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Interkulturalität als Schlüsselfaktor – Analysen zum Lehrwerk Chinesisch-deutsches Konsekutivdolmetschen – Ein Lehrwerk aus interkultureller Perspektive

  • PANG Wenwei

    ist außerordentliche Professorin an der Deutschen Fakultät der Tongji-Universität. Sie schloss ihr Bachelor- und Masterstudium von 1998 bis 2005 an der Tongji-Universität ab und von 2010 bis 2013 promovierte sie an der SISU in Shanghai. Seit 2005 ist sie an der Deutschen Fakultät der Tongji-Universität tätig und seit mehreren Jahren hält sie den Dolmetschunterricht. Das Lehrwerk Chinesisch-deutsches Konsekutivdolmetschen – Ein Lehrwerk aus interkultureller Perspektive hat sie mitverfasst.

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    and SONG Jianfei

    ist Professor und Dekan der Deutschabteilung an der East China Normal University und beschäftigt sich seit langem mit Dolmetschen und Übersetzen in Forschung und Lehre. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten darüber veröffentlicht. Erschienen sind u. a. das Lehrwerk Chinesisch-deutsches Konsekutivdolmetschen – Ein Lehrwerk aus interkultureller Perspektive, bei dem er als Initiator und Hauptverfasser wirkte, und die Monografie Chinesische Literatur in deutscher Übersetzung – Ausgewählte Werke von den Anfängen bis in die Gegenwart.

Published/Copyright: May 10, 2019

Zusammenfassung

Im Zeitalter der Globalisierung werden Informationen immer häufiger ausgetauscht, wobei Dolmetschen eine immer größere Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund ist der Dolmetschunterricht im universitären Kontext unentbehrlich für Deutsch als Fremdsprache und die Förderung der Dolmetschkompetenz von Studenten wird im Unterricht zum Ziel gesetzt.

Als Teil der Dolmetschkompetenz ist die Kulturkompetenz nicht zu unterschätzen. Da zwischen China und Deutschland große kulturelle Unterschiede bestehen, sollte die Interkulturalität die Schlüsselrolle im Lehrwerk spielen. Das ist den Autoren dieses Beitrags bereits bei der Herausgabe des Lehrwerks Chinesisch-deutsches Konsekutivdolmetschen – Ein Lehrwerk aus interkultureller Perspektive bewusst und klar gewesen. Die Interkulturalität geht daher als roter Faden durch das ganze Lehrwerk, damit sich das interkulturelle Bewusstsein und die interkulturelle Sensibilität von Studenten herausbildet und die relevanten interkulturellen Kenntnisse vermittelt werden können. Im Hauptteil dieses Beitrags wird zunächst eine allgemeine Darstellung des Lehrwerks dargeboten und danach werden Übungsmöglichkeiten rund um die Interkulturalität mit Textbeispielen aus dem Lehrwerk erklärt. Dadurch wird erfahrbar, wie man das Lehrwerk aus interkultureller Perspektive im Unterricht anwenden kann.

Abstract

In the age of globalization, information is being exchanged more and more frequently, thus interpretation is playing an important role increasingly. Against this background, the interpreting course is indispensable for German as a foreign language at university and the promotion of the interpreting competence of students is set to the goal of the interpreting course.

As part of the interpreting competence, cultural competence must not be underestimated. As there are major cultural differences between China and Germany, interculturality should play a key role in the textbook. The authors of this paper were already aware of it in the authoring of the textbook Chinese-German Consecutive Interpreting – a Textbook from an intercultural perspective. For this reason, interculturality is a red thread through the whole textbook, so that the intercultural awareness and the intercultural sensitivity of students are formed and the relevant intercultural knowledge can be taught. In the main part of this paper, a general presentation of the textbook is presented first, and after that, practicing possibilities around interculturality with textual examples are explained, from which one can learn how to use this textbook from an intercultural perspective.

