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Albion an Holsteins Küsten?Der preußische Generalstab und die Furcht vor einer britischen Landung in Norddeutschland und Dänemark, 1905–1914

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Published/Copyright: May 8, 2020
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Zusammenfassung

Seit dem Herbst 1905 befürchtete die deutsche Militärführung britische Landungen in Schleswig-Holstein oder Dänemark. Ein britisches Korps könnte zur Unterstützung Frankreichs an Deutschlands Nordflanke landen, den Nordostseekanal unterbrechen und auf Kiel und Hamburg vorstoßen. Tatsächlich glaubte der Große Generalstab lange daran, die »Nordoption« sei der britischen Militärführung weitaus sympathischer als eine Landung in Frankreich. Der Beitrag geht der Frage nach, welche Auswirkungen diese Ansichten auf das Handeln des preußisch-deutschen Generalstabs sowie auf dessen Einschätzung eines britischen Kriegsbeitrags hatten. Beleuchtet werden dabei militär‑, außen‑, innen‑ und wirtschaftspolitische Aspekte.

1. Einleitung

»Fisher kommt!« Dieser und ähnliche Rufe waren Anfang 1907 in Kiel und Umgebung zu hören. Sie verursachten eine Panik unter der deutschen Zivilbevölkerung, die auch die Berliner Börse nicht unbeeindruckt ließ. Vorsichtige Eltern nahmen ihre Kinder gar für zwei Tage aus der Schule, ehe sich das Gerücht als falsch erwies.[1] Fisher – gemeint war der britische Admiral und First Sea Lord John Arbuthnot Fisher – kam nicht und sollte vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges auch nicht mehr kommen. Die Furcht vor einer amphibischen Landungsoperation durch britische Marine‑ und Heeresverbände auf deutschem Boden blieb jedoch und beschränkte sich nicht nur auf deutsche Zivilisten in Nord‑ und Ostseenähe. Auch im küstenfernen Berlin, in den höchsten Regierungskreisen, im Admiralstab und in den Gedanken Kaiser Wilhelms II. fasste sie ab 1905 Fuß.[2] Rasch griff der Ausdruck »perfides Albion«[3] um sich, attestierten Teile der Berliner Öffentlichkeit Großbritannien doch ein hinterhältiges Verhalten. Weitaus bedeutsamer für die kontinentale Militärpolitik des Deutschen Reichs war es, dass die Angst vor Fisher, seiner Marine und den britischen Landungstruppen sogar im preußisch-deutschen Generalstab Einzug hielt. Schließlich konnte eine britische Landung den deutschen Plan für einen Zweifrontenkrieg maßgeblich beeinflussen.

Die Befürchtung, ein starkes britisches Expeditionskorps könnte in Schleswig-Holstein oder Dänemark ausgeschifft werden, sich des Nordostseekanals bemächtigen und anschließend auf Kiel und Hamburg vorstoßen, beruhte vor allem auf den Enthüllungen des ehemaligen französischen Außenministers Théophile Delcassé, die anonym vom 5. bis zum 7. Oktober 1905 in der französischen Tageszeitung »Matin« erschienen. Darin behauptete Delcassé, der britische Außenminister Lansdowne habe ihm auf dem Höhepunkt der ersten Marokkokrise die mündliche Zusage erteilt, im Falle eines deutschen Angriffs auf Frankreich den Nordostseekanal zu besetzen und mit 100 000 Mann in Schleswig-Holstein zu landen.[4] Obwohl die britische Regierung das Bestehen derartiger Versprechen gegenüber Frankreich sofort dementierte,[5] schlugen die Leitartikel in diplomatischen und militärischen Zirkeln Europas hohe Wellen. Der deutschen Generalstabsführung zeigten sie, dass eine britische Beteiligung an einem europäischen Krieg, die bis dahin als unwahrscheinlich galt, fortan zumindest in die Berechnungen miteinkalkuliert werden musste.[6] Folglich musste sich der Große Generalstab, zu dessen Hauptaufgabe die Beobachtung möglicher Kriegskontrahenten zählte,[7] nun mit der Frage auseinandersetzen, wie ein britisches Militärengagement auf dem Kontinent aussehen, vor allem aber wo ein britisches Expeditionsheer landen würde. Eine Landung an Deutschlands Nordflanke rückte dabei verstärkt in den Fokus.

Was der deutsche Generalstab angesichts der Enthüllungen Delcassés vermutete, sollte sich bestätigen: Aufgrund der zunehmenden Spannungen zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien[8] befassten sich britische Militärführung und Politik erstmals seit dem Krimkrieg (1853–1856) wieder mit einem Militärengagement auf dem Kontinent. Zwischen Dezember 1905 und Januar 1906 setzten daher zwischen den Militärführungen Frankreichs und Großbritanniens Gespräche ein, welche die Landung eines britischen Expeditionskorps auf dem europäischen Festland vorbereiten sollten.[9] Wo diese stattfinden sollte, war zwischen den britischen Teilstreitkräften aber umstritten. Während die Armeeführung Belgien oder Frankreich favorisierte, machte sich die Marine für eine amphibische Landung in Dänemark stark. In seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber der britischen Flotte ging Admiral Fisher sogar noch weiter und forderte wiederholt einen Überraschungsangriff auf die deutsche Marine und den Nordostseekanal.[10]

Die innerbritischen Diskussionen blieben dem Generalstab im Detail verborgen. Betrachtet man dessen militärische Planungen vor 1914, stößt man sofort auf den Schlieffen‑ bzw. Moltkeplan und die deutsche Einschätzung Frankreichs und Russlands als Hauptkonkurrenten.[11] Gedankenspiele abseits dieser Planungen blieben in der historischen Forschung hingegen weitgehend unbeachtet. Zwar wird dem Generalstab völlig zu Recht eine einseitige Festlegung auf den Schlieffenplan attestiert. Übersehen wird dabei jedoch, dass sich der Generalstab auch mit anderen militärischen Problemen auseinandersetzte. Dazu zählen etwa die Einschätzungen einer britischen Landung an der deutschen Nordflanke. Diese wurden von der historischen Forschung bislang kaum untersucht und sollen daher in den folgenden Ausführungen näher betrachtet werden.[12] Wie stufte der preußisch-deutsche Generalstab die Erfolgsaussichten einer britischen Landung in Norddeutschland oder Dänemark ein? Welche Operationsideen trauten seine führenden Offiziere einem feindlichen Expeditionskorps zu und welche Gegenmaßnahmen fassten sie ins Auge? Wie nah kam der Generalstab mit seinen Analysen den tatsächlichen britischen Absichten? Und schließlich: Welche Folgen hatten die Einschätzungen auf die deutsche Militärpolitik im Vorfeld des Ersten Weltkrieges? Trugen sie dazu bei, das britische Militärengagement auf dem Kontinent zu unterschätzen, wie dies für führende Generalstabsoffiziere belegt ist?[13]

2. Eine britische Landung in Dänemark? Die deutschen Einschätzungen 1904–1908

a) Schlieffen und eine britische Landung in Europa

Hatten sich Szenarien einer britischen Landung an deutschen Küsten bis 1905 immer in einem theoretischen Rahmen bewegt,[14] verdeutlichten die außenpolitischen Spannungen der deutsch-britischen »navy scare« im Winter 1904/05,[15] wie schnell eine gespannte internationale Lage in einem Krieg eskalieren konnte. Die Krise enthüllte gleich mehrere generalstabsinterne Probleme: Da die britische Armee innerhalb der für Großbritannien zuständigen 3. Abteilung bislang kaum beobachtet worden war und ganz im Schatten der Frankreichaufklärung stand,[16] mangelte es an grundlegenden Militärinformationen über das Empire. Zugleich fehlte es dem Generalstab an operativen Lösungen für einen möglichen Krieg gegen das Inselreich. Eine Landung auf dem britischen Festland war angesichts der britischen Flottenüberlegenheit unausführbar.[17] Zugleich glaubten die führenden Generalstabsoffiziere zu diesem Zeitpunkt aber auch noch nicht an eine britische Landung in Europa, in deren Rahmen deutsche Truppen Schlachtenerfolge gegen das britische Heer hätten erzielen können.

Schlieffen brachte im Winter 1904/05 daher die sogenannte »Faustpfand-Theorie« ins Spiel: Konnte man Großbritannien nicht angreifen, musste man einen seiner europäischen Verbündeten besiegen, um das Empire auf diese Weise zu Verhandlungen zu zwingen.[18] Der Generalstabschef dachte dabei an eine Niederwerfung Frankreichs, doch der deutsche Admiralstab bevorzugte eine Besetzung Dänemarks. Schließlich kam dem Land als Tor zwischen Nord‑ und Ostsee eine wichtige seestrategische Bedeutung zu.[19] Admiralstabschef Wilhelm Büchsel führte indes noch ein weiteres Argument für eine Besetzung Dänemarks an: Britische Streitkräfte könnten das Land als Sprungbrett für einen Angriff auf den Nordostseekanal benutzen.[20] Dieser war aus Sicht der deutschen Marine von höchster strategischer Bedeutung, konnten darüber doch die Seestreitkräfte ohne Gefahr von der Ost‑ in die Nordsee und umgekehrt verlegt werden.[21] Folglich hatte die Marineleitung großes Interesse an der Sicherung ihrer »Lebensader«: Sie arbeitete mit Hochdruck an Plänen für eine Besetzung Dänemarks, in denen auch der Generalstab eine wichtige Rolle spielte. Schlieffen wies allerdings darauf hin, die dafür notwendigen Kräfte an der Front zu Frankreich nicht entbehren zu können, und lehnte weitergehende Planungen ab.[22] Wilhelm II. ordnete schließlich eine Einstellung der Gedankenspiele an, da sich nicht nur Schlieffen, sondern auch Reichskanzler Bernhard von Bülow gegen sie aussprach.[23] Fortan versuchte der Admiralstabschef Schlieffen von der Notwendigkeit einer Besetzung Dänemarks zu überzeugen, indem er auf die Gefahr einer britischen amphibischen Operation an Deutschlands Nordflanke hinwies.[24]

Die Auseinandersetzungen um die Pläne des Admiralstabs waren auch während der ersten Marokkokrise noch virulent. Admiralstabschef Büchsel war von der Möglichkeit eines britischen amphibischen Unternehmens überzeugt. Ohnehin war aufseiten der Marineführung die Furcht vor einem britischen Überraschungsangriff mit anschließender Truppenanlandung weitaus ausgeprägter als in Heereskreisen.[25] Schlieffen war hingegen der Meinung, »England würde sich wohl hüten, sich mit Deutschland in einen Landkrieg einzulassen und dies Frankreich allein übertragen«.[26] Dementsprechend war er nicht bereit, Kräfte von der Westfront zur Abwehr einer hypothetischen Gefahr abzuziehen. Das Bild Großbritanniens, das wie im Siebenjährigen Krieg und in den Kriegen gegen Napoleon Bonaparte lieber einen »Festlandsdegen« für sich kämpfen ließ,[27] wirkte hier eindeutig nach.

