialpolitik. Ansonsten sah sich Großbritannien für das Commonwealth verantwortlich, welches angesichts der Schwächung des Mutterlandes neu zusammengeführt werden sollte. Die Regierungen der neu geschaffenen Vierten Französischen Republik waren in sich zerrissen und verzettelten ihre Energien auf verschiedenen Schauplätzen.[43] So war Paris erst einmal bemüht, das Kolonialreich in Südostasien wiederherzustellen (was zunehmend militärische Kräfte und ökonomische Ressourcen band, die eigentlich in Europa gebraucht worden wären). Ebenso wie die britische Regierung erwartete Paris, dass ein westdeutscher Staat entstehen würde, dessen Zukunft aber mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sei. Die französische Regierung sah sich in Europa daher sowohl von einem wieder erstarkenden Deutschland als auch von der Sowjetunion bedroht. Sowohl für London wie für Paris war die sowjetische Bedrohung von mehr oder weniger unmittelbarer Natur, die deutsche war eher von mittelbarer Art. Beide Bedrohungen konnten nur durch die Verpflichtung der USA auf ein dauerhaftes verteidigungspolitisches Engagement in Europa gelöst werden.[44]

In Washington hingegen traf die Idee, sich dauerhaft in Europa einbinden zu lassen, erst einmal auf wenig Begeisterung.[45] Im Kongress war die Ablehnung am stärksten ausgeprägt. Die Truman-Administration – hierin aber durch eine Reihe von Senatoren und Abgeordneten aus beiden Häusern unterstützt – steuerte einen Mittelkurs an. Sie wollte ein längerfristiges militärisches Engagement nicht ausschließen, betonte aber gegenüber Briten und Franzosen, dass das nur möglich sei, wenn diese dem Kongress gegenüber deutlich machten, dass sie erhebliche Eigenleistungen erbrächten und zudem bereit seien, deutsche Beiträge zu einem westlichen Verteidigungsbündnis zu akzeptieren. Dahinter stand auch die Sorge der Militärs, dass ohne einen substanziellen deutschen Verteidigungsbeitrag die Verteidigung des freien Europas gegen eine sowjetische Invasion nicht möglich sei.[46]

Im Ergebnis kam erst einmal der Brüsseler Pakt vom 17. März 1948 heraus, der ein Verteidigungsbündnis zwischen Großbritannien, Frankreich und den BeNeLux-Staaten angeblich gegen das Wiederaufleben der deutschen Bedrohung darstellte. Tatsächlich war er schon so angelegt, dass er auch als ein genereller Verteidigungsvertrag gelten konnte (und damit auch gegen die Sowjetunion gerichtet war). Allerdings war das, was die Alliierten an militärischer Schlagkraft aufbringen konnten, gering angesichts der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland. Zudem waren Großbritannien und Frankreich mit einem Großteil ihrer militärischen Kräfte außerhalb Europas engagiert.

Von daher war es logisch, dass schon im Juli 1948 Verhandlungen über den Abschluss eines nordatlantischen Verteidigungspaktes begannen. Die USA-Regierung ging diese Verhandlungen mit einer gewissen Zurückhaltung an. Eigentlich war es nicht ihr Ziel, sich dauerhaft militärisch in Europa zu binden – auch eine Hegemonie wurde nicht angestrebt.[47] Aber die offensichtliche Unfähigkeit der Europäer, auf absehbare Zeit eine eigene Verteidigungskapazität aufzubauen, bestärkten in der Truman-Administration diejenigen, die sich für eine längerfristige Kooperation mit Europa aussprachen. Die Kritiker dieses Vorgehens in der Administration – wie George F. Kennan – wurden dabei weitgehend marginalisiert.

Wichtig war es, für alle weiteren Schritte eine generelle Ermächtigung durch den Kongress (d. h. den Senat) zu erhalten, denn alle Fragen, die amerikanische Sicherheitsgarantien betrafen, gehörten zu den War Powers des Senats. Diese Ermächtigung gelang nach längeren Beratungen und Abwägungen. Am 11. Juni 1948 wurde im Senat die Vandenberg-Resolution mit großer Mehrheit verabschiedet. In ihr drückte der Senat seine grundsätzliche Unterstützung für die Idee aus, dass die USA regionale und andere kollektive Verteidigungsbündnisse unterstützen würden, wenn diese auf der dauerhaften und effektiven Bereitschaft der Partner beruhten, für die eigene Verteidigung und die gegenseitige Unterstützung alle Anstrengungen zu unternehmen.[48] Vor allem legte die Resolution fest, dass jede Verpflichtung der USA im Rahmen der amerikanischen Verfassung stattfinden müsse, d. h. dass es der Kongress sei, der letztlich darüber entscheiden müsse, ob amerikanische Streitkräfte zur Verteidigung ihrer Verbündeten eingesetzt werden oder nicht.[49] Damit waren wesentliche Parameter des Nordatlantik-Vertrages festgelegt: Die Beistandsklausel in Artikel 5 war so gehalten, dass es keine automatische Verpflichtung der USA zum Eingreifen geben sollte, sondern dass der Kongress sich eine Entscheidung vorbehielt. Das war nicht das Optimum, welches sich die europäischen Mächte erhofft hatten, aber die amerikanische Regierung hatte ihnen versprochen, als Ausgleich über eine fortgesetzte, zeitlich begrenzte militärische Präsenz der USA in Europa zu verhandeln.

Nach der Unterzeichnung des Nordatlantikpakts am 4. April 1949 und der nachfolgenden Ratifikation wurden die Verhandlungen entsprechend weitergeführt. Heraus kam das Konzept einer Nordatlantikvertragsorganisation (NATO genannt), die später ihren Hauptsitz in Europa haben und eine integrierte Struktur erhalten sollte.[50] Ziel dieser Bemühungen war es, zwei unterschiedliche Zwecke miteinander zu verbinden: Für Briten und Franzosen war es wichtig, durch die integrierte Struktur die US-Streitkräfte stärker an die Verteidigung Europas zu binden. Insbesondere sollte der Oberkommandierende der NATO ein amerikanischer General sein, der gleichzeitig den Oberbefehl über die US-Streitkräfte in Europa hatte. Für Washington (und auch London) war die integrierte Struktur zudem eine wichtige Vorbedingung für die Einbeziehung eines deutschen Verteidigungskontingents. Es bestand Einigkeit darüber, dass deutsche Truppen keine eigenen Führungsstrukturen erhalten sollten und dass sie nur im Rahmen einer integrierten NATO-Struktur unter dem Oberbefehl eines amerikanischen Generals operieren sollten.

