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Kristi Raik/Mika Aaltola/Jyrki Kallio/Katri Pynnöniemi: The Security Strategies of the US, China, Russia and the EU. Living in Different Worlds, Helsinki: Finnish Institute of International Affairs, Juni 2018

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Published/Copyright: March 31, 2020

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Raik Kristi Aaltola Mika Kallio Jyrki Pynnöniemi Katri The Security Strategies of the US, China, Russia and the EU. Living in Different Worlds Helsinki Finnish Institute of International Affairs Juni 2018


In Zeiten globaler Großmachtrivalitäten ist es gut zu wissen, welche Strategien die bedeutenden Großmächte verfolgen. Vier Analysten des Finnish Institute of International Affairs vergleichen daher die Sicherheitsstrategien der USA, Chinas, Russlands und der Europäischen Union. Der Untertitel der Studie „Living in Different Worlds“ signalisiert, dass die vier Akteure unterschiedliche Vorstellungen über das geopolitische Ringen der Mächte und die (künftige) Ausgestaltung der Weltordnung haben. Der Analyse vorangestellt sind eine Reihe von Leitfragen zur selbstdefinierten Rolle im internationalen System, dem Kooperationsverständnis (zero-sum versus win-win), der Bedeutung internationaler Institutionen und Normen sowie den eingesetzten Ressourcen. Als Material dienen fast immer die aktuelle und letzte Sicherheitsstrategie der Staaten. Da China seine nationale Sicherheitsstrategie nicht veröffentlicht hat, greifen die Autoren auf ein Outline der National Security Strategy und die Militärstrategie zurück. Im Falle der EU wird die 2016 veröffentlichte Global Strategy untersucht.

Jedem Akteur wird ein Artikel gewidmet, in dem zu Beginn der Entstehungsprozess und die Bedeutung der Strategie eingeordnet werden. Beim Vergleich der nationalen Sicherheitsstrategien der USA wird deutlich, welchen Einfluss die jeweilige Administration auf die inhaltliche Schwerpunktsetzung und die Begrifflichkeiten hat. Während in der unter Obama erstellten Strategie von 2015 ein globaler, inklusiver und stärker kooperativer Politikansatz verfolgt wird, zeichnet sich die aktuelle Strategie der Regierung Trump von 2017 durch einen enger gefassten Fokus auf US-Interessen und den internationalen Wettbewerb der Großmächte aus. China und Russland werden hierbei als Hauptkonkurrenten für die amerikanische Sicherheit, Souveränität und noch bestehende Vorherrschaft angesehen. Die multilaterale, einst von den USA geschaffene, Weltordnung wird weniger vorteilhaft und stärker unter realpolitischen nationalen Sicherheitserwägungen betrachtet. Beide Strategien – von Obama wie Trump – haben jedoch auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten. In beiden gilt der Zugang zu bzw. die Kontrolle über globale Wirkräume und Institutionen (key global domains) wie das Finanzsystem, Seewege und Handelsströme als essenziell, um weiterhin Amerikas Vormachtstellung zu sichern. Das komplexe Zusammenspiel aus Kontinuität und Wandel zeigt sich auch bei den beiden russischen nationalen Sicherheitsstrategien von 2009 (unter Medwedew) und 2015 (unter Putin). Ähnlich wie bei Obama und Trump ist auch von Medwedew zu Putin eine inhaltliche Schwerpunktverlagerung von einer vergleichsweise offenen, „liberalen“ – in jedem Falle weniger aggressiven – Sicherheitsstrategie zu einer stärker konfrontativen und militaristischen augenscheinlich. In dem unter Medwedew verabschiedeten Dokument wird von einer wirtschaftlichen und technologischen Modernisierung Russlands gesprochen. Die aktuelle Strategie hingegen zeichnet ein durchweg negatives Bild, in dem Russland durch den Westen herausgefordert wird und sich existenziell behaupten müsse. Diese Verschärfung in Inhalt und Sprache sei kaum überraschend, da das Dokument maßgeblich vom nationalen Sicherheitsrat unter Leitung des ehemaligen Direktors des Inlandsgeheimdienstes FSB verfasst wurde. Zum klaren Erkennen des Gegners – der Westen als Ganzes – und den größten Bedrohungen der Stabilität Russlands (Extremismus) zählt auch der Schutz sogenannter russischer (konservativer) Werte. Diese seien durch westliche liberale „Gefahrprodukte“ wie Demokratie, Individualismus und freie Medien bedroht und müssten eingedämmt oder gar abgeschirmt werden.