1 Einleitung

Die Lehre des Übersetzens und Dolmetschens ist immer ein wichtiger Bestandteil der Fremdsprachenlehre. Schon vor langer Zeit existierte in China die Lehre des Übersetzens. Die früheste Lehre des Übersetzens kann man auf die Tang-Zeit zurückführen, wobei Fachleute für die Übersetzung der buddhistischen Schriften ausgebildet werden sollten (vgl. Mu 1999: 1). Im Vergleich zum Übersetzen hat das Dolmetschen eine noch längere Geschichte. Schon in der Zeit der Streitenden Reiche hatten die Chinesen beim Umgang mit Menschen aus anderen Ländern Dolmetschhandlungen (vgl. Li 2002: 1 f.). Auch die Lehre des Dolmetschens hat eine lange Geschichte. Schon in der Zhou-Zeit wurden gezielt Beamte ausgebildet, die für Dolmetschaktivitäten zuständig waren (vgl. ebd.: 421).

Seit der Reform- und Öffnungspolitik spielt die Fremdsprachenlehre eine immer wichtigere Rolle, wobei die Lehre des Dolmetschens eine Sonderstellung einnimmt; die umfangreiche Forschung hierzu hat bereits ein Rekordniveau erreicht. All diese Forschung hat ein gemeinsames Ziel: die Lehre des Dolmetschens in China zu fördern und zu entwickeln. So ist dies auch das Ziel des vorliegenden Beitrags.

Für die Autoren dieses Beitrags, die das Lehrwerk für chinesisch-deutsches Dolmetschen verfasst haben, mit dem sich der vorliegende Beitrag befasst, war eines von vornherein klar: Der Faktor Interkulturalität sollte als Leitfaden ins Lehrwerk einbezogen werden, weil die interkulturelle Kompetenz eine wichtige Rolle beim Dolmetschen spielt. Leider wurde der Interkulturalität in Lehrwerken für chinesisch-deutsches Dolmetschen bislang nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt. Deswegen ist dieses Lehrwerk mit Interkulturalität als Schlüsselfaktor in gewissem Maße bahnbrechend auf dem Gebiet der Germanistik in China. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, dieses Lehrwerk im Folgenden genauer darzustellen.

2 Allgemeine Darstellung des Lehrwerks

2.1 Konzeption des Lehrwerks – Interkulturalität als Schlüsselfaktor

Ziel des Dolmetschunterrichts ist, dass man sich durch ihn die grundlegende Dolmetschkompetenz erwerben kann. Ein wichtiger Teil der Dolmetschkompetenz ist dabei die Kulturkompetenz. Damit ist die Fähigkeit gemeint, zwischen der eigenen Kultur und der Kultur des fremdsprachigen Partners zu vermitteln und über das Dolmetschen im engeren Sinn hinaus quasi auch als landeskundiger Berater zu arbeiten (vgl. Kautz 2002: 348).

Die kulturellen Muster offenbaren sich in gewissen kulturspezifischen Denkgewohnheiten und in bestimmten Verhaltensdispositionen. Solche Muster manifestieren sich auch in kulturspezifischen Schlüsselwörtern, die meist nur durch Umschreibung übersetzt werden können oder überhaupt nicht übersetzbar sind. Sie bedürfen daher der kulturwissenschaftlichen Analyse (vgl. Mayer 1997: 412). Deswegen braucht der Dolmetscher ein umfassendes Wissen über die Kultur der eigenen Kultur- und Kommunikationsgemeinschaft und die Fähigkeit, Gemeinsamkeiten und Gegensätze zwischen den beiden Kulturen zu erkennen und daraus Schlussfolgerungen für die eigene Arbeit als Dolmetscher abzuleiten (vgl. Kautz 2002: 349). Aus diesen Gründen sollte im Dolmetschunterricht die Interkulturalität bewusst mitbedacht werden.

Da zwischen China und Deutschland große kulturelle Unterschiede bestehen, ist es für chinesische Lerner im Dolmetschunterricht besonders schwierig, diese zu überbrücken. Doch für manche, die u. a. als Deutschlerner, DaF-Lehrer und Dolmetscher auf diesem Gebiet arbeiten und forschen, stellen diese Unterschiede eine besondere Herausforderung dar, die sie versuchen zu meistern.

Das Lehrwerk Chinesisch-deutsches Konsekutivdolmetschen – Ein Lehrwerk aus interkultureller Perspektive legt deshalb den Schwerpunkt auf die Interkulturalität. Neben der Vermittlung der Theorien und Techniken des Dolmetschens sollten sich Lerner beim Üben und Trainieren auch interkulturelle Kenntnisse erwerben.