Als die entsprechenden Verhandlungen liefen und in eine wichtige Phase eintraten, legte der französische Ministerpräsident Pleven im Oktober 1950 einen Plan über die Gründung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft vor. Diese Idee wurde aus einer Verlegenheit heraus geboren. Die Idee einer Wiederbewaffnung Westdeutschlands war in Frankreich sehr umstritten. Im Parlament war dafür keine Mehrheit zu finden und auch in der Regierung gab es massive Widerstände (u. a. von Außenminister Robert Schuman). Der Pleven-Plan sollte – wie es ein französischer Beobachter später ausdrückte – die Wiederbewaffnung Deutschlands und dessen NATO-Beitritt verhindern.[51] Die Befürworter des Plans begründeten diesen außerdem mit der Notwendigkeit, die Sowjetunion nicht übermäßig zu provozieren. Tatsächlich befürchteten im Jahr 1950 viele in den USA und Europa, dass ein Beschluss zur Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO die Sowjetunion zu einem Präventivkrieg provozieren könne.[52]

Der Pleven-Plan – an dessen Entwurf Monnet mitgewirkt hatte – sah eine integrierte europäische Verteidigungsstreitmacht vor, in die auch deutsche Kontingente eingebaut werden sollten. Diese sollten aber bezüglich der Möglichkeit nationaler deutscher Führungsebenen (nicht höher als Bataillon) und der Bewaffnung beschränkt bleiben. Zudem sollte Deutschland insofern einen Sonderstatus einnehmen, als es keine eigenen nationalen Truppenverbände beibehalten durfte (was anderen Staaten eingeräumt wurde). Das Projekt war das Produkt eines sehr komplizierten Abstimmungsprozesses innerhalb Frankreichs, wobei die Regierung schwach, das Parlament aber stark und die Veto-Macht einzelner Parteien außerordentlich groß war.[53]

Die anfänglichen Reaktionen sowohl Washingtons als auch Londons waren verhalten, aber zunehmend ermunterten sie die Kontinentaleuropäer zu entsprechenden Verhandlungen. Die Bundesregierung war ursprünglich aufgrund der beabsichtigten Diskriminierung Deutschlands (die viel weiterging als entsprechende Überlegungen im Rahmen der Gespräche über die Einbeziehung Deutschlands in die zu schaffende NATO) auch nicht begeistert. Aber Adenauer sah in dem Entwurf zwei Chancen: zum einen die Möglichkeit der Wiedererlangung der vollen Souveränität der Bundesrepublik Deutschland; und zum anderen die Aussicht, den Prozess der europäischen Einigung weiterzutreiben. Was die erste Frage betraf, so wurde der Bundesregierung in Bonn anfangs wenig Hoffnung gemacht, aber im Laufe der Zeit gelang es, für den Fall einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) eine teilweise Suspendierung des Besatzungsstatuts vom 10. April 1949 zu verhandeln, die einerseits die Souveränität der Bundesrepublik in der Frage der Außenpolitik und der Finanzpolitik herstellte, andererseits aber auch den Besatzungsmächten in zentralen Fragen Rechte beließ (insbesondere was Berlin sowie die Frage der Deutschen Einheit betraf). Was die europäische Integration anbelangte, so gelang es Adenauer, in den Vertragstext eine Bemühensklausel einzufügen, die darauf hinauslief, nach Umsetzung der Verteidigungsgemeinschaft Verhandlungen in Richtung einer politischen Union Europas einzuleiten. Für Adenauer war diese Klausel wichtig, denn mit der Förderung des Europagedankens konnte er den Widerstand der SPD bekämpfen, die vor allem gegen die militärische Westintegration opponierte, aber nicht gegen den Europagedanken eingestellt war. Zudem sah Adenauer nur in Europa eine Zukunft für Deutschland.

Je mehr die Verhandlungen Fortschritte erzielten – am 27. Mai 1952 waren sie abgeschlossen –, umso mehr begann sich Frankreich jedoch von dem Projekt zurückzuziehen.[54] Die Regierungen Pinay, Maier und Laniel zögerten die Ratifikation heraus und bevor der französische Premierminister Pierre Mendès-France den Vertrag zur Ratifikation in der Nationalversammlung vorlegte, hatte er Forderungen auf Neuverhandlungen gestellt, die von den anderen Partnern als nicht akzeptabel angesehen wurden. Die Nationalversammlung lehnte die Ratifikation im August 1954 ab und damit war die EVG begraben.

Nur wenige Wochen später (28. September bis 3. Oktober 1954) wurde unter amerikanischer Initiative auf der Londoner Neun-Mächte-Konferenz die Frage der deutschen Wiederbewaffnung und der militärischen Integration geregelt. Die Bundesrepublik wurde nunmehr eingeladen, der NATO sowie dem abgeänderten Brüsseler Pakt beizutreten. Der Brüsseler Vertrag hieß nunmehr Westeuropäische Union (WEU). Die Bundesrepublik sollte eine Streitmacht von bis zu 500.000 Mann aufstellen, musste sich aber verpflichten, die Charta der Vereinten Nationen zu respektieren, die Frage der Wiedervereinigung nicht durch Gewalt zu lösen, keine Massenvernichtungswaffen herzustellen und sich in einem noch zu regelnden Verfahren Restriktionen bei der Herstellung von Waffen zu unterwerfen. Die Kontrollen zur Überprüfung der Deutschland auferlegten Beschränkungen (ABC-Verbot, Herstellungskontrollen für bestimmte Waffensysteme) sollten durch die WEU durchgeführt werden. Dafür wurde das Besatzungsstatut von 1949 aufgehoben und der Bundesrepublik weitgehende außenpolitische Souveränität eingeräumt. Die deutschen Truppen sollten nur im Rahmen der NATO eingesetzt werden. Eine eigene nationale Führungsfähigkeit (das hieß: kein Generalstab) blieb der Bundesrepublik untersagt. Dafür wurde die integrierte Struktur der NATO ausgebaut. Aber die Bundeswehr konnte eigenständig Militärverbände in der Größenordnung von Divisionen aufstellen und führen.

Die Verhandlungen ließen erkennen, dass ein umfassendes „settlement“ getroffen worden war, mit dem alle Seiten leben konnten. Die Bundesregierung konnte die Wiedererlangung der Souveränität feiern und den mit dem Aufbau der Bundeswehr verbundenen Statusgewinn. Die USA und Großbritannien waren erfreut über den absehbaren Zuwachs an Streitkräften zur Verteidigung Westeuropas und die damit verbundene Entlastung. Aber auch Frankreich hatte sich in vielen Fragen durchgesetzt: So sollten die Kontrollen Deutschlands durch die WEU durchgeführt werden (nicht durch die NATO), und die integrierte Struktur der NATO (das Hauptquartier befand sich in Paris) sorgte dafür, dass die Amerikaner in die europäische Sicherheit eingebunden blieben, während die Deutschen unter Kontrolle waren.[55] Aber auch die Sowjetunion, die seit 1954 eine kollektive Führung hatte und zunehmend mit inneren Problemen zu kämpfen hatte, konnte über diese Regelung zufrieden sein, denn die Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschlands blieb beschränkt und erlaubte den vermeintlichen „Revanchisten“ in Bonn keine Möglichkeit des eigenständigen militärischen Vorgehens.[56] Dieses „settlement“ war weniger das Ergebnis einer hegemonialen Planung der USA als vielmehr eines komplexen Verhandlungsprozesses, bei dem nicht nur Regierungen, sondern auch Parlamente, die Öffentlichkeit und Experten wichtige Rollen spielen sollten. Das Ergebnis stand nicht von vornherein fest. Vor allem die USA hatten ursprünglich nicht beabsichtigt, sich in derart detaillierter Weise in die Verteidigung Westeuropas einbinden zu lassen. Sobald die Truman-Administration mit Unterstützung des Senats angesichts der sowjetischen Bedrohung die Gründung und die Einbeziehung der Bundesrepublik Deutschlands in die westliche Staatengemeinschaft und deren Verteidigungsanstrengungen gefordert hatte, musste sie sich jedoch mehr oder weniger darauf einlassen, dass sie stärker und dauerhafter in die Verteidigung Europas integriert wurde, als es ihr recht war.

