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Eine empirische Studie zur Stereotypisierung der deutschen Kultur in DaF-Lehrwerken des chinesischen Germanistikstudiums

  • Xiaoling ZHANG

    ist Associated Professor am German Department der Beijing Foreign Studies University; Promotion 2014 in Germanistik an der Beijing Foreign Studies University. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Praxis des Fremdsprachenunterrichts; Interkulturelle Kommunikation zwischen Chinesen und Deutschen.

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Published/Copyright: May 10, 2019

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie geht von den DaF-Lehrwerken des chinesischen Germanistikstudiums aus, um die Stereotypisierung der deutschen Kultur bei Chinesen empirisch zu untersuchen. Dabei wird der Fokus dieser empirischen Untersuchung darauf gerichtet, wie die Stereotypisierung der deutschen Kultur in chinesischen DaF-Lehrwerken für Germanistikstudierende aussieht. Mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse über alle kulturspezifischen Inhalte in den erforschten Lehrwerken stellt sich heraus, dass die DaF-Lehrwerke des chinesischen Germanistikstudiums eine Palette an Stereotypen über die deutsche Kultur aufweisen, wobei die chinesische Perspektive eine gewichtige Rolle spielt. Außerdem wird in den Lehrwerken bei der Herausbildung von Stereotypen ein Schwerpunkt auf das Germanistikstudium sowie das Deutschlernen gelegt. Schließlich stellt die ganze Stereotypisierung in den Lehrwerken ein Wechselspiel vielfältiger Elemente der Lehrwerke dar.

Abstract

This empirical study is based on the GFL textbooks of Chinese German Studies and aims at the stereotyping of German culture in China. By using the qualitative content analysis, all the elements in the selected GFL textbooks which are related to German culture have been interpreted and investigated. The results demonstrate that the GFL textbooks of Chinese German Studies show a wide variety of stereotypes about German culture and that Chinese perspective plays an important role in the development of the stereotypes in the Chinese GFL textbooks. Furthermore, Chinese GFL textbooks mainly focus on the German Studies and German learning in the process of stereotyping. Finally, the stereotyping in the Chinese GFL textbooks embodies the interplay of diverse elements in the textbooks.

1 Einleitung

Lehrwerke sind ein integrierender Bestandteil des Fremdsprachenlernprozesses. Durch Fremdsprachenlehrwerke werden bei der Vermittlung der Fremdsprachenkenntnisse die Vorstellungen über die Zielkultur bewusst oder unbewusst an die Lernenden übermittelt, weil sich Fremdsprachenlehrwerke immer auch als kulturelles Konstrukt erweisen. Doch ein solches Konstrukt ist für eine kulturelle Generalisierung und Vereinfachung anfällig, sodass sich leicht eine Stereotypisierung der Zielkultur herausbildet. Diese Stereotypisierung ist für die Fremdsprachenlernenden bei der kulturellen Wahrnehmung von großer Bedeutung. Es ist daher relevant, die Stereotypisierung in Fremdsprachenlehrwerken wissenschaftlich auszuloten. Vor diesem Hintergrund setzt sich die vorliegende Arbeit zum Ziel, der Stereotypisierung der deutschen Kultur in DaF-Lehrwerken des chinesischen Germanistikstudiums empirisch nachzugehen.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Kulturverstehen durch Sprachenlernen

Kultur ist kollektiv. Diese Kollektivität setzt den Informationsaustausch, also die Kommunikation unter den eine gemeinsame Gruppe bildenden Mitgliedern, voraus. Daneben werden wichtige Informationen im kulturellen Gedächtnis aufbewahrt und durch Kommunikation an die folgenden Generationen weitergegeben. Das heißt, ohne Kommunikation kann von Kultur gar keine Rede sein (vgl. Hansen 2003: 47). Weil Sprache eines der wichtigen Kommunikationsmittel darstellt, sind sowohl der Kulturaustausch als auch die Kulturtradierung in hohem Maße von Sprache abhängig. Umgekehrt sind sprachliche Inhalte kulturverbunden. Sie spiegeln die kulturelle Wirklichkeit wider. Das heißt, die beiden Konstrukte, Sprache und Kultur, stehen daher stets im Wechselspiel miteinander: Kultur wird zum einen vor allem durch Sprache tradiert und ausgetauscht und kann sich zum anderen als ein unentbehrlicher Bestandteil der Sprache erweisen und damit die kulturellen Inhalte bereichern.

Wegen der wechselseitigen Wirkung zwischen Kultur und Sprache ist das Sprachenlernen als Kulturverstehen zu begreifen: Das Sprachenlernen zielt normalerweise vor allem darauf ab, einerseits die Sprachkenntnisse über Phonetik, Wortschatz, Grammatik und Textstile zu beherrschen und andererseits die Sprachfertigkeiten, wie z. B. Lesen, Hören, Schreiben, Sprechen sowie Übersetzen, zu entwickeln (vgl. Yu 2004: 33). Die Sprachkenntnisse gehören zu Kulturspezifika, die die Mitglieder einer bestimmten Kultur teilen. Und kulturelle Inhalte sind von großer Bedeutung für die Entwicklung der Sprachfertigkeit, weil kulturspezifische Zeichen auch beim Sprachenlernen vermittelt werden. Deshalb ist der Prozess des Sprachenlernens selbst ein Prozess des Kulturverstehens.

Es stellt sich heraus, dass der Prozess des Fremdsprachenlernens als Prozess des Fremdkulturverstehens anzusehen ist. Beim Fremdsprachenerwerb sollten die Fremdsprachenlernenden die Fremdkultur richtig verstehen und sich adäquat auf die Unterschiede zwischen eigener und fremder Kultur einstellen. Aus diesem Grund wird die interkulturelle Kompetenz schon seit den 1980er Jahren zum Ziel des Fremdsprachenunterrichts (Fuchs 2012: 18).

2.2 Interkulturelles Lernen durch Fremdsprachenlehrwerke

Die Qualität des Unterrichts wird von der Interaktion im Dreieck von Lernern, Lehrern und Unterrichtsmaterialien bestimmt (vgl. Funk 2014: 73). Und nach wie vor ist das Lehrwerk das Hauptlehrmaterial, das die Lehrenden mit den Lernenden verbindet. Außerdem stellt das Lehrwerk die didaktische Basis des Unterrichts dar (vgl. Maijala/Tammenga-Helmantel 2016: 539). Das heißt, Fremdsprachenunterricht ist ohne Lehrwerke schwer vorstellbar (vgl. Štůralová 2008: 9). Deshalb ist das Lehrwerk für den Lehr- und Lernprozess im Unterricht entscheidend.

In diesem Sinne ist den Fremdsprachenlehrwerken für das Fremdsprachenlernen ein hoher Stellenwert beizumessen. Sie sind als Medium für die Vermittlung von Sprach- und Kulturkenntnissen zu bezeichnen (vgl. Maijala 2007: 555). Deshalb sollte ein Fremdsprachenlehrwerk den Lehr- und Lernprozess effektiv steuern und die Vielfalt der sprachlichen und kulturellen Kenntnisse der Zielsprache didaktisch in Zusammenhang miteinander bringen (vgl. Rösler/Schart 2016: 484). Das heißt, Sprachenlernen und Kulturverstehen bilden die Hauptinhalte des Fremdsprachenwerkes und die beiden Elemente sollten gut zu einer Einheit verschmolzen werden.

In Hinblick auf das Kulturverstehen sollten sich die Aufgaben des Fremdsprachenwerkes nicht auf die Vermittlung einer fremden Kultur beschränken. Ein ideales Fremdsprachenlehrwerk sollte daher abzielen auf

die Reflexion über die eigene und über die fremde Kultur, die Entwicklung einer Sensibilität für Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der eigenen und der fremden Kultur und die Förderung eines Perspektivenwechsels. (Marques-Schäfer/Bolacio Filho/Stanke 2016: 568)

2.3 Stereotype in Fremdsprachenlehrwerken

Das deutsche Wort Stereotyp entstammt dem Griechischen und setzt sich aus stereós (fest, hart) und týpos (Gestalt, Muster) zusammen, das heißt, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist so etwas wie ein „festes Muster“. Im 18. Jahrhundert wurde der Ausdruck zum ersten Mal im Buchdruckergewerbe verwendet, um feste und unveränderte Drucktexte zu bezeichnen. Diese Festigkeit prägt noch heute die Bedeutung von Stereotyp (vgl. Wowro 2010: 305). Das heißt, falls ein Stereotyp in unseren Köpfen verwurzelt ist, lässt sich dies schwer ändern.

