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Sprachtransfer aus dem Englischen bei chinesischen Deutschlernenden – eine quantitative Studie

  • Dongdong QI

    ist am 28.12.1984 geboren, sie ist Dozentin an der Deutschabteilung der Ocean University of China, Fachrichtung: Zweitspracherwerb, Korpuslinguistik, Textlinguistik. Die vorliegende Studie wird durch den Fundamental Research Funds for the Central Universities (201313032) und das Shandong Social Science Planning Fund Program (15DWXJ07) gefördert.

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Published/Copyright: May 10, 2019

Zusammenfassung

In der heutigen Welt lernen immer mehr Leute mehr als eine Fremdsprache. In China lernt man in der Regel Englisch als seine erste Fremdsprache schon in der Grundschule, Mittelschule und Oberschule. Manche Studierende lernen erst an der Universität eine neue Fremdsprache. Das Englische und das Deutsche stammen beide aus der indoeuropäischen Sprachfamilie. Die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Sprachen beeinflussen den Prozess des Deutschlernens. Das nennt sich Sprachtransfer. Dieser Sprachtransfer kann dabei entweder positiv oder negativ sein. Die vorliegende Studie lehnt sich an die Theorie vom Sprachtransfer an. Eine kontrastive Analyse zwischen Deutsch und Englisch wird auf der Ebene der Phonetik, Morphologie und Syntax eingeleitet. Um Kenntnisse darüber zu erlangen, wie die Deutschlernenden den Sprachtransfer selbst einschätzen, wurde eine Umfrage durchgeführt. Die gesammelten Daten wurden mithilfe des Programms Statistical Product and Service Solutions (SPSS) bewertet. Die Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem Sprachtransfer aus dem Englischen wurde erforscht. Auf dieser Basis wird diskutiert, wie man mit Deutsch und Englisch umgehen und Deutsch effizient lernen kann.

Abstract

Nowadays, more and more people are learning more than one foreign language. In China English is learned as first foreign language in elementary school, middle school and high school. Some students learn another foreign language at university. The number of German learners has grown continuously. English and German are members of the Indo-European language family. The similarities between the two languages influence the process of learning German, the influences can be positive or negative. This is called language transfer. The present study is based on the theory of language transfer. A contrastive analysis between German and English is performed on the level of phonetics, morphology and syntax. A survey has been conducted to gain insights into the self-assessment of German learners concerning language transfer. The collected data have been assessed by using the Statistical Product and Service Solutions program (SPSS). The correlation between the duration of learning German and language transfer from English has been investigated. On that basis, the issues of how to deal with German and English and how to learn German efficiently are discussed.

1 Einleitung

In der heutigen Welt tritt die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern immer häufiger in den Vordergrund. Ein Land kann sich weder wirtschaftlich noch politisch entwickeln, ohne Kontakte mit anderen Ländern aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund hat man es immer mehr mit Leuten zu tun, die andere Sprachen sprechen und aus anderen Kulturen kommen. Um einander besser zu verstehen, um die anderen Kulturen kennen zu lernen und um die Zusammenarbeit voranzutreiben, fassen viele Menschen den Entschluss, eine oder mehrere Fremdsprachen zu erwerben. China lässt sich von diesem Trend nicht ausschließen. Angesichts der enger gewordenen Beziehungen zwischen Deutschland und China erfreut sich die deutsche Sprache einer immer größeren Beliebtheit bei Chinesen. Die wachsende Freude der Studierenden am Lernen der deutschen Sprache ist spürbar. Nach der Statistik des Anleitungskomitees für Germanistik des chinesischen Bildungsministeriums im Jahr 2014 boten mehr als 110 Hochschulen in China das Studienfach Germanistik an (vgl. Huang/Wang/Pang 2015: 56). Außerdem besuchen viele Studierende aus anderen Fachrichtungen wie Wirtschaftswissenschaft, Maschinenbau oder Informatik während des Studiums auch Deutschkurse.

Das Englische hat im zwanzigsten Jahrhundert seine dominante Rolle in der gegenwärtigen Gesellschaft definitiv etabliert (Cavallini 2010: 1). Das lässt sich auch in China belegen: Die meisten Studierenden haben bereits Englisch als erste Fremdsprache in der Grund-, Mittel- und Oberschule gelernt. Die deutsche Sprache lernt man meistens erst an der Universität von Grund auf. Sie zählt dann als zweite Fremdsprache, auch Tertiärsprache genannt. Gerade an dieser Stelle liegt das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie: Auf der einen Seite ist die englische Sprache, die man schon seit der Schule lernt, auf der anderen Seite die deutsche Sprache, die außer in wenigen Fremdsprachenschulen erst an der Universität vermittelt wird. Zentraler Aspekt in dieser stark empirisch orientierten Untersuchung ist die Frage nach dem Einfluss von bereits vorhandenen Englischkenntnissen auf das Deutschlernen.

Dass die Muttersprache auf den Zweitspracherwerb Einfluss nimmt, ist schon lange bekannt (vgl. ebd.). Aber dieser Einfluss kommt nicht nur aus der Muttersprache, sondern kann auch aufgrund der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der neu gelernten Fremdsprache und irgendeiner Sprache entstehen, die man schon (nicht unbedingt perfekt) erworben oder gelernt hat (vgl. Odlin 1989: 27). Diese Übertragungs- oder Interferenzerscheinungen werden als Sprachtransfer bezeichnet, der entweder positiv oder negativ sein kann. Auf die Definition und Klassifikation von Sprachtransfer wird im Kapitel 2 noch eingegangen.

Englisch und Deutsch gehören zu den germanischen Sprachen und sind flektierend. Für chinesische Deutschlernende, deren Muttersprache eine isolierende Sprache ist, ähneln sich Englisch und Deutsch. Viele sind überzeugt, dass einem die Erfahrungen beim Lernen einer Sprache beim Lernen einer neuen ähnlichen Sprache behilflich seien (vgl. ebd.: 1). Die Tertiärsprachenforschung mit Blick auf Deutsch nach Englisch hat auch die Vorteile der engen Verwandtschaft eindeutig nachgewiesen (vgl. Cavallini 2010: 2). Aber bei chinesischen Deutschlernenden ist oft zu hören, dass sie besonders am Anfang die beiden Sprachen regelmäßig miteinander vergleichen und sogar sehr häufig verwechseln. Deswegen lässt sich fragen, wie der positive und negative Transfer aus dem Englischen für chinesische Muttersprachler beim Deutschlernen aussieht und wie sich der Englischtransfer mit der Zeit verändert. Sind sich die Deutschlernenden des Sprachtransfers bewusst und wie gehen sie damit um? Um diese Fragen zu beantworten und um die Deutschlernenden unmittelbar anzusprechen, wurde eine Umfrage durchgeführt. Dabei wird die Zeitdauer des Deutschlernens berücksichtigt, um herauszufinden, wie sich der Sprachtransfer aus dem Englischen im Laufe des Deutschlernens verändert. Damit der Sprachtransfer nicht nur grob beschrieben, sondern konkret auf verschiedenen Sprachebenen dargestellt wird, werden im theoretischen Teil die Ähnlichkeiten und die Unterschiede zwischen Englisch und Deutsch auf drei Ebenen dargestellt und zusammengefasst. Dabei werden die phonetische, die morphologische und die syntaktische Ebene betrachtet, um die konkreten Erscheinungen bezüglich des Sprachtransfers klarzumachen. Nach der Datenauswertung werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst und Vorschläge zum Deutschlernen und -lehren gemacht, mit denen der positive Sprachtransfer aus dem Englischen genutzt und der negative Transfer so weit wie möglich reduziert werden kann.

2 Sprachtransfer

In diesem Teil wird kurz auf die Definition und Klassifikation von Sprachtransfer eingegangen.