4.6 Die Fortsetzung der europäischen Einigung

Die Neuregelung der europäischen Verhältnisse nach 1945 ist unvollständig ohne die Fortsetzung des europäischen Einigungsprozesses. Die Ablehnung der EVG durch die französische Nationalversammlung im August 1954 war vor allem in der Öffentlichkeit stark kritisiert worden, denn es war der Eindruck entstanden, dass der europäische Einigungsprozess zum Stillstand gekommen war. Aber auch die USA drängten darauf, dass die Europäer mehr dafür taten, dass die Zollschranken zwischen ihnen aufgehoben wurden. Letztlich ging es Washington darum, dass der beginnende wirtschaftliche Aufschwung nicht gefährdet wurde. Auf Anregung einiger europapolitisch engagierter Politiker wurde im Juni 1955 in der sizilianischen Stadt Messina eine Außenministerkonferenz der EGKS-Staaten veranstaltet, die sich mit der Frage nach der künftigen Zielrichtung Europas befassen sollte. Die Außenminister kamen überein, dass nach dem Fehlschlag der politischen und militärischen Integration versucht werden sollte, auf dem Gebiet der Wirtschaft und der friedlichen Nutzung der Atomenergie die Zusammenarbeit zu vertiefen. Der damalige belgische Außenminister Paul Henry Spaak – ein überzeugter Europäer – wurde beauftragt, mithilfe einer Kommission entsprechende Vorschläge auszuarbeiten. Ein Jahr später legte diese Kommission einen Bericht vor, der die Aufhebung der Zölle innerhalb der Staaten der Gemeinschaft und die Erhebung eines Außenzolls vorsah und der dafür die Übernahme der supranationalen Grundstruktur der EGKS empfahl. Für den Bereich der Atomenergienutzung wurde eine eigenständige Regelung vorgeschlagen, die ebenfalls mit supranationalen Institutionen arbeiten sollte. Die nachfolgenden Verhandlungen erwiesen sich als mühsam und führten zu manchem „Kuhhandel“. Vor allem auf französischer Seite war die Skepsis groß. Einen Umschwung in der Haltung von Paris gab es erst, nachdem im Verhandlungspaket auch massive Subventionen für die Landwirtschaft vereinbart worden waren, die vor allem den französischen Bauern zugutekamen. Bei dem Einschwenken Frankreichs dürfte noch eine andere Erfahrung hereingespielt haben: Ende 1956 scheiterte die militärische Intervention Großbritanniens und Frankreichs gegen die Verstaatlichung des Suez-Kanals durch den damaligen ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser am Widerstand der Sowjetunion und der USA. Die Eisenhower-Administration ließ mehr als deutlich erkennen, dass sie die kolonialen Ambitionen beider Verbündeter missbilligte und dass ihr daran gelegen war, dass sowohl London wie auch Paris ihre kolonialen Besitztümer so bald wie möglich in die Unabhängigkeit entließen. Während die britische Regierung daraus den Schluss zog, nie wieder ohne Zusammenwirken mit den USA international zu intervenieren, schien das gescheiterte Suez-Abenteuer in Paris die Überzeugung geweckt zu haben, dass eine Stärkung Europas auch das Gewicht Frankreichs vergrößern könnte.

Die im März 1957 in Rom unterzeichneten Verträge über die Einrichtung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und einer Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) markierten den Beginn einer ganz neuen Entwicklung für die sechs daran beteiligten Staaten:[57]

  • Mit der Einrichtung einer Zollunion wurden die Zölle aller EWG-Staaten untereinander nach und nach abgeschafft (tatsächlich trat das erst 1968 im vollen Umfang ein).

  • Die entsprechenden Vereinbarungen sahen auch vor, dass andere nationale Bestimmungen, die den innergemeinschaftlichen Handel beschränkten, nach und nach beseitigt werden sollten. Das bedeutete die Abschaffung von nicht-tarifären Handelshemmnissen (vor allem Bestimmungen, die Normierung, Qualitätsstandards und Sicherheitsbestimmungen betrafen) und von Wettbewerbsvorteilen (hauptsächlich Subventionen) sowie deren Ersetzung durch gemeinschaftliche Wettbewerbspolitik.

  • Der EWG-Vertrag sah die Einrichtung eines Europäischen Sozialfonds vor, aus dem Beschäftigungsvorhaben finanziert werden sollten. Des Weiteren wurde eine Europäische Investitionsbank (EIB) gegründet, um Kredite an die Privatwirtschaft oder an die öffentliche Wirtschaft zu vergeben. Auch ein Europäischer Entwicklungsfonds wurde gegründet – hauptsächlich, um Entwicklungsvorhaben in früheren Kolonien Frankreichs zu fördern.

  • Die Bestimmungen des EURATOM-Vertrages ermöglichten auch der Bundesrepublik Deutschland die friedliche Nutzung der Kernenergie.

  • EWG und EURATOM wurden nicht durch eine Hohe Behörde geführt (wie die EGKS), sondern das wichtigste Entscheidungsorgan war der Rat der Minister (wo Mehrheitsentscheidungen möglich waren). Der Ministerrat erhielt praktisch eine Gesetzgebungskompetenz, denn er konnte entweder unmittelbar wirksame Verordnungen erlassen oder aber Richtlinien beschließen, die für die nationalen Gesetzgeber bindend waren. Ihm zugeordnet war die Kommission, die aus supranationalen Beamten bestehen sollte und die neben der Ausführung der Entscheidungen des Ministerrates auch eine regierungsunabhängige Initiativkompetenz zugesprochen bekam. Zudem sollte es eine parlamentarische Versammlung sowie einen Gerichtshof geben.

Mit diesen Regelungen wurde ein völlig neuer Weg beschritten, den seither auch keine andere Staatengruppe eingeschlagen hat. Die Einrichtung supranationaler Gemeinschaften, in denen ein politisches Entscheidungsorgan bestand, welches mit Mehrheit entschied, schaffte eine neue Konstellation. Dadurch wurde es den nationalen Regierungen möglich, die wesentliche Richtung mitzubestimmen, aber das Fehlen der Einstimmigkeitsregel bedeutete auch einen hohen Anreiz, kooperative Lösungen anzustreben und nicht bis zum Letzten die eigenen Interessen durchbringen zu wollen. Während die politische Bedeutung der EURATOM begrenzt blieb, erwies sich die EWG als der Initialzünder zu einer weitergehenden europäischen Einigung, die sich selbst größte Optimisten 1957 nicht hatten vorstellen können.