Die Enthüllungen Delcassés im »Matin« im Oktober 1905 befeuerten die Gerüchte einer britischen Landung an der deutschen Nordflanke jedoch vehement. Nicht nur die Besetzung deutscher Häfen, sondern auch die Entsendung eines mehr als 100 000 Mann umfassenden Expeditionsheeres war nun schlagartig in den Bereich des Möglichen gerückt. Selbst Schlieffen schien angesichts der Presseberichte nicht gänzlich unbeeindruckt, wandte er sich doch Anfang November schriftlich an Büchsel mit der Bitte um Auskunft. So wollte er vom Admiralstab wissen, ob Esbjerg der einzige Ort an der jütischen Westküste sei, wo eine feindliche Landung möglich wäre, wie es an der jütischen Ostküste aussehe und ob an der schleswig-holsteinischen Westküste eine Landung ausgeschlossen sei.[28] Büchsel betonte in seiner Antwort, Esbjerg sei der einzige denkbare Landungsort an der dänischen Westküste, während die Ostküste beinahe überall Landungen zulasse. Eine Landung auf deutschem Boden, in Schleswig-Holstein, sei zwar möglich, doch hielt Büchsel einen solchen gewagten britischen Vorstoß für unwahrscheinlich.[29]

Schlieffen tauschte sich indes nicht nur mit dem Admiralstab aus, sondern nahm nun auch seine Offiziere in die Pflicht, mehr für die Großbritannienaufklärung zu tun. Der 3. Abteilung erteilte er den Auftrag, die operativen Möglichkeiten des Empires in einem europäischen Krieg in einer grundlegenden Denkschrift zu untersuchen. Anfang Dezember legte der Großbritannienexperte des Generalstabs, Paul von Heydebreck, ein umfangreiches Memorandum mit dem Titel »Unternehmung Englands gegen Deutschland zu Lande« vor, das er mit einigen Grundbemerkungen über die Qualität des britischen Heeres begann.[30] Ohne Zweifel lasse sich sagen, dass die britische Feldarmee »an einheitlicher Ausbildung, gleichmässigen Ersatz und geübter Führung deutschen Truppen des stehenden Heeres nicht ebenbürtig sein wird«. Sie sei zwar in der Lage, sich »in den Besitz von einigen schwach besetzten Punkten, die nicht allzu fern vom Ort der Ausschiffung der Armee liegen, zu setzen und diese bei günstigem Gelände in hartnäckigster Weise auch gegen einen überlegenen Feind zu verteidigen«, doch seien »weitgehende Offensivbewegungen« von ihr nicht zu erwarten.[31] Damit hatte Heydebreck direkt zu Beginn seiner Ausführungen betont, ein britisches Expeditionskorps könne nicht auf Hamburg oder gar Bremen vorstoßen. Er schrieb diese Tatsache dem fehlenden Offensivgeist zu: Offensives Denken galt als Voraussetzung für operative Erfolge und war im Generalstab unter Schlieffens Ägide geradezu zu einem Dogma geworden.[32]

Im zweiten Teil seiner Denkschrift beschäftigte sich Heydebreck mit den denkbaren Ausschiffungsorten eines 100 000 Mann umfassenden britischen Expeditionsheeres. Die Möglichkeit einer Landung in Frankreich schloss der Offizier aus, denn eine britische Armee würde so zu »einer verhältnismässig unbedeutenden Hilfstruppe heruntersinken, eine Rolle, die dem englischen Selbstbewusstsein schwerlich zusagen wird«.[33] Als weitaus wahrscheinlicher stufte er eine Landung in Antwerpen und eine direkte Unterstützung Belgiens ein.[34]

Ausführlich kam Heydebreck aber auch noch auf eine dritte Möglichkeit zu sprechen: eine Landung an Deutschlands Nordflanke. »So fernliegend ein solcher Plan auch auf den ersten Anschein scheinen möchte, so gewinnt er doch bei näherer Betrachtung an Wahrscheinlichkeit«, sei hier doch der britischen Armee mit der Vernichtung der deutschen Flotte und des Nordostseekanals ein verheißungsvolles Ziel gegeben. Dass Kiel zur Landseite nicht befestigt sei, erhöhe die Erfolgsaussichten einer britischen Unternehmung:

»Ihr glücklicher Ausfall würde doch einen ganz anderen Erfolg für England bedeuten als die Hilfe, die eine englische Landung in Nordost-Frankreich oder Belgien möglicherweise dem verbündeten Frankreich bringen könnte. Dazu kommt noch, dass die Engländer vielleicht hoffen mögen, gleichzeitig mit der Vernichtung der deutschen Flotte auch dem deutschen Handel den Todesstoss geben zu können, wenn sie ausser Kiel auch Hamburg besetzen und die dort liegenden Handelsschiffe wegnehmen würden, was zweifellos den englischen Wünschen besonders entsprechen würde.«[35]

Eine solche Landung war damit aus Heydebrecks Sicht jene Lösung, die der britischen Militärführung am sympathischsten war.

Als einzigen geeigneten Hafen für einen solchen Plan nannte der Generalstabsoffizier das dänische Esbjerg. Von dort aus sei ein Marsch auf Kiel in sieben Tagen ausführbar. Heydebreck stufte aber die Erfolgsaussichten eines solchen Unternehmens insgesamt als gering ein. Schließlich sei es den deutschen Verteidigern rasch möglich, örtliche Reservedivisionen nach Norden zu beordern, ohne die Front gegen Frankreich schwächen zu müssen. Auf diese Weise würden die Nachschubverbindungen eines britischen Expeditionskorps bedroht.[36]

Zusammenfassend hielt Heydebreck fest, »dass die englische Feldarmee auch bei einer Unternehmung nach Holstein hinein wenig Aussicht auf Erfolg hat, dagegen sehr leicht der Vernichtung anheimfallen könnte. Trotzdem ist kein Zweifel, dass die englischen massgebenden Stellen sich mit einer solchen Verwendung der Armee wenigstens beschäftigt haben.« Schließlich seien die Enthüllungen Delcassés wohl kaum gänzlich aus der Luft gegriffen. Auch könne das Anlaufen von Esbjerg[37] »geradezu als ein Versuch im grossen bezeichnet werden, wie sich der dortige Hafen als Flottenstützpunkt bewähren würde«.[38] Angesichts des großen Wagnisses werde die britische Regierung aber wohl eine Feldarmee nach Antwerpen entsenden.[39]

Schlieffen zeigte sich von den Ausführungen Heydebrecks vollauf überzeugt. In seinem letzten Kriegsspiel als Generalstabschef war eine britische Landung daher nicht in Jütland vorgesehen, da sich ein Expeditionskorps dort »etwas einsam fühlen« würde.[40] Lange nach seinem Rücktritt, im Jahr 1909, veröffentliche Schlieffen in der »Deutschen Revue« den Aufsatz »Der Krieg in der Gegenwart«, der auch über seine Einschätzungen über die britischen Absichten Aufschluss gibt. Ehe das Empire »die angekündigte Landung in einem jütischen Hafen« ausführe, werde »es Telegramme aus Afrika, Indien, Ostasien und Amerika abwarten. Wenn es die Welt in Brand steckt, hat es Besseres zu tun, als seine Armee [...] arretieren zu lassen.«[41] Schlieffen griff damit ein Topos auf, das bereits seit der Bismarck-Zeit in der deutschen Militärführung kursierte.[42] Zugleich stellte er das Erscheinen britischer Truppen in Europa generell in Frage. Auch zur Zeit des Jahreswechsels 1905/06 dürften die Ansichten Schlieffens ähnliche gewesen sein. Dass eine britische Landung in Dänemark ein großes Wagnis war, bestätigte auch der deutsche Militärattaché in London, Friedrich von der Schulenburg. Seiner Ansicht nach werde »nur dann eine Landung in unserem Norden zu gewärtigen sein, wenn Frankreich im Verein mit dem englischen ein Landungskorps dorthin schickt«.[43]

Anfang 1906 wurde Schlieffen durch Helmuth von Moltke d.J. als Generalstabschef ersetzt. Seinem Nachfolger übergab er, gewissermaßen als Handlungsanweisung, die Denkschrift »Krieg gegen Frankreich«. Die Rolle Großbritanniens wurde darin allerdings mit keiner Silbe erwähnt. Um Moltke auch in Bezug auf die Haltung des Empires seine Ansichten mitzuteilen, verfasste Schlieffen im Februar 1906 ein Zusatzmemorandum. Ausdrücklich warnte der scheidende Generalstabschef seinen Nachfolger davor, deutsche Truppen aus dem Kampf gegen Frankreich abzuziehen, um einem britischen Expeditionskorps in Esbjerg entgegenzutreten. Ohnehin würden die Briten den Verlauf der ersten Schlacht abwarten, ehe sie sich zum Einschreiten entschlössen. Falle diese zugunsten Deutschlands aus, »so werden die Engländer wahrscheinlich ihr aussichtsloses Unternehmen aufgeben«. In Erwartung eines britischen Expeditionskorps »auf einem entlegenen zukünftigen Kriegsschauplatz eine Armee, ein Korps, eine Division zurückzulassen, die den Franzosen gegenüber die Entscheidung bringen könnten«, wäre ein verhängnisvoller Fehler, so Schlieffen. Gegen eine gelandete britische Expeditionsstreitmacht müsste der deutsche Generalstab vielmehr »alle noch im Lande befindlichen Kräfte, und es sind deren noch immer recht beträchtliche, zusammenziehen und die eingedrungenen Engländer erdrücken«.[44]

Um sicherzustellen, dass Moltke, der in einigen Dingen durchaus anderer Ansicht war als sein Vorgänger,[45] diesen Einschätzungen zustimmte, lancierte Schlieffen schließlich einen Aufsatz des Generalstabsoffiziers Ferdinand von Schmerfeld. Dieser behandelte die Ansichten des älteren Moltke über feindliche Landungen an den deutschen Küsten und erschien Anfang 1906 im Generalstabsorgan »Vierteljahrshefte für Truppenführung und Heereskunde«. Direkt zu Beginn hieß es dort: »Die Gefahr feindlicher Landungen an den deutschen Küsten ist in früheren Zeiten immer überschätzt worden und wird noch heute vielfach überschätzt.«[46] Eine britische Landung in Dänemark schien demnach aus Sicht des Großen Generalstabs und seines scheidenden Chefs extrem unwahrscheinlich zu sein, eine Landung in Norddeutschland schloss man gänzlich aus. Die Bedeutung, die ein britischer Kriegseintritt und die Entsendung eines Expeditionsheeres hatten, wurde von Schlieffen eindeutig unterschätzt,[47] was auch mit den Einschätzungen zur britischen Dänemark-Option zusammenhing. Zwar schien sie aus deutscher Sicht die verlockendste britische Landungsmöglichkeit zu bieten, doch war sie die mit Abstand riskanteste. Da der Generalstab zudem davon ausging, Großbritannien werde nicht als französisches Anhängsel fungieren wollen, schien ein ausgedehntes britisches Militärengagement auf dem Kontinent generell fraglich zu sein. Der ehemalige Generalstabsoffizier Stefan von Velsen brachte diese Ansicht rückblickend auf den Punkt:

»Wenn in Momenten schärferer politischer Spannungen ein aktives Eingreifen Englands diskutiert wurde, dann war wohl von dem Expeditionskorps von 100 000 Mann, von Landungsmöglichkeiten in Dänemark (Esbjerg) und dgl. die Rede, aber man nahm das alles neben den Problemen des Zweifrontenkrieges nicht sehr ernst.«[48]

b) Moltke und die britische Bedrohung der deutschen Nordflanke

Helmuth von Moltke trat am 1. Januar 1906 sein Amt als neuer Generalstabschef an. Obwohl er in vielen Dingen an den Hinterlassenschaften seines Vorgängers festhielt, beispielsweise an der »Frankreich zuerst«-Devise der deutschen Kriegsplanung,[49] bemühte er sich doch von Beginn an, dem Generalstab seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Auch war er eher als Schlieffen dazu bereit, als überholt erkannte Ansichten zu revidieren. Neben seinen Bemühungen, von der einseitigen Festlegung auf einen Umfassungsangriff abzurücken, ist hier vor allem sein Einsatz für realistischere und kriegsgemäßere Kaisermanöver zu nennen, in dessen Rahmen er Wilhelm II. davon überzeugen konnte, auf die Führung einer Manöverpartei zu verzichten.[50]

Im Hinblick auf die Einschätzung der Gefahren, die von einer britischen Landung an Deutschlands Nordflanke ausgingen, verließ sich Moltke nicht auf die Vorgaben seines Vorgängers, sondern zog stattdessen eigene Schlussfolgerungen. Hatte Schlieffen einer möglichen britischen Nordoperation nur wenig Bedeutung beigemessen, machte der neue Generalstabschef dem Admiralstab und der deutschen Reichsleitung schnell klar, dass er zu anderen Urteilen kam. Bereits zwei Monate nach seinem Dienstantritt, während der Spannungen auf der Algeciras-Konferenz,[51] unterrichtete Moltke den Reichskanzler über die britische Einstellung bezüglich eines europäischen Krieges. Es war das erste Mal, dass der Generalstab seine Einschätzungen über eine britische Landung mit der Reichsleitung teilte. Komme es zu einem Konflikt mit Frankreich, so begann Moltke seine Ausführungen, werde sich Großbritannien auf die Seite der Dritten Republik stellen, um die Integrität Belgiens zu schützen. Dieses Endziel könne

»aber nicht erreicht werden durch den alleinigen Einsatz der Flotte. Dazu sei auch der Einsatz der Landarmee erforderlich. Die Heranführung der Landarmee sei geplant: entweder – nach Vernichtung der deutschen Flotte – nach der jütischen oder schleswigschen Küste, oder – wenn die Vernichtung der deutschen Flotte nicht gelungen sei – nach der belgischen oder holländischen Küste.«[52]

Erstmals nannte Moltke damit eine Voraussetzung einer britischen Landung in Dänemark: Die Vernichtung der zu diesem Zeitpunkt noch im Aufbau begriffenen deutschen Flotte.