2.1 Interlingualer Einfluss und Sprachtransfer

Die Diskussion über Sprachtransfer begann mit den Werken amerikanischer Linguisten in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts (vgl. Odlin 1989: 6). Es findet allgemeine Akzeptanz bei Linguisten, dass der interlinguale Einfluss bzw. der Sprachtransfer ein Phänomen der Interaktion zwischen Sprachen beschreibt, das heißt, vor allem den Einfluss von den bereits erworbenen Sprachen auf die neue Sprache beim Spracherwerb bezeichnet. Seit jeher können aber Linguisten weder in Bezug auf die Definition von „Sprachtransfer“ noch hinsichtlich einer treffenden Begrifflichkeit bzw. Terminologie Einigkeit erzielen.

Nach Ansicht von Weinreich sei „Interferenz“ der passende Begriff. Seiner Meinung nach entspreche Interferenz der sprachlichen Abweichung von der Norm einer Sprache, die aufgrund der Ähnlichkeit mit mehr als einer anderen Sprache in der Zweisprachigkeit vorkomme (vgl. Weinreich 1953: 1). Laut Gass (1979: 327) sei Transfer die Anwendung des Wissens in der Muttersprache beim Zweitspracherwerb. Ellis (1999: 341) vertritt den Standpunkt, dass die Erforschung von Transfer auch die Forschung nach Fehlern (negativer Transfer), Erleichterung (positiver Transfer), Vermeidung und Überverwendung bestimmter Formen in der Zielsprache umfasse. Eine der am häufigsten verwendeten Definitionen des Sprachtransfers stammt von Odlin (1989: 27): Unter Transfer verstehe man den Einfluss aufgrund der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der Zielsprache und irgendeiner anderen Sprache, die schon früher (vielleicht unvollkommen) erworben worden sei. In der Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts stellten Kellerman und Sharwood Smith einen neuen Terminus – „Interlingualer Einfluss“ – auf. Im Vergleich zu „Transfer“ und zu „Interferenz“ ist „Interlingualer Einfluss“ wegen seiner Neutralität von Vorteil. Phänomene wie Transfer, Interferenz, Vermeidung, Entlehnung sowie der mit der Zweitsprache verbundene Sprachenverlust lassen sich unter dem Oberbegriff „Interlingualer Einfluss“ subsumieren. Infolgedessen ist man in der Lage, über Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen diesen oben genannten Phänomenen zu diskutieren (vgl. Kellerman/Sharwood Smith 1986: 1). Angesichts der Neutralität und der Vielfältigkeit des Begriffs ist der Terminus „Interlingualer Einfluss“ als Oberbegriff geeignet. Da die vorliegende Studie konkret von dem Einfluss des (bereits mehr oder weniger beherrschten) Englischen auf das Deutschlernen handelt, wird vorwiegend der Terminus „Sprachtransfer“ verwendet.

2.2 Klassifikation des Sprachtransfers

Im Allgemeinen wird Sprachtransfer nach seiner Funktion in zwei Gruppen eingeteilt: „negativer Sprachtransfer“ und „positiver Sprachtransfer“ (vgl. Odlin 1989: 36).

Wie jeder andere Sachverhalt hat Sprachtransfer seine zwei Seiten. Die Mehrheit der Sprachwissenschaftler setzt sich vor allem mit dem negativen Transfer auseinander, weil die Störung einer Sprache durch eine andere leicht spürbar und erkennbar ist. Der negative Transfer gleicht der Interferenz, die die Normabweichung zur Folge hat. Das heißt, dass die Übertragung der Grammatik oder der Vokabeln von einer bereits beherrschten Sprache Fehler beim Erwerb einer neuen Sprache herbeiführen und den Prozess des Lernens beeinträchtigen kann.

Im Gegensatz dazu kann die Beherrschung einer Sprache den Erwerb einer anderen aber auch fördern, was dem positiven Transfer entspricht. Jedoch fällt es oft schwer, den positiven Transfer wahrzunehmen. Infolge der Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen neigen die Lernenden dazu, beim Erlernen einer neuen Sprache phonetische, morphologische oder grammatische Regeln aus der früher erworbenen Sprache zu entlehnen. Wenn die Entlehnung bzw. die Übertragung beim Lernen der neuen Sprache Hilfe leistet und Erleichterung bringt, dann ist von positivem Transfer die Rede.

3 Kontrastive Analyse zwischen Englisch und Deutsch

Da die englische Sprache und die deutsche Sprache aus derselben Sprachfamilie stammen, haben sie viele Ähnlichkeiten, was beim Deutschlernen sowohl zu Erleichterung als auch zu Verwirrung führen kann. Auch muss man sich der Unterschiede beider Sprachen bewusst sein, um sie klar voneinander abzugrenzen. Im Folgenden werden das Englische und das Deutsche auf der phonetischen, morphologischen und syntaktischen Ebene kontrastiv betrachtet, wobei allerdings kein detaillierter und vollständiger Vergleich angestrebt wird. Ziel ist, klar und schwerpunktmäßig darzustellen, wo ein Lernender leicht verwirrt werden könnte. Als wichtige Referenzen dienen Burgschmidt/Götz (1974), Glinz (1994), König/Gast (2012), Lu (2006) und Sheng (2013).

3.1 Phonetische Ebene

Um sich mit anderen Personen in einer neuen Sprache gut zu verständigen und zu verstehen, muss man die Wörter bzw. die Laute der Sprache richtig aussprechen. Hier geht es also um die Ebene der Phonetik. Es gibt viele Ähnlichkeiten bei der Aussprache zwischen dem Englischen und dem Deutschen. So setzt sich z. B. sowohl ein englisches als auch ein deutsches Wort aus Vokalen und Konsonanten zusammen. Die im Englischen als Vokale dienenden Buchstaben spielen normalerweise die gleiche Rolle wie im Deutschen. Trotz der Gemeinsamkeiten gibt es auch viele Unterschiede, die Schwierigkeiten beim Erwerb der deutschen Sprache bereiten können. Nun wird auf die Vokale und Konsonanten beider Sprachen eingegangen.

3.1.1 Vokale

Obwohl die Buchstaben im Englischen und im Deutschen ungefähr die gleichen sind, lassen sich einige Verschiedenheiten nicht übersehen. In der englischen Sprache gibt es fünf Vokalbuchstaben, und zwar a, e, i, o, u. Im Vergleich dazu verfügt die deutsche Sprache insgesamt über acht Vokalbuchstaben, die auch die Umlaute ä, ö und ü einbeziehen. Während beim Lernen neuer englischer Wörter Lautschriften angegeben werden müssen, kann man anhand des regelmäßigen Aussprachesystems die deutschen Wörter ohne Lautschrift artikulieren. Es ist zu beachten, dass gleiche Buchstaben in den beiden Sprachen unterschiedlich ausgesprochen werden. Nur um ein paar Beispiele zu nennen, vergleichen wir den Laut /a(:)/ im Deutschen und /æ/ im Englischen, die denselben vokalischen Buchstaben a betreffen, /u(:)/ im Deutschen und /ju:/ im Englischen bezüglich des Buchstabens u, /e/ im Deutschen und /i:/ im Englischen beim Buchstaben e sowie /a:/ im Deutschen und /eɪ/ im Englischen beim Buchstaben a, wie in den folgenden Wörtern (vgl. Tabelle 1).

Tab. 1

Vergleich der Aussprache von Vokalen im Deutschen und im Englischen.

Deutsches WortEnglisches Wort
Land: /a/land: /æ/
Student: /u/student: /u:/
Meter: /e:/meter: /i:/
Name: /a:/name: /ei/

Wichtig ist auch, dass es in der deutschen Sprache einige Vokale gibt, die nicht in der englischen Sprache existieren. Es sind dies: /a/ wie in Stamm, /ɛ/ wie in es, /ɛ:/ wie in Bär, /e:/ wie in eben, /y/ wie in dünn, /y:/ wie in müde, /ø:/ wie in mögen, /ɔø/ wie in säuberlich, /œ/ wie in können, /ao/ wie in tauchen. Umgekehrt gibt es in der englischen Sprache auch einige Vokale, die man in der deutschen Sprache nicht findet: /ʌ/ wie in ugly, /e/ wie in death, /æ/ wie in dad, /ə:/ wie in bird, /ei/ wie in daisy, /ɔi/ wie in boy, /iə/ wie in here, /uə/ wie in tour, /εə/ wie in bear, /əu/ wie in told, /au/ wie in mouse.