Die Schaffung eines einheitlichen Zollraums vergrößerte die Chancen des wirtschaftlichen Wachstums für alle EWG-Staaten. Neben dem weltweiten Abbau der Zölle im Rahmen der GATT-Verhandlungen (die bis 1995 erfolgreich liefen) war die Schaffung der EWG der wichtigste Beitrag zum wirtschaftlichen Aufstieg der in ihr vertretenen Staaten und sorgte dafür, dass die EWG (und später die EG) attraktiv für andere wurde. Der komplizierte supranationale Aufbau der EWG sorgte dafür, dass nationale Interessen und europäische Interessen miteinander abgewogen werden mussten und somit der politische Impuls für die Fortsetzung und Erweiterung der Integration erhalten blieb. Die Aufgaben der Kommission waren so umfangreich (Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse, Angleichung der Wettbewerbspolitik, Verwaltung Subventionen), dass ein größerer Apparat notwendig wurde, der wiederum ein zusätzliches Gewicht für Europa als politische Institution darstellte. Die Schaffung des Europäischen Gerichtshofes sollte sich als ein weiterer Faktor der Integration erweisen: Im Jahr 1979 kürzte der Gerichtshof im Rahmen des Cassis-de-Dijon-Verfahrens die Bemühungen der EU-Kommission um Vereinheitlichung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für kommerzielle Produkte ab, indem er feststellte, dass alle Produkte, die in einem EU-Mitgliedstaat vorschriftsmäßig hergestellt worden sind, in allen anderen Mitgliedstaaten verkauft werden dürfen.[58]

5 Die Neuerfindung demokratischer Ordnung in Westeuropa

Der Erfolg der europäischen Integration sowie der wirtschaftlichen und politischen Neuorientierung innerhalb der westlichen Welt wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht nach dem Zweiten Weltkrieg Aufgaben und Zielsetzungen von Staatlichkeit in Europa und in anderen westlichen Staaten massiv verändert worden wären. Sie wäre auch nicht denkbar gewesen, wenn es nicht zu einer Wiederbelebung parlamentarischer Demokratien gekommen wäre. Die entsprechenden Ideen hierzu kamen aus der wissenschaftlichen Debatte – vor allem von Harold Laski und Josef Schumpeter – und wurden bei der Neuausgestaltung demokratischer Systeme in wichtigen westeuropäischen Staaten berücksichtigt.

Die meisten Demokratien in Europa waren zwischen den beiden Weltkriegen angesichts ungünstiger wirtschaftlicher und materieller Bedingungen mit geradezu unlösbaren Aufgaben konfrontiert gewesen. Probleme wie Arbeitslosigkeit, Inflation, der Verlust traditioneller sozialer Bindungen sowie die ungleiche Verteilung des nationalen Einkommens hatten dazu geführt, dass die Anforderungen an den Staat wuchsen, ohne dass erkennbar war, wie parlamentarische Demokratien damit umgehen sollten.[59] Die Erfahrung in Deutschland hatte gezeigt: Hätte es nicht den Niedergang der Weimarer Demokratie gegeben, so wären die Nationalsozialisten nicht an die Macht gekommen und der Zweite Weltkrieg und der Holocaust an 6 Millionen Juden hätten nicht stattgefunden. Deutschland war aber nicht die einzige Demokratie, die in den 20er- und 30er-Jahren gescheitert war. Tatsächlich war es ein geradezu unvermeidlich scheinender Trend, dass Demokratien, die entweder vor, während oder nach dem Ersten Weltkrieg entstanden waren, nur eine recht kurze Überlebenszeit hatten – Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Polen, Ungarn, Bulgarien, Albanien, Rumänien und andere Beispiele der Zeit zeigten dies. Lediglich die älteren Demokratien wie Großbritannien, Frankreich, die Schweiz, die Niederlande, Belgien, Dänemark, Schweden, Norwegen konnten überleben (sofern sie nicht von den Nationalsozialisten später besetzt wurden) sowie Finnland und die Tschechoslowakei als die einzigen neuen Demokratien: Aber die Tschechoslowakei wurde 1938 zerschlagen und Finnland musste sich seiner Haut gegen eine sowjetische Aggression wehren.

Darüber hinaus ließ die Phase deutscher Besatzungspolitik in Frankreich erkennen, dass die Wurzeln der Demokratie auch im Lande der französischen Revolution beschädigt waren. Für das Ausmaß an Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht gab es sonst in Europa keine Parallele.[60] Die Anziehungskraft der faschistischen und nationalsozialistischen Ideologien und die damit verbundene Bereitschaft zum Abschied von der Demokratie war in Frankreich sowie in anderen etablierten Demokratien Europas viel größer, als man dort einzugestehen bereit war. Der amerikanische Soziologe und Kenner der intellektuellen Geschichte Europas, Richard Stromberg, wies in seinem 1996 erschienen Buch „Democracy – A Short Analytical History“ darauf hin, dass es häufig die Intellektuellen gewesen seien, die sich als erste Kritiker der Demokratie einen Namen gemacht hätten – manche erst als Sozialisten und später als Faschisten oder Nationalsozialisten. Die Zerstörung der Demokratie und des Gedankens demokratischer Regierungsform habe überall sehr früh eingesetzt und selbst vor Ländern wie Großbritannien, Holland und der Schweiz nicht Halt gemacht. Die Frage nach den Defiziten parlamentarischer Regierungssysteme trieb viele Wissenschaftler vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg um.[61]

Eine seinerzeit viel beachtete Antwort lieferte der britische Politikwissenschaftler und Labour-Politiker Harold D. Laski. In seinem 1943 erstmals erschienenen Buch „Revolutionäre Wandlungen unserer Zeit“ widmete er ein großes Kapitel der Frage, warum Demokratien gescheitert sind, insbesondere in der Zwischenkriegszeit.[62] Seiner These zufolge seien Demokratien deshalb gescheitert, weil infolge der Ausdehnung des Wahlrechts auf größere Teile der Bevölkerung bei gleichzeitigem Überborden der Wirtschaftsprobleme der Wunsch immer stärker geworden wäre, dass der Staat in die Wirtschaft eingreife. Genau dieses hätten aber die herrschenden Schichten nicht gewollt und daher zunehmendes Interesse an autoritären und faschistischen Politikern und Bewegungen gefunden, die ihnen in Aussicht gestellt hätten, dass sie derartige Eingriffe (und die damit verbundenen Umverteilungen) verhindern wollten. Die faschistische Versuchung lag in dem Versprechen, eine oberflächliche Ordnung anstelle eines gerechten Ausgleichs und einer Umverteilung zu schaffen.

In Großbritannien sei Vieles anders abgelaufen, weil hier die institutionellen Mechanismen zu einer Institutionalisierung und damit friedlichen Kanalisierung des Konflikts zwischen Arbeit und Kapital geführt hätten. In den USA sei vor allem die Politik des New Deal von Franklin D. Roosevelt ein Beispiel dafür, wie man Demokratie mit Wirtschaftsbelebung und Umverteilung verbinden könne.[63]

Laski stellte zudem die These auf, dass die westlichen Demokratien gezwungen würden, sich stärker mit dem kommunistischen Modell auseinanderzusetzen und daher mehr Aufmerksamkeit auf soziale Fragen legen müssten. Konsequenz sei, dass der Staat mehr Rechte und Kompetenzen erwerben müsse, um die Arbeitslosigkeit abzuschaffen. Staatseigentum an den Produktionsmitteln ermögliche zudem Produktionsplanung für den Gemeinschaftsverbrauch. Die öffentliche Hand müsse die soziale Wohlfahrt und die wissenschaftliche Forschung organisieren. Was nötig sei, sei ein neues Verhältnis der gesellschaftlichen Klassen zueinander.[64]

Mit diesen Anmerkungen hatte Laski einen Punkt getroffen, der besonders in der Bundesrepublik Deutschland auf fruchtbaren Boden traf. Die Gründung der Bundesrepublik wurde auch in dem Bewusstsein vorgenommen, Vorsorge dafür zu schaffen, dass die unversöhnlichen Positionen zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft aufgebrochen werden und dass Mittelwege gefunden werden, um Marktwirtschaft sozial verträglich werden zu lassen. Vor allem beide großen Parteien – die Christlich Demokratische Union und die Sozialdemokratie – fanden dafür unterschiedliche Ansätze, die aber jeweils das gleiche Ziel im Auge hatten.