Darüber hinaus ist die Definition von Stereotyp von Walter Lippmann zu nennen. Aus psychologischer Perspektive definiert er Stereotyp als „pictures in our head“ (Lippmann 1922: 89). Nach Lippmann sind die Bilder in unseren Köpfen allerdings keine einfache Übertragung der Außenwelt. Durch Wahrnehmungs- und Kategorisierungsprozesse sind die Bilder über die Wirklichkeit der Außenwelt in unseren Köpfen schon stereotypisiert (vgl. Schondelmayer 2008: 57). Diese stereotypisierten Bilder reduzieren die Umweltkomplexität und helfen dem Individuum bei der Wahrnehmung der Außenwelt. Insbesondere in einer fremden Kultur funktionieren Stereotype als Orientierungssystem und erleichtern dadurch den Umgang mit Unbekanntem (vgl. Bolten 2007: 57).

Aus den obigen Schilderungen geht hervor, dass Stereotype bei der menschlichen Wahrnehmung eine gewichtige Rolle spielen. In der Regel sind den Stereotypen drei Funktionen zuzuweisen:

  1. Die kognitive Funktion der Stereotype liegt in der Komplexitätsreduktion und darin, dass sie als Orientierungshilfe dienen.

  2. Die soziale Funktion betrifft die kollektive Weltanschauung und Gruppenidentität, weil Stereotype immer eine kollektive Eigenschaft, die die innere Kohärenz und die Distanz einer Gruppe nach außen fördert, besitzen.

  3. Die affektive Funktion unterstützt die irrationalen Selbstbehauptungs- und Abwehrmechanismen, insbesondere wenn ein Individuum mit neuen, unbekannten sowie kontroversen Informationen konfrontiert wird. Dies führt leicht zur Stabilisierung des eigenen Selbstwertgefühls (vgl. Wowro 2010: 309 ff.). Deshalb zeigt die affektive Funktion der Stereotype im Vergleich zu den ersten zwei Funktionen eher einen negativen Aspekt.

Weil die Bilder in unseren Köpfen sowohl auf das Eigene als auch auf das Fremde gerichtet sind, sind Autostereotype und Heterostereotype voneinander zu unterscheiden, die jeweils die Bilder über sich selbst und eigene Gruppen sowie die Bilder über andere und fremde Gruppen beschreiben (vgl. Wowro 2010: 312). Außerdem ist zu betonen, dass Stereotype nicht nur positiv, sondern auch negativ wirken können. Dies unterscheidet Stereotype von Vorurteilen, weil Vorurteile in der Regel negativ konnotiert sind und auf das einseitige und vorschnelle Urteil ohne genaues Überprüfen hindeuten. Dennoch werden die beiden Begrifflichkeiten in der Alltagssprache des Öfteren synonym verwendet (vgl. Schondelmayer 2008: 56).

Lehrwerke dominieren die Praxis des Fremdsprachenunterrichts und gelten daneben als wichtige Träger von Informationen über die Zielsprachenkultur. Deshalb bilden die darin widergespiegelten kulturellen Inhalte die Quelle des Bildes über die jeweilige Zielkultur (vgl. Maijala 2007: 544). In diesem Sinne kann das Fremdsprachenlehrwerk auch die Hauptquelle der Stereotypisierung der Zielsprachenkultur sein: Zuerst bergen Lehrwerke das Risiko in sich, die stereotypisierten Landesbilder zu konservieren, weil diese Bilder zum einen dauerhaft in Lehrwerken gespeichert sind und sie zum anderen schon in dem Moment veraltet sind, in dem die Lehrwerke erscheinen (vgl. Schulze 2010: 47). Diesen dauerhaften und veralteten Bildern von der Zielsprachenkultur wohnen schon Stereotype inne. Außerdem sind die Lehrwerke für ihre Leser von hoher Glaubwürdigkeit. Das heißt, die Lernenden hegen in der Regel keinen Zweifel an den vermittelten Kenntnissen in den Lehrwerken. Deshalb werden die Stereotype über die Zielsprachenkultur in Fremdsprachenlehrwerken von den Lernenden schnell und leicht akzeptiert. Gleichzeitig erleichtern die Stereotype ihnen noch das Fremdverstehen dank der Komplexitätsreduktion, was zum Fortbestehen der Stereotype beiträgt (vgl. ebd.). Darüber hinaus vermitteln Fremdsprachenlehrwerke mit Vorliebe positive Bilder von der Zielsprachenkultur. Als Kulturvermittler informieren die Lehrwerke die Lehrenden lieber über das Positive und übergehen das Negative, weil eine positive und interessierte Einstellung der Lernenden gegenüber der Zielsprachenkultur eine maßgebliche Voraussetzung für die Lernmotivation bildet (vgl. Maijala 2007: 551). Zuletzt ist anzumerken, dass die Fremdsprachenlehrwerke noch durch ihre Stoffkomprimierung, also durch Verallgemeinerungen und Globalisierungen bezüglich der Fremdkultur, die Stereotype verstärken (vgl. Maijala 2007: 552).

Es wird deutlich, dass sich eine Stereotypisierung der Zielsprachenkultur in den Fremdsprachenlehrwerken manifestiert. Stereotype können in der Regel sowohl positiv als auch negativ wirken, aber in den Fremdsprachenlehrwerken werden vor allem positive Stereotype ausgewählt, um die Lernmotivation der Fremdsprachenlernenden zu steigern. Stereotype ermöglichen einerseits den Lernenden eine Erleichterung beim Fremdverstehen, andererseits lassen sich die schon herausgebildeten Stereotype schwer ändern, egal ob sie positiv, neutral oder negativ sind.

3 Methodologische Überlegungen und Forschungsprojekt

3.1 Qualitative Inhaltsanalyse von Philipp Mayring

Der vorliegende Beitrag ist empirisch ausgerichtet. Dafür wurde die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse von Philipp Mayring (2007) ausgewählt, die sich für die Ermittlung und Auswertung der qualitativen Elemente in Lehrwerken eignet. Nach Mayring ist eine qualitative Inhaltsanalyse „immer ein Verstehensprozess von vielschichtigen Sinnstrukturen im Material. Die Analyse darf nicht bei dem manifesten Oberflächeninhalt stehenbleiben, sie muss auch auf latente Sinngehalte abzielen“ (2007: 29). Das heißt, mit dieser Methode ist der hinter dem Oberflächeninhalt versteckte Sinn des Materials herauszufinden und zu verstehen. Vor der Analyse sollten Informationen über das Material recherchiert und Fragestellungen, theoretische Hintergründe sowie implizite Vorannahmen der Studie eindeutig dargelegt werden (vgl. ebd.).

Die konkreten Analysetechniken der qualitativen Inhaltsanalyse setzen sich aus Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung zusammen. Die Zusammenfassung dient der Materialreduktion: Zuerst sind alle inhaltstragenden Textstellen in knapper Form zu paraphrasieren. Daraufhin sind alle Paraphrasen durch Auslassen, Generalisation, Konstruktion, Integration, Selektion und Bündelung so zu reduzieren, dass nur die wesentlichen Inhalte des Materials erhalten bleiben. Auf diese Weise wird das Ausgangsmaterial zu einem abstrakten und überschaubaren Korpus zusammengefasst. Bei der Explikation ist eine enge Kontextanalyse von einer weiten zu unterscheiden. Das heißt, zur Analyse einiger fraglicher Textstellen ist zusätzliches Material heranzutragen, um sie zu explizieren. Dieses zusätzliche Material können zum einen die direkten Bezüge im Text sein (enge Kontextanalyse) und zum anderen z. B. Hintergrundinformationen oder nonverbale Elemente hinsichtlich eines weiteren Kontexts (weite Kontextanalyse). Strukturierung verfolgt das Ziel, eine bestimmte Struktur aus dem Material zu extrahieren. Hierbei gibt es vier Formen: die formale, die inhaltliche, die typisierende und die skalierende Strukturierung (vgl. Mayring 2007: 42–99).

