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Wie können die Gesundheitsversorgung, -förderung und Prävention regional optimiert werden? Die Entwicklung der Gesundheitsregionenplus in Bayern

  • Malte Bodeker EMAIL logo , Timo Deiters , Albert Eicher , Alfons Hollederer , Florian Pfister and Manfred Wildner
Published/Copyright: November 25, 2016

Zusammenfassung:

Die Vernetzung lokaler Akteure ist eine strukturelle Voraussetzung zur Optimierung der Gesundheitsversorgung, Pravention/Gesundheitsforderung und Regionalentwicklung. In 33 bayerischen Gesundheitsregionenplus werden hierzu Akteure aus dem Gesundheitswesen sowohl untereinander, als auch mit angrenzenden Politikbereichen vernetzt, um regionale Public Health-Probleme kooperativ zu losen und Synergiepotenziale zu erschließen.

Abstract

Linking local agents and stakeholders is a key requirement for improving health care, health promotion and prevention as well as integrated regional development. Therefore, 33 “Health Regionsplus” involving representatives from the health care sector and other policy areas have been established in Bavaria to innovate solutions for regional health issues and to tap into synergy potential.

Einleitung

Die Vernetzung lokaler Akteure ist eine strukturelle Voraussetzung, um die Gesundheitsversorgung, Prävention und Gesundheitsförderung vor Ort zu optimieren [1, 2] sowie gesundheitliche Belange stärker in die Regionalentwicklung integrieren zu können [3, 4]. Nach einer Übersicht aus dem Jahr 2015 verfügt jedoch erst ca. ein Drittel der Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland über Gesundheitskonferenzen, in denen die sektorenübergreifende Zusammenarbeit und der „Health in All Policies“-Ansatz [5] organisiert werden können [6].

In Bayern werden kreisfreie Städte und Landkreise durch das Förderprogramm Gesundheitsregionenplusdes Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) über einen Zeitraum von fünf Jahren dabei unterstützt, regionale Netzwerkstrukturen aufzubauen, weiterzuentwickeln und zu verstetigen. In den Netzwerken wirken Entscheidungsträger und Akteure aus dem Gesundheitswesen und angrenzenden Politikbereichen mit, die vor Ort bei der Gesundheitsversorgung und -förderung eine wesentliche Rolle innehaben (vgl. Tabelle 1). Strukturiert wird die Zusammenarbeit dieser Akteure durch ein Gesundheitsforum zur strategischen Planung, Arbeitsgruppen zur Gesundheitsversorgung, Prävention/Gesundheitsförderung sowie weiteren (optionalen) Handlungsfeldern und vor Ort eingerichtete Geschäftsstellen zur Organisation und Koordination innerhalb der Gesundheitsregionenplus. Eine übergreifende wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch die Fachliche Leitstelle Gesundheitsregionenplus im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Sie berät teilnehmende Regionen, bietet Fortbildungen an, fördert den Wissenstransfer zwischen den regionalen Netzwerken und evaluiert das Programm [7, 8].

Tabelle 1:

Akteure der Gesundheitsregionenplus.

Gesundheitspolitik/ AdministrationAmbulante /stationäre Gesundheitsversorgung und -förderungSozialversicherungsträgerSonstige
Kreistag bzw. StadtratÄrztekammer /Kreisärzteschaft, Kassenärztliche VereinigungGesetzliche KrankenversicherungSelbsthilfe
Landratsamt bzw. GesundheitsamtZahnärztekammer/ KreiszahnärzteschaftGesetzliche PflegeversicherungPatientenvertreter/ Patientenschutz
Sozial- und JugendhilfeApothekerkammerGesetzliche RentenversicherungWohlfahrtsverbände
VerkehrPsychotherapeutenkammerGesetzliche UnfallversicherungUniversitäten, Hochschulen
UmweltHeilberufe (Pflege, Hebammen, Ergo-/Physiotherapie, Logopädie)Sportverbände
SchuleEinrichtungen der GesundheitsvorsorgeVolkshochschulen
BildungStationäre Einrichtungen der Krankenversorgung,Lokale Akteure
ArbeitLandeskrankenhausgesellschaft, ggf. Pflege-/Reha-EinrichtungenLokale Beauftragte
WirtschaftTräger ambulanter nichtärztlicher, pflegerischer und sozialer LeistungenLokale Netzwerke
Träger der Prävention und GesundheitsförderungSozialpartner