3.1.2 Konsonanten

Bei den Konsonanten sind einige weitere Differenzen zwischen den beiden Sprachen herauszustellen:

  1. Die Aussprache der Buchstaben s und z: Obwohl die beiden Buchstaben in beiden Sprachen existieren, werden sie nicht gleich ausgesprochen. Während der Buchstabe s oft beim Anlaut eines deutschen Wortes wie September eine Aussprache von /z/ besitzt, wird er im Englischen vor allem als /s/ ausgesprochen, wie in system. So sieht auch die Situation beim Buchstaben z aus. Im Deutschen lautet die Aussprache /ts/, wie in Zoo, während er im Englischen der Lautung /z/ entspricht, wie in zoo.

  2. Die Aussprache der Buchstaben b, d und g am Ende eines Wortes: Anders als im Englischen werden die Buchstaben b, d und g im Deutschen nicht als stimmhafte, sondern als stimmlose Konsonanten betrachtet, wenn sie am Ende eines Wortes stehen und als Auslaut des Wortes dienen. Unter diesen Umständen verwandeln sich die Aussprachen dieser Buchstaben jeweils in die Aussprache wie die der Buchstaben p, t und k, beispielsweise in Dieb, Mord, Hand, Tag.

  3. Die Aussprache der Buchstabenkombination th: Als eine übliche Buchstabenkombination verfügt th im Englischen und im Deutschen über verschiedene Aussprachen. Während sie sich in der englischen Sprache am häufigsten auf die Laute /ð/ oder /θ/ bezieht, entspricht th in der deutschen Sprache ausschließlich ein Laut, nämlich /t/ wie in Methode oder Theater.

  4. Die Aussprache der Buchstabenkombination ch: Die Buchstabenkombination ch findet sich in der deutschen Sprache häufig, jedoch je nach Kontext mit verschiedenen Aussprachen. Hinter den Buchstaben bzw. Buchstabenkombinationen a, o, u und au wird ch als /x/ artikuliert, wie in Dach, Loch, Buch oder Bauch. Sonst wird ch als /ҫ/ ausgesprochen, z. B. in China, rechnen, Löcher. Sowohl /x/ als auch /ҫ/ kommen in der englischen Sprache nicht vor. Dementgegen wird ch im Englischen lediglich als /tʃ/ ausgesprochen, z. B. in China, change.

  5. Die Aussprache des Buchstaben r: Es fällt Anfängern schwer, den Konsonanten /r/ in deutschen Wörtern richtig auszusprechen. Im Gegensatz zum Englischen, in dem er als Retroflex artikuliert wird, wird er im Deutschen als Uvular, den es in der englischen Sprache nicht gibt, ausgesprochen.

Zusammenfassend existieren die im Deutschen zu findenden Konsonanten bzw. Konsonantenkombinationen wie /ɐ/ in Haar, /ҫ/ in China, /x/ in Dach, /ʃt/ in Straße, /ʃp/ in sprechen, /kv/ in Quote, /pf/ in Pferd, /ŋk/ in Bank nicht in der englischen Sprache. Die Konsonanten /θ/ in three, /ð/ in the, /ʒ/ in rouge, /w/ in water, /dr/ in drink, /tr/ in tradition, /dz/ in words, /dʒ/ in Jack, /tʃ/ in China sind im Englischen zu finden, aber nicht im Deutschen.

3.1.3 Betonung

Zwischen dem Englischen und dem Deutschen bestehen nicht nur Unterschiede bei der Aussprache von einzelnen Buchstaben, sondern es lassen sich auch Differenzen bei der Betonung der Wörter beobachten. In der englischen Sprache sind wenige Regeln über die Betonung festzustellen. Es gibt keine einheitliche Wortbetonung, das heißt, der Wortakzent liegt bei englischen Wörtern nicht generell auf einer bestimmten Silbe. Dagegen verfügt die deutsche Sprache über ein regelmäßiges Akzentsystem, das sich folgendermaßen kurz zusammenfassen lässt:

  1. Bei deutschen Wörtern wird im Allgemeinen der Akzent üblicherweise auf die erste Silbe gesetzt, z. B. Tasche, Auto.

  2. Wenn ein Wort mit -ieren endet, dann wird gerade dieser Wortteil akzentuiert, z. B. telefonieren, markieren, informieren.

  3. Was die Fremdwörter bzw. Lehnwörter betrifft, verschiebt sich der Akzent auf die letzte oder vorletzte Silbe, z. B. Paris, Element, Computer.

  4. Beim Kompositum, d. h., wenn zwei oder mehrere schon vorhandene Wörter zusammengesetzt werden, ist die Betonung auf das erste Wort bzw. den ersten Wortteil zu setzen, z. B. Handschuhe, Sonnenbrille, Schreibtisch.

Aufgrund dieser phonetischen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem Englischen und dem Deutschen stoßen die Lernenden oft auf Probleme, die sowohl positive als auch negative Einflüsse auf beide Sprachen ausüben können. Aber weil die Lernenden die englische Sprache bereits beherrschen, könnte es sein, dass die Regeln vom Englischen auf das Deutsche übertragen werden.

3.2 Morphologische Ebene

Auch auf der morphologischen Ebene kann man nicht übersehen, dass sich die indoeuropäischen Sprachen Englisch und Deutsch sehr ähnlich sind, wie im Folgenden durch einen entsprechenden Vergleich dargestellt wird.

3.2.1 Wortbildung

In den folgenden Abschnitten wird auf drei häufig verwendete Wortbildungsmuster eingegangen, und zwar Derivation, Konversion und Komposition. Dabei sind sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede zwischen den beiden Sprachen zu beobachten.

3.2.1.1 Derivation

Sowohl im Englischen als auch im Deutschen spielt die Derivation bei der Wortbildung eine bedeutende Rolle. Ähnlich wie im Englischen besteht ein deutsches abgeleitetes Wort aus Wortstamm und Affix, das als Präfix, Infix, Zirkumfix, Interfix und Suffix auftreten kann. In den beiden Sprachen sind Wörter zu finden, die ähnliche Bedeutungen durch ein ähnliches Affix ausdrücken:

  1. Wörter mit ähnlichen Bedeutungen und ähnlichen Affixen:In der englischen Sprache verändert sich die Wortart selten durch die Affixe. Es gibt zwei übliche kausative verbale Affixe im Englischen, nämlich en- und be- (vgl. Sheng 2013: 31). Im Deutschen sind gleichartige Affixe zu finden, z. B. ver-, be-, ent- und er-. Auch bei der Negation existieren ähnliche Wortbildungsformen, z. B. die Wörter mit mis-, in-, im-, un-, anti- und non- im Englischen und die Wörter mit miss-, un-, anti- und des- im Deutschen. Diese Wörter können paarweise verglichen werden (vgl. Tabelle 2).

Tab. 2

Affixe.

DeutschEnglisch
ermöglichenenable
anreichernenrich
erneuernrenew
befreundenbefriend
missverstandenmisunderstood
Antibiotikumantibiotic
Unsinnnonsense
unmöglichimpossible
  1. Wörter mit ähnlichen Bedeutungen und ähnlichen Suffixen: Durch Vergleich der beiden Sprachen ist leicht zu erkennen, dass manche englischen und deutschen Wörter mit ähnlichen Suffixen nicht nur ähnlich aussehen, sondern auch ähnliche Bedeutungen tragen. Ein paar Beispiele sind im Folgenden aufgelistet (vgl. Tabelle 3).

Tab. 3

Suffixe.

DeutschEnglisch
-z: Transparenz-cy: transparency
-z: Toleranz-ce: tolerance
-heit: Exaktheit-ness: exactness
-tät: Realität-ty: reality
-ismus: Pessimismus-ism: pessimism
-tik: Mathematik-tics: mathematics
-ei: Bäckerei-y: bakery
-ziell: offiziell-cial: official
-tiv: positiv-tive: positive
-los: harmlos-less: harmless
-dieren: studieren-dy: study
-lisieren: industrialisieren-lize: industrialize

Es können hier nicht alle Beispiele aufgeführt werden. Auf der einen Seite können die Lernenden angesichts der ähnlichen Suffixe in den Wörtern beider Sprachen Fehler machen. Auf der anderen Seite können sich die Kenntnisse in beiden Sprachen aber positiv beeinflussen. Wenn ein Lernender schon ein englisches Wort kennt, dann fällt es ihm leicht, ein in gleichartiger Form gebildetes deutsches Wort zu verstehen.