3.2 Forschungsprojekt

Nach Mayring (2007) ist zuerst das Ausgangsmaterial für die Studie festzulegen. Für die vorliegende Studie wurden die vier für das chinesische Germanistikstudium repräsentativen DaF-Lehrwerke ausgewählt: Studienweg Deutsch, Deutsch für das Germanistikstudium, Einblick – Deutsch für das Hauptstudium sowie Kulturfenster.

Anschließend werden Entstehungssituation und formale Charakteristika der Lehrwerke analysiert: In Bezug auf die Entstehung der DaF-Lehrwerke und die Landschaft des Deutschlernens in China ist das Studienfach Germanistik an chinesischen Hochschulen von großer Bedeutung. Zur Zeit haben über 120 chinesische Hochschulen das Studienfach Germanistik eingerichtet. (Vgl. Xie 2018: 141) Immer mehr Germanistikstudierende schließen ihr Studium ab und setzen sich danach als akademisch Gebildete vor allem in den Bereichen des wirtschaftlichen, kulturellen sowie politischen Austauschs zwischen China und Deutschland ein. Darauf wirken sich die während des Germanistikstudiums gebildeten Stereotype über Deutschland sowie die Deutschen günstig oder ungünstig aus.

Es sollen die stereotypisierten Komponenten der deutschen Kultur in den Lehrwerken Studienweg Deutsch, Deutsch für das Germanistikstudium, Einblick – Deutsch für das Hauptstudium sowie Kulturfenster herausgefunden werden. Das erste und das zweite Lehrwerk konzentrieren sich auf das Grundstudium im 1. und 2. Studienjahr, wohingegen sich die letzten beiden Lehrwerke am Hauptstudium im 3. und 4. Studienjahr orientieren. Deshalb spiegeln diese oben erwähnten vier DaF-Lehrwerke die Spezifität des Deutschlernens im Studienfach Germanistik an chinesischen Hochschulen wider. Zudem werden die ausgewählten Lehrwerke heute im Studienfach Germanistik an chinesischen Hochschulen landesweit verwendet und sind deswegen repräsentativ für die vorliegende Untersuchung. Außerdem wurden diese Lehrwerke größtenteils von erfahrenen DaF-Experten sowie Germanistikprofessoren an chinesischen Hochschulen erarbeitet und zusammengestellt. Dazu haben deutsche Experten als Berater oder als Korrektoren ihren – allerdings begrenzten – Beitrag geleistet. Dies besagt, dass die in diesen Lehrwerken enthaltenen Stereotype über die deutsche Kultur eigentlich aus Fremdbildern, die Chinesen über die deutsche Kultur entwickelt haben, entstanden sind. Hinzu kommt noch, dass die ausgewählten vier Lehrwerke jeweils im Zeitraum von 2004 bis 2009, von 2007 bis 2009, von 2012 bis 2014 sowie von 2011 bis 2013 erschienen sind. Die Erscheinungszeit der Lehrwerke deutet darauf hin, dass die Fremdbilder über die deutsche Kultur in den Lehrwerken nicht veraltet, sondern aktuell und somit nachvollziehbar sind und daher leicht von Germanistikstudierenden stereotypisiert werden.

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich die Fragestellung dieser Studie: Wie sieht die Stereotypisierung der deutschen Kultur in den DaF-Lehrwerken des chinesischen Germanistikstudiums aus? Diese zentrale Leitfrage lässt sich wiederum durch folgende drei Fragen konkretisieren:

  1. Welche Themenbereiche der deutschen Kultur betrifft die Stereotypisierung?

  2. Was zeichnet die Stereotypisierung aus?

  3. Welche Elemente sowie Bestandteile der Lehrwerke (sowohl verbale als auch nonverbale Komponenten) können zur Stereotypisierung beitragen?

Die nun folgenden Analyseschritte bestehen aus Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung: Zuerst werden alle Inhalte in den ausgewählten Lehrwerken in Sinneinheiten zerlegt und alle für die Fragestellungen relevanten Sinneinheiten ausgewertet. Die repräsentativen Elemente der Fremdsprachenlehrwerke für diese Analyse können Einführung, Texte, Bilder, Grafiken, Tabellen, Übungen, Glossar sowie die ganze Gestaltung dieser Lehrwerke sein. Daraufhin sind alle ausgewerteten Sinneinheiten zu kategorisieren und alle kategorisierten Sinneinheiten anhand der Theorie und des Materials zu überprüfen. Zum Schluss werden die Analyseergebnisse hinsichtlich der Fragestellungen interpretiert, wobei die kulturelle Stereotypisierung in DaF-Lehrwerken des chinesischen Germanistikstudiums beleuchtet wird.

4 Darstellung der Forschungsergebnisse

Durch Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung aller Daten in den Lehrwerken kommt diese Studie zu dem Ergebnis, dass sich die kulturelle Stereotypisierung in DaF-Lehrwerken des chinesischen Germanistikstudiums vor allem auf das stereotypisierte Deutschland, die stereotypisierten Deutschen, die stereotypisierte deutsche Sprache sowie die stereotypisierten deutschen Werte bezieht.

4.1 Das stereotypisierte Deutschland

Nach den Analyseergebnissen ist das Deutschlandbild in den chinesischen DaF-Lehrwerken in den folgenden Bereichen stereotypisiert: Feste, Städte, Persönlichkeiten, Umweltschutz, Studium, kulturelle Integration in Deutschland sowie Beziehungen zwischen China und Deutschland.

4.1.1 Feste in Deutschland

In den chinesischen DaF-Lehrwerken werden zwei religiöse Feste, Weihnachten und Ostern, und ein Volksfest, und zwar das Oktoberfest, ausführlich beschrieben. Daraus werden Stereotype über diese drei Feste geschlossen.

Das erste und auch das in den erforschten Lehrmaterialien am meisten beschriebene Fest ist Weihnachten. In der 4. Lektion von Deutsch für das Germanistikstudium 2 sieht eine Übersetzungsaufgabe so aus:

Weihnachten ist das größte Fest Deutschlands und wird zum Gedenken an die Geburt von Jesus Christus gefeiert. In Deutschland ist Weihnachten auch ein Fest für das familiäre Zusammensein. Aber dieses Fest wird hier friedlich und ruhig gefeiert. Am 24. Dezember kommt man früh nach Hause, schmückt zu Hause den Weihnachtsbaum und bereitet das feierliche Abendessen vor. Die gegenseitige Bescherung stellt den Höhepunkt des Festes dar [...]. (Huang 2007: 132)

Durch diese Beschreibung von Weihnachten wird die Bedeutung des Fests mit der des chinesischen Frühlingsfests für die chinesischen Germanistikstudierenden gleichgesetzt und ein Stereotyp über Weihnachten herausgebildet: „Weihnachten ist das größte Fest Deutschlands“ (ebd.). Außerdem fallen viele bunte Bilder von Weihnachtsbaum, Weihnachtsmarkt, Krippe usw. als Einführung in das zu lernende Thema ins Auge, die den Lernenden das Fest anschaulich darstellen sollen (vgl. Liang/Nerlich 2004: 289 f.).

Daneben ist Ostern das höchste und älteste Fest für deutsche Christen. Das heißt, neben Weihnachten ist Ostern auch ein wichtiges Fest mit religiöser Bedeutung. Im Text wird das Fest so geschildert:

Das höchste und älteste Fest der christlichen Kirchen ist Ostern. Zu Ostern feiern die Christen die Auferstehung von Jesus Christus aus seinem Grab [...]. Heute ist Ostern als Frühlingsfest und als christliches Fest ganz eng miteinander verbunden. (Huang 2007: 111)

Außerdem werden Zeichnungen von Osterhasen und Ostereiern zusätzlich zum Text zur Veranschaulichung des Fests gezeigt (vgl. ebd.: 105).