Quelle: Konzeptionelle Empfehlungen zum Akteursspektrum [7].

Erste Ergebnisse der Implementierungsphase

Seit dem Jahr 2015 wurden in Bayern 33 Gesundheitsregionenplus etabliert (Stand: Oktober 2016). Hierzu zählen drei kreisfreie Städte, 22 Landkreise und 8 kreisübergreifende Bündnisse von je zwei Gebietskörperschaften, die aufgrund räumlicher Bezüge und Mitversorgungseffekten gebildet wurden (vgl. Tabelle 2). Insgesamt sind damit bisher 41 der 96 Landkreise und kreisfreien Städte im Freistaat Teil der Gesundheitsregionenplus (Stand: Oktober 2016).

Tabelle 2:

Dreiunddreißig Gesundheitsregionenplus in Städten, Landkreisen und Bündnissen Bayerns.

3 kreisfeie StädteFürth, Nürnberg, Straubing
22 LandkreiseBerchtesgadener Land, Cham, Dillingen a.d. Donau, Donau-Ries, Ebersberg, Erding, Freising, Forchheim, Garmisch-Partenkirchen, Günzburg, Haßberge, Kronach, Landsberg am Lech, Miltenberg, Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim, Passau, Regen, Rosenheim, Roth, Weilheim-Schongau, Weißenburg-Gunzenhausen, Wunsiedel i. Fichtelgebirge
8 kreisübergreifende BündnisseBäderland Bayerische Rhön (Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld) sowie Zusammenschlüsse der Städte und Landkreise Ansbach, Bamberg, Coburg, Erlangen/Erlangen-Höchstadt, Hof, Regensburg, Würzburg

Quelle: Fachliche Leitstelle Gesundheitsregionenplus am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Nürnberg.

Erste Erkenntnisse zur regionalen Umsetzung des Konzepts [7, 8] liegen aus Fortschrittsberichten der regionalen Geschäftsstellen und übergreifenden Analysen der Fachlichen Leitstelle Gesundheitsregionenplus vor. Die Berichte belegen, dass die Geschäftsstellen in kurzer Zeit errichtet werden konnten und sich die Gesundheitsforen sowie mindestens zwei obligatorische Arbeitsgruppen zur Gesundheitsversorgung und Prävention/Gesundheitsförderung erfolgreich in den Regionen konstituiert haben. Im Verlauf wurden weitere Arbeitsgruppen gegründet und durch Unterarbeits- oder Projektgruppen ergänzt bzw. ausdifferenziert. So konnten Stand Mai 2016 bereits in jeder zweiten Gesundheitsregionplus zusätzliche Gremien gebildet (durchschnittlich 2,8±1,0 AGs im Programmgebiet) und erste Projekte initiiert werden (3,3±3,0 Projekte). Zentrale Themen der Arbeitsgruppen wurden auf Basis regionaler Bedarfsanalysen unter Verwendung von „Gesundheitsatlas Bayern“ [9], Versorgungsatlanten [10], Erhebungen der Geschäftsstellen und Expertengesprächen ermittelt. Themenschwerpunkte aus dem Bereich der Gesundheitsversorgung waren u.a. die Haus- und fachärztliche Versorgung, Nachwuchs- und Fachkräftegewinnung sowie die Vernetzung zwischen ambulantem und stationärem Sektor. Im Bereich Prävention/Gesundheitsförderung lag der Fokus auf der gesundheitlichen Chancengleichheit, gesundem Altern und Aufwachsen (vgl. Tabelle 3). Darüber hinaus wurden die Jahresschwerpunkthemen des StMGP zur (psychischen) Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (2015, 2016) wie konzeptionell vorgesehen in allen Gesundheitsregionenplusdurch Gesundheitstage, Ausstellungen und Fachveranstaltungen umgesetzt.