Zur gleichen Zeit berichtete der Generalstabschef auch seinem Chefkollegen Büchsel von Nachrichten, denen zufolge die britische Militärführung eine Landung in Jütland als »wirksamste Maßregel« in einem Krieg gegen Deutschland erblicke, »besonders wenn sie mit französischen Kräften zusammen stattfindet derart, dass 3 englische und 3 französische Armeekorps unter englischer Führung nach Berlin in Marsch gesetzt würden«.[53] Wie zuvor bereits Schulenburg brachte Moltke damit ein weiteres Gefahrenelement ins Spiel: eine Verstärkung der britischen Expeditionskräfte in Jütland durch französische Truppen. Ein solches Zusammenspiel der Ententemächte hätte eine weitaus größere Gefahr für Norddeutschland bedeutet als eine alleinige britische Unternehmung, auch wenn die Distanz nach Berlin beträchtlich gewesen wäre. Fraglich blieb aus Sicht des Generalstabs indes, ob Frankreich überhaupt die Mittel besaß, Kräfte nach Dänemark zu werfen, während deutsche Truppen auf französischem Boden standen.

Für den Fall einer alleinigen britischen Landung rechnete Moltke nicht mit weitreichenden Offensivstößen und schloss sich damit den Urteilen Heydebrecks an. Vielmehr habe eine solche Operation ihre Aufgabe erfüllt, »wenn es ihr gelingt, 4 bis 5 deutsche Armeekorps auf 4 bis 5 Wochen vom Hauptkriegsschauplatz abzuziehen«[54] – eine Wirkung, die Moltke offensichtlich ebenso für möglich hielt wie eine erfolgreiche Anlandung von 100 000 britischen Soldaten. Auch wiederholte er den Hinweis, eine Landung in Dänemark oder Schleswig-Holstein finde nur statt, sofern die im Aufbau befindliche deutsche Flotte zuvor blockiert oder vernichtet worden sei.[55] Diese war Anfang 1906 keinesfalls in der Lage, sich mit der britischen Navy zu messen.[56] Ihre Ausschaltung oder Blockierung schien durchaus möglich zu sein. Die Mitteilung Moltkes war demnach auch eine ernste Mahnung an den Admiralstabschef, die Kräfte zusammenzuhalten und auf einzelne Offensivunternehmungen zu verzichten, um eine amphibische Landung des Empires verhindern zu können.

Wie nah aber kamen die Einschätzungen des Generalstabs den wirklichen britischen Plänen? Tatsächlich herrschte innerhalb des britischen Militärs ein ausgewachsener Strategiestreit, wie Großbritannien in einen europäischen Krieg eingreifen sollte. Während das Heer um den neugegründeten Generalstab für eine Landung britischer Expeditionstruppen in Frankreich oder Belgien warb und damit eine Kontinentalstrategie befürwortete, machte sich die Marineführung für eine maritime Strategie stark, in deren Rahmen auch Landungen in Schleswig-Holstein oder Dänemark ins Auge gefasst wurden.[57] Fisher, der die Army ohnehin immer als Projektil ansah, das von der Flotte abgefeuert werden musste,[58] hatte bereits im April 1905 von einer »golden opportunity« zum Losschlagen gesprochen und betont: »We should have the German fleet, the Kiel Canal, and Schleswig-Holstein within a fortnight.«[59] Auch der Oberbefehlshaber der Channel-Fleet, Arthur Wilson, stimmte diesen Ansichten im Sommer 1905 zu und warb für eine amphibische Operation und einen Angriff auf den Nordostseekanal.[60] Ob die Marineführung aber bereits zu diesem Zeitpunkt an die Anlandung eines 100 000 Mann starken Expeditionsheeres oder eher an kleinere amphibische Operationen dachte, bleibt fraglich. Schließlich befand sich die britische Armee nach den Ernüchterungen des Zweiten Burenkrieges (1899–1902) in einem großen Umbruch. Ein schlagkräftiges Expeditionsheer mit mehr als 100 000 Mann musste erst noch geformt werden.[61]

Als im Sommer 1905 ein Krieg zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich drohte, kam es zwischen britischem Heer und Marine zu ersten Fühlungnahmen. Hatte ein Memorandum des britischen Generalstabs zunächst noch Kompromissbereitschaft erkennen lassen und betont, eine Landung in Schleswig-Holstein bedeute für die Franzosen eine große Unterstützung, die bis zu 400 000 deutsche Soldaten binden könne,[62] änderte die Führung der Landstreitkräfte im Herbst ihre Meinung. Fortan hielt man die deutsche Verteidigung im Norden für viel zu stark, um mit einem Expeditionskorps Erfolge erzielen zu können. Außerdem glaubte der britische Generalstab nicht mehr daran, dass eine Operation in Schleswig-Holstein genügend deutsche Truppen von der Westfront abziehen würde.[63] Stattdessen konzentrierten sich die Landstreitkräfte nun auf die im Winter 1905 beginnenden Stabsgespräche mit Frankreich und auf die im Januar 1906 anlaufenden Verhandlungen mit dem belgischen Generalstab.[64] Da die französische Armeeführung ohnehin eine direkte Verstärkung der französischen Front befürwortete,[65] hatte sich die Army zu diesem Zeitpunkt für eine Strategie entschieden. Entscheidend für ihren Sinneswandel war der Bedeutungszuwachs, den das Heer im Falle einer Landung in Frankreich erhielt: Während man auf diese Weise die britische Strategie vorgeben konnte, war man im Falle einer amphibischen Operation an der deutschen Nordflanke lediglich das Anhängsel der Navy.[66]

Die Entscheidung zwischen maritimer und Kontinentalstrategie fällte im Januar 1906 das Committee of Imperial Defence (CID), das neben den wichtigsten militärischen auch die zentralen politischen Entscheidungsträger umfasste und dem die Rolle des obersten Entscheidungsorgans zugedacht war.[67] Zwischen Dezember 1905 und Januar 1906 tagte es viermal. Es entschied sich schließlich aus militärstrategischen und politischen Gründen für die Pläne des britischen Generalstabs.[68] Obwohl damit eine Entscheidung zugunsten des Heeres gefallen war, wollte sich die Flottenführung nicht mit ihrer Niederlage abfinden. In den folgenden Jahren sahen Planspiele der Marine nach wie vor Landungsunternehmen an der deutschen Nordflanke vor. Während der deutsche Generalstab also fieberhaft nach dem Landungsort eines britischen Expeditionsheeres suchte, besaß die britische Armee in den kritischen Monaten der Jahre 1905/06 keine Gesamtstrategie, die beide Teilstreitkräfte, Heer und Flotte, gemeinsam unterstützten.[69]

Auch nach 1906 blieb die außenpolitische Lage in Europa angespannt. Vor allem die im selben Jahr verabschiedete deutsche Flottennovelle, mit der das Deutsche Reich auf die rüstungstechnischen Fortschritte Großbritanniens im Bereich des Schlachtschiffbaus (den sogenannten »Dreadnought«-Sprung) reagierte,[70] trübte das deutsch-britische Verhältnis. Folglich blieb auch die Möglichkeit einer britischen Landungsoperation bestehen. Erhärtet wurden die Befürchtungen Moltkes im Februar 1907 durch ein brisantes Schreiben, das der Generalstab von einem anonymen deutschen Informanten aus Großbritannien erhalten hatte. Der mit dem Titel »Englische Rüstungen gegen Deutschland« überschriebene Brief malte die Gefahr, die vom Empire für Deutschland ausging, in den grellsten Farben. Ausführlich kam der Informant auch auf britische Unternehmungen in Dänemark zu sprechen, allen voran der Ausbau des Hafens von Esbjerg. Dass englische Marineoffiziere und Ingenieure, »entweder von der Admiralität inspiriert oder gar in direktem Auftrag derselben, bei den Entwürfen für Hafen‑ und Bahnanlagen mitgewirkt haben«, sei eine Tatsache. Eine derart enorme Erweiterung der Hafenanlagen, wie sie geplant sei, könne nur von militärischem Interesse getragen sein.[71]

Finanzierte die britische Regierung den Ausbau des Hafens von Esbjerg, um dort ein britisches Expeditionskorps ausladen zu können? Dagegen sprach, dass Großbritannien nicht nur die Erlaubnis der dänischen Regierung benötigt hätte, sondern in diesem Fall auch der Mitwisserkreis viel zu groß war, um die Geheimhaltung einer britischen Landung zu gewährleisten.[72] Dennoch hielt Moltke den Wahrheitsgehalt des Briefs für derart bedenkenswert, dass er ihn an den Reichskanzler weiterleitete. Zudem erkundigte er sich bei einem befreundeten dänischen Offizier, Louis Carl Frederik Lütken, nach Esbjergs Hafenanlagen und den dortigen Baufortschritten.[73]

Insgesamt maß Moltke einer britischen Landung in Dänemark bis zum Herbst 1907 eine wesentlich höhere Bedeutung bei als Schlieffen. Das zeigen nicht nur die zahlreichen Stellungnahmen, die er an den Admiralstab und an die Reichsleitung weiterleitete, sondern auch sein Engagement in den Verhandlungen mit Dänemark.[74] Aus der Sicht des Generalstabschefs und seiner 3. Abteilung schien ein Zusammenstoß zwischen deutschen und britischen Truppen entlang des Nordostseekanals somit keinesfalls ausgeschlossen zu sein, im Gegenteil: Nicht Calais, Dünkirchen oder Antwerpen, sondern Esbjerg hatte man als den wahrscheinlichsten Landungshafen für ein britisches Expeditionskorps ausgemacht.[75]

3. Entwurf von Gegenmaßnahmen

Die Vorstellung einer britischen Landung an der deutschen Nordflanke war keineswegs eine Idee des jungen 20. Jahrhunderts. Bereits im Krieg Preußens und Österreichs gegen Dänemark 1864 drohte die britische Regierung mit einer Landung von Truppen auf dem Kriegsschauplatz. »Was würden Sie tun, wenn England 100 000 Mann in Schleswig-Holstein landen würde?«, fragte ein britischer Diplomat Otto von Bismarck. Der preußische Ministerpräsident – darüber unterrichtet, dass die britische Armee für ein solches Unternehmen gar nicht gerüstet war – antwortete: »Dann würde ich den Gendarm beauftragen, sie zu verhaften.«[76] Das geflügelte Wort Bismarcks aufgreifend, stellte Moltke, nachdem er im August 1914 die Nachricht von der Landung des britischen Expeditionskorps in Nordfrankreich erhalten hatte, abschätzig fest: »Die arretieren wir!«[77] Doch anders als solche Aussprüche vermuten lassen, ging der deutsche Generalstab zwischen 1905 und 1914 zunächst nicht derart leichtfertig mit der Möglichkeit einer britischen Landung in Norddeutschland oder Dänemark um.