Noch hervorzuheben ist das Stereotyp über das größte Volksfest der Welt, das Oktoberfest. Durch das Deutschlernen mit den DaF-Lehrwerken gewinnen die Germanistikstudierenden als Kenntnisse über das Oktoberfest, dass es in München stattfindet und dass dieses Fest jährlich viele Besucher nach Deutschland zieht:

Das Oktoberfest gilt als das größte Volksfest der Welt. Jährlich kommen mehr als sechs Millionen Besucher auf die Theresienwiese. Die Münchner Hotels sind in dieser Zeit meist ausgebucht. (Huang 2007: 117)

4.1.2 Städte in Deutschland

In allen ausgewählten DaF-Lehrwerken werden viele deutsche Städte vorgestellt, vor allem aber Berlin, München, Weimar, Göttingen und Heidelberg.

Es ist allgemein bekannt, dass Berlin die Hauptstadt Deutschlands ist. Diese Tatsache kann auch als ein kulturelles Stereotyp über Deutschland bezeichnet werden. Dieses Stereotyp wird noch durch folgende Übersetzungsübung verstärkt:

Berlin war und ist die Hauptstadt Deutschlands. Als kulturelles Zentrum Europas hat sie viele Millionen Touristen angezogen. Neben Parks, Seen und Flüssen besitzt Berlin noch viele Wälder. (Huang 2007: 197)

Anders als Berlin ist die internationale Stadt München durch das Oktoberfest und das Münchner Bier stereotypisiert: „Da können Sie das weltberühmte Münchner Bier trinken. Denn München ist auch die Stadt des Biers“ (Liang/Nerlich 2005: 8).

Daneben nimmt auch die kulturelle Stadt Weimar einen hohen Stellenwert für ausländische Touristen ein. Ein Text in Deutsch für das Germanistikstudium 1 handelt von einem Reisetagebuch über Weimar. Darin werden das Goethe-Haus, das Schiller-Haus und das Denkmal der beiden Dichter mit Bildern vorgestellt (vgl. Chen 2007: 324). Dadurch wird ein Stereotyp über Weimar bei den chinesischen Germanistikstudierenden geprägt: Weimar ist berühmt für Goethe und Schiller.

Außerdem werden Göttingen und Heidelberg als wichtige Universitätsstädte in den Lehrwerken beschrieben. Dieses Stereotyp wird beispielsweise in den folgenden Sätzen deutlich: „Städte wie Heidelberg [...] prägen den Typus der klassischen Studentenstadt“ (Cai 2014: 30) und „Göttingen heute ist – nicht zuletzt durch die Universität – ein weltoffener Ort“ (ebd.: 133).

4.1.3 Persönlichkeiten in Deutschland

Die Stereotypisierung von Persönlichkeiten in Deutschland setzt sich aus den folgenden zwei Aspekten zusammen. Das erste diesbezügliche Stereotyp lautet: Deutschland ist „das Land der ‚Dichter und Denker‘“ (Chen 2012: 152). Und die Deutschen kennen schon von klein auf „die Vielfalt von Autoren, die mit ihren Werken Gefühle und Gedanken bestimmter Zeiten und Strömungen eingefangen haben. Goethe, Kafka, Schiller, Mann oder Hesse“ (Qian 2013: 55). Die hier erwähnten deutschen Literaten und Dichter sind weltberühmt und auch chinesischen Germanistikstudierenden bekannt. Um den Lernenden die deutschen Dichter und Denker näherzubringen, beschäftigen sich viele Texte gezielt mit diesen deutschen Persönlichkeiten, so finden sich z. B. eine Anekdote über Heinrich Heine (Liang/Nerlich 2005: 33), einige Geschichten über Goethe und Schiller (Chen 2007: 324) oder eine Vorstellung Alexander von Humboldts (Huang 2007: 37).

Außerdem sind Porträts deutscher Literaturnobelpreisträger (Thomas Mann, Heinrich Böll und Günter Grass) im Teil der Grammatik zu finden (vgl. Liang/Nerlich 2005: 42). Auch werden viele Bilder von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Karl Marx, Martin Luther usw. auf den Einführungsseiten zur „Aufwärmung“ verwendet.

Auffallend sind auch viele Aussprüche von deutschen Dichtern und Denkern, die im Text zitiert werden. Hier sind zwei Beispiele anzuführen: Schillers „Der Mensch ist nur dann ganz Mensch, wenn er spielt“ (Liang/Nerlich 2005: 5) und Goethes „Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist“ (Huang 2007: 90).

Darüber hinaus wird auch die Beschreibung, dass Deutschland ein einzigartiges klassisches musikalisches Erbe besitzt, in den erforschten DaF-Lehrwerken stereotypisiert. So heißt es in einem Text:

Deutschland besitzt darüber hinaus auch ein einzigartiges klassisches musikalisches Erbe: Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven, Robert Schumann, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Johannes Brahms oder Richard Wagner sind nur einige der ganzen großen, weltweit gespielten deutschen Komponisten. (Qian 2013: 55)

Das heißt, neben Dichtern und Denkern ist Deutschland auch für klassische Musik und renommierte Komponisten weltberühmt. Daher haben auch einige Texte die Vorstellung deutscher Komponisten zum Inhalt und ihre Porträts sind neben den Texten oder auf Einführungsseiten zu sehen.

4.1.4 Umweltschutz in Deutschland

Durch das Deutschlernen mit den Lehrwerken hinterlässt Deutschland einen „grünen“ Eindruck bei den Deutschlernenden. Das heißt, die Stereotypisierung über den Umweltschutz Deutschlands ist hauptsächlich durch „grüne Energie“ „grüne Technologie“ und „grünes Reisen“ gekennzeichnet.

Was den Umweltschutz in Deutschland anbelangt, ist die „grüne Energie“, (damit sind die erneuerbaren Energien gemeint) zuerst zu nennen. In diesem Bereich gehört Deutschland zu den führenden Nationen: „Deutsche Unternehmen seien auf dem Gebiet der erneuerbaren Energie führend“ (Liang/Nerlich 2009: 204). Deutschland legt großen Wert auf die „grüne Energie“, da z. B. „Wind- und Sonnenenergie viel sauberer seien als das Verbrennen von Erdöl und nicht so gefährlich wie Atomenergie“ (Liang/Nerlich 2006: 133). Daneben kommt die „grüne Energie“ der deutschen Wirtschaft zugute, wie es in einem Text heißt: „Und Deutschland marschiert dank seiner grünen Champions vorweg. Geschäfte mit Sonne, Wind und Wasser sind schon heute ein Exportschlager“ (Chen 2013: 68 f.).

Neben der „grünen Energie“ ist Deutschland auch durch „grüne Technologie“ geprägt:

Die Volkswirtschaft steht folglich vor einem tief greifenden Wandel: [...] die grüne Hightech wird das Land prägen, wird Jobs und Wohlstand schaffen. Tatsache ist: Längst ist die grüne Hightech aus der Öko-Ecke in den Blickpunkt gerückt. (Chen 2013: 69)

Deshalb surft Deutschland jetzt „auf der grünen Welle“ (Chen 2013: 68) und diese grüne „Umwelttechnik ist die Leitindustrie des 21. Jahrhunderts“ (ebd.).