Damit hatte Harold Laski einen Punkt gemacht, der durchaus konstituierend für das neue Verständnis von Staat und Demokratie nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in anderen westeuropäischen Staaten werden sollte: die Konkurrenz mit der Sowjetunion war nicht nur eine machtpolitische. Sie war auch eine Konkurrenz um die Herzen und den Verstand der Menschen. Die sowjetische Führung – ebenso wie die mit ihr verbündeten kommunistischen Parteien im Westen – trat mit dem Anspruch an, ein wissenschaftlich gesichertes Fundament für eine Umgestaltung der Gesellschaft zu besitzen, bei der es den normalen Menschen besser gehen werde als der großen Masse der Menschen in kapitalistisch organisierten Demokratien. Der wissenschaftliche Sozialismus sei eine politische Ordnung, die schon nach ein oder zwei Jahrzehnten seine Überlegenheit gegenüber dem Westen bestätigen könne – dies war eine Annahme, die unter Anhängern der kommunistischen Lehre in den späten 40er- und 50er-Jahren weitverbreitet war und von diesen auch geglaubt wurde – und als Rechtfertigung genutzt wurde, um gewaltsame Eingriffe in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft vorzunehmen. Auch Menschen, die nicht der marxistischen Ideologie anhingen, wollten damals nicht ausschließen, dass sich das kommunistische System der Sowjetunion als überlegen erweisen könne. Das hohe Wirtschaftswachstum der Sowjetunion nach dem Kriege und die Fortschritte in einigen technischen Bereichen schienen dafür zu sprechen.

Was viele seinerzeit unterschätzten war die Fähigkeit der westeuropäischen Demokratien einen neuen Ausgleich unter den gesellschaftlichen Gruppen zu finden und mittels eines durch Handelsliberalisierung und freies Unternehmertum bewirkten wirtschaftlichen Aufschwungs sehr viel bessere Lebensbedingungen für die breite Bevölkerungsmehrheit herzustellen, als es der wissenschaftliche Sozialismus kommunistischer Prägung konnte. Unter dem Druck der negativen Erfahrungen der 30er-Jahre und angesichts der Herausforderung durch das kommunistische Modell des wissenschaftlichen Sozialismus haben die westlichen demokratischen Staaten es nach 1945 fertiggebracht, im Bereich der sozialen Frage sehr viel erfolgreicher zu werden als die kommunistischen Staaten – die zudem die individuellen Freiheiten massiv unterbanden, und zwar umso schlimmer, je deutlicher erkennbar wurde, dass der wissenschaftliche Sozialismus weniger erfolgreich war als der schon totgesagte Kapitalismus.

Der Beitrag von Josef Schumpeter zur Debatte über die Neuorganisation der Demokratie hatte eine andere Stoßrichtung, war aber durchaus kompatibel mit den Gedanken von Laski. Auch er sah die Probleme, die dieser benannt hatte. Für ihn ging es nicht nur um den innergesellschaftlichen Frieden, sondern auch darum, dass Regierungen effektiv unter den erschwerten Bedingungen krisenhafter Marktwirtschaft operieren können. Dazu müssten Fehler und Mängel der parlamentarischen Demokratie korrigiert werden. Aufbauend auf Überlegungen, die Max Weber schon vor dem Ersten Weltkrieg angestellt hatte,[65] griff Josef Schumpeter in seinem 1942 erschienen Buch „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ diese Frage auf.[66]

Dass der Parlamentarismus Mängel hatte, war bekannt. Vor allem der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt hatte in den 20er-Jahren mit dem Modell parlamentarischer Demokratie gnadenlos abgerechnet und kritisiert, dass die Realität parlamentarischer Demokratie aus dem unkontrollierten Parteienhader bestünde und parlamentarische Demokratien nicht überlebensfähig seien. Anstelle von Schmitt, der das Heil in einer identitären Demokratie suchte, die ihn dann in die Nähe der Befürwortung des nationalsozialistischen Führerstaaates brachte, wollte Schumpeter die parlamentarische Demokratie retten. Für ihn war der Anknüpfungspunkt die britische Demokratie, genauer gesagt der britische Parlamentarismus, nicht der kontinentale Parlamentarismus. Für ihn war das Vorbild die Glorious Revolution von 1689, nicht die Französische Revolution von 1789. Aber auch die erfolgreiche amerikanische Demokratie zählte dazu. Für ihn galt, dass aus den Erfolgen dieser beiden Demokratien zu lernen sei. Dabei knüpfte er an Max Weber an. Dieser hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg argumentiert, dass angesichts der zunehmenden Anforderungen an den modernen Staat im Kapitalismus die zentrale Rolle des Parlaments zurückgenommen werden müsse. Es dürfte nicht zu mächtig werden, seine effektive Mitwirkung am Regieren müsse auf das Wesentliche reduziert, seine Kontrollrechte gegenüber der Regierung eingeschränkt („rationalisiert“) werden, so wie es in Großbritannien der Fall war. Er forderte den „demokratischen Führerstaat“, womit er die Orientierung am britischen Parlamentarismus meinte, wo eine klare politische Führung, so seine These, aus dem Parlament hervorgehe, die dann innerhalb der Wahlperiode relativ ungehindert regieren könne. Diese Form des Regierens hatte schon der britische Journalist Walter Bagehot in einer 1867 erschienenen Schrift beschrieben.[67] Schumpeter verschärfte noch dieses Argument. Ausgehend von der These, dass der Kapitalismus eine Dynamik besitze, die zwar einerseits hohes Wachstum beinhalte, andererseits aber zur Selbstzerstörung führe, ging er davon aus, dass eine starke Rolle des Staates in der Wirtschaft unumgänglich sei. Schumpeter argumentierte, dass trotz dieser Notwendigkeiten die meisten parlamentarischen Demokratien Europas in den 20er- und 30er-Jahren immer noch dem traditionellen liberalen Parlamentsverständnis des 19. Jahrhunderts anhingen.[68] Er kritisierte, dass diese der Chimäre des Gemeinwohls und der Idee der Kraft der Beratung (Deliberation) verpflichtet seien und dadurch die Basis für eine arbeitsfähige Regierung unterminierten. Eine lebensfähige Demokratie sei eine solche, die angesichts vieler Herausforderungen rasche Entscheidungen treffen und angesichts der großen Interessenunterschiede einen Ausgleich zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Interessen herstellen könne.