a) Ausbau des strategischen Bahnnetzes

Bereits unter Schlieffen leitete der Generalstab eine erste, bedeutende Maßnahme zur Abwehr einer britischen Landung ein: Den Ausbau des strategischen Eisenbahnnetzes in Schleswig-Holstein. Die drei wichtigen Nord-Süd-Trassen befanden sich fast ausnahmslos in preußischem Staatsbesitz, waren in der Regel eingleisig und somit wenig leistungsfähig. Wirtschaftliche Gründe hatten einen Ausbau der Linien bislang nicht notwendig erscheinen lassen. Die wachsenden Spannungen mit dem Empire und die Enthüllungen Delcassés führten Ende 1905 zu einem raschen Umdenken. Erstmals schienen die von der generalstabsinternen Eisenbahnabteilung bereits zuvor geplanten Ausbaumaßnahmen politisch durchsetzbar zu sein.[78] Ende Dezember 1905 kam es im Reichseisenbahnamt in Berlin zu ersten Verhandlungen, an denen vonseiten des Generalstabs der Chef der Eisenbahnabteilung, Hermann von Staabs, teilnahm. Aufgefordert, die Gründe für einen Ausbau der Strecken darzulegen, betonte Staabs, die Provinz Schleswig sei in einem Krieg äußerst gefährdet, und zwar nicht nur durch einen Einfall aus dem Norden, sondern auch durch eine Landung feindlicher Truppen von See aus. »Das wirksamste und einzig mögliche Mittel, solchen feindlichen Unternehmungen entgegenzutreten, bestände darin, im gegebenen Fall eine genügende Truppenmacht überraschend schnell nach den bedrohten Gegenden zu werfen«, führte Staabs aus. »Die Leistungsfähigkeit der hierfür in Betracht kommenden Eisenbahnen böte aber keine Gewähr für das Gelingen eines solchen Planes.«[79] Folglich forderte der Chef der Eisenbahnabteilung den Bau zweiter Gleise für die wichtigen Nord-Süd-Trassen.[80]

Die Ausführungen Staabs’ trafen auf keinerlei Widerstand. Das Reich erklärte sich bereit, Preußen bei den Kosten des Projekts, die immerhin auf 6,5 Millionen Reichsmark veranschlagt wurden, zu unterstützen.[81] Auch Bülow setzte sich für die Verwirklichung des Ausbaus ein: Im Januar 1906 schrieb der Reichskanzler an Wilhelm II.:

»Während es bisher als ausreichend erachtet werden konnte, die Leistungsfähigkeit des deutschen Eisenbahnnetzes im Interesse der Landesverteidigung nach der West‑ und der Ostgrenze hin zu erhöhen, haben die Ereignisse des letzten Sommers darauf hingewiesen, daß auch darauf Bedacht genommen werden muß, die Küstengebiete des Reichs durch einen strategischen Ausbau verschiedener Eisenbahnlinien gegen die Möglichkeit einer Landung feindlicher Streitkräfte besser zu sichern.«[82]

Ein Promemoria des Reichseisenbahnamts räumte ganz offen ein, dass der Ausbau für »den gewöhnlichen Verkehr allein [...] nicht erforderlich«, sondern vielmehr im »Interesse der Landesverteidigung geboten« sei.[83]

Die Schilderungen von Staabs zeitigten Erfolg. Bereits im März 1906 wurden die Nachtragsforderungen abgesegnet. Auch bei den Beratungen der Budgetkommission des Reichstags warb der Chef der Eisenbahnabteilung noch einmal für die Maßnahme.[84] Letztlich stimmte der Reichstag den geforderten Baumaßnahmen zu,[85] die 300 Kilometer zusätzliche Gleise bedeuteten. In Zukunft konnte der Generalstab daher auf eine zweigleisige Verbindung im Westen und in der Mitte Schleswig-Holsteins zurückgreifen, während die eingleisige östliche Nord-Süd-Strecke erheblich verbessert worden war.[86]

Mit diesen Ausbaumaßnahmen gab sich der Generalstab nicht zufrieden. Vielmehr ergriff er ein Jahr später die nächste sich bietende Gelegenheit, um das Bahnnetz noch leistungsfähiger zu gestalten: den Ausbau des Nordostseekanals. Dieser war nur zwölf Jahre nach Fertigstellung des Kanals nötig geworden, da ihn die immer größer werdenden Großkampfschiffe der deutschen Marine mit ihrem Tiefgang nicht mehr durchfahren konnten.[87] Im Rahmen der kommissarischen Beratungen über das Erweiterungsprojekt am 6. Februar 1907 im Reichsamt des Innern waren daher nicht nur Vertreter der Marine anwesend, sondern auch zwei Offiziere des Großen Generalstabs. Diese setzten sich für einen Ausbau der unzureichenden Kanalbrücken ein. Man lege größten Wert darauf, dass »der planmäßige Verlauf der Mobilmachung nicht durch Störungen an den Kanalbrücken in Frage gestellt werde und daß auch ein etwaiger Aufmarsch im nördlichen Schleswig-Holstein unbedingt sichergestellt sei«. Bei einem Angriff aus dem Norden würden »größere Truppenansammlungen nach dort geworfen werden, Unternehmungen von den Küsten oder auch von Dänemark her können schleunige Truppenversammlungen nördlich des Kanals erforderlich machen, deren Transport bei den jetzigen Übergangsverhältnissen [...] nicht genügend gesichert erscheine«.[88] Anstelle von den störungsanfälligen Drehbrücken warben die Generalstabsoffiziere daher für den Bau von Hochbrücken über den Nordostseekanal und setzten sich damit durch. Die von den Militärs gewünschte Hochbrücke bei Rendsburg wurde in Angriff genommen und 1913 fertiggestellt.[89] Damit sorgte sie für eine weitere Leistungssteigerung der Eisenbahnverbindungen.

b) Zusammenarbeit zwischen General‑ und Admiralstab

Für die Verhinderung von feindlichen amphibischen Landungsoperationen spielt die Zusammenarbeit zwischen Heer und Flotte des Verteidigers eine zentrale Rolle. Im Falle des Deutschen Reichs fiel diese Kooperation jedoch eher gering aus.[90] Die Chefs des Admiral‑ und Generalstabs standen zwar in regelmäßigem Briefkontakt, tauschten sich aber lediglich über operative Detailfragen aus. Eine gemeinsame Gesamtstrategie während eines europäischen Krieges wurde nicht ausgearbeitet.[91] Moltke stand seit Beginn seiner Amtszeit auf dem Standpunkt, dass die deutsche Flotte der Armee im Falle eines Krieges am besten dienen könne, wenn sie »mit allen Kräften den feindlichen Seestreitkräften den größten Schaden zufügt, ohne sich für Nebenaufgaben [...] zu zersplittern«.[92] Auch Transport‑ und Landungsmöglichkeiten eines britischen Expeditionsheeres waren von den beiden Teilstreitkräften wiederholt analysiert worden.[93] Angesichts der maritimen Überlegenheit Großbritanniens bezifferte der deutsche Admiralstab die Möglichkeit, eine britische Landung auf dem Kontinent noch vor der Ausschiffung der Truppen zu verhindern, als äußerst gering ein.[94] Dem Generalstab war eine Landung der britischen Streitkräfte auf dem Kontinent sogar recht sympathisch, glaubte er auf diese Weise doch eine Möglichkeit gegeben, die britische Armee abseits der Heimat vernichten zu können.[95] Angenehmer war es allerdings, wenn eine Vernichtung der britischen Truppen im Zuge des Westfeldzuges durchgeführt werden konnte, ohne auch noch Truppen nach Norddeutschland abstellen zu müssen.

Ungeachtet dieser Einschränkungen informierten sich beide Behörden über Möglichkeiten einer amphibischen Operation Großbritanniens und tauschten Informationen miteinander aus.[96] Außerdem nahm die deutsche Flotte eine nicht unbedeutende Rolle in den Abwehrplänen des Generalstabs ein. Schließlich ging er davon aus, dass eine britische Landung in Norddeutschland oder Dänemark erst nach der Vernichtung der deutschen Seestreitkräfte möglich sei.[97] In Besprechungen mit Admiralstabschef Friedrich von Baudissin drängte Moltke 1907 die Marineführung daher zu einer defensiveren Strategie, da »es für die Heeresführung ungünstig sei, wenn die Engländer bald nach Beginn des Krieges die unbestrittene Seeherrschaft in der Nordsee und damit die Möglichkeit, nach beliebigen Richtungen Truppen zu transportieren, erlangten«.[98] Derartige Bitten um Beschränkung des maritimen Offensivgeistes blieben indes nur eine kurze Episode. Bereits ein Jahr später erhob Moltke keinerlei Einwände mehr gegen die neue offensive Planung des Admiralstabs.[99] Die Flotte solle sich durch die Möglichkeit einer britischen Landung nicht in ihren Planungen einschränken lassen,[100] lautete nun das Credo des Generalstabschefs.

Die wachsende Stärke der deutschen Flotte beeinflusste auch die Ansichten innerhalb des Generalstabs. Zwar konnte der Vorsprung Großbritanniens bei Weitem nicht eingeholt werden, wohl aber wurde es für die britische Flotte zunehmend riskanter, einen Angriff auf deutsche Häfen oder Küstenstädte zu wagen.[101] Die deutsche Flotte war schließlich in erster Linie als Drohinstrument und nicht als Offensivwaffe konzipiert worden. Dieser »Risikotheorie« zufolge sollte die deutsche Flotte so groß sein, dass ein (britischer) Angriff viel zu riskant und verlustreich gewesen wäre. Statt den Verlust der Suprematie zur See zu riskieren, werde die britische Regierung eher ein Bündnis mit dem Deutschen Reich suchen, war die Annahme des Architekten der deutschen Flotte Alfred von Tirpitz.[102] Dies wirkte sich auch auf etwaige britische Landungspläne in Dänemark aus: Allein der Transport der Truppen nach Esbjerg war angesichts der wachsenden deutschen Hochseeflotte ein Wagnis. Enge Absprachen zwischen General‑ und Admiralstab waren daher kaum nötig, bot doch bereits das Wachstum der deutschen Flotte eine gewisse Gewähr, dass das Empire eine Landung an der Nordflanke des Reichs unterließ.

Von dieser Annahme ausgehend, hätte der Generalstab eigentlich eine weitere Vergrößerung der deutschen Seestreitkräfte fordern oder zumindest unterstützen müssen. Dass die Behörde dies nicht tat, verdeutlicht die untergeordnete Bedeutung der deutschen Nordflanke: Im Falle eines Krieges waren die Anstrengungen gegen Frankreich und Russland wesentlich wichtiger als mögliche Operationen in Schleswig-Holstein. Folglich machte eine gesteigerte Flottenrüstung zwar eine britische Landung an Deutschlands Nordflanke unwahrscheinlicher, doch entzog sie dem Heer finanzielle Mittel, die dieses im Zweifrontenkrieg benötigte. Eine enge Kooperation zwischen Heer und Marine bzw. zwischen Generalstab und Admiralstab musste daher bereits an den unterschiedlichen Prioritäten scheitern.

c) Taktisch-operative Gegenmaßnahmen

Um seine Offiziere auf einen Krieg vorzubereiten, führte der Generalstab Kriegsspiele und Generalstabsreisen durch und vermittelte mithilfe von taktischen Aufgaben das dafür notwendige theoretische Wissen.[103] Während die taktischen Aufgaben eher für die Generalstabsoffiziere mit niedrigem Dienstalter gedacht waren, konnten die Abteilungschefs und Oberquartiermeister ihre Fähigkeiten vor allem bei den Generalstabsreisen beweisen, die jährlich im östlichen und westlichen Grenzgebiet des Reiches stattfanden und denen vor allem ein Zweifrontenkrieg gegen Russland und Frankreich als Szenario zugrunde lag. Wiederholt wurde aber auch eine britische Landung in Schleswig-Holstein oder Dänemark in Kriegsspiele oder Übungsreisen miteinbezogen.