Die ersten zwei Stereotype in Bezug auf den deutschen Umweltschutz betreffen die deutsche Industrie, allerdings beschränkt sich der Umweltschutz Deutschlands nicht auf das industrielle Gebiet, sondern dringt auch schon bis in die deutsche Tourismusbranche vor:

Auch in Deutschland ist die Bereitschaft zum umweltbewussten Reisen groß [...] und Deutschland kann hier nach Ansicht von Experten international eine Vorbildfunktion übernehmen. (Chen 2013: 86)

Hinzu kommt noch, dass „grünes Reisen“ in Deutschland Reisen mit hoher Qualität bedeutet. Eine Übersetzungsübung zeigt dies auf:

Deutsche schätzen „die ökologische Reise“ hoch. D. h., man strebt nach der harmonischen Entwicklung zwischen dem Tourismus und der Reise sowie nach dem effizienten Einsatz der Ressourcen. Deutsche legen besonderen Wert auf die Qualität der touristischen Produkte. In ihren Augen ist die grüne Reise die Reise mit hoher Qualität. (Chen 2013: 108)

4.1.5 Studium in Deutschland

Das Stereotyp über das Studium in Deutschland heißt: „Deutschland ist ein beliebter Studienort“ (Cai 2014: 3). In den folgenden Textstellen kann dieses Stereotyp nachvollzogen werden:

Für viele junge Menschen in anderen Teilen der Welt ist Deutschland das Tor zu einer gesicherten Zukunft [...]. Ob BWL, Maschinenbau, Medizin oder Geisteswissenschaften – Deutschland ist ein beliebter Studienort. (Cai 2014: 3)

Denn „alle staatlichen Hochschulen in Deutschland sind offen für Studenten aus aller Welt“ (vgl. Huang 2007: 19). Aus diesem Grund entscheiden sich jedes Jahr „über 50 000 junge Menschen aus aller Welt für ein Studium in Deutschland. Für viele von ihnen ist es der erste Auslandsaufenthalt [...]“ (Qian 2011: 239). Im Ganzen gesehen ist Deutschland „weltweit wieder ein attraktiver Studienstandort geworden“ (Qian 2011: 217).

4.1.6 Kulturelle Integration in Deutschland

Als Einwanderungsland herrscht innerhalb Deutschlands eine kulturelle Vielfalt. Deshalb stellt die kulturelle Integration der verschiedenen Kulturen eine Basis für die Aufrechterhaltung der sozialen Harmonie dar. Diesbezüglich ist Deutschland in den Lehrwerken dadurch stereotypisiert, dass Deutschland ein kulturell buntes Land ist, wie es in einem Text steht:

Die Fremden haben Deutschland verändert. Das Land ist bunter geworden. Die Restaurant-Szene blühte auf, die Italiener, Griechen, Spanier, Portugiesen, Afghanen und Inder brachten ihre Küche mit. Auch die Türken verkaufen heute mehr Döner. (Kong 2008: 147)

Und diese kulturelle Integration hat einen großen Beitrag in der deutschen Gesellschaft geleistet, wie z. B. bei der deutschen Fußballnationalmannschaft:

In der deutschen Mannschaft sind mehrere Spieler mit Migrationshintergründen vertreten, z. B. Miroslav Klose, Lukas Podolski, Mesut Özil usw. Sie haben viel zum Erreichen des dritten Platzes beigetragen. (Chen 2013: 188)

4.1.7 Beziehungen zwischen China und Deutschland

In den DaF-Lehrwerken für das chinesische Germanistikstudium wird den Studierenden eine vielversprechende Aussicht der Beziehungen zwischen China und Deutschland dargeboten. Dadurch bildet sich das Stereotyp über die Beziehungen zwischen China und Deutschland bei den Deutschlernenden aus. So lautet eine Übersetzungsübung: „Die diplomatischen Beziehungen zwischen China und Deutschland haben eine vielversprechende Aussicht“ (Chen 2013: 142).

Daneben entwickeln sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern auch nachhaltig:

Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen hat sich das deutsch-chinesische Verhältnis nachhaltig verbessert. Die Förderung unserer Wirtschaftsinteressen war immer ein wesentlicher Bestandteil deutscher Außenpolitik. Und für China ist Deutschland der bedeutendste Handelspartner in Europa. (Cai 2014: 39)

Im folgenden Text wird aufgezeigt, dass die sich gut entwickelnden Beziehungen zwischen den beiden Ländern eine gute Auswirkung sowohl auf ihre eigenen Völker als auch auf die ganze Welt haben:

Die Geschichte der Entwicklung der deutsch-chinesischen Beziehungen hat bewiesen, dass eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China nicht nur den Völkern beider Länder zum Wohle gereicht, sondern auch der Wahrung des Weltfriedens und der Förderung der gemeinsamen wirtschaftlichen Entwicklung dient. (Cai 2014: 48)

Den zitierten Texten ist das Stereotyp zu entnehmen, dass die Beziehungen zwischen China und Deutschland auf vielerlei Gebieten aufblühen.

4.2 Die stereotypisierten Deutschen

In der Stereotypisierung über Deutsche geht es vor allen Dingen um das deutsche Alltagsleben, deutsche Frauen in der Politik und Eigenschaften der Deutschen.

4.2.1 Das deutsche Alltagsleben

Essen und Trinken macht einen wesentlichen Teil des menschlichen Alltagslebens aus. Daher finden sich in den erforschten Lehrmaterialien viele Stereotype über das deutsche Essen und Trinken.

Ein erstes Beispiel ist die Beschreibung deutscher Wurst in einer Übersetzungsübung: „Wenn es eine wirkliche Spezialität Deutschlands gibt, die international bekannt ist, dann muss das die Wurst sein“ (Qian 2011: 51). Eine weitere Beschreibung darüber sieht so aus: „Eine große Vorliebe der Deutschen gilt traditionell ‚dem Würstchen‘“ (Kong 2008: 39). Daraus wird ein Stereotyp über das Essen der Deutschen gefolgert: Deutsche essen mit Vorliebe Wurst.

Bei einem anderen Stereotyp über das deutsche Essen handelt es sich um das Brot: „Ganz typisch für Deutschland ist die einzigartige Brotkultur. In keinem anderen Land gibt es so viele hervorragende Brotsorten wie bei uns“ (Chen 2013: 2). Deshalb kann das Stereotyp über Brot so aussehen: Deutsche essen viel Brot.

Neben dem Essen gibt es ein Stereotyp über das deutsche Trinken, nämlich, dass Deutsche Biertrinker sind, was aus der folgenden Beschreibung abgeleitet werden kann: „Bier wird eher als ‚Alltagsgetränk‘ bezeichnet“ (Qian 2011: 20).

Darüber hinaus wird noch eine stereotypisierte Essgewohnheit der Deutschen in den DaF-Lehrwerken deutlich: Deutsche essen gesund. Dieses Stereotyp basiert z. B. auf den folgenden Formulierungen: „Heute legen viele Deutsche beim Essen schon mehr Wert auf die Gesundheit“ (Kong 2008: 40) sowie „Gesunde Ernährung hat für viele Deutsche einen hohen Stellenwert: In jedem Supermarkt gibt es heute Bio-Lebensmittel“ (Chen 2013: 3).

Neben dem Essen und Trinken spielt auch das Familienleben eine bedeutende Rolle im Alltagsleben. In den chinesischen DaF-Lehrwerken fällt die folgende Darstellung über das deutsche Familienleben auf:

Die „Normalfamilie“ – ein Ehepaar mit einem oder mehr gemeinsamen Kindern – wird in Deutschland immer seltener [...]. Immer normaler, fast schon am normalsten sind in Deutschland Single-Haushalte. (Liang/Nerlich 2005: 169)

Diese Beschreibung besagt, dass Single-Haushalte schon einen immer größeren Anteil der deutschen Haushaltsformen ausmachen. In den Single-Haushalten geht es nicht nur um die Ledigen, sondern auch um die Geschiedenen. Daneben gibt es auch viele alleinerziehende Elternteile: „In Deutschland gibt es bis zu 300 000 alleinerziehende Väter und ihre Zahl steigt rasant an“ (Liang/Nerlich 2009: 33).

Aus den genannten Fakten ist ersichtlich, dass Deutsche zu lockeren familiären Bindungen neigen. Das heißt, dass das familiäre und kollektive Bewusstsein der Deutschen nicht so stark ist wie das der Chinesen, weil Deutsche bereits in eine eher individualistische Kultur hineingeboren werden. Dieses Stereotyp über das deutsche Familienleben beeindruckt chinesische Germanistikstudierende sehr tief.

Ein weiterer Aspekt des Alltagslebens ist sicher auch noch das Freizeitleben. Über das Freizeitleben können aus den DaF-Lehrwerken die Stereotype abgeleitet werden, dass die Deutschen in der Freizeit reisen und urlauben und dass sie ein großes Interesse an Fußball haben.