2.2 Aufbau des Lehrwerks

Dieses Lehrwerk enthält insgesamt 18 Einheiten. Die Themen der Einheiten beziehen sich auf verschiedene Bereiche der chinesischen und deutschen Gesellschaft, denen man beim Dolmetschen häufig begegnet, wie z. B. Ansprachen, Mode, Essen, Wohnen, Verkehr, Umwelt, Bildung, Reisen, Feste, Gesundheit und Wirtschaft. Jede Einheit besteht aus fünf Teilen: 1. Thematische Informationstexte, 2. Dialog, 3. Wörter und Wendungen, 4. Anmerkungen und 5. Übersetzungsvorschläge.

Teil 1: Thematische Informationstexte

Bevor sich der Dolmetscher mit seiner Aufgabe des Dolmetschens beschäftigt, sollte er mit dem jeweiligen Thema und den einschlägigen Vokabeln vertraut sein. Das gilt für jeden, egal ob erfahrener Dolmetscher oder Anfänger. Deswegen stehen am Anfang jeder Einheit mindestens zwei Informationstexte über die chinesische und deutsche Landeskunde und Kultur. Im chinesischen Informationstext werden dabei deutsche und im deutschen Text chinesische Thematiken behandelt. Zum einen können Lerner sich mit diesen Texten angewöhnen, sich auf das Dolmetschen vorzubereiten, zum anderen bieten solche Informationstexte bereits vorab landeskundliche und sprachliche Informationen, die für die weiteren Übungen nützlich und notwendig sind. Hier wird auch deutlich, dass die Interkulturalität als roter Faden durch das ganze Lehrwerk geht.

Solche Texte mit vielen Informationen können auch für die Übungen „Shadowing“ und „Schneeball“ verwendet werden. Falls in der Klasse fortgeschrittene Lerner anwesend sind, können die Informationstexte auch als Übungsmaterial für unilaterales Konsekutivdolmetschen[1] dienen.

Weil die Informationen dieser Texte aktuell und praxisorientiert sind, eröffnen sich mit ihnen abwechslungsreiche Übungen im Dolmetschunterricht. Lehrer können je nach Zeit, Ort und Zielgruppe unterschiedliche Übungen gestalten, Texte im Lehrwerk ändern, ergänzen und weiter aktualisieren. Das wird im Folgenden mit drei Textbeispielen gezeigt (vgl. Kap. 3).

Teil 2: Dialog

Der Dialog bildet den Kern jeder Einheit, in dem zwei Gesprächspartner über unterschiedliche, oft gegensätzliche landeskundliche Tatsachen in China und Deutschland reden. Um das Ziel der Interkulturalität zu erreichen, sollten am besten ein chinesischer Muttersprachler und ein deutscher Muttersprachler die Rolle der Gesprächspartner spielen. Die Lerner können abwechselnd als Dolmetscher arbeiten. Schon in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde auf dem Gebiet der Fremdsprachendidaktik in China betont, dass Lerner im Mittelpunkt des Fremdsprachenunterrichts stehen sollte (vgl. Shu/Zhuang 1996: 1 ff.). Diese Forderung wird hier durch die Rolle der Lerner bei einer solchen Gesprächsführung umgesetzt.

Außerdem wird durch diese Form der Gesprächsführung eine Authentizität bilateralen Konsekutivdolmetschens geschaffen, sodass die Lerner quasi-authentische Situationen des Dolmetschens erleben können. Dabei werden besonders die Fähigkeiten des Konsekutivdolmetschens trainiert und entwickelt. Darüber hinaus wird auch die zwischenmenschliche Kommunikationsfähigkeit gefördert, die in der Berufswelt unentbehrlich und entscheidend ist (vgl. Huang/Wang/Pang 2015: 58).

Teil 3: Wörter und Wendungen

In diesem Teil werden wichtige und schwierige Wörter und Ausdrücke aufgelistet. Zudem werden entsprechende Übersetzungen und eventuell kurze Erläuterungen angegeben.