Der Vorteil der britischen und der amerikanischen Demokratie sei es gewesen, dass diese in pragmatischer Weise entsprechende Institutionen und Verfahren entwickelt und über die Jahrzehnte angepasst hätten. Das, was das wesentliche Erfolgsgeheimnis beider Demokratien ausgemacht habe sei, dass diese relativ einfache und faire Methoden der Regierungsbildung und der Entscheidungsfindung entwickelt hätten. Er kritisierte in diesem Zusammenhang die vorherrschende Demokratietheorie dafür, dass sie dieses Problem nicht beachtet hätte. Die traditionellen liberalen Theoretiker hätten zu sehr auf die Schwächung des Staates und die Vermeidung der Tyrannei durch Mehrheitsentscheidungen geachtet. Unter Bedingungen einer sich zunehmend ausweitenden Staatstätigkeit (die die sozio-ökonomischen Prozesse der Gegenwart reflektiere) sei das aber nicht mehr tragbar und habe katastrophale Konsequenzen gehabt.

Laut Schumpeter ergibt sich aus der Notwendigkeit effektiven Regierens, dass ein geregelter Prozess der politischen Konkurrenz zwischen Parteien institutionalisiert werden müsse. Eine moderne Demokratie müsse eine solche sein, bei der eine vom Volk gewählte Regierung über eine volle Legislaturperiode effektiv arbeiten könne und dabei Entscheidungen nach bestimmten Verfahren und Methoden treffe, die als richtig akzeptiert würden, und zwar auch von denjenigen, die gerne andere Entscheidungen gesehen hätten. Das bedeutete, dass sich für Schumpeter Demokratie hauptsächlich als Methode für politische Entscheidungen darstellte. Die „demokratische Methode ist diejenige Ordnung der Institutionen zur Erreichung politischer Entscheidungen, bei welcher einzelne die Entscheidungsbefugnis vermittels eines Konkurrenzkampfes um die Stimmen des Volkes erwerben.“[69]

Auch andere Systeme seien zur Herstellung arbeitsfähiger Regierungen imstande – dazu gäbe es genügend Beispiele und gerade der Zusammenbruch so vieler Demokratien habe gezeigt, dass dieser Bedarf nach Ansicht vieler Menschen nur durch autoritäre Systeme gedeckt werden könne. Die demokratische Methode biete aber massive Vorteile gegenüber der autoritären Methode, da sie die Inhaber von Machtpositionen wieder zur Disposition stelle. So würde aus der Angewiesenheit der Regierenden auf die Wiedererteilung eines Mandats eine Angewiesenheit der Regierenden und der Parlamentarier auf die Meinung der Regierten folgern. Dieser Umstand trage dazu bei, dass die Regierenden in Parlament und Regierung auf die Meinungen und Interessen der Regierten Bezug nehmen müssten (Responsivität). Der Prozess der politischen Konkurrenz habe zudem eine belebende Funktion, wie die wirtschaftliche Konkurrenz, und trage zur Qualität der politischen Eliten bei. Wenn man ein demokratisches System so einrichte, dass es auf der Konkurrenz weniger politischer Parteien um die Besetzung von Regierungsämtern und Parlamentssitzen basiere, so fördere das die Auswahl der Besten. Die Organisation der Demokratie als politische Konkurrenz zwischen Parteien sei auch die beste Garantie für die Freiheit der Individuen. Nur dort, wo die freie politische Konkurrenz herrsche, seien die Voraussetzungen für Meinungsfreiheit und Individualrechte gegeben.[70]

In einer auf Konkurrenz angelegten Demokratie sei der Wähler die primäre Kontrollinstanz, nicht ein schwer definierbarer parlamentarischer Prozess. Die Regierung werde anhand dessen beurteilt, was ihre Leistungen waren – und zwar in vorweg definierten Zeiträumen. Ein solches Verfahren konstituiere zwar keinen Gemeinwillen, aber der Wille der Mehrheit sei vorerst das, was dem Gemeinwohl am nächsten komme. Wenn dieser falsch gewesen sei, dann gäbe es die Möglichkeit der Umorientierung. „Das Prinzip der Demokratie bedeutet dann einfach, dass die Zügel der Regierung jenen übergeben werden sollten, die über mehr Unterstützung verfügen als die anderen, in Konkurrenz stehenden Individuen oder Teams.“[71]

Das Verdienst von Schumpeter lag primär darin, dass es ihm gelungen war, Wege aufzuzeigen, wie die von Carl Schmitt und anderen bereits totgesagte parlamentarische Demokratie wiederzubeleben sei. Er und andere Vertreter der „realistischen Demokratietheorie“ (Sartori, Dahl, Stamps) haben aufgezeigt, dass es bestimmte Mechanismen des politischen Prozesses gibt, dank derer die Ziele der klassischen liberalen Tradition (Wahrung von individueller Freiheit, Schutz vor Tyrannei, auch der Tyrannei der Mehrheit) unter Bedingungen marktwirtschaftlicher Massengesellschaften möglich sind. Dabei müsse das institutionelle Übergewicht von Parlamenten gegenüber der Regierung abgebaut werden. In Parlamenten sollten nicht zu viele Parteien vertreten sein, weil sonst keine Regierungsbildung möglich sei. Parlamente mit bis zu zehn unterschiedlichen Parteien (und jede mit unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen oder mit engen interessenmäßigen Anbindungen) führten dazu, dass die Bereitschaft zur Abgabe politischer Verantwortung an eine starke Exekutive nicht stattfinde, sondern dass stattdessen die parlamentarische Arbeit als ein eigensüchtiges und kleinkariertes Spiel von Politikern erscheine, die entweder in der Politikblockade ende oder darin, dass man den Finanzrahmen sprenge.

Die Überlegungen Schumpeters in Richtung demokratischer Führung wurden auch von anderen Autoren geteilt, die auf das amerikanische Regierungssystem geschaut hatten. Dazu zählte neben dem oben erwähnten Harold Laski der deutsche Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel. Beide kamen zu dem Ergebnis, dass sich das amerikanische Regierungssystem in den 30er-Jahren gegenüber den europäischen parlamentarischen Systemen als überlegen erwiesen hätte, weil sich die Institution der präsidentiellen Exekutive als eine unverzichtbare Ressource für Regierungseffektivität gezeigt habe. Diese habe sich gerade in den Stunden der Not als sinnvoll erwiesen. Eigentlich sei das amerikanische Regierungssystem auf die beratende und gesetzgeberische Tätigkeit des Kongresses ausgerichtet und damit für die vielen Anforderungen des 20. Jahrhunderts nicht entsprechend vorbereitet gewesen. Die Verfassung habe aber genügend Spielraum für die Präsidentschaft belassen, um dieses Amt in Zeiten der Krise für eine nationale Führung auszubauen. Das hätten nicht alle Präsidenten genutzt, aber Franklin D. Roosevelt hätte die Möglichkeiten der Verfassung bis an die Grenze ausgeschöpft, wofür ihm Millionen Amerikaner dankbar gewesen wären, und andere Präsidenten seien ihm darin gefolgt.[72]