Bereits 1896 legte Schlieffen den subalternen Offizieren seiner Behörde eine Schlussaufgabe vor, in der ein dänisches Korps auf den Nordostseekanal vorrückte, unterstützt von einem – im Text nicht so bezeichneten – britischen Expeditionskorps. Wie groß dieses Korps geschätzt wurde, geht aus der Aufgabenstellung allerdings nicht hervor.[104] Schlieffen betonte in seiner Lösung, angesichts der numerischen Unterlegenheit der deutschen Verteidiger müssten diese die feindlichen Korps isoliert schlagen. Das dänische Korps müsse mit allen verfügbaren Kräften vernichtet werden, ehe die britischen Verstärkungen landeten. Auf diese Weise könne man die Briten vielleicht sogar ganz von einer Ausschiffung ihrer Truppen abhalten.[105] Unschwer lassen sich hier Schlieffens Glaubenssätze erkennen: Um gegen einen numerisch überlegenen Gegner zum Erfolg zu kommen, mussten an entscheidender Stelle eine Überzahl erzielt und die getrennten Korps einzeln geschlagen werden.[106]

Der Entwurf taktisch-operativer Gegenmaßnahmen war indes nicht nur Chefsache. Auch in den einzelnen Abteilungen ließen die jeweiligen Leiter Kriegsspiele und taktische Aufgaben durchführen. So hielt die Eisenbahnabteilung 1907 ein ähnliches Kriegsspiel ab, bei dem britische und französische Truppen in Jütland landeten und in Schleswig-Holstein einmarschierten. Die Eisenbahnabteilung legte ihr Hauptaugenmerk bei der Lösung des Szenarios vor allem auf Transportfragen. Mithilfe von eilends herangeführten Verstärkungen, die sich aus Landwehreinheiten und sonstigen Ersatztruppen zusammensetzten, sollten die feindlichen Landungstruppen möglichst rasch aufgehalten werden, ohne aktive Formationen aus dem Kampf gegen Frankreich abzuziehen.[107] Schon Heydebreck hatte in seiner umfassenden Denkschrift betont, bis feindliche Truppen in die Gegend von Schleswig vorgedrungen seien, werde es »der deutschen Leitung wahrscheinlich gelungen sein, weitere zum Küstenschutz etwa in Mecklenburg und Hannover zurückgelassene Reserve-Divisionen mit der Bahn heranzuführen«.[108] Innerhalb des Generalstabs war man demnach recht optimistisch, trotz des Aufmarschs eines Großteils des deutschen Heeres an der Westfront in Norddeutschland rasch die numerische Überlegenheit über ein feindliches Expeditionskorps zu erreichen.

Generalstabschef Moltke beschäftigte sich in seinen taktischen Schlussaufgaben des Jahres 1908 ebenfalls mit einer britischen Landung an der deutschen Nordflanke. Darin führte Deutschland Krieg gegen Frankreich und Russland, während ein 100 000 Mann starkes britisches Expeditionskorps in Jütland landete und auf den Nordostseekanal zumarschierte.[109] Moltke betonte in seiner Musterlösung, eine feindliche Landungsarmee werde sich auf ihrem Weg von Jütland nach Süden aufgrund der geografischen Begebenheiten teilen müssen: ein Armeekorps werde westlich, zwei würden östlich der Eider vorrücken. Trotz numerischer Unterlegenheit dürften sich die deutschen Verteidiger, in erster Linie Landwehr und Reserveeinheiten, unter keinen Umständen zurückziehen, vielmehr gelte es, den Nordostseekanal keinesfalls kampflos aufzugeben. Einer feindlichen Landungsarmee gegenüber sei »energische Offensive immer geboten. Ihre Basis sind die Schiffe. Wird sie geschlagen und verfolgt, so kann ihr die Wiedereinschiffung unmöglich gemacht werden«, mahnte der Generalstabschef. Folglich stimmte er jenen Generalstabsoffizieren zu, die in ihren Lösungsansätzen »ohne Zögern angreifen wollen«.[110]

Fasst man die taktisch-operativen Gegenmaßnahmen zusammen, ergibt sich ein klares Bild, das nicht von den restlichen Grundsätzen des deutschen Generalstabs abweicht.[111] Trotz numerischer Unterlegenheit sollte die Offensive gesucht und der Gegner einzeln geschlagen werden, um auf diese Weise eine schnelle Entscheidung an der Nordflanke herbeizuführen. Eine Vernichtung des Gegners mithilfe einer eindeutigen Schwerpunktbildung an entscheidender Stelle schien gegenüber einem britischen Expeditionskorps auch daher erfolgsversprechend zu sein, da dessen Rückzugsweg abgeschnitten werden konnte: Landungskorps waren immer auf die verwundbare Verbindung zu ihren Schiffen angewiesen. Gestützt auf das deutsche Bahnnetz und damit wesentlich beweglicher als der Gegner, sollten die deutschen Truppen ihrem Feind in die Flanke fallen. Insofern waren jene Gegenmaßnahmen, die der deutsche Generalstab für einen schleswig-holsteinischen Kriegsschauplatz entwarf, identisch mit seinen Plänen für den Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland. Lediglich der Maßstab wurde angepasst.

d) Heerespersonelle Maßnahmen

In seiner gesamten Amtszeit als Generalstabschef hatte sich Schlieffen stets gegen eine Zersplitterung der Kräfte ausgesprochen und betont, jeder Mann müsse an der entscheidenden Front – nämlich gegen Frankreich – zusammengezogen werden.[112] Dieser Ansicht seines Vorgängers schloss sich Moltke an. Allein auf die vor Ort befindlichen Verbände wollte sich der neue Generalstabschef aber nicht verlassen. Stattdessen warb er bereits kurz nach seinem Dienstantritt in einem Schreiben an das preußische Kriegsministerium für die Bildung einer »Besatzungs-Armee«, um den Einbruch feindlicher Kräfte »in ungeschützte Landesteile« zu verhindern. Die »Besatzungs-Armee« sollte bereits im Frieden formiert werden und sich aus den in jedem Armeekorpsbezirk vorhandenen überzähligen Ersatzbataillonen bilden.[113] Das preußische Kriegsministerium lehnte eine solche Zusammenfassung der Ersatzbataillone aber ab, waren diese im Kriegsfall doch für die Auffüllung der Verluste der Feldtruppen vorgesehen.

Moltke ließ aber nicht locker und wiederholte in einem weiteren Schreiben seine Forderungen. Er wolle nicht das gesamte Ersatzheer mobilmachen, sondern habe »die beantragten Vorbereitungen für den Schutz Schleswig-Holsteins in den Vordergrund gestellt, weil sich dort eine Lücke am empfindlichsten geltend« mache, teilte er Kriegsminister Josias von Heeringen am 20. August 1910 mit. Vom Ersatzheer erwarte er keine großangelegten Operationen, sondern lediglich entschiedenen Widerstand an vorbereiteten Verteidigungslinien an der Eider und der Schlei.[114] Moltkes intensive Warnungen zeigten nun den gewünschten Erfolg: Das Kriegsministerium lenkte ein und genehmigte im Rahmen des »Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres« vom 27. März 1911 die Aufstellung mobiler Ersatzformationen.[115] Diese waren fortan auch dafür da, mögliche Landungsaktionen der Briten an Deutschlands Nordflanke zu vereiteln.

Dass Moltke die Bedrohung durch ein britisches Expeditionskorps höher einschätzte als sein Vorgänger, verdeutlicht auch die Anfertigung eines Nordaufmarsches, mit dem ab 1906/07 begonnen wurde. »Gegen den Einmarsch einer in Jütland gelandeten Armee« sollten ab dem 9. bzw. 10. Mobilmachungstag das IX. Reservekorps, das IX. Ersatzkorps und die 34. gemischte Landwehrbrigade bei Kappeln/Flensburg, Schleswig, Eckernförde und Rendsburg aufmarschieren.[116] Ab 1909/10 erhielten die in Schleswig-Holstein aufmarschierenden Truppen die Bezeichnung »Nordarmee«.[117] Im Mobilmachungsjahr 1914/15 sollten schließlich neben dem IX. Reservekorps noch vier gemischte Landwehrbrigaden in Schleswig-Holstein aufmarschieren. »Tritt eine Bedrohung der deutschen Küste nicht ein«, betonte der Mobilmachungs-Terminkalender, »so wird das IX. K. und unter Umständen auch die Nordbrigade nach einem anderen Kriegsschauplatz beordert.«[118]

Als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, marschierten diese Truppen vom 8. bis zum 10. Mobilmachungstag gemäß dem Plan im Osten Schleswig-Holsteins zwischen der Flensburger Förde und der Eckernförder Bucht sowie nördlich des Nordostseekanals auf.[119] Erst am 22. August erhielt der Generalstab sichere Nachrichten von der Landung des britischen Expeditionsheeres in Frankreich; eine Bedrohung im Norden war damit obsolet geworden. Das IX. Reservekorps und die gemischten Landwehrbrigaden wurden daher sofort verladen und trafen am 24. August im Raum Brüssel ein,[120] kamen also für die Entscheidung im Westen nicht zu spät.

e) Verhandlungen mit Dänemark

Die außenpolitisch bedeutsamste Gegenmaßnahme fiel dem Generalstab in den Schoß, ging die dazugehörige Initiative doch von der liberalen dänischen Regierung um Ministerpräsident Jens Christian Christensen aus.[121] In der Zeit zunehmender deutsch-britischer Spannungen fürchtete Christensen, die Neutralität Dänemarks könne von einer der beiden Mächte verletzt werden.[122] Um die deutsche Haltung im Falle eines deutsch-britischen Konflikts zu erkunden, baute der dänische Ministerpräsident auf die Sondierungen seines Vertrauensmannes Louis Carl Frederik Lütken. Der Berufsoffizier hatte sich 1902/03 vergeblich um den dänischen Militärattachéposten in Berlin beworben, während eines Aufenthaltes in der deutschen Hauptstadt aber die Bekanntschaft mit vielen hochrangigen deutschen Generalen gemacht. Dazu gehörte auch Helmuth von Moltke.[123]

Über die Rolle Dänemarks in einem deutsch-britischen Krieg hatte indes auch der neue deutsche Generalstabschef nachgedacht. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt stellte Moltke Überlegungen an, wie das Deutsche Reich die Beziehungen zu seinem nördlichen Nachbarn verbessern könnte. Diese waren seit dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 und der Grenzziehung im Frieden von Wien angespannt. Hinzu kam die ungeklärte Optantenfrage, die auf beiden Seiten für Verstimmungen sorgte.[124] Landete ein britisches Expeditionskorps in Esbjerg, war das Deutsche Reich aber auf die Verteidigungsbereitschaft und den Verteidigungswillen Dänemarks angewiesen.

Da Moltke bemüht war, Dänemark in seine Abwehrmaßnahmen gegen eine britische Landung miteinzubeziehen, griff er Anfang 1906 das Gesprächsangebot der dänischen Regierung begierig auf. Lütken, inzwischen Departmentschef im dänischen Kriegsministerium, fungierte dabei als Sprachrohr Christensens. Beide Seiten gingen mit unterschiedlichen Zielen in die Gespräche: Während es der dänischen Regierung wichtig war, aus einem deutsch-britischen Krieg herausgehalten zu werden, benötigte Moltke eine Garantie, dass Dänemark nicht als Sprungbrett für einen britischen Angriff auf Deutschland diente.[125] Am 18. Februar 1906 trafen sich Moltke und Lütken zum ersten Mal in Kopenhagen. Der deutsche Generalstabschef machte seine Position unmissverständlich klar: Gehe Dänemark mit Großbritannien, »erlauben Sie England, Ihr Territorium zu benutzen oder leisten Sie nur fingierten oder unzureichenden Widerstand, ja, dann hat nach meiner Überzeugung Dänemarks letzte Stunde geschlagen«. Dass Dänemark im Falle eines deutsch-britischen Krieges seine Neutralität nicht werde wahren können, stand für Moltke fest: »Bricht ein Krieg aus, so kommen Sie sowieso in die Lage, Partei beziehen zu müssen [...] Sie sollten sich viel lieber darüber klar werden, welchen Weg Sie gehen wollen, dann können wir vorher unsere Absprachen treffen.«[126]

Moltke wies darüber hinaus auf die mögliche britische Landung bei Esbjerg oder am Limfjord hin, auf die sich Dänemark unbedingt vorbereiten müsse. Wenn die dänische Armee ihren Abwehrwillen offen demonstriere, würden die Briten ihre Landungsabsichten möglicherweise von vornherein aufgeben, betonte der deutsche Generalstabschef.[127] Ähnliche Töne schlug er nach seiner Rückkehr nach Berlin auch gegenüber dem dänischen Botschafter Johann Hegermann-Lindencrone an.[128]