Für das erste Stereotyp sind die folgenden Stellen repräsentativ: „Keine andere Nation beharrt auf der perfekten Urlaubswelt so sehr wie die deutsche und kaum eine andere Nation kennt Urlaub als Tätigkeitswort: urlauben!“ (Qian 2013: 70). Das heißt, die Deutschen urlauben gerne und viel in ihrer Freizeit. Aber der Urlaub bedeutet für Deutsche nicht nur Erholung, sondern auch Bewegung:

Die Bundesbürger wollen sich im Urlaub nicht nur erholen, sondern auch bewegen. Heute ziehen viele Menschen Urlaub mit viel Bewegung vor. Sie wandern, schwimmen, fahren Rad, laufen Ski oder klettern auf Berge. (Chen 2007: 332)

Daneben reisen die Deutschen auch mit Vorliebe, wie es in einem Text heißt: „Die Deutschen sind Weltmeister im Reisen [...]“ (Huang 2007: 69). Und die Reisevorliebe verkörpert sich noch in einer weiteren Übersetzungsübung: „Nichts Anderes als Reise ist für Deutsche am attraktivsten“ (Wei/Fan 2009: 207).

Neben dem Urlaub und der Reise verbringen die Deutschen ihre Freizeit noch mit Fußball, denn in deutschen Augen ist „Fußball [...] ein Sport für alle“ (Huang 2007: 76). Darüber hinaus ist die Bedeutung von Fußball für Deutsche nicht auf eine Art von Sport begrenzt:

Fußball ist vieles in Deutschland: das wichtigste Gesprächsthema montagmorgens am Arbeitsplatz, Opium fürs Volk, der Segen aller Bierbrauer, der Grund für schlaflose Nächte, ewige Freundschaften und erbitterte Streitereien. (Kong 2008: 4)

Diesbezüglich findet sich in einer Wortschatzübung eine statistische Grafik, aus der ersichtlich ist, dass Fußball die beliebteste Sportart im Deutschen Olympischen Sportbund ist (vgl. ebd.: 9).

4.2.2 Deutsche Frauen in der Politik

In den erforschten DaF-Lehrwerken bildet sich die Stereotypisierung über deutsche Politikerinnen heraus, dass sie einerseits mächtig sind und andererseits ein gutes Image haben. Eines der Beispiele dafür ist Bundeskanzlerin Angela Merkel. Deshalb finden sich viele Fotos von ihr in den Lehrwerken, wie z. B. eines mit dem Titel Super-Power-Frauen in einer Übung (vgl. Liang/Nerlich 2009: 35). Sie gehört zu den bekanntesten Deutschen und wird auch als „eiserne Lady“ (Liang/Nerlich 2009: 278) bezeichnet. Dadurch wird ein hartes und mächtiges Image von der heutigen Bundeskanzlerin Deutschlands bei den Deutschlernenden aufgebaut. Außerdem haben die deutschen Politikerinnen bei dem deutschen Volk ein gutes Image:

Frauen in der Politik haben in der Bevölkerung ein gutes Image – besonders bei Frauen. Sie gelten als teamfähiger, objektiver und wesentlich sensibler für soziale Fragen als ihre männlichen Kollegen. (Liang/Nerlich 2009: 33)

4.2.3 Eigenschaften von Deutschen

Den Deutschlernenden werden vor allem zwei Stereotype über die deutschen Eigenschaften in den ausgewählten DaF-Lehrwerken dargeboten. Das erste Stereotyp besteht darin, dass der deutsche Charakter zwischen Angst und Sehnsucht schwanke. Das heißt, auf der einen Seite ist die Angst das Grundgefühl der Deutschen, auf der anderen Seite ist eine Neigung zur Sehnsucht tief in den Herzen der Deutschen verwurzelt: „Angst ist das eine Grundgefühl der Deutschen, das andere ist eine ebenso irrationale Neigung zu utopischer Sehnsucht“ (Qian 2013: 242). In den Augen der Ausländer gibt es eine besondere Art Angst, die als German angst bezeichnet wird: „Angst ist etwas, das ausländische Beobachter als so typisch deutsch empfinden, dass German angst inzwischen zu einem festen Begriff geworden ist“ (ebd.). Neben der Angst sehnen sich die Deutschen viel stärker nach Erfolgen als andere Nationen: „Das sehnsüchtige Erwarten von Erfolgen bestimmt auch das Alltagsverhalten der Deutschen stärker, als das in anderen Nationen der Fall ist“ (Qian 2013: 243).

Zweitens wird die direkte Art der Deutschen in den DaF-Lehrwerken stereotypisiert. Die Direktheit der Deutschen ist weltberühmt, insbesondere für Chinesen. Doch diese direkte Ausdrucksweise können die meisten Chinesen nicht akzeptieren, zumal die Direktheit der sozialen Harmonie schadet:

Außerdem mögen die Chinesen nicht, dass Deutsche Probleme oft unverblümt ansprechen. In China schätzt man eine harmonische Kommunikation, Differenzen werden eher indirekt ausgedrückt. (Liang/Nerlich 2009: 278)

Die deutsche Direktheit ist auf die deutsche Sachorientierung zurückzuführen. Das heißt, nur über Sachen und Sachverhalte äußern sich die Deutschen sehr direkt. Über Personen drückt man sich jedoch eher implizit und indirekt aus: „Der Sachaspekt steht im Vordergrund. Meinungen und Kritik werden möglichst sachlich und direkt geäußert. Wertungen über Personen werden eher indirekt vermittelt“ (Qian 2013: 230).

4.3 Die stereotypisierte deutsche Sprache

Es ist notwendig, die deutsche Sprache in den DaF-Lehrwerken vorzustellen und zu beschreiben, was zur Stereotypisierung der deutschen Sprache bei den Lernenden führt.

4.3.1 Deutsch ist eine schwere Sprache

Mark Twains Artikel mit dem Titel „Die schreckliche deutsche Sprache“ machte das Stereotyp, dass Deutsch eine schwere Sprache ist, weltbekannt. In Studienweg Deutsch 4 wird dieser Artikel für einen Text verwendet. Hier werden nun zwei Stellen des Texts angeführt, um das Stereotyp aufzuzeigen:

Ein durchschnittlicher deutscher Satz hat vierzehn oder fünfzehn Subjekte, die zum größten Teil über Nebensätze verteilt sind. Denn von jedem Nebensatz hängt wieder ein Nebensatz ab, auf den sich weitere drei bis vier abhängige Nebensätze beziehen. (Liang/Nerlich 2009: 307)

Diese Stelle belegt den komplizierten Satzbau der deutschen Sprache. Die Schwierigkeit der deutschen Sprache liegt darüber hinaus auch noch in der Vieldeutigkeit der deutschen Wörter begründet, wie z. B. bei dem Personalpronomen sie:

Das Wort sie zum Beispiel, ein so armes, kleines, schwaches Ding von nur drei Buchstaben, bedeutet sowohl you als auch she als auch her als auch it als auch they als auch them. Man stelle sich die Verzweiflung vor, nie zu wissen, welche dieser Bedeutungen der Sprecher gerade meint. (Liang/Nerlich 2009: 308)

Die Bedeutung eines vieldeutigen deutschen Wortes kann nur durch den Kontext erschlossen werden. In einem anderen erforschten Lehrwerk gibt es auch eine stereotypisierte Beschreibung über die Schwierigkeit der deutschen Sprache: „Aber das Klischee, Deutsch sei eine besonders schwere Fremdsprache, hält sich hartnäckig“ (Chen 2012: 152). Diese Stelle weist darauf hin, dass das Stereotyp, Deutsch sei eine schwere Sprache, zu fest ist, um sich zu ändern.