Die Überlegungen Schumpeters und anderer realistischer Demokratietheoretiker haben dazu geführt, dass bei den meisten demokratischen Neuanfängen nach 1945 in Europa tatsächlich die Rolle der Regierung gestärkt wurde. Aber nur die wenigsten haben sich weitgehend an seine Lehren gehalten. Am meisten wurden die Gedanken Schumpeters im Parlamentarischen Rat beherzigt, der 1948/1949 eine Verfassung für die zu gründende Bundesrepublik Deutschland erarbeiten sollte (das spätere Grundgesetz) und der auch die Grundlage für das spätere Wahlrecht gelegt hat. Vor allem die im Grundgesetz festgehaltene obligatorische Wahl des Bundeskanzlers durch eine absolute Mehrheit der Abgeordneten des Bundestags, das konstruktive Misstrauensvotum sowie die im Wahlgesetz verankerte Fünf-Prozent-Klausel sind die wichtigsten Anleihen an Schumpeter.[73]

In anderen parlamentarischen Demokratien Europas blieben die von Schumpeter geforderten Anpassungen aus – so auch im Frankreich der 1947 begründeten Vierten Republik. Charles de Gaulle trat z. B. nach der Annahme einer rein parlamentarischen Verfassung durch einen Volksentscheid 1946 unter Protest von seinem Amt als Übergangspräsident zurück. Seine Prophezeiung, dass der uneingeschränkte Parlamentarismus Frankreich handlungsunfähig mache, erfüllte sich gegen Ende der 50er-Jahre angesichts der desolaten Lage im Algerienkrieg. Der General wurde daraufhin beauftragt, einen Verfassungsentwurf vorzulegen, der dem Gedanken der demokratischen Führung stärkere Bedeutung zukommen lassen sollte. De Gaulle legte eine Verfassung für eine 5. Republik vor, die dem Präsidenten der Republik eine starke und unabhängige Rolle zumaß und die Rechte des Parlaments deutlich einschränkte. Seither gilt die Fünfte Republik als die erfolgreichste aller französischen Verfassungen. Mit Blick auf die europäische Integration kann der Schwächeperiode der parlamentarischen Demokratie der Vierten Republik allerdings auch etwas Positives abgewonnen werden. Hätte sich de Gaulle mit seinen Vorstellungen schon 1946 durchgesetzt und wäre er schon Ende der 40er-Jahre Präsident Frankreichs geworden, hätte sich Frankreich unter seiner Führung höchstwahrscheinlich nicht auf die Schaffung supranationaler europäischer Institutionen eingelassen. Die Geschichte Europas wäre anders verlaufen. Später hat er versucht, die Supranationalität wieder zurückzudrehen, das ist ihm aber nicht gelungen.

Die Ideen Schumpeters wurden kritisiert, weil sie dem Gedanken der Repräsentation aller gesellschaftlichen Kräfte im Parlament und letztlich den von Rousseau geprägten Überlegungen von Volkssouveränität widersprachen. Daher kam es nur ansatzweise zu Schumpeterschen Reformen in europäischen Regierungssystemen. Allerdings wurden andere Wege eingeschlagen, um den von Schumpeter aufgezeigten Defiziten parlamentarischer Systeme zu begegnen. Ein Weg war die Entwicklung hin zu Konsensdemokratien, wie sie sich vor allem in den skandinavischen Ländern, aber auch in den Niederlanden und in Österreich entwickelten. In einer Konsensdemokratie wird versucht, das Gesetzgebungsverfahren so zu strukturieren, dass ein möglichst breiter Konsens gefunden wird. Das setzt einen breiten gesellschaftlichen Ausgleich voraus sowie die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen. Das hat sich in den skandinavischen Ländern, den Niederlanden und Österreich als machbar erwiesen, in anderen Ländern aber nicht.[74] Italien kämpft bis zum heutigen Tag mit einem mangelhaft funktionierenden Parlamentarismus. Dort – wie im Übrigen auch in Frankreich der Vierten Republik – wurde eine weitere Methode praktiziert, wie man dennoch demokratische Führung herstellen kann: die Schaffung einer starken Staatsbürokratie, die parteienunabhängig ist und die dazu beiträgt, dass Probleme erkannt und Lösungsvorschläge erarbeitet werden.

Als eine weitere indirekte Methode, Entscheidungsschwächen und Mängel parlamentarischer Regierungssysteme einzudämmen, hat sich auch die Europäisierung der Politik erwiesen. Zum einen sind im Laufe der Jahre viele ehemals national verortete Kompetenzen auf die europäische Ebene abgewandert. Zum anderen hat sich gezeigt, dass entscheidungsstarke Länder (wie die Bundesrepublik oder Frankreich der Fünften Republik) bei der Lösung vieler gemeinsam interessierender Probleme die Richtung vorgeben und die anderen zumeist nachziehen.

6 Bilanz

Die letztlich erfolgreichen Regelungen zur Schaffung einer internationalen politischen Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg haben einen Zeitraum von etwa 20 Jahren benötigt. Sie entstanden aus klassischen liberalen und institutionalistischen Impulsen, die sich im Nachhinein besehen als unrealistisch erwiesen haben, die dann aber in einem politischen Prozess des Verhandelns so angepasst wurden, dass sie reale Wirkungen entfalteten. Dieser politische Prozess fand innerhalb der USA (Regierung/Kongress) statt, er wurde zwischen der amerikanischen Regierung und den Regierungen der europäischen Staaten (bzw. innerhalb der Europäer) verhandelt, und er wurde auch in den Gesellschaften und politischen Institutionen der Europäer ausgetragen. Er drehte sich um die Frage, wie eine neue große Depression verhindert, wie der Wiederaufbau Europas und Deutschlands geschafft und wie der Frieden unter den Staaten Europas gewahrt bleiben konnten (insbesondere wie die Deutschen domestiziert werden konnten). Es ging auch darum, wie die westlichen Staaten angesichts der sowjetischen Herausforderung bestehen (wirtschafts- und sozialpolitisch ebenso wie sicherheitspolitisch), wie die marktwirtschaftlich ausgerichteten Staaten ihren inneren Frieden wiederfinden und wie funktionierende parlamentarische Demokratien hergestellt werden konnten.