Die Deutlichkeit Moltkes hinterließ bei Lütken, Christensen und den wenigen eingeweihten Mitgliedern der dänischen Regierung tiefe Beunruhigung. Man einigte sich darauf, die Sondierungen fortzuführen. Lütken wurde mit einer Instruktion versehen, in der es hieß, Dänemark werde sein Territorium mit aller Macht gegen einen Angriff verteidigen. Man erwarte im Gegenzug aber eine öffentliche Erklärung des Deutschen Reichs, die Neutralität Dänemarks zu respektieren.[129] Am 2. und 3. Juli 1906 trafen sich Moltke und Lütken erneut, dieses Mal in Berlin. Doch obwohl der dänische Unterhändler nun mit Handlungsanweisungen versehen war, änderte sich die Haltung des deutschen Generalstabschefs nicht: »Im Falle eines deutsch-englischen Krieges würde Deutschland die kathegorische [sic] Frage stellen: Feind oder Freund?«[130] Eine öffentliche Erklärung, die Neutralität Dänemarks zu achten, schloss Moltke aus. Auch lehnte er eine Militärkonvention ab, da ihm mit der Rückgabe Schleswigs der aufgerufene Preis als zu hoch erschien. Stattdessen forderte er Lütken erneut auf, die dänische Wehrkraft zu erhöhen, um eine britische Landung abwehren zu können.[131]

Im Frühjahr 1907 kam es zum entscheidenden Treffen zwischen Moltke und Lütken. Nachdem Moltke in den vorangehenden Monaten einen deutschen Angriff angedroht hatte, machte der dänische Verhandlungsführer nun jene Zusagen, die der deutsche Generalstabschef erwartete. Lütken betonte, Dänemark werde »unter keinen Umständen auf der Seite von Deutschlands Feinden stehen«. Falls die dänische Neutralität nicht aufrechterhalten werden könne, werde Dänemark mit Deutschland gehen. Lütken sagte darüber hinaus den Ausbau des dänischen Militärpotenzials zu.[132] Vertraglich fixiert wurden die Ergebnisse allerdings nicht. Dennoch zeigte sich Moltke sehr zufrieden. In einem späteren Brief betonte der deutsche Generalstabschef, »das Wort eines Ehrenmannes« wiege für ihn schwerer »als geschriebene Verträge«.[133] Dem Staatssekretär des Äußeren, Heinrich von Tschirschky, und Bülow berichtete er nicht ohne Stolz, er habe die Zusage erhalten, dass »Dänemark, statt wie bisher beabsichtigt, seine ganze Armee auf Seeland zu versammeln, eine Division in Jütland stehenlassen wolle, die genügen wird, eine Landung in Esbjerg zu verhindern«.[134]

Bis heute ist umstritten, ob Lütken mit dieser Zusage seine Kompetenzen überschritten oder ob er im Sinne Christensens gehandelt hat.[135] Immerhin hielt sich Dänemark an die Zusage und verstärkte ab 1909 die Festung Kopenhagen und seine Armee nachhaltig.[136] Allerdings überschätzte Moltke den Wert der Abmachungen. Schließlich hatte Lütken nicht nur einen förmlichen Vertrag abgelehnt, sondern auch betont, seine Versprechungen besäßen nur in der Ära Christensen Gültigkeit.[137] Da der dänische Ministerpräsident und seine Regierung jedoch bereits im Oktober 1908 über eine Finanzaffäre stürzten,[138] blieben die dänischen Einlassungen von begrenztem Wert. Moltke sah sich daher in der Folgezeit mit der Kritik konfrontiert, kein bindendes Abkommen mit Dänemark zustande gebracht zu haben.[139]

Trotz der umfangreichen Drohungen war sich Moltke aber auch bewusst, dass das Deutsche Reich geringfügige Zugeständnisse machen musste, sollten die Beziehungen zu Dänemark verbessert werden. Anfang 1906 warb Moltke daher bei Bülow dafür, der deutschen Politik gegenüber Dänemark, gerade in Schleswig-Holstein, die Schärfe zu nehmen.[140] Seine Initiative setzte bilaterale Gespräche in Gang, die ein Jahr später zu einem handfesten Erfolg führten: Das Reich und sein nördliches Nachbarland einigten sich am 11. Januar 1907 auf den Abschluss eines Optantenvertrags. Darin verpflichtete sich Dänemark zur Anerkennung der deutsch-dänischen Grenze und damit auch zum endgültigen Verzicht auf eine Wiedereingliederung Schleswigs. Im Gegenzug sagte das Deutsche Reich zu, den in Preußen wohnhaften staatenlosen Optantenkindern die deutsche Staatsangehörigkeit zu gewähren.[141]

Trotz des Vertrags kam es auch in den Monaten nach der Unterzeichnung zu weiteren Zwischenfällen. Die lokale preußische Verwaltung widersetzte sich wiederholt den Bestrebungen Berlins, Dänemark in einigen Punkten entgegenzukommen. Lütken wies Moltke in mehreren Briefen darauf hin, dass die dänische Öffentlichkeit eine Annäherung an das Deutsche Reich nicht befürworten werde, sofern die deutsche Regierung nichts unternehme, um die Streitigkeiten im Grenzland beizulegen.[142] Da Moltke »im militärischen Interesse den grössten Wert darauf« legte, »ein Zusammengehen Dänemarks mit Deutschland« zu sichern, wandte sich der Generalstabschef an Staatssekretär Tschirschky. Stehe Dänemark auf Deutschlands Seite, »so wird uns damit eine Flankensicherung gegen englische Landungen gewahrt, die es uns gestattet, unsere gesamte Heereskraft gegen unseren militärisch stärksten Gegner im Westen einzusetzen«.[143] Um diesen Idealzustand zu erreichen, müsse man Dänemark politisch aber noch einmal entgegenkommen, beispielsweise in der Optantenfrage. Die »kleinen Opfer die wir ja diesem Zweck vielleicht im Frieden bringen«, würden – da war sich Moltke sicher – »im Kriegsfall ihre reichlichen Zinsen tragen«.[144]

Moltkes Bemühungen entfalteten rasch ihre Wirkung: Im Rahmen einer Sitzung am 12. Mai 1907, an der neben dem Staatssekretär des Innern Theobald von Bethmann Hollweg, Tschirschky, dem deutschen Botschafter in Kopenhagen, Viktor Henckel von Donnersmarck, und dem Oberpräsidenten von Schleswig-Holstein, Detlev von Bülow, auch Moltke teilnahm, vereinbarten die Anwesenden weiteres Entgegenkommen gegenüber Dänemark.[145] Dass der Chef des Generalstabs dabei das Recht zur Mitgestaltung einer innen‑ und außenpolitischen Angelegenheit erhielt, verdeutlicht nicht nur seine Autorität als oberster militärischer Berater der Reichsleitung, sondern auch, wie sehr die Furcht vor einer britischen Landung in Esbjerg auf Berliner Regierungskreise übergegriffen hatte.

Die deutsch-dänischen Beziehungen verbesserten sich indes nur geringfügig und blieben bis zum Ersten Weltkrieg angespannt.[146] Dennoch konnte Moltke mit den dänischen Gesprächen insgesamt sehr zufrieden sein. Zwar war es ihm nicht gelungen, ein festes Bündnis zu initiieren,[147] doch war eine britische Landung in Esbjerg angesichts der dänischen Heeresverstärkungen weitaus unwahrscheinlicher geworden.

4. Wandel der Einschätzungen: Eine britische Landung in Frankreich rückt in den Fokus, 1908–1914

Im Winter 1907/08 ging Moltke nicht länger davon aus, eine Operation an der deutschen Nordflanke sei die erfolgversprechendste britische Handlungsoption, auch wenn er sie nach wie vor als jene Möglichkeit einstufte, die der britischen Militärführung grundsätzlich am sympathischsten erschien.[148] Obwohl der neue deutsche Militärattaché in London, Roland Ostertag, in den folgenden Wochen mehrfach neues Material lieferte, das für eine Landung in Esbjerg sprach,[149] und die britische Flotte im Sommer 1908 erneut die dänische Hafenstadt anlief,[150] schien Moltke nun auch anderen Möglichkeiten mehr Beachtung zu schenken.

Dieser Wandel hing mit mehreren Faktoren zusammen: Die erfolgreichen Verhandlungen mit Dänemark hatten Moltke davon überzeugt, dass Deutschlands nördliches Nachbarland alles tun werde, um eine britische Landung in Esbjerg zu vereiteln.[151] Auch der begonnene Ausbau des schleswig-holsteinischen Eisenbahnnetzes machte eine britische Landung an der deutschen Nordflanke unwahrscheinlicher, konnten deutsche Truppen doch fortan weitaus schneller nach Norden verschoben werden. Die vom Generalstab eingeleiteten Gegenmaßnahmen änderten somit auch die Einschätzungen der Behörde hinsichtlich des britischen Verhaltens.

Weitere entscheidende Faktoren gesellten sich dazu. Vor allem der Stärkezuwachs der deutschen Marine, bedingt durch die Flottennovelle von 1906, machte eine britische Landung unwahrscheinlicher. Zwar war die Hochseeflotte ihrem britischen Pendant nach wie vor deutlich unterlegen, doch konnte die Royal Navy anders als noch 1905/06 nicht mehr damit rechnen, die deutschen Seestreitkräfte im Falle eines Krieges rasch in ihren Häfen einzuschließen oder zu vernichten. Ostertag berichtete daher von französischen Stimmen, die zu einer Abkehr der britischen Esbjerg-Strategie mahnten. Großbritannien könne Frankreich mit einer solchen Operation nicht helfen: »Zu einer derartigen Landung müsse England die See beherrschen.« Eine Erringung der Seeherrschaft werde aber längere Zeit dauern, »als die für das deutsche Heer zur Niederkämpfung der französischen Grenzbefestigungen und zur Invasion Frankreichs erforderliche. Setze Deutschland aber seine Anstrengungen weiter fort, so sei es noch unbewiesen, ob es zur See überhaupt von England geschlagen werden würde«.[152] Folglich ging auch Ostertag fortan von zwei Landungsmöglichkeiten für ein britisches Expeditionsheer aus: Dänemark und Frankreich.[153]

Neue Erkenntnisse über britisch-französische Militärabsprachen machten eine britische Landung in Frankreich ebenfalls wahrscheinlicher. Ostertag betonte, es bestehe wohl bislang kein bindendes Abkommen, der britische Kriegsminister Richard Haldane habe aber betont, England werde »›zur Erhaltung des europäischen Gleichgewichts‹ im Falle eines deutsch-französischen Konflikts eo ipso auf französischer Seite zu finden sein«.[154] Die zweite Marokkokrise, die im Sommer 1911 erneut für Kriegsgefahr sorgte, erhärtete die Aussagen Haldanes, trat die britische Regierung doch offen für die französische Position ein.[155] Moltke schwenkte während der Krise ein Stück weit auf den Pfad seines Vorgängers ein. In einer Stellungnahme für die Reichsleitung betonte er, ein britisches Expeditionskorps werde, »wenn überhaupt, nur mit großer Vorsicht auf dem Kontinent eingesetzt werden.« Es könne im unmittelbaren Anschluss an die französische Armee kämpfen, in Belgien landen oder in Jütland operieren.