3.2.1.2 Konversion

In beiden Sprachen gibt es analoge Regeln, ein neues Wort durch Konversion zu schaffen. Normalerweise ändert sich dabei die Wortart des Wortes. Einige Beispiele sind wie folgend: Im Englischen: free – to free, to answer – answer, to decide – decision; im Deutschen: schreiben – das Schreiben, lieben – die Liebe, verwandt – der/die Verwandte.

3.2.1.3 Komposition

Zusammensetzung ist eine Wortbildungsform, die die englische und die deutsche Sprache teilen. Der größte Unterschied bezüglich der Komposita in beiden Sprachen liegt in der Schreibweise. Deutsche zusammengesetzte Wörter schreiben sich entweder zusammen oder mit Bindestrich, aber niemals getrennt, wie es im Englischen gebräuchlich ist (vgl. Greber-Probst/Cavegn/Hunziker 2014). Beispiele zur Veranschaulichung dieses Unterschieds sind z. B. folgende Vergleiche der englischen und deutschen Schreibweise (vgl. Tabelle 4):

Tab. 4

Komposita.

DeutschEnglisch
Fitness-Studio oder Fitnessstudiofitness studio
Sommerschlussverkaufsummer sale
Preis-Leistungs-Verhältniscost effectiveness

3.2.2 Verb

Im Vergleich zur chinesischen und zur englischen Sprache spielt das Verb in einem deutschen Satz eine grundlegende Rolle. Ausgenommen von einigen Sonderfällen steht das Verb immer an der zweiten Position des Satzes, was der Verbzweitstellung entspricht. Abgesehen von der Wortstellung, auf die in 3.3 noch näher eingegangen wird, lassen sich die Verben in beiden Sprachen noch in anderer Hinsicht vergleichen.

3.2.2.1 Zusammenspiel von Tempus und Aspekt

Tempus ist eine grammatische Kategorie, die die zeitliche Beziehung zwischen zwei Ereignissen zum Ausdruck bringt. Bei Aspekt handelt es sich um eine grammatische Kategorie, die die interne Zeit eines Ereignisses oder eines Zustandes zum Ausdruck bringt. In manchen Sprachen werden Zeitstufen und Aspekt systematisch miteinander kombiniert, so dass zu jedem Aspekt mehrere Zeitstufen existieren. Das Deutsche aber hat zwar ein Tempussystem, aber keine grammatische Kategorie des Aspekts (mehr dazu siehe Roelcke 2011: 45–52). In der deutschen Sprache fehlen beispielsweise die Verlaufsformen der Verben, es gibt also keine entsprechenden Formen zu present progressive tense, present perfect progressive tense, past progressive tense, past perfect progressive tense, future perfect progressive tense, past future progressive tense und past future perfect progressive tense in der englischen Sprache. Um die entsprechenden Zeitformen im Deutschen zu beschreiben, muss man Adverbien verwenden. Die Ungleichheit des Zusammenspiels von Tempus und Aspekt im Deutschen und im Englischen kann die Deutschlernenden verwirren und sie machen deshalb unbewusst Fehler.

3.2.2.2 Das trennbare Verb

Zu den Besonderheiten der deutschen Sprache gehört auch das trennbare Verb, das weder im Chinesischen noch im Englischen vorhanden ist. Trotzdem findet man vergleichbare Verbformen im Englischen, und zwar die Wortgruppen von Verben und Präpositionen. Wie die Präpositionen in englischen Wortgruppen besitzt das Präfix des deutschen trennbaren Verbs eine bestimmte Bedeutung, die die meisten dieses Präfix enthaltenden trennbaren Verben gemeinsam tragen. Anhand der Präfixe und der Präpositionen sind die Lernenden imstande, sich über die Bedeutung eines neuen deutschen bzw. englischen Wortes klar zu werden. Im Anschluss werden einige deutsche trennbare Wörter und englische Wortgruppen in Paaren vorgestellt, die jeweils ähnliche Bedeutungen aufweisen (vgl. Tabelle 5).

Es ist möglich, die Bedeutung eines unbekannten deutschen Wortes zu verstehen, wenn man schon eine englische Wortgruppe mit entsprechender Präposition gekannt hat. Umgekehrt können die Lernenden die Bedeutung eines fremden englischen Wortes mithilfe deutscher Vorkenntnisse erahnen. So können sich die Lernenden eine Erleichterung beim Erwerb beider Sprachen verschaffen.

Tab. 5

Trennbare Wörter/Wortgruppen.

Deutsche trennbare WörterEnglische Wortgruppen
auf/wachsen, auf/gebengrow up, give up
ab/heben, ab/brechentake off, break off
aus/brennen, aus/rufenburn out, call out
weg/schicken, weg/führensend away, lead away
zurück/reisen, zurück/gebentravel back, give back

3.2.3 Die Präposition

Wer schon die englische Sprache erlernt hat, dem kommt die Präposition nicht fremd vor. Während das präpositionale Objekt im Englischen nur über einen Kasus verfügt, finden sich im Deutschen drei Kasus, nämlich Genitiv, Dativ und Akkusativ, die nach einer Präpostion folgen können. Beim Gebrauch der Präpositionen muss der verlangte Kasus der Präposition bekannt sein. Auch in Hinsicht auf die Präposition lassen sich einige Vergleiche zwischen dem Englischen und dem Deutschen anstellen. In der Regel besteht keine Eins-zu-eins-Beziehung von zwei Präpositionen, d. h., unter verschiedenen Umständen entspricht eine Präposition einer oder mehreren unterschiedlichen Präpositionen in der anderen Sprache. Um ein paar Beispiele zu nennen: Die deutsche Präposition um kann around, at oder by im Englischen entsprechen, wie in den folgenden Wortgruppen: um die Eckearound the corner, um 9 Uhrat 9 o’clock, um 5 Grad steigenrise by 5 degrees. Umgekehrt kann die englische Präposition on den deutschen Präpositionen an, auf und über entsprechen, wie in den folgenden Beispielen: on Fridayam Freitag, on the streetauf der Straße, a book on biologyein Buch über Biologie. In diesem Fall muss man die Bedeutungen von Präpositionen in bestimmten Kontexten kennen. Es gibt auch Fälle, wo dies leicht zu Verwirrung führen kann. Die Präposition in findet sich sowohl im Englischen als auch im Deutschen. So sagt man auf Englisch in good health und in English. Die beiden Bedeutungen werden auf Deutsch jeweils durch bei und auf ausgedrückt, wie bei bester Gesundheit und auf Englisch. Diesem Unterschied muss man Aufmerksamkeit schenken, da eine einfache Übertragung zu Fehlern führen würde.

3.3 Syntaktische Ebene

In Bezug auf „Satz“ ähneln sich die Definitionen in beiden Sprachen, es handelt sich dabei um eine aus einem Wort oder mehreren Wörtern bestehende, in sich geschlossene sprachliche Einheit (vgl. Lu 2006: 308). Nach unterschiedlichen Gesichtspunkten können Sätze in verschiedene Klassifikationen eingeteilt werden, z. B. in funktionaler Hinsicht – Aussagesatz, Fragesatz, Imperativsatz – oder bezüglich der Satzstruktur – einfacher Satz, zusammengesetzter Satz und Satzreihe. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch kein ausführlicher Vergleich bezüglich der Satzarten vorgenommen, sondern es werden lediglich ein paar leicht zu verwechselnde Unterschiede dargestellt.