4.3.2 Deutsch ist eine globale Sprache

Anders als die oben geschilderten negativen Stereotype ist die deutsche Sprache in der folgenden Stelle eher neutral stereotypisiert:

Und die Welt hatte und hat Einfluss auf die deutsche Sprache: Die Wörter Fenster und Mauer, Prost! und Interesse, die meisten Monatsnamen und viele, viele andere mehr kommen aus dem Lateinischen. Die Wörter Engagement und Feuilleton kommen aus dem Französischen [...]. Die deutsche Wendung „sein Gesicht wahren“ kommt aus dem Englischen („to save one’s face“) und die Wendung „sein Gesicht verlieren“ aus Ostasien. Fast die ganze Welt versteht das deutsche Wort Schnaps. (Liang/Nerlich 2009: 319)

Das heißt, die Entwicklung der deutschen Sprache wird von der interkulturellen Kommunikation zwischen Deutschland und anderen Ländern stark beeinflusst.

4.3.3 Deutsch ist eine wichtige Fremdsprache

Neben der negativen und neutralen Stereotypisierung wird die deutsche Sprache als eine wichtige Fremdsprache in den DaF-Lehrwerken vorgestellt. Diese Vorstellung fördert die Herausbildung eines positiven Stereotyps über die deutsche Sprache. Zuerst ist die deutsche Sprache als eine bedeutende Wissenschaftssprache zu bezeichnen:

Eine bleibende Bedeutung als Wissenschaftssprache behält Deutsch aufgrund klassischer Werke in zahlreichen Geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, für die Namen wie Kant, Marx, Freud, Max Weber oder Einstein stehen, um nur wenige Beispiele zu nennen. Im Original kann man sie nur auf Deutsch lesen. (Cai 2014: 12)

Angesichts dieser Tatsache lernen viele Ausländer Deutsch als Fremdsprache. Ein weiterer Grund liegt darin, dass Deutschland noch ein Land der Musiker ist:

Deutsch war – und ist es noch heute – eine der wichtigsten Sprachen auf den Konzert- und Opernbühnen dieser Welt. Wer klassischen Gesang studiert, für den führt an Deutsch kein Weg vorbei. Doch auch Popmusik kann ein Grund sein, Deutsch zu lernen. (Cai 2014: 3)

Das heißt, sowohl die Menschen, die klassischen Gesang studieren, als auch diejenigen, die Popmusik studieren, müssen Deutsch als Fremdsprache lernen. In dieser Hinsicht gilt Deutsch als eine wichtige Sprache auf den Konzert- und Opernbühnen. Darüber hinaus ist

Deutschland ein Exportland, und viele deutsche Unternehmen agieren im Ausland. Die deutsche Sprache ist ein Faktor der eigenen Wettbewerbsfähigkeit und oft verbunden mit der Hoffnung auf bessere berufliche Perspektiven. (Chen 2012: 152 f.)

Deshalb ist Deutsch auch eine wichtige Wirtschaftssprache dieser Welt. Alles in allem ist die deutsche Sprache eine einflussreiche Sprache auf der ganzen Welt, sowohl als Mutter- als auch als Fremdsprache:

Deutsch gehört zu den so genannten Hauptsprachen der Welt und steht auf der Skala der am häufigsten verwendeten Sprachen auf Rang 10 mit 118 Millionen Sprechern. 24 Prozent der Bewohner der Europäischen Union wuchsen mit Deutsch als ihrer Muttersprache auf und weitere 8 Prozent geben an, Deutsch als Zweitsprache zu sprechen. Somit können sich 32 Prozent der EU-Bürger auf Deutsch unterhalten. Vielleicht ist dies auch einer der Gründe, weshalb 68 Prozent aller japanischen Studenten Deutsch lernen. (Kong 2008: 348)

4.4 Die stereotypisierten deutschen Werte

In den ausgewählten DaF-Lehrwerken werden auch stereotypisierte deutsche Werte, vor allem Tugenden wie Ordnung, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Sparsamkeit aufgezeigt.

4.4.1 Ordnung

Deutsche haben in der Regel eine starke Sehnsucht nach Ordnung, wie es im folgenden Text steht: „Wieder sehr verallgemeinernd gesagt, gelten die Deutschen als gewissenhaft, fleißig und ordnungsliebend“ (Liang/Nerlich 2009: 278).

Und die Deutschen handeln immer nach dieser Tugend: „Ordnung muss sein!“ (Liang/Nerlich 2004: 250). Diese Tugend ist auch zu einem Stereotyp deutscher Werte bei den Deutschlernenden geworden. Aber diese große Vorliebe für Ordnung birgt auch Nachteile: „Man hält sie für unromantisch und wenig flexibel – das bezieht sich wohl auf ihre sogenannte Ordnungsliebe“ (Liang/Nerlich 2009: 278). Wegen der Ordnungsliebe wirken Deutsche in den Augen der Ausländer sehr pedantisch, unromantisch und auch unflexibel.

4.4.2 Pünktlichkeit

Zwei goldene Regeln für Deutsche sind „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ und „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ (Liang/Nerlich 2006: 3). Diese goldenen Regeln gelten bei Deutschen als Lebensweisheit und weisen darauf hin, dass Deutsche Pünktlichkeit sehr ernst nehmen und Verspätung gar nicht hinnehmen können. Diesbezüglich ist ein Stereotyp über Pünktlichkeit herausgebildet, wie es in einem Satz im Text heißt: „Die Deutschen legen sehr viel Wert auf Pünktlichkeit“ (Liang/Nerlich 2005: 236).

4.4.3 Ehrlichkeit

Im Teil der Redemittel der 1. Lektion von Studienweg Deutsch 4 steht eine Grafik aus einer Shell-Studie von 2006 (vgl. Liang/Nerlich 2009: 13). Ehrlichkeit steht in der Grafik auf dem ersten Platz und wird von den Deutschen als das allerwichtigste Erziehungsziel angesehen: „Nach der Shell-Studie von 2006 sind traditionelle Werte wieder besonders ‚in‘. So liegen Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit mit 79 % an der Spitze“ (Liang/Nerlich 2009: 14). Daraus wird wieder ein Stereotyp über deutsche Werte abgeleitet: Ehrlichkeit ist der traditionelle deutsche Wert Nummer eins.

4.4.4 Sparsamkeit

In Sprichwörtern sind immer Tugenden und kulturelle Werte versteckt. Deshalb weist das folgende deutsche Sprichwort auf den deutschen Wert Sparsamkeit hin: „‚Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert‘ gehört zu den Sprichwörtern, die Deutsche schon in frühester Kindheit lernen“ (Qian 2011: 67). Sparsamkeit lernt man in Deutschland von klein auf und sie prägt das deutsche Volk nachhaltig. Noch ein Sprichwort über Sparsamkeit lernen die Deutschen schon in der Kindheit: „‚Spare in der Zeit, so hast du in der Not‘, heißt ein anderes Sprichwort, das Kinder ebenso früh lernen wie das oben genannte [...]“ (ebd.). Das heißt, man spart Geld für die Zukunft, und zwar für die Unsicherheiten im zukünftigen Leben. Deshalb stellt Sparsamkeit eine soziale Norm dar, an die sich die Deutschen in vielen Lebensbereichen streng halten: „Heute praktizieren sie Sparsamkeit auf vielen Gebieten“ (Qian 2011: 67).

5 Diskussion

5.1 Eine breite Palette an Stereotypen

Aus den oben dargestellten Forschungsergebnissen geht hervor, dass in den DaF-Lehrwerken für chinesische Germanistikstudierende eine breite Palette an Stereotypen über die deutsche Kultur vorkommt. Diese Palette reicht von der Stereotypisierung in Bezug auf Deutschland und Deutsche über die stereotypisierte deutsche Sprache bis hin zu Stereotypen über deutsche Werte. Und die große Anzahl konkreter Stereotype der deutschen Kultur in den erforschten Lehrwerken sagt viel über die Vielfalt der kulturellen Manifestationen aus, was das kulturelle Zwiebelmodell von Hofstede veranschaulicht (siehe Abb. 1).

Abb. 1 Die stereotypisierte deutsche Kultur im Zwiebelmodell (eigene Darstellung in Anlehnung an das Zwiebelmodell von Hofstede, vgl. Hofstede/Hofstede 2005: 8).
Abb. 1

Die stereotypisierte deutsche Kultur im Zwiebelmodell (eigene Darstellung in Anlehnung an das Zwiebelmodell von Hofstede, vgl. Hofstede/Hofstede 2005: 8).