Teil 4: Anmerkungen

In den Anmerkungen werden allgemeine Theorien des Dolmetschens dargestellt und erläutert. Darüber hinaus werden hier auch praktische Methoden und Vorschläge, die auf der langjährigen didaktischen Erfahrung der Autoren beruhen, unterbreitet. Dadurch erhalten Lerner Informationen zu allgemeingültigen Arbeitsprinzipien beim Dolmetschen. In den Anmerkungen werden auch die Stellen angegeben, die leicht missverständlich und leicht falsch zu übersetzen sind. Insbesondere werden diejenigen Stellen, bei denen interkulturelle Kenntnisse und Fachkenntnisse verlangt sind, ausführlich erläutert.

Teil 5: Übersetzungsvorschläge

Am Ende dieses Lehrwerks stehen die gesamten Übersetzungsvorschläge. Mit den Übersetzungsvorschlägen haben die Autoren versucht, trotz der großen Unterschiede zwischen den beiden Sprachen und Kulturen, eine möglichst adäquate und „schöne“ Übersetzung anzubieten. Die Version im Lehrwerk ist allerdings nicht die einzig gültige Übersetzung, vielmehr gibt es daneben auch viele Übersetzungsvarianten. Deswegen gilt die im Lehrwerk dargebotene Übersetzung nur als Vorschlag.

2.3 Zielgruppen und Unterrichtsstunden

Dieses Lehrwerk richtet sich eigentlich an Studenten im Hauptstudium der Germanistik. Da genügend Lernstoff in diesem Lehrwerk vorhanden ist, ist es auch für Masterstudenten geeignet. Durch die Übersetzungsvorschläge am Ende können auch Selbstlerner zu diesem Lehrwerk greifen. Bei wöchentlich zwei bis drei Unterrichtsstunden reicht der Lernstoff des Lehrwerks für zwei Semester aus.

Ziel der Autoren ist, dass Lerner im Rahmen der begrenzten Unterrichtsstunden einen grundlegenden Eindruck von bilateralem Konsekutivdolmetschen gewinnen sowie wesentliche Kenntnisse und Methoden erlernen, um sich auf spätere reale Aufgaben des Dolmetschens vorzubereiten.

3 Anwendung des Lehrwerks

Die wichtigsten Teile jeder Einheit sind der erste Teil (Thematische Informationstexte) und der zweite Teil (Dialog), weil sie aus interkultureller Perspektive gestaltet worden sind.

Mit den thematischen Informationstexten am Anfang jeder Einheit kann man viele abwechslungsreiche Übungen gestalten. Durch den Dialog kann man Authentizität schaffen und die Aktivität von Studenten fördern.

Im Folgenden werden vorgeschlagene Übungsmöglichkeiten anhand von Textbeispielen aufgezeigt. Die Zielgruppen in den Textbeispielen sind Studenten im Hauptstudium oder Masterstudenten. Wegen des eingeschränkten Rahmens dieses Beitrags wird nur ein Auszug der entsprechenden Texte des Lehrwerks dargestellt.

3.1 Variabilität mit thematischen Informationstexten

Beispiel 1 –Übungsmöglichkeiten mit einem chinesischen Informationstext: Partnerarbeit, Spontanübersetzen, unilaterales Konsekutivdolmetschen, landeskundliche Lektüre

转型中的德国大学

德国共有410所大学,其中105所为综合性大学、工业大学、理工大学,51所为艺术大学、232所是专科大学、6所是师范大学、16所是神学院。最古老的大学是1368年成立的海德堡大学。德国高校提供高质量的教学和科研几乎是国际共识。德国大学学习要求学生有较高的独立性,同时学生积极参与讨论和陈述的能力也得到培养。在德国,学生的学习安排较自由,开学前,学生必须制定出自己的学习计划。一个学年分两个学期,冬季学期原则上从10月1日到3月31日,夏季学期则从4月1日到9月30日。每年共有28-30周的上课时间,假期里学生要准备实习和考试,而教授有更多的时间来进行科研。

然而,德国大学正处在变革中。确定于1999年的博洛尼亚进程可能是德国大学有史以来最大的一次改革,其目标是建立全欧洲范围内互认的大学课程结构和学位,在校学生有更大的国际流动性,至今已有近50个欧洲国家加入博洛尼亚进程。传统德国大学学制没有学士学位一级,只有硕士和博士两级学位,现在向国际通行的学士和硕士学位制转换,使德国高校经历巨大的变化。通过这一新的体制,学生的学习时间会缩短,本科阶段一般为6个学期,研究生阶段为4个学期,而用国际标准来衡量学历也可获得更好的可比性和认可度。但是向新体制的转换以及新的课程编排还没有全部完成,还不断有其它问题出现。比如,政界在规划时的考虑是,大多数本科毕业生会先工作几年,然后再继续进行硕士学习。但学生们并不这么想:五分之四的人恨不得马上继续硕士学习,可大学根本没有这么多学习名额。(Song 2015: 123)