Den Schutz des eigenen (sozialistischen bzw. konfuzianischen) Wertekosmos vor der kulturellen Hegemonie des Westens betont auch die Sicherheitsstrategie Chinas. Sie ist jedoch weit weniger konfrontativ formuliert als die russische. Vielmehr nennt sie die wesentlichen Bedingungen, um China nach innen zu stabilisieren und nach außen auf einem (noch) friedlichen Wirtschaftswachstumskurs zu halten. Als geostrategische Leitlinie Pekings bzw. der Kommunistischen Partei kann folgender Satz angesehen werden: „China must seek unity with Russia, seek engagement with the EU, and seek stability with the US.“ Die Zukunft wird zeigen, wie realistisch diese Annahmen sein werden.

Die Global Strategy der EU zeichnet sich als einzige durch eine (noch) vergleichsweise liberale und idealistische Sichtweise auf die Welt und die eigenen Machtmittel aus. Das strategische Leitprinzip ist ein kooperativer und regelbasierter Multilateralismus. Zur Bewältigung von Sicherheitsproblemen werden zivile oder zivil-militärische Lösungsansätze favorisiert. Die EU sei daher – zugespitzt formuliert – die einzige „gute“ und zugleich naive (Groß)Macht – allerdings zum Preis einer nach wie vor hohen militärischen Abhängigkeit von den USA. Dass auch in der EU in Zukunft ein gewisser geopolitischer Realismus einkehren wird, darf als sicher gelten.

Insgesamt hält die Studie für sicherheitspolitische Kenner nichts wesentlich Neues bereit. Ihr Mehrwert liegt in der komprimierten Zusammenfassung der Ziele, Interessen und Weltbilder, die in den jeweiligen Sicherheitsstrategien artikuliert werden. Wünschenswert wäre, wenn auch künftige Strategiedokumente dieser und weiterer Staaten auf diese Weise verglichen werden würden.

https://www.fiia.fi/en/publication/the-security-strategies-of-the-us-china-russia-and-the-eu

Published Online: 2020-03-31
Published in Print: 2020-04-01

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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  15. Peter Rudolf: Der amerikanisch-chinesische Weltkonflikt. Berlin: SWP, Oktober 2019.
  16. Bobo Lo: Greater Eurasia: The Emperor’s New Clothes or the Idea whose Time Has Come? Paris: Institut français des relations internationales (Ifri), Études de l’Ifri, Russie.Nei.Reports, No. 2, Juli 2019.
  17. Paul Dibb: How the geopolitical partnership between China and Russia threatens the West. Canberra: ASPI, November 2019
  18. Cheol Hee Park: Strategic Estrangement between South Korea and Japan as Barrier to Trilateral Cooperation. Washington, D.C.: Atlantic Council, 2019.
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  22. Buchbesprechungen
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  24. Joshua R. Itzkowitz Shifrinson: Rising Titans, Failing Giants. How Great Powers Exploit Power Shifts. Ithaca and London: Cornell University Press 2018, 276 Seiten
  25. Donald Stoker: Why America Loses Wars. Limited Wars and US Strategy from the Korean War to the Present. Cambridge: Cambridge University Press 2019, 336 Seiten
  26. Stefan Fröhlich: Das Ende der Selbstfesselung. Deutsche Außenpolitik in einer Welt ohne Führung. Wiesbaden: Springer Verlag 2019. 166 S.
  27. Bildnachweise
  28. Disarmament, Demobilization, and Reintegration – An underdeveloped diplomatic tool in Yemen
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