3.3.1 Aussagesatz

Wenn es sich um einen Aussagesatz handelt, unterscheiden sich die englische und die deutsche Sprache vorwiegend durch die Wortstellung. Sowohl im Englischen als auch im Deutschen steht das Subjekt normalerweise am Satzanfang. Aber um einem Satzglied Nachdruck zu verleihen, wird dieses nach vorne versetzt. In diesem Fall bleibt das Verb im deutschen Satz immer noch an der zweiten Stelle, es erfolgt eine Inversion, also eine umgestellte Wortstellung. Im Gegensatz dazu bleibt bei dem englischen Satz die weitere Wortstellung unverändert, wie die folgenden Beispiele zeigen (vgl. Tabelle 6).

Tab. 6

Satzstellung.

Deutsche SätzeEnglische Sätze
Ich gehe nächste Woche nach Deutschland.I´ll go to Germany next week.
Nächste Woche gehe ich nach Deutschland.Next week I´ll go to Germany.

Es gibt noch einen weiteren Unterschied. Ein Charakteristikum der deutschen Sprache stellen Klammerbildungen dar. Damit sind Konstruktionsweisen gemeint, bei denen syntaktisch eng zusammengehörende Wörter bzw. Satzglieder durch den Einschub anderer Satzteile voneinander getrennt werden, wie in den Strukturen von „Hilfsverb + Vollverb“ und „Modalverb + Vollverb“. Dabei soll das Hilfsverb oder Modalverb an der zweiten Stelle und das Vollverb am Ende des Satzes stehen (vgl. Roelcke 2011: 65 f.; mehr zur Verbklammer, Nominalklammer und Satzklammer siehe ebd.). In der englischen Sprache ist von Satzklammer keine Rede und das Vollverb folgt unmittelbar dem Hilfsverb oder Modalverb, wie die Beispiele unten zeigen (vgl. Tabelle 7).

Tab. 7

Verbklammern.

Deutsche SätzeEnglische Sätze
Ich habe einen Apfel gegessen.I have eaten an apple.
Ich kann diese Frage beantworten.I can answer this question.

3.3.2 Fragesatz

Zu den wichtigen Satzformen zählt auch der Fragesatz. Übliche Fragesätze sind Entscheidungsfragen, Ergänzungsfragen und Alternativfragen.

3.3.2.1 Entscheidungsfragen

Im Vergleich zum Englischen belegen die Verben, egal, ob es sich um Hilfsverben oder Vollverben handelt, in deutschen Entscheidungsfragen die erste Stelle, während im Englischen immer die Hilfsverben an der ersten Stelle stehen, wie in den Beispielen unten (Tabelle 8).

Tab. 8

Entscheidungsfragen.

Deutsche SätzeEnglische Sätze
Kommst du morgen zur Party?Will you come to the party tomorrow?
Haben Sie eine Katze?Do you have a cat?
Können Sie Ski fahren?Can you ski?
3.3.2.2 Alternativfragen

Es gibt zwischen den beiden Sprachen auch Unterschiede bezüglich der Alternativfragen, die zwei oder mehrere Antworten zur Wahl stellen. Die Strukturen der Alternativfragen sind in beiden Sprachen ähnlich, während die Reihenfolge der Satzglieder unterschiedlich aussieht. Im Deutschen kommen die Satzglieder in der Reihenfolge „Verb 1 + Subjekt 1 + Alternativkonjunktion + Verb 2 + Subjekt 2“ vor. Im Englischen sind die Satzglieder nach dem Modell „Subjekt 1 + Verb 1 + Alternativkonjunktion + Subjekt 2 + Verb 2“ geordnet (vgl. Lu 2006: 122), wie das folgende Beispiel zeigt: Wählen Sie oder wähle ich? (deutsch) zu Do you choose or do I choose? (englisch).

3.3.2.3 Ergänzungsfragen

Die Strukturen der Ergänzungsfragen im Englischen und im Deutschen ähneln sich. Fragewörter kommen immer an die erste Stelle. Darauf folgt in einem deutschen Satz das Verb, das ein Vollverb, ein Hilfsverb oder ein Modalverb sein kann. Aber im Englischen steht unbedingt ein Hilfsverb oder ein Modalverb an der zweiten Stelle (vgl. Tabelle 9).

Tab. 9

Ergänzungsfragen.

Deutsche SätzeEnglische Sätze
Wo ist dein Bruder?Where is your brother?
Woher kommt er?Where does he come from?

3.3.3 Imperativsatz

Unter einem Imperativsatz versteht man einen Satz, der eine Aufforderung, eine Warnung, eine Bedrohung oder einen Befehl ausdrückt. Der englische Imperativsatz besitzt nur eine imperative Form, bei der der Infinitiv ins Vorfeld gestellt und das Subjekt weggelassen wird. Dementgegen verfügt der Imperativsatz im Deutschen über drei Formen gegenüber drei unterschiedlichen Adressaten: Sie, du und ihr. Dem Adressaten entsprechend wird das Verb im deutschen Imperativsatz konjugiert (vgl. Tabelle 10).

Tab. 10

Imperativsätze.

Deutsche SätzeEnglische Sätze
Nehmen Sie bitte Platz!Sit down please!
Nimm bitte Platz!Sit down please!
Nehmt bitte Platz!Sit down please!

3.4 Resümee und Hypothesen

Nachdem Englisch und Deutsch auf der Laut-, Wort- und Satzebene verglichen worden sind, kommt man zu dem Ergebnis, dass die beiden Sprachen auf allen Sprachebenen sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede zeigen. Auf der phonetischen Ebene weisen die beiden Sprachen eher mehr Unterschiede auf. Daher kann man im Zusammenhang mit dem Deutschlernen Interferenzen erwarten. Was die Morphologie betrifft, gibt es bis auf ein paar detaillierte Differenzen eher mehr Ähnlichkeiten bezüglich des Wortbildungssystems und des Bedeutungssystems. Solche Ähnlichkeiten können beim Deutschlernen Erleichterung bringen. Auf der Satzebene wurden eher mehr Ungleichheiten bezüglich der Wortstellung und der Rolle von Verben festgestellt. So könnte beim Deutschlernen ein negativer Transfer aus dem Englischen auftreten. Doch wie ist das in der Wirklichkeit? Wie beurteilen es die Studierenden selbst? Wie verändert sich der Sprachtransfer aus dem Englischen beim Erwerb des Deutschen im Laufe der Zeit? Diesen zentralen Fragen widmet sich die folgende empirische Untersuchung.

4 Empirische Untersuchung

Alle Deutschlernenden in China bringen von der Schule Lernerfahrungen im Englischen mit. Es scheint logisch, dass die Ähnlichkeiten beider Sprachen für das Deutschlernen vorteilhaft sind, weil man die Englischlernerfahrungen auf das Deutschlernen übertragen kann. Aber diese Erfahrungen können auch übergeneralisiert werden und eine negative Auswirkung haben. In der Tat kommen beim Tertiärspracherwerb viele Faktoren ins Spiel, wie z. B. das Alter der Lernenden, die subjektiven Lernerfahrungen sowie Persönlichkeitseigenschaften. Die subjektiven Faktoren sollen nun betrachtet werden. Sind sich die Studierenden der Ähnlichkeiten und der Unterschiede beider Sprachen auf verschiedenen Sprachebenen bewusst? Wie beurteilen sie den Einfluss ihrer Englischlernerfahrungen auf das Deutschlernen? Verändert sich der Sprachtransfer im Laufe der Zeit? Um diese Fragen zu beantworten, wurde eine Umfrage durchgeführt.