Tabelle 3:

Arbeitsgruppen im Programmgebiet der Gesundheitsregionenplus.

Handlungsfeld Prävention/GesundheitsförderungHandlungsfeld GesundheitsversorgungWeitere Handlungsfelder
Psychische Gesundheit von Kindern und JugendlichenHaus- und fachärztliche VersorgungPflege(-beratung)
Gesunde Lebenswelten („Setting-Ansatz“)Nachwuchs- & FachkräftegewinnungGesundheitstourismus
Kinder- und JugendgesundheitÄrztlicher BereitschaftsdienstGesundheitswirtschaft
Gesundheit im AlterÄrztliche WeiterbildungRehabilitation
Gesundheitliche ChancengleichheitRettungsdienst/NotfallversorgungTelemedizin
Gesundheit von MigrantenKrankenhausversorgungDatenanalysen
BewegungsförderungVernetzung ambulant-stationärer SektorGesunde Gemeinden
Gesunde ErnährungHospiz- und Palliativversorgung (SAPV, AAPV)
SuchtpräventionOnkologische Versorgung
GewaltpräventionGeriatrische Versorgung
Betriebliche GesundheitsförderungApotheken-/ Arzneimittelversorgung
Versorgung Geflüchteter

Quelle: Halbjährliche Fortschrittsberichte der Gesundheitsregionenplus an die Fachliche Leitstelle am LGL zum Stand Mai 2016. Berücksichtigt wurden die Berichte der 24 seit dem Jahr 2015 geförderten Regionen.

Diskussion

Die Gesundheitsregionenplus bieten sowohl ländlichen als auch städtischen Regionen die Möglichkeit, Problemstellungen in der Gesundheitsversorgung, Prävention/Gesundheitsförderung sowie angrenzenden Handlungsfeldern kooperativ zu lösen und Synergiepotenziale zu erschließen. Die ersten Ergebnisse aus der Implementierungsphase verdeutlichen, dass sich die Gesundheitsregionenplus ein breites Aufgabenspektrum auf die Agenda geschrieben haben. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt zeigen sich eine hohe Mitwirkungsbereitschaft der Akteure im Gesundheitswesen und eine zügige Implementierung der Geschäftsstellen, Gesundheitsforen und Arbeitsgruppen. Die Strukturqualität konnte damit in kurzer Zeit sichergestellt werden [vgl. 11].

  1. Interessenkonflikt: Die Autoren sind in den Referaten des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege bzw. des Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit beschäftigt, in denen das Programm Gesundheitsregionenplus begleitet wird. Trotz des möglichen Interessenkonflikts ist der Beitrag unabhängig und produktneutral.

  2. Forschungsförderung: Die Autoren erklären, dass sie keine Forschungsförderung erhalten haben.

  3. Autorenbeteiligung: Alle Autoren tragen Verantwortung für den gesamten Inhalt dieses Artikels und haben der Einreichung des Manuskripts zugestimmt.

Literatur

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8. Hollederer A, Eicher A, Pfister F, Stühler K, Wildner M. Vernetzung, Koordination und Verantwortung durch Gesundheitsregionenplus: Neue gesundheitspolitische Ansätze und Entwicklungen in Bayern. Gesundheitswesen 2015(EFirst). Epub 13.08.2015.10.1055/s-0035-1555892Search in Google Scholar PubMed

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Published Online: 2016-11-25
Published in Print: 2016-12-1

©2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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