»Eine schleunige Mobilmachung wäre nur für die erstgenannte Aufgabe erforderlich. Diese Aufgabe scheidet aber wohl als unwahrscheinlich aus. In den anderen Fällen wird sich England vermutlich Zeit nehmen und mehr auf das eigene Interesse als auf das des Verbündeten bedacht sein.«[156]

Die Marokkokrise gab dem Generalstab indes neue Veranlassung, die britischen Handlungsoptionen durchzuspielen.[157] Mit der Marineführung setzte sich der Generalstab im Januar 1912 zusammen, wobei beide Behörden zu dem Schluss kamen, eine britische Landung finde in den französischen Kanalhäfen statt.[158] Diese Meinung unterstrich Moltke in einem Schreiben an den neuen Admiralstabschef August von Heeringen.[159] Auch Heeringen war der Ansicht, eine Landung in Frankreich sei wesentlich leichter zu sichern als eine Landung in Dänemark und daher weitaus wahrscheinlicher.[160] In seiner Rückschau auf die Spannungen um Marokko war sich auch Ostertag sicher:

»Die Landung hätte wohl in Frankreich stattgefunden. Für uns wäre es freilich bei weitem die glücklichste Lösung, wenn die Engländer und Franzosen in einem Zukunftskriege wirklich Schulter an Schulter gegen uns zu kämpfen beabsichtigten. So könnte mit beiden gleichzeitig abgerechnet werden, und wir brauchten unsere Streitkräfte nicht zu teilen.«[161]

Der recht objektiv berichtende Militärattaché in London schaute demnach eher geringschätzig auf die Stärke der britischen Armee. Damit konnte er sich auf die opinio communis innerhalb des deutschen Generalstabs berufen.[162]

Tatsächlich waren aber die britischen Landungsabsichten nach wie vor offen. Seit den britisch-französischen Stabsgesprächen und der Entscheidung des Committee of Imperial Defence, der Kontinentalstrategie der Army den Vorzug vor den Plänen der Navy zu geben, hatten sich beide Teilstreitkräfte noch immer nicht auf eine gemeinsame Linie festlegen können. Fisher und die Marine bevorzugten auch 1911 eine Landung an der deutschen Küste.[163] Memoranden der Army kamen hingegen zu dem Schluss:

»British military operations against Germany itself are impossible under present conditions [...] British military assistance in alliance with France for the preservation of Belgium neutrality would be more usefully given in Belgium or in France than in Denmark.«[164]

Allerdings waren die Kontakte zur französischen Militärführung nach den Besprechungen von 1906 längst eingeschlafen. Erst der neue Director of Military Operations, Henry Hughes Wilson, belebte die Gespräche wieder. Wilson avancierte in der Folge zum energischsten Verfechter einer direkten militärischen Unterstützung Frankreichs.[165] Obwohl die neuen Absprachen mit der französischen Militärführung die britische Kontinentalstrategie der Army weiter verfestigten,[166] stand sie politisch bis zuletzt auf wackeligen Beinen. Die endgültige Entscheidung für eine Landung der britischen Streitkräfte in Frankreich fiel erst Anfang August 1914, ohne dass Großbritannien eine geeignete Armee für diese Strategie besaß.[167]

Vom anhaltenden Strategiestreit in der britischen Militärführung wusste der deutsche Generalstab nichts. Dies enthüllt das umfangreiche Memorandum »Das englische Expeditionskorps«, das Moltke Ende Mai 1912 an die Reichsleitung und an den Admiralstab schickte und das, soweit aktenkundig, die letzte größere Ausarbeitung zu diesem Sachverhalt vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges darstellt.[168] Darin vertraten Moltke und die 3. Abteilung erneut die Ansicht, Großbritannien werde Frankreich als »Festlandsdegen« verwenden: »England kann mithin aus Rücksicht auf die Lage in seinen überseeischen Reichsteilen sein Expeditionskorps auf dem Kontinent, wenn überhaupt, nur mit großer Vorsicht einsetzen.« Während »die anderen Kriegführenden mit Volksheeren um ihr Dasein kämpfen, wird es sich für England nur um einen mit einem Söldnerheer geführten Kabinettskrieg handeln. Jede andere Art des Operierens könnte ihm verhängnisvoll werden«.[169] Folglich mehrten »sich neuerdings die Anzeichen dafür, daß das englische Expeditionskorps, wenn überhaupt, in den französischen Häfen Dünkirchen, Calais und Boulogne ausgeschifft werden soll«.[170]

Der Landung eines britischen Expeditionsheeres an Deutschlands Nordflanke räumte die Denkschrift hingegen nur noch wenig Raum ein. Eine solche sei nicht »besonders wahrscheinlich, aber immerhin möglich«, ihr Ziel wäre »die Zerstörung des Nordostseekanals und vielleicht die Einnahme von Kiel und Hamburg«. Allerdings wäre die Transportflotte »auf der Fahrt und bei der Ausschiffung in Jütland erheblichen Gefahren ausgesetzt«[171] – eine Folge der Aufrüstung der deutschen Marine. Alles in allem könnten die Hoffnungen der Franzosen auf eine Unterstützung der britischen Armee leicht enttäuscht werden, betonte das Fazit des Memorandums:

»Die Engländer werden Bedenken tragen, ihr kleines Expeditionskorps rücksichtslos einzusetzen. Sie werden bei einem europäischen Krieg voraussichtlich vor allem ihre alte Taktik verfolgen, möglichst ihre Verbündeten die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen. Der Einsatz ihres Expeditionskorps auf dem Kontinent wird, wenn überhaupt, so nur mit großer Vorsicht und jedenfalls unter sorgfältiger Festhaltung ihrer rückwärtigen Verbindungen nach den Einschiffungspunkten geschehen.«[172]

Das Memorandum der 3. Abteilung dürfte bei der Reichsleitung seinen Eindruck nicht verfehlt haben.[173] Moltke und seine Mitarbeiter hatten damit dem militärischen Potenzial, das von einem britischen Kriegseintritt ausging, eindeutig den Bedrohungscharakter genommen. Während die britische Flotte fast gar nicht erwähnt wurde, beschränkte man die Rolle des britischen Heeres auf das Führen eines – wie es Moltke 1912 formuliert hatte – begrenzten »Kabinettskrieges«.[174] Der deutsche Generalstab stellte sogar die Frage in den Raum, ob die britische Regierung wirklich den Willen aufbringe, ein Expeditionskorps auf den Kontinent zu senden.[175] Die Furcht, die Moltke noch bei seinem Amtsantritt einer Operation des Empires an der deutschen Nordflanke entgegengebracht hatte, war nun der behördenintern vorherrschenden Geringschätzung gewichen. Ohne eine vollständige, und was noch wichtiger war, rasche Vernichtung der deutschen Flotte glaubte der Generalstab nicht mehr ernsthaft daran, britische Truppen am Nordostseekanal aufhalten zu müssen. Ob sich Großbritannien überhaupt an einem europäischen Krieg militärisch engagieren würde, hielt die Behörde wie am Ende der Amtszeit Schlieffens ebenfalls für fraglich.

5. Fazit

Nur sechs Tage nach der deutschen Kriegserklärung an Frankreich vom 3. August 1914 gingen die ersten britischen Soldaten in Boulogne und Le Havre an Land. Anders als vom deutschen Generalstab erwartet, führte das Empire keinen »Kabinettskrieg«, sondern beteiligte sich in den folgenden vier Jahren mit seiner ganzen militärischen und wirtschaftlichen Macht am Ersten Weltkrieg. Irrte der Generalstab demnach vollständig mit seinen Einschätzungen hinsichtlich britischer Landungsoperationen? Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass eine solche Feststellung zu undifferenziert wäre. Schließlich war die britische Militärführung bis zum August 1914 geteilter Meinung, wo eine Landung stattfinden und wie groß ein britisches Engagement auf dem Kontinent ausfallen sollte. Letztlich fiel die endgültige Entscheidung für eine Landung in Frankreich erst Anfang August 1914.

Angesichts der britischen Uneinigkeit musste es auch dem deutschen Generalstab schwerfallen, die Absichten des Empires im Konfliktfall zu evaluieren. Spätestens seit den Enthüllungen Delcassés im Oktober 1905 hielt man eine britische Landung in Dänemark mit anschließendem Vorstoß nach Schleswig-Holstein für möglich, doch maß ihr Schlieffen keine kriegsentscheidende Bedeutung zu. Während der Generalstabschef gebetsmühlenartig darauf hinwies, keine Truppen von der französischen Front abzuziehen, stufte sein Nachfolger gerade zu Beginn seiner Amtszeit eine amphibische Operation Großbritanniens durchaus als ernstzunehmend ein. Bis 1908 hielt der Generalstab eine britische Landung in Dänemark sogar für weitaus wahrscheinlicher als Unternehmungen in Belgien oder Frankreich. Zweifel wurden indes laut, ob sich das Empire überhaupt an einem europäischen Konflikt beteiligen oder nicht lieber einen »Festlandsdegen« für sich kämpfen lassen würde.

Ungeachtet dessen hatte der Generalstab mögliche operative Ziele Großbritanniens in Schleswig-Holstein richtig erkannt: Vor allem der Nordostseekanal und die Großstädte Kiel und Hamburg mit ihren Werften und Marinebasen waren bei einem britischen Angriff gefährdet. Der Große Generalstab entwarf daher eine Reihe von Abwehrmaßnahmen, die nicht nur militärische, sondern auch außenpolitische, innenpolitische und wirtschaftliche Belange des Deutschen Reichs betrafen. Während die Zusammenarbeit mit dem Admiralstab rudimentär blieb und die taktisch-operativen Gegenmaßnahmen nicht von den allgemeinen Ansichten des Generalstabs abwichen, erforderten heerespersonelle Maßnahmen und der Ausbau des Eisenbahnnetzes in Schleswig-Holstein einen hohen finanziellen Aufwand. Gerade die Erweiterung der norddeutschen Trassen beruhte auf den Befürchtungen vor einer britischen Landung, ließen sich die Baumaßnahmen doch nicht mit wirtschaftlichen Argumenten legitimieren. Obwohl die Kosten mehr als 6,5 Millionen Reichsmark betrugen, hielten sie sich im Vergleich zu anderen strategischen Bahnbauprojekten der Vorkriegszeit in Grenzen. Dass der Bahnbau in Schleswig-Holstein unersetzbare Ressourcen verschlang, die besser an der deutschen West‑ oder Ostgrenze investiert worden wären, lässt sich demnach nicht behaupten.

Ähnliches trifft auf die anfängliche Zurückhaltung des IX. Reservekorps in Schleswig-Holstein zu. Nachdem im Generalstab Mitte August 1914 gesicherte Nachrichten von einer britischen Landung in Frankreich eingegangen waren, konnte das Korps nach Belgien verlegt werden und traf dort am 24. August ein. Für die entscheidenden Schlachten im September 1914 kam es demnach nicht zu spät, die strategischen Auswirkungen der Maßnahmen gegen eine britische Landung an der deutschen Nordflanke waren demnach gering.

Große innen‑ und vor allem außenpolitische Bedeutung kam den Verhandlungen Moltkes mit dem dänischen Offizier Louis Carl Frederik Lütken zu. Obwohl die Initiative zu den Gesprächen von dänischer Seite ausging, erkannte der deutsche Generalstabschef schnell die Gelegenheit, mit dänischer Hilfe eine britische Landung an Deutschlands Nordflanke zu vereiteln. Damit die Gespräche Früchte trugen, wirkte Moltke sogar auf die preußische Innenpolitik ein. Mehrfach warb er gegenüber Bülow, Tschirschky und Bethmann Hollweg für ein Entgegenkommen gegenüber Dänemark. Die Schilderungen Moltkes, im Falle eines Krieges gegen das Empire brauche man dänische Unterstützung, wogen letztlich schwerer als die Ansichten der schleswig-holsteinischen Oberpräsidenten, die mehrfach durch ihre harte Linie gegenüber dem deutschen Nachbarland aufgefallen waren.

Ein Umschwung der Einschätzungen setzte im Generalstab erst im Winter 1907/08 ein. Angesichts der wachsenden Größe der deutschen Flotte erschien eine britische Landung in Esbjerg zunehmend riskant, zumal auch Dänemark seine militärischen Anstrengungen erhöhte, um einem britischen Angriff gewachsen zu sein. Fortan glaubte der Generalstab eher an eine Ausschiffung britischer Truppen in Frankreich, ohne die »dänische Option« gänzlich zu verwerfen. Wie das Memorandum vom Mai 1912 jedoch enthüllt, erwartete der Generalstab vom britischen Empire keinen erbittert geführten Kampf, sondern lediglich einen geringen Beitrag, um das Gesicht des Landes und der britischen Regierung zu wahren. Diese abschätzige Sicht auf Großbritanniens möglichen Kriegsbeitrag hing in wesentlichem Maße mit den Einschätzungen des Generalstabs über eine britische Landung an Deutschlands Nordflanke zusammen. Aus seiner Sicht war dieses Szenario nämlich jene Option, die von der britischen Militärführung am meisten befürwortet wurde. Einzig die geringen Erfolgsaussichten schreckten die britischen Militärs nach Meinung des deutschen Generalstabs von einer Landung in Esbjerg ab. Da die deutschen Generalstabsoberen einen Anschluss britischer Truppen an die französische Armee, bei dem Großbritannien zu einem Anhängsel der Dritten Republik degradiert werde, schon immer für unwahrscheinlich gehalten hatten, konnte der britische Beitrag in einem kommenden Krieg nur gering ausfallen.