4.1 Fragebogenerhebung

Die Fragebogenerhebung fand im April 2016 statt. Ziel war es, Erkenntnisse über die Selbsteinschätzung, wie der Deutschlernprozess von vorhandenen Englischkenntnissen beeinflusst wird und wie sich das Verhältnis mit der Zeit verändert, zu erlangen. Der Fragebogen wurde in chinesischer Sprache erstellt und online verteilt, um Missverständnisse zu vermeiden und möglichst viele Deutschlernende anzusprechen. 522 chinesische Studierende aus 30 Provinzen (außer Tibet, Hong Kong, Macau und Taiwan) haben an der Umfrage teilgenommen. Darunter waren sieben ungültige Fragebögen. Deswegen wurden insgesamt 515 Fragebögen ausgewertet. 376 Studierende davon studieren Germanistik. 139 Studierende kommen aus anderen Fachrichtungen und lernen Deutsch als Nebenfach. Die Antworten auf die Frage, wie lange man schon Deutsch gelernt hat, variieren von einem Monat bis zu 96 Monaten. Es gab insgesamt zwölf Fragen. Der Fragebogen ist an die vorliegende Arbeit angehängt. Die ersten drei Fragen betreffen persönliche Daten und umfassen die Fragen nach Geschlecht, Herkunftsprovinz und Studienfach, was für die spätere Forschung nützlich sein kann. Mit der vierten Frage wird erfragt, wie lange man schon Deutsch lernt. Wie bereits erwähnt ist die Zeitdauer des Deutschlernens eine wichtige Variable bei der Eruierung der Veränderung des Englischtransfers. Die Fragen fünf bis sieben betreffen den positiven Transfer, wobei mit den Fragen fünf und sechs eine Gesamteinschätzung erreicht werden soll und mit Frage sieben gezielt nach der Sprachebene gefragt wird. Die Fragen acht bis zehn gehen dem negativen Transfer aus dem Englischen nach. Weil der negative Transfer immer zu beachten und zu überwinden ist, wird im Fragebogen gezielt nach jeder Sprachebene gefragt. Damit die Studierenden nicht mit gleichen Fragen verwirrt werden, sehen die Fragen nach dem positiven und negativen Transfer anders aus.

4.2 Auswertung

Um die Daten zu analysieren und die Schlussfolgerungen anschaulich darzustellen, wurden das Statistik-Programm SPSS 20.0 und Microsoft Excel benutzt. Als statistische Analysemethoden dienten die bivariate Korrelationsanalyse und der Kruskal-Wallis-Test für unabhängige Stichproben. Durch die Korrelationsanalyse kann man statistische Korrelationen zwischen zwei Variablen feststellen. Die statistische Signifikanz zwischen der abhängigen und der unabhängigen Variable lässt sich durch den Kruskal-Wallis-Test ausdrücken.

4.2.1 Die Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und der Stellungnahme zum gleichzeitigen Deutsch- und Englischlernen

Die Fragen fünf und sechs helfen, die Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und der Stellungnahme zum gleichzeitigen Deutsch- und Englischlernen zu ermitteln. Durch die bivariate Korrelationsanalyse kommt man zu folgendem Ergebnis (vgl. Tabellen 11 und 12):

Tab. 11

Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und der Auffassung, ob Englischkenntnisse beim Deutschlernen vorteilhaft sind.

Zeitdauer des DeutschlernensSind die Englischkennt­nisse beim Deutschlernen vorteilhaft?
Spearman-RhoZeitdauer des DeutschlernensKorrelations-koeffizient1.000.004
Sig. (2-seitig)..922
N515515
Sind die Englischkennt­nisse beim Deutschlernen vorteilhaft?Korrelations-koeffizient.0041.000
Sig. (2-seitig).922.
N515515
Tab. 12

Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und der Auffassung, ob man gleichzeitig Deutsch und Englisch lernen sollte.

Zeitdauer des DeutschlernensGleichzeitiges Lernen von Deutsch und Englisch
Spearman-RhoZeitdauer des DeutschlernensKorrelations-koeffizient1.000-.060
Sig. (2-seitig)..175
N515515
Gleichzeitiges Lernen von Deutsch und EnglischKorrelations-koeffizient-.0601.000
Sig. (2-seitig).175.
N515515

Aus den obigen Tabellen kann abgelesen werden, dass der p-Wert (Sig. [2-seitig] 0.922 und 0.175) in beiden Fällen größer als 0.05 ist, was bedeutet, dass die Zeitdauer des Deutschlernens und die wahrgenommene Bedeutung des Englischen als Hilfe beim Deutschlernen keine signifikante Korrelation aufweisen und zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und der Stellungnahme zum gleichzeitigen Englischlernen auch keine signifikante Korrelation besteht. Das heißt, ob man Englischkenntnisse für das Deutschlernen als hilfreich betrachtet, hängt nicht davon ab, ob man gerade mit dem Deutschlernen anfängt oder schon lange Deutsch lernt. Anscheinend gibt es auch keinen Zusammenhang zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem Willen zum Englischlernen und man bemerkt den positiven Transfer aus dem Englischen nicht. Es scheint auf den ersten Blick, dass das Deutschlernen und das Englischlernen ganz voneinander isoliert sind. Das Verhältnis zwischen dem Deutsch- und Englischlernen verändert sich nicht mit der Zeit, was der Theorie des Sprachtransfers zu widersprechen scheint. Eine mögliche Erklärung hierzu wäre, dass sich die Deutschlernenden keine Gedanken über die Beziehungen beider Sprachen machen und sich mit ihnen nicht aktiv auseinandersetzen. Oder: Selbst wenn man sich über die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen beiden Sprachen im Klaren ist, überlegt man nicht, wie damit umzugehen ist. Um eine vernünftige Erklärung zu finden, wird auf weitere Fragen eingegangen.

4.2.2 Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem positiven Transfer aus dem Englischen

Um die Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem möglichen positiven Transfer aus dem Englischen jeweils auf der phonetischen, morphologischen und syntaktischen Ebene zu untersuchen, wurde Frage sieben gestellt. Daraufhin wurde mit dem SPSS-Statistik-Programm ein Kruskal-Wallis-Test zur unabhängigen Stichprobenanalyse durchgeführt (vgl. Tabelle 13)

Tab. 13

Ermittlung der Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem positiven Transfer aus dem Englischen auf den drei Ebenen (Phonetik, Lexik, Grammatik) durch den Kruskal-Wallis-Test.

Zeitdauer des Deutschlernens
Chi-Quadrat21.571
df2
Asymptotische Signifikanz.000

Dem Kruskal-Wallis-Test zufolge gibt es eine statistische Signifikanz zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem positiven Transfer aus dem Englischen auf der phonetischen, morphologischen und syntaktischen Ebene, denn die asymptotische Signifikanz ist kleiner als 0.05. Das bedeutet, auf welcher Ebene die Studierenden von einem positiven Transfer sprechen, hat mit der Zeitdauer des Deutschlernens zu tun. Aber wie verändert sich der Transfer mit der Zeit? Um einen Trend zu beschreiben, werden 376 Germanistikstudierenden als homogene Gruppe herausgenommen und nach den Jahrgängen in Untergruppen aufgeteilt. So bekommt man die folgende Abbildung (Abb. 1), bei der die y-Achse den Anteil der Deutschlernenden zeigt, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen positiven Transfer aus dem Englischen jeweils auf der Laut-, Wort- oder Satzebene aussprechen.

Abb. 1 Positiver Transfer aus dem Englischen auf der Laut-, Wort- und Satzebene im Laufe des Deutschlernens.
Abb. 1

Positiver Transfer aus dem Englischen auf der Laut-, Wort- und Satzebene im Laufe des Deutschlernens.

In dieser Abbildung werden drei Tendenzen deutlich: In allen Jahrgängen sprechen die meisten Studierenden von einem positiven Transfer aus dem Englischen auf der Wortebene. Die Tendenz steigt mit der Zeit, was eine positive Korrelation zwischen der Hilfeleistung von Englisch auf der Wortebene und der Zeitdauer des Deutschlernens zum Ausdruck bringt. Je länger die Studierenden Deutsch lernen, desto größer ist der positive Einfluss aus dem Englischen auf der Wortebene. Das verhält sich auf der phonetischen und syntaktischen Ebene anders. Im Laufe des Deutschlernens finden immer weniger Studierende, dass sie auf der Satzebene von ihren Englischkenntnissen profitieren können. Die rückläufige Tendenz weist eine negative Korrelation auf. Die schwankende Tendenz auf der phonetischen Ebene bringt keine signifikante Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem positiven Einfluss von Englischkenntnissen zum Ausdruck.