Anhand dieser Abbildung ist ersichtlich, dass sich die konkreten Stereotype über die deutsche Kultur über alle vier Ebenen des kulturellen Zwiebelmodells verteilen. Es stellt sich hier heraus, dass sich die chinesischen Germanistikstudierenden durch das Deutschlernen mit den erforschten DaF-Lehrwerken einen umfangreichen Überblick über die deutsche Kultur verschaffen können.

5.2 Stereotypisierung aus chinesischer Perspektive

Die in der vorliegenden Studie ausgewählten Lehrwerke werden zum größten Teil von chinesischen DaF-Experten und -Expertinnen zusammengestellt. Infolgedessen spielt die chinesische Perspektive eine gewichtige Rolle bei der Stereotypisierung. Bei den Forschungsergebnissen gibt es daher viele Stereotype, die entweder im Zusammenhang mit China und den Chinesen stehen oder sich auf der Basis der kulturellen Unterschiede zwischen China und Deutschland herausgebildet haben.

Eines der Stereotype über Deutschland betrifft die Beziehungen zwischen China und Deutschland. In den Lehrwerken werden die chinesisch-deutschen Beziehungen in vielerlei Bereichen behandelt und positiv bewertet, was zur Entstehung des Stereotyps führt, dass die Beziehungen zwischen China und Deutschland auf vielen Gebieten aufblühen. Außerdem basiert das Stereotyp über die deutsche Eigenschaft, dass die Deutschen direkt sind, auf dem Kontrast zwischen Chinesen und Deutschen, weil Chinesen eher indirekt sind. Sie pflegen alles zur Aufrechterhaltung sozialer Harmonie implizit zum Ausdruck zu bringen.

5.3 Stereotypisierung mit einem Schwerpunkt auf dem Germanistikstudium und dem Deutschlernen

Weil die DaF-Lehrwerke der vorliegenden Studie nach dem Germanistikstudium ausgerichtet sind, legen sie auch bei der Stereotypisierung der deutschen Kultur einen Schwerpunkt auf das Germanistikstudium, und zwar auf das Deutschlernen.

Dementsprechend stellt die stereotypisierte deutsche Sprache einen wichtigen Themenbereich dar. Weil sich das Stereotyp, Deutsch ist eine schwere Sprache, hartnäckig hält und für das produktive Deutschlernen hinderlich wirkt, muss die deutsche Sprache in den Lehrwerken auch aus positiver, mindestens aus neutraler Perspektive vorgestellt werden, damit ein gutes Image der Sprache Deutsch bei chinesischen Germanistikstudierenden geschaffen wird. Somit wird die deutsche Sprache auch als eine globale Sprache und als eine wichtige Fremdsprache in den chinesischen DaF-Lehrwerken stereotypisiert.

Darüber hinaus weisen die Forschungsergebnisse auch noch die Stereotypisierung über das Studium in Deutschland auf, dass Deutschland ein beliebter Studienort ist. Es liegt klar auf der Hand, dass sich dieses Stereotyp an den Studierenden orientiert.

Noch anzumerken ist, dass der überwiegende Teil der Stereotype in den Lehrwerken positiv wirkt. Hier wird der Lernmotivation und dem Interesse an der deutschen Sprache Rechnung getragen.

5.4 Stereotypisierung als Wechselspiel vielfältiger Elemente der Lehrwerke

In den Forschungsergebnissen zeigt sich, dass nicht alle Stereotype über die deutsche Kultur aus den zu lernenden Texten der Lehrwerke abstrahiert sind, obwohl diese Texte den größten Anteil der DaF-Lehrwerke ausmachen. Auch die anderen Elemente der Lehrwerke, wie z. B. Einführung, Wortschatz und Redemittel, Grammatik sowie Übungen, spielen eine unentbehrliche Rolle bei der Stereotypisierung der deutschen Kultur. Diese Elemente können die dargestellten kulturellen Inhalte sogar gewissermaßen leichter stereotypisieren als die Texte. Das liegt daran, dass die Einführungsseiten mit vielen bunten Bildern und Fragen zur Aufwärmung das Interesse am Deutschlernen steigern und die Vorstellung der deutschen Kultur dadurch eindrucksvoll machen und dass die Bestandteile von Wortschatz und Redemittel, Grammatik sowie Übungen auf das intensive sprachliche Training abzielen. Dadurch prägen sich die stereotypisierten kulturellen Inhalte den Deutschlernenden tief ein.

Hinzu kommen noch die Bilder, Tabellen und Grafiken, die in allen Teilen der Lehrwerke vorkommen können. Die Bilder, insbesondere die farbigen Bilder über deutsche Kultur, hinterlassen bei den Deutschlernenden eher visuelle und lebhafte Eindrücke, die sich stereotypenhaft gestalten können. Die Tabellen und Grafiken haben die gleiche Funktion wie Bilder und veranschaulichen die deutsche Kultur und ihre Stereotype.

Außerdem sind die Aussprüche von deutschen Persönlichkeiten in den DaF-Lehrwerken sehr auffällig, die auch einen großen Beitrag zur Stereotypisierung der deutschen Kultur leisten, weil sie einerseits kurz und klar und andererseits plausibel sind. Es wird an den oben dargelegten Erläuterungen deutlich, dass die Stereotypisierung in den DaF-Lehrwerken als Wechselspiel vielfältiger Elemente der Lehrwerke anzusehen ist.

6 Schlussfolgerung und Ausblick

Der Fragestellung der vorliegenden Studie entsprechend lassen sich die Forschungsergebnisse folgendermaßen zusammenfassen: Es findet sich eine breite Palette an Stereotypen über die deutsche Kultur in den DaF-Lehrwerken des chinesischen Germanistikstudiums. Sie setzt sich aus vier Themenbereichen, und zwar dem stereotypisierten Deutschland, den stereotypisierten Deutschen, der stereotypisierten deutschen Sprache sowie den stereotypisierten deutschen Werten, zusammen. Des Weiteren sind in den chinesischen DaF-Lehrwerken für Germanistikstudierende die Stereotype aus chinesischer Perspektive und diejenigen mit Schwerpunkt auf dem Germanistikstudium sowie auf dem Deutschlernen markant. Daneben ist auch das Stereotyp über deutsche Politikerinnen markant, das Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie den deutschen Ministerinnen zugeschrieben wird. Außerdem sind die meisten Stereotype positiv. All das charakterisiert die Stereotypisierung in den chinesischen DaF-Lehrwerken für Germanistikstudierende. Abschließend stellt die Stereotypisierung der deutschen Kultur in den Lehrwerken das Ergebnis des Wechselspiels zwischen fast allen Elementen (wie z. B. Einführung, zu lernenden Texten, Grammatik, Wortschatz und Redemitteln sowie Übungen) der Lehrwerke dar. Auf die Herausbildung der Stereotype der deutschen Kultur wirken sowohl verbale (wie z. B. Texte und Aussprüche) als auch nonverbale (wie z. B. Bilder und Grafiken) Komponenten ein.

Die durchgeführte Analyse ist synchronisch geprägt und beschränkt sich auf DaF-Lehrwerke, die alle im 21. Jahrhundert erschienen sind und jetzt eine landesweite Verwendung an den Deutschabteilungen der chinesischen Hochschulen finden. Es fehlt hier an einer diachronischen Untersuchung über einen relativ weiten Zeitraum, die sich auf die Entwicklung der Stereotypisierung in den DaF-Lehrwerken fokussiert. Es bleibt infolgedessen zu wünschen, eine diachronische Untersuchung zur Stereotypisierung in chinesischen DaF-Lehrwerken durchzuführen und die oben dargestellten Forschungsergebnisse zu ergänzen.

Über den Autor / die Autorin

Prof. Dr. Xiaoling ZHANG

ist Associated Professor am German Department der Beijing Foreign Studies University; Promotion 2014 in Germanistik an der Beijing Foreign Studies University. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Praxis des Fremdsprachenunterrichts; Interkulturelle Kommunikation zwischen Chinesen und Deutschen.

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Online erschienen: 2019-05-10
Erschienen im Druck: 2019-05-07

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 30.12.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/infodaf-2019-0021/html
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