Die verschiedenen Elemente waren: (1) die Begründung einer neuen Weltwirtschaftsordnung durch die Bretton-Woods-Institutionen; (2) die Begründung eines Staatsverständnisses, welches die Marktwirtschaft (den Kapitalismus) einbettet mit Interventionen und Sozialstaat; (3) die Unterstützung des Wiederaufbaus Europas und Deutschlands durch die Marshallplan-Hilfe und der damit verbundene Zwang für die Europäer, miteinander zu kooperieren; (4) die Verlagerung der Vorsorge für Frieden und Sicherheit von den VN auf die NATO und die damit verbundene Einbindung der USA und der Bundesrepublik Deutschlands in eine integrierte Struktur; (5) die europäische Integration und (6) die Effektivierung von Demokratie auch in parlamentarischen Systemen. Diese Elemente haben sich gegenseitig gestützt: Erst die Konditionierung und die Erfolge des Marshallplans haben die europäische Integration ermöglicht. Diese wäre ohne die gleichzeitigen Bemühungen um weltweite Handelserleichterungen nicht so erfolgreich gewesen. Ohne den Erfolg der europäischen Wirtschaftsintegration hätte wiederum das Währungssystem von Bretton Woods vermutlich nie greifen können und ohne dieses Währungssystem wäre der wirtschaftliche Aufschwung aller westlichen Nationen nicht so erfolgreich verlaufen. Und ohne die sowjetische Bedrohung wären vermutlich die westeuropäischen Staaten nicht so rasch zusammengerückt und hätten vor allem den Wiederaufstieg zumindest des westdeutschen Staates nicht zugelassen. Ohne die Beruhigung der innereuropäischen politischen Landschaft durch den Sozial- und Interventionsstaat und ohne die Schaffung handlungsfähiger und führungsfähiger Regierungen wären all diese Maßnahmen ebenso wenig möglich gewesen wie umgekehrt die Stabilisierung der Demokratien und die Effektivität der Interventions- und Sozialstaaten nicht ohne die weltweite Liberalisierung des Handels, die europäische Integration und die Währungsordnung hätten realisiert werden können. Für die Frage der internationalen Ordnung war es dabei entscheidend, dass der Übergang zum Sozial- und Interventionsstaat eine Transformation ganz anderer Art mit sich brachte: die Transformation vom Territorialstaat zum Wohlfahrtsstaat – d. h. von einem Staat, der primär die Sicherheit nach außen und nach innen besorgte, zu einem solchen, der sich primär um die Wohlfahrt aller seiner Bürger und die Stabilität der Wirtschaft kümmerte. Diese Transformation war der wichtigste Beitrag zur Friedensordnung in Ländern, die zuvor ihre ungelösten wirtschaftlichen und sozialen Probleme immer wieder durch imperiale Abenteuer und aggressive Außenpolitik überdeckt und damit exportiert hatten.

In der Folge dieser erfolgreichen Ordnungsbildung durchlief die westliche Welt eine Transformation im Inneren wie in den internationalen Beziehungen untereinander. Dadurch wurden wirtschaftliche, soziale, technologische und auch politische Dynamiken ausgelöst, die über Jahrzehnte anhielten und auch heute wirksam sind. Eine Folge war die Globalisierung, die vor allem durch die Liberalisierung des Handels sowie den Aufbau globaler Wertschöpfungsketten charakterisiert ist. Ohne die entsprechenden Verbesserungen im Bereich internationaler Verkehr und die geradezu revolutionären Entwicklungen im Bereich der Kommunikation wäre die Globalisierung nicht möglich gewesen. Die wichtigste Folge der internationalen Ordnungsbildung war der „Sieg“ in der Systemkonkurrenz mit dem „Wissenschaftlichen Sozialismus“. Ohne die erfolgreiche Ordnungsbildung im Westen hätte dieser nicht die Systemkonkurrenz gewonnen. Und ohne die im Rahmen jahrzehntelanger Praxis gelernte Kunst der diplomatischen Zurückhaltung und Kompromisssuche wäre das Ende des Ost-West-Konfliktes auf internationaler Ebene nicht so pragmatisch und friedlich verlaufen, wie man es 1989/1990 erleben konnte.

Viele dieser Dynamiken hatten und haben aber auch das Potenzial, die Ordnungsbildung zu erschweren oder gar zu zerstören und erfordern entsprechende Anpassungsleistungen. Eine zentrale Phase der Anpassung zur Beherrschung dieser Dynamiken war die internationale Energie-, Wirtschafts- und Finanzkrise der frühen 70er-Jahre, die durch gemeinsame Anstrengungen von Nordamerikanern, Europäern und Japanern beigelegt werden konnte – unter Mitwirkung auch nicht-westlicher Länder wie Saudi-Arabien oder dem Iran unter dem Schah.[75] Ebenso wichtig war die Wiederherstellung der Kontrolle über die internationalen Finanzmärkte in den Jahren 2008/2009. Wichtig ist auch das Verhalten des liberalen Hegemons. Leistet er Führungsaufgaben im Rahmen bestehender Institutionen, bei denen die anderen Mitspieler und Partner einbezogen und mitgenommen werden, kann er sich großer Unterstützung sicher sein. Handelt er unilateral und ohne Rücksichtnahme auf Partner und Freunde, kann diese Ordnung rasch erodieren, besonders dann, wenn seine relative internationale Machtposition kleiner wird.[76]

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Published Online: 2020-03-31
Published in Print: 2020-04-01

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Editorial
  3. Editorial
  4. Aufsätze
  5. Die internationale Ordnung: Bestandsaufnahme und Ausblick
  6. Wie das Unmögliche möglich wurde – Die erfolgreiche Schaffung einer funktionierenden internationalen Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg
  7. Doppelte Wendezeit
  8. Den Westen neu denken. Wege aus der Krise der freien Welt
  9. Kurzanalysen und Berichte
  10. Der INF-Vertrag im Epochenwandel
  11. Brauchen wir einen Europäischen Sicherheitsrat?
  12. Ergebnisse internationaler strategischer Studie
  13. Internationaler Systemwandel
  14. Kristi Raik/Mika Aaltola/Jyrki Kallio/Katri Pynnöniemi: The Security Strategies of the US, China, Russia and the EU. Living in Different Worlds, Helsinki: Finnish Institute of International Affairs, Juni 2018
  15. Peter Rudolf: Der amerikanisch-chinesische Weltkonflikt. Berlin: SWP, Oktober 2019.
  16. Bobo Lo: Greater Eurasia: The Emperor’s New Clothes or the Idea whose Time Has Come? Paris: Institut français des relations internationales (Ifri), Études de l’Ifri, Russie.Nei.Reports, No. 2, Juli 2019.
  17. Paul Dibb: How the geopolitical partnership between China and Russia threatens the West. Canberra: ASPI, November 2019
  18. Cheol Hee Park: Strategic Estrangement between South Korea and Japan as Barrier to Trilateral Cooperation. Washington, D.C.: Atlantic Council, 2019.
  19. Rüstungskontrolle und regionale Ordnung in Europa
  20. Samuel Charap/Jeremy Shapiro/Alexandra Dienes/Sergey Afontsev/Péter Balás/Rodica Crudu/James Dobbins/Vasyl Filipchuk/Diana Galoyan/Ulrich Kühn/Andrei Popov/Yauheni Preiherman/Pernille Rieker/Nikolai Silaev/Olesya Vartanyan/Andrei Zagorski: A Proposal for a Revised Regional Order in Post-Soviet Europe and Eurasia. Santa Monica, Cal.: RAND Corp., 2019
  21. Wolfgang Richter: Erneuerung der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa. Vom Gleichgewicht der Blöcke zur regionalen Stabilität in der Krise. Berlin: SWP, Juli 2019
  22. Buchbesprechungen
  23. Sammelbesprechung „Entstehung und Verfall internationaler Ordnung“
  24. Joshua R. Itzkowitz Shifrinson: Rising Titans, Failing Giants. How Great Powers Exploit Power Shifts. Ithaca and London: Cornell University Press 2018, 276 Seiten
  25. Donald Stoker: Why America Loses Wars. Limited Wars and US Strategy from the Korean War to the Present. Cambridge: Cambridge University Press 2019, 336 Seiten
  26. Stefan Fröhlich: Das Ende der Selbstfesselung. Deutsche Außenpolitik in einer Welt ohne Führung. Wiesbaden: Springer Verlag 2019. 166 S.
  27. Bildnachweise
  28. Disarmament, Demobilization, and Reintegration – An underdeveloped diplomatic tool in Yemen
Heruntergeladen am 14.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/sirius-2020-1003/html
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