4.2.3 Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem negativen Transfer aus dem Englischen

Um die Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem negativen Transfer aus dem Englischen zu untersuchen, wurden die Fragen acht bis zehn gestellt. Für die statistische Bewertung wurde wieder die bivariate Korrelationsanalyse durchgeführt. Auf der phonetischen Ebene sieht das Ergebnis folgendermaßen aus (vgl. Tabelle 14).

Tab. 14

Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und der Häufigkeit der Verwechslung mit Englisch auf der phonetischen Ebene.

Zeitdauer des DeutschlernensHäufigkeit der Verwechs­lung mit Englisch auf phonetischer Ebene
Spearman-RhoZeitdauer des DeutschlernensKorrelationskoeffizient1.000-.099
Sig. (2-seitig)..024*
N515515
Häufigkeit der Verwechs­lung mit Englisch auf phonetischer EbeneKorrelationskoeffizient-.0991.000
Sig. (2-seitig).024*.
N515515
* Die Korrelation ist auf dem 0,05-Niveau signifikant (zweiseitig).

In Tabelle 14 ist der p-Wert 0.024 kleiner als 0.05, was eine signifikante Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem negativen Transfer aus dem Englischen auf der phonetischen Ebene bedeutet. Der Korrelationskoeffizient ist -0.099 und zeigt eine negative Korrelation zwischen den beiden Variablen. Das heißt, je länger die Studierenden Deutsch lernen, desto weniger werden sie von Englisch auf der phonetischen Ebene negativ beeinflusst.

Die bivariate Korrelationsanalyse auf der Wortebene hatte folgendes Ergebnis (vgl. Tabelle 15). Daran kann man ablesen, dass der p-Wert 0.483 größer als 0.05 ist. Das bedeutet, dass die Zeitdauer des Deutschlernens und die Häufigkeit der Verwechslung mit Englisch auf der Wortebene keine signifikante Korrelation aufweisen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt man auch bei der bivariaten Korrelationsanalyse auf der Satzebene (vgl. Tabelle 16). Der p-Wert 0.055 ist auch größer als 0.05 und bringt keine signifikante Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem negativen Einfluss von vorhandenen Englischkenntnissen auf der Grammatikebene zum Ausdruck.

Tab. 15

Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und der Häufigkeit der Verwechslung mit Englisch auf der Wortebene.

Zeitdauer des DeutschlernensHäufigkeit der Verwechslung mit Englisch auf der Wortebene
Spearman-RhoZeitdauer des Deutsch-lernensKorrelationskoeffizient1.000.031
Sig. (2-seitig)..483
N515515
Häufigkeit der Verwechslung mit Englisch auf der WortebeneKorrelationskoeffizient.0311.000
Sig. (2-seitig).483.
N515515
Tab. 16

Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und der Häufigkeit der Verwechslung mit Englisch auf der Satzebene.

Zeitdauer des Deutschler­nensHäufigkeit der Verwechs­lung mit Englisch auf Grammatik­ebene
Spearman-RhoZeitdauer des Deutschler­nensKorrelationskoeffizient1.000.085
Sig. (2-seitig)..055
N515515
Häufigkeit der Verwechslung mit Englisch auf der Grammatik­ebeneKorrelationskoeffizient.0851.000
Sig. (2-seitig).055.
N515515

4.2.4 Zusammenfassung der statistischen Auswertung

An dieser Stelle werden die bisherigen Ergebnisse zusammengefasst:

  1. Es gibt keine signifikante Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und der Stellungnahme dazu, ob man beim Deutschlernen gleichzeitig auch Englisch weiter lernen sollte.

  2. Es gibt eine statistische Signifikanz zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem positiven Transfer aus dem Englischen: Auf der Wortebene gibt es eine positive Korrelation zwischen dem positiven Einfluss von vorhandenen Englischkenntnissen und der Zeitdauer des Deutschlernens; auf der Satzebene gibt es aber eine negative Korrelation zwischen dem positiven Einfluss von vorhandenen Englischkenntnissen und der Zeitdauer des Deutschlernens; auf der phonetischen Ebene kann man nicht von einer signifikanten Korrelation zwischen dem positiven Einfluss von vorhandenen Englischkenntnissen und der Zeitdauer des Deutschlernens sprechen.

  3. Was den negativen Transfer von Englisch angeht, ist eine signifikante negative Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und dem negativen Transfer von englischer Phonetik vorhanden. Auf der Wort- und Satzebene liegt aber keine signifikante Korrelation zwischen den Variablen vor.

4.2.5 Maßnahmen und Ratschläge zur Schwächung des negativen Transfers aus dem Englischen

In dem Fragebogen gibt es noch zwei subjektive Fragen, nämlich die Fragen elf und zwölf. Die Studierenden sollten angeben, ob sie Maßnahmen gegen den negativen Transfer aus dem Englischen beim Deutschlernen ergreifen, und auch Vorschläge zur Schwächung des negativen Transfers aus dem Englischen machen, die alle Lernfaktoren wie Lernende, Lehrende, Lehrbücher, Didaktik usw. betreffen könnten. 83,69 % der Studierenden (431 von 515) haben Maßnahmen ergriffen, um den negativen Transfer zu vermeiden. Zur Schwächung des negativen Transfers liefern 98,45 % der Studierenden (507 von 515) Ratschläge.

An erster Stelle schlagen 87 Studierende vor, dass die Studierenden Deutsch immer wieder hören, lesen und sprechen sollten. Viele Studierende haben das Interesse, in der Freizeit amerikanische Fernsehserien zu sehen. Für ihr Deutschlernen können sie dieses Interesse aber vorübergehend aufgeben und die amerikanischen durch eine interessante deutsche Fernsehserie ersetzen. Sie meinen, dass sie in der Tat nur wenig oder überhaupt keinen Zugang zu einer richtigen deutschsprachigen Umgebung haben. Daher sollten sie mehr Gelegenheiten schaffen, um ihr Sprachgefühl für Deutsch zu verbessern.

An zweiter Stelle sind 35 Studierende der Meinung, dass Studierende Englisch und Deutsch kontrastiv lernen sollten. Lehrveranstaltungen zum Thema „Englisch und Deutsch im Vergleich“ sollten angeboten werden, bei denen Kenntnisse über Ähnlichkeiten und Unterschiede beider Sprachen auf allen Sprachebenen systematisch vermittelt werden. Sie meinen, dass sie gerade zu Beginn des Deutschlernens oft die beiden Sprachen verwechselten. Aber nachdem sie schon eine gewisse Ahnung von dem deutschen Sprachsystem bekommen hatten, waren sie eher in der Lage, zwischen den beiden Sprachen zu unterscheiden und eigene Lernmethoden zu finden. Wenn sie einen theoretischen Überblick über die Beziehungen zwischen Deutsch und Englisch gewinnen würden, könnten sie möglicherweise den negativen Transfer zu positivem Transfer umwandeln.

Außerdem schlagen 21 Studierende vor, dass die Studierenden der Germanistik im ersten Jahrgang am besten keinen Englischunterricht besuchen sollten. Indem sie auf Englischunterricht zeitweilig verzichten, können sie sich am Anfang völlig auf Deutsch konzentrieren und geraten nicht in Verwirrung. Sie können dann Englisch weiterlernen, wenn es ihnen gelungen ist, beide Sprachen nicht mehr zu verwechseln.

Nur 14 Studierende haben das Gefühl, dass ihr Deutschlernen überhaupt nicht von ihren Englischkenntnissen beeinflusst wurde, zwei davon nennen ihre schlechten Englischkenntnisse als Grund. Zwölf weitere Studierende vertreten die Ansicht, dass vorhandene Englischkenntnisse nicht den Deutschlernprozess beeinflussen. Bei ihnen wird umgekehrt ihr Englisch stark vom Deutschen beeinflusst. Es ist klar, dass der Einfluss auf keinen Fall eine Einbahnstraße ist. Über den Transfer der Tertiärsprache auf die Zweitsprache ist daher weitere Forschung wünschenswert.