Festzuhalten bleibt demnach, dass der Generalstab sich von dem Szenario einer britischen Landung an der deutschen Nordflanke zwar nicht von seiner Zweifrontenkriegsstrategie ablenken ließ, die diesbezüglichen Einschätzungen aber viel dazu beitrugen, den britischen Beitrag im Fall eines europäischen Krieges zu unterschätzen. Dies zeigte sich nicht nur in den Ausführungen des ohnehin skeptischen Schlieffen, sondern auch in den Urteilen anderer Generalstabsoffiziere wie Heydebreck und Waldersee. Selbst recht objektive Beobachter wie Ostertag konnten sich von diesen Einschätzungen nicht frei machen. Letztlich erfassten sie sogar Moltke, der anfangs einer britischen Landung an der Nordflanke durchaus Bedrohungspotenzial attestiert hatte.

Online erschienen: 2020-05-08
Erschienen im Druck: 2020-05-05

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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  15. Buchbesprechungen Allgemeines
  16. Wolfgang Schivelbusch, Rückzug. Geschichten eines Tabus, München: Carl Hanser Verlag 2019, 112 S., EUR 18,00 [ISBN 978‑3‑446‑26228‑7]
  17. Dieter Langewiesche, Der gewaltsame Lehrer. Europas Kriege in der Moderne, München: C. H. Beck 2019, 512 S., EUR 32,00 [ISBN 978‑3‑406‑72708‑5]
  18. Pieter M. Judson, Habsburg. Geschichte eines Imperiums 1740–1918. Aus dem Engl. von Michael Müller, 2. Aufl., München: Beck 2017, 667 S., EUR 34,00 [ISBN 978‑3‑978‑3‑406‑70653‑0]
  19. Friedrich-Wilhelm Henning, Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Bd 3/Teil 2: 1933 bis 1945, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2013, XVIII, 867 S. (= Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, 3/2), EUR 168,00 [ISBN 978‑3‑506‑73864‑6]
  20. Joachim Welz, Erfolgsstory oder Trauma – Die Übernahme von Armeen. Lehren aus der Übernahme des österreichischen Bundesheeres in die Wehrmacht 1938 und der Reste der NVA in die Bundeswehr 1990, Berlin: Miles 2018, 85 S., EUR 14,80 [ISBN 978‑3‑945861‑69‑1
  21. Gregor Fröhlich, Soldat ohne Befehl. Ernst von Salomon und der Soldatische Nationalismus, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2018, 426 S., EUR 49,90 [ISBN 978‑3‑506‑78738‑5]
  22. Heidi J. S. Tworek, News from Germany. The Competition to Control World Communications 1900–1945, Cambridge, MA, London: Harvard University Press 2019, VII, 333 S. (= Harvard Historical Studies, 190), £ 21.95 [ISBN 978‑0‑674‑98840‑8]
  23. Matthias Waechter, Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert, München: C. H. Beck 2019, 608 S. (= Europäische Geschichte im 20. Jahrhundert), EUR 34,00 [ISBN 978‑3‑406‑73653‑7]
  24. Altertum
  25. Pedro Barceló, Die alte Welt. Von Land und Meer, Herrschaft und Krieg, von Mythos, Kult und Erlösung in der Antike, Darmstadt: Philipp von Zabern 2019, 703 S., EUR 35,00 [ISBN 978‑3‑8053‑5186‑7]
  26. Frühe Neuzeit
  27. Aaron Wile, Watteau’s Soldiers. Scenes of Military Life in Eighteenth-Century France, New York, London: D Giles 2016, 112 S., $ 39.95 [ISBN 978‑1‑907804‑79‑3
  28. Robert Oldach, Stadt und Festung Stralsund. Die schwedische Militärpräsenz in Schwedisch-Pommern 1721–1807, Köln [u. a.]: Böhlau 2018, 518 S. (= Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns, 20), EUR 60,00 [ISBN 978‑3‑412‑50283‑6]
  29. 1789–1870
  30. Ferdinand Beneke (1774–1848). Die Tagebücher. Im Auftrag der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur hrsg. von Frank Hatje, Ariane Smith [u. a.], Göttingen: Wallstein 2016–2019, bisher 3 Sektionen in 20 Bden: Erste Abteilung (1792 bis 1801), 5 Bde, 2802 S., EUR 98,00 [ISBN 978‑3‑8353‑0878‑7] (2012); Zweite Abteilung (1802 bis 1810), 8 Bde, 3904 S., EUR 128,00 [ISBN 978‑3‑8353‑0911‑1] (2019); Dritte Abteilung (1811 bis 1816), 7 Bde, 3876 S., EUR 128,00 [ISBN 978‑3‑8353‑0912‑8] (2016); Vierte Abteilung (1817 bis 1848) [befindet sich in Vorbereitung]
  31. Eberhard Korthaus, Heldinnen der Befreiungskriege gegen Napoleon. Ein historischer Roman über Eleonore Prochaska, Friederike Krüger und Johanna Stegen sowie ihre Förderer Ludwig von Borstell und Friedrich Ludwig Jahn, Berlin: Miles 2017, 142 S., EUR 19,80 [ISBN 978‑3‑945861‑52‑3]
  32. George Nafziger, Lützen and Bautzen. Napoleon's Spring Campaign of 1813, Solihul: Helion & Company 2017, XII, 368 S., £ 35.00 [ISBN 978‑1‑911512‑27‑1]
  33. Lakshmi Subramanian, The Sovereign and the Pirate. Ordering Maritime Subjects in India's Western Littoral [PDF], Oxford: Oxford University Press 2016, 296 S., £ 29.99 [ISBN 978‑0‑19946‑704‑4]
  34. Nord gegen Süd. Der Deutsche Krieg 1866. Hrsg. von Dieter Storz und Daniel Hohrath, Ingolstadt: Bayerisches Armeemuseum 2016, 383 S. (= Kataloge des Bayerischen Armeemuseums, 13), EUR 18,00 [ISBN 978‑3‑00‑053589‑5]
  35. 1871–1918
  36. Nana Miyata, Dr. Hans Kühne (1875–1963). Deutscher Diplomat in Japan. Von Blüte im Frieden zu Niedergang im Krieg, München: Iudicium 2019, 231 S., EUR 28,00 [ISBN 978‑3‑86205‑628‑6]
  37. Włodzimierz Borodziej und Maciej Górny, Der vergessene Krieg. Europas Osten 1912–1923, Bd I: Imperien 1912–1916; Bd II: Nationen 1917–1923. Aus dem Poln. von Bernhard Hartmann, Darmstadt: Theiss 2018, 416+544 S., EUR 79,95 [ISBN 978‑3‑8062‑3820‑4]
  38. Deutscher Ubootkrieg 1914–1918 in Zeitzeugenberichten. Hrsg. von Hans Joachim Koerver, Eschweiler: Edition Riviere 2018, IX, 517 S., EUR 68,50 [ISBN 978‑3‑947‑61500‑1]
  39. John Jordan and Philippe Caresse, French Battleships of World War One, Barnsley: Pen & Sword 2017, 328 S., $ 45.00 [ISBN 978‑1‑84832‑254‑7]
  40. Erik Larson, Der Untergang der Lusitania. Die größte Schiffstragödie des Ersten Weltkriegs. Aus dem amerik. Engl. von Regina Schneider und Katrin Harlaß, Hamburg: Hoffmann und Campe 2015, 462 S., EUR 25,00 [ISBN 978‑3‑455‑50305‑0] Willi Jasper, Lusitania. Kulturgeschichte einer Katastrophe, Berlin: bebra 2015, 208 S., EUR 19,95 [ISBN 978‑3‑89809‑112‑1]
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  49. Leo Cavaleri, Das 2. Regiment der »Division Brandenburg«. Eine Dokumentation zum Einsatz der BRANDENBURGER-Gebirgsjäger im Osten bzw. Südosten Europas, Aachen: Helios 2017, 354 S., EUR 34,00 [ISBN 978‑3‑86933‑186‑7]
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  53. Sophie von Bechtolsheim, Stauffenberg – mein Großvater war kein Attentäter, Freiburg i.Br. [u. a.]: Herder 2019, 144 S., EUR 16,00 [ISBN 978‑3‑451‑07217‑8]
  54. Karl-Heinz Pröhuber, Volksgrenadier-Divisionen, Bd 1: Zur Geschichte und den personellen/ökonomischen Rahmenbedingungen der im Westen 1944/45 eingesetzten Großverbände. Eine Studie, Aachen: Helios 2018, 524 S., EUR 38,00 [ISBN 978‑3‑86933‑284‑3]
  55. Rainer Ehm und Roman Smolorz, April 1945. Das Kriegsende im Raum Regensburg. Unter Mitarbeit von Konrad Zrenner, Regensburg: Pustet 2019, 495 S., EUR 34,95 [ISBN 978‑3‑7917‑3041‑7]
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  58. Olga Lander, Sowjetische Kriegsfotografin im Zweiten Weltkrieg. Hrsg. vom Museum Berlin-Karlshorst e.V., Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 2018, 152 S., EUR 18,00 [ISBN 978‑3‑96311‑117‑4]
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  60. Ulrich Schneider, Die Résistance, Köln: PapyRossa 2019, 127 S. (= Basiswissen Politik/Geschichte/Ökonomie), EUR 9,90 [ISBN 978‑3‑89438‑627‑6]
  61. Klaus Kellmann, Dimensionen der Mittäterschaft. Die europäische Kollaboration mit dem Dritten Reich, Wien [u. a.]: 2., durchges. Aufl., Böhlau 2019, 666 S., EUR 50,00 [ISBN 978‑3‑205‑20053‑6]
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  67. Jens Brüggemann, Männer von Ehre? Die Wehrmachtgeneralität im Nürnberger Prozess 1945/46: Zur Entstehung einer Legende, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2018, 631 S., EUR 39,90 [ISBN 978‑3‑506‑79259‑4]
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  69. Ian Klinke, Bunkerrepublik Deutschland. Geo- und Biopolitik in der Architektur des Atomkrieges, Bielefeld: Transcript 2019, 253 S. (= Sozial- und Kulturgeographie, 24), EUR 29,99 [ISBN 978‑3‑8376‑4454‑8]
  70. Klaus Froh, Die 1. MSD der NVA. Zur Geschichte der 1. mot. Schützendivision 1956–1990, Aachen: Helios 2017, 404 S., EUR 28,00 [ISBN 978‑3‑86933‑177‑5]
  71. Hendrik Born, Es kommt alles ganz anders. Erinnerungen eines Zeitzeugen an die Volksmarine der DDR und das Leben danach, Hamburg: Mittler 2018, 511 S., EUR 19,95 [ISBN 978‑3‑8132‑0982‑2]
  72. Veronika Albrecht-Birkner, Freiheit in Grenzen. Protestantismus in der DDR, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2018, 282 S. (= Christentum und Zeitgeschichte, 2), EUR 24,00 [ISBN 978‑3‑374‑05343‑8]
  73. Martin Schmitt, Internet im Kalten Krieg. Eine Vorgeschichte des globalen Kommunikationsnetzes, Bielefeld: Transcript 2016, 248 S., EUR 29,99 [ISBN 978‑3‑8376‑3681‑9]
  74. Alexander Lanoszka, Atomic Assurance. The Alliance Politics of Nuclear Proliferation, Ithaca, NY, London: Cornell University Press 2018, X, 201 S. (= Cornell Studies in Security Affairs), $ 49.95 [ISBN 978‑1‑5017‑2918‑8]
  75. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Downloaded on 27.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/mgzs-2020-0002/html
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