An den Antworten der Studierenden lässt sich ablesen, dass sie sich bereits Gedanken über die Beziehung zwischen dem Englischen und dem Deutschen machen. Die meisten von ihnen werden auch mit dem Sprachtransfer konfrontiert und denken über mögliche Lösungen nach. Viele machen auch anregende Vorschläge. Schlussfolgerungen wären, was man aus didaktischer Perspektive tun sollte, um den negativen Transfer aus dem Englischen beim Deutschlernen zu mindern. Eine Lehrveranstaltung zum Thema „Englisch und Deutsch im Vergleich“, bei der die beiden Sprachen kontrastiv betrachtet werden, ist ein guter Vorschlag.

4.3 Resümee der Auswertung

Nach der Analyse der statistischen Ergebnisse und der Antworten der letzten zwei subjektiven Fragen lässt sich zusammenfassend sagen, dass sich die Deutschlernenden des Sprachtransfers aus dem Englischen bei ihrem Deutschlernprozess durchaus bewusst sind. Denn über 80 % der Deutschlernenden haben schon versucht, Maßnahmen gegen den negativen Transfer zu ergreifen. Doch warum ergibt sich keine signifikante Korrelation zwischen der Zeitdauer des Deutschlernens und der Einschätzung, ob die englischen Vorkenntnisse beim Deutschlernen vorteilhaft sind? Gründe dafür könnten sein, dass man den positiven Einfluss der Englischkenntnisse nicht bemerkt und berücksichtigt oder dass die getroffenen Maßnahmen gegen den negativen Transfer nicht viel geholfen haben. Wenn wir auf die einzelnen Sprachebenen eingehen, bringen die Deutschlernenden einen positiven Einfluss von Englischkenntnissen auf ihr Deutschlernen auf der Wortebene zum Ausdruck. Auf der Satzebene werden sie beim Deutscherwerb dagegen weniger positiv durch ihre Englischkenntnisse unterstützt. Der negative Transfer kommt vor allem auf der phonetischen Ebene vor und wird mit der Zeit immer schwächer. So kann den Studierenden die Empfehlung gegeben werden, dass sie, wenn sie gerade mit Deutsch anfangen, mit den Regeln des deutschen Aussprachesystems fleißig arbeiten und alle Laute intensiv üben sollten, weil ihre Aussprache vom Englischen beeinflusst sein könnte, was aber mit der Zeit besser werde. Wenn man deutsche Wörter lernt, sollte man sich Zeit nehmen, deutsche mit englischen Wörtern zu vergleichen und dabei auf Ähnlichkeiten und Unterschiede zu achten, was das Lernen von Wörtern beider Sprachen effizienter machen würde. Es ist auch zu empfehlen, sich aktiv mit der kontrastiven Analyse von Englisch und Deutsch zu befassen. Das kommt sowohl dem Deutschlernen als auch dem Weiterlernen von Englisch zugute.

5 Schlusswort

Als Fremdsprachenlernender setzt man sich das Ziel, eine oder mehrere Sprachen möglichst vollkommen zu beherrschen. Dementgegen taucht unerwünschter Transfer aus einer Sprache in eine andere auf, weswegen der Spracherwerb oft unter Störungen leidet. Nach unserer Studie kann zusammengefasst werden, dass das Englische und das Deutsche sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede aufweisen. Es ist eine allgemeine Erscheinung, dass man beim Deutschlernen von seinen Englischkenntnissen beeinflusst wird. Die Deutschlernenden sollten sich darüber im Klaren sein, dass ihre englischen Sprachkenntnisse positiven und negativen Sprachtransfer beim Deutschlernen verursachen können, was sich auch mit der Zeit verändern kann. Die Deutschlernenden sollten nützliche Maßnahmen ergreifen, um den negativen Einfluss möglichst zu vermeiden und den positiven Einfluss zu verstärken. Folgende Vorschläge könnten dabei nützlich sein:

Deutschlehrer sollten erstens von Anfang an die richtige Aussprache, Rechtschreibung, Grammatik und Verwendung der deutschen Sprache mit Nachdruck unterstreichen, damit sich die Lernenden von Beginn an das Richtige einprägen, was auch einen Beitrag zur Verhinderung der Verwechslung von der deutschen und der englischen Sprache leistet.

Zweitens sollten sich sowohl die Deutschlehrer als auch die Deutschlernenden Mühe geben, stetig kontrastive Analysen zwischen Deutsch und Englisch vorzunehmen. Am besten wäre eine Lehrveranstaltung zum systematischen Vergleich der beiden Sprachen. Dadurch lassen sich die Ähnlichkeiten und die Unterschiede beider Sprachen herausfinden. Auf die leicht verwirrenden Punkte ist äußerste Konzentration zu richten, damit die Lernenden Störungen vorbeugen können.

Nicht zuletzt kann man über die Notwendigkeit nachdenken, ein kontrastiv gestaltetes Lehrwerk für den Deutschunterricht in China zu entwerfen. Auf diese Weise könnten die Deutschlernenden auf die möglichen positiven und negativen Einflüsse aus der englischen Sprache aufmerksam gemacht werden (vgl. Cavallini 2010: 185).

Auf die Erforschung der Interaktion zwischen dem Englischen und dem Deutschen im Rahmen des Zweitspracherwerbs bzw. Tertiärspracherwerbs in China wird bisher nur ungenügender Wert gelegt. So lässt die diesbezügliche Arbeit noch viele Desiderata erkennen, zumal die Mehrsprachigkeit heute ein wichtiges und viel diskutiertes Thema ist. In diesem Sinne sollte die vorliegende Studie weitere Forschung anregen.

Über den Autor / die Autorin

Dr. Dongdong QI

ist am 28.12.1984 geboren, sie ist Dozentin an der Deutschabteilung der Ocean University of China, Fachrichtung: Zweitspracherwerb, Korpuslinguistik, Textlinguistik. Die vorliegende Studie wird durch den Fundamental Research Funds for the Central Universities (201313032) und das Shandong Social Science Planning Fund Program (15DWXJ07) gefördert.

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Anhang

Fragebogen: Sprachtransfer aus dem Englischen beim Deutschlernen

  1. Was ist Ihr Geschlecht?

  2. a. männlich b. weiblich

  3. Aus welcher Provinz kommen Sie?

  4. ______________________________

  5. Was ist Ihr Hauptfach?

  6. a. Germanistik

  7. b. Andere Studienfächer __________

  8. Wie viele Monate haben Sie schon Deutsch gelernt?

  9. ______________________________

  10. Meinen Sie, dass Ihre englischen Kenntnisse für Ihr Deutschlernen vorteilhaft sind?

  11. (überhaupt nicht 1, sehr hilfreich 5)

  12. a. 5 b. 4 c. 3 d. 2 e. 1

  13. Stimmen Sie zu, dass man beim Deutschlernen gleichzeitig auch Englisch weiter lernen sollte?

  14. (nicht zustimmend 1, zustimmend 5)

  15. a. 5 b. 4 c. 3 d. 2 e. 1

  16. Auf welcher Ebene wird Ihr Deutschlernen von Ihren Englischkenntnissen gefördert?

  17. a. Phonetik b. Morphologie c. Syntax

  18. Verwechseln Sie die deutsche Aussprache mit der englischen Aussprache?

  19. (gar nicht 1, sehr 5)

  20. a. 5 b. 4 c. 3 d. 2 e. 1

  21. Verwechseln Sie die deutschen Wörter mit den englischen beim Sprechen oder Schreiben?

  22. (gar nicht 1, sehr oft 5)

  23. a. 5 b. 4 c. 3 d. 2 e. 1

  24. Verwechseln Sie die deutsche Grammatik mit den grammatischen Regeln des Englischen, wenn Sie Sätze bilden?

  25. (gar nicht 1, sehr oft 5)

  26. a. 5 b. 4 c. 3 d. 2 e. 1

  27. Haben Sie etwas gegen den negativen Einfluss der englischen Sprache auf Ihr Deutschlernen gemacht?

  28. __________________________________________________________

  29. Könnten Sie bitte Ratschläge geben, um den negativen Einfluss von Englisch beim Deutschlernen zu schwächen?

  30. __________________________________________________________

Online erschienen: 2019-05-10
Erschienen im Druck: 2019-05-07

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 31.12.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/infodaf-2019-0025/html
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