Der erste Abschnitt des Textes wird vom chinesischen Lehrer nach Sinneinheiten mit Pausen dargeboten. Die Studenten hören und dolmetschen ihn konsekutiv. Die Verdolmetschung wird auf Tonband aufgenommen und einige Tonbandaufzeichnungen werden später im Plenum ausgewertet. Der Unterricht sollte am besten im Sprachlabor stattfinden. Statistiken zufolge hilft der Einsatz von Multimedia sehr im Fremdsprachenunterricht (vgl. Wang 2001: 63 f.). Schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts fing man in den westlichen Ländern an, audiovisuelle Geräte im Fremdsprachenunterricht zu benutzen. Heute ist es selbstverständlich, Multimedia im Fremdsprachenunterricht einzusetzen. Manchmal kann der Dolmetschunterricht auch im normalen Klassenzimmer oder außerhalb des Klassenzimmers gegeben werden, je nach den verschiedenen Übungsformen.

Wenn man nicht direkt mit dem Dolmetschen beginnt, kann man das Spontanübersetzen als Vorbereitung auf das Dolmetschen einführen. Für die Einbeziehung der Übungsform Spontanübersetzen (auch Vom-Blatt-Übersetzen; auf Englisch sight translation) in den Übungskatalog für die Vorbereitung auf das Dolmetschen gibt es zwei wichtige Gründe: Erstens kommt Spontanübersetzen in der Dolmetschpraxis als Aufgabe unter unterschiedlichen Bedingungen vor, wenn Redner ihr Manuskript kurz vor ihrer Präsentation vorlegen, wobei der Dolmetscher entweder direkt vom Blatt dolmetscht oder den Text noch kurz vorher überfliegt; zweitens sind beim Spontanübersetzen einige Bedingungen und Aufgabenkomponenten dem Simultandolmetschen ähnlich, sodass mit solchen Übungen Teilziele für das Gesamtziel Simultandolmetschen verfolgt werden können. Hierzu gehören je nach Übungsbedingungen das Erlernen des Lesens unter Zeitdruck, das Zeitmanagement bei der Produktion und das Vorauslesen während des Produzierens (vgl. Kalina 1998: 255).

In dieser Einheit lesen die Studenten dann selbst den ersten Abschnitt und dolmetschen vom Blatt. Eventuell können sie auch zu zweit miteinander diskutieren. Dann werden die Studenten gebeten, ihre Bücher zu schließen. Danach beginnt die Verdolmetschung und die Tonaufnahme wie oben. Diese Dolmetschübung dient sowohl der Erweiterung der landeskundlichen und interkulturellen Kenntnisse als auch zur Vorbereitung zur folgenden Verdolmetschung.

Nach dem Dolmetschen lesen die Studenten die übrigen Abschnitte zu Hause selbst. Damit können sich die Studenten allgemein über das deutsche Hochschulwesen informieren. Außerdem können den Studenten verschiedene Übungsformen angeboten werden und der Unterricht wird nicht monoton.

Beispiel 2 – Übungsmöglichkeiten mit einem deutschen Informationstext: „Shadowing“, „Schneeball“, Simultandolmetschen, Zusammenfassen

Die Hochschullandschaft in China

China hat in den letzten Jahren einen rasanten Ausbau seines Hochschulsystems erlebt. So stieg die Zahl der staatlich anerkannten Hochschulen im Zeitraum von 2000 bis 2010 um mehr als das Doppelte von 1041 auf 2358. Die chinesische Hochschullandschaft ist sehr vielfältig und besteht aus unterschiedlichen Hochschultypen. Vierjährige grundständige Studiengänge (本科) werden mittlerweile von 1112 Hochschulen angeboten, von denen wiederum 323 kommerzielle sogenannte „Unabhängige Institute“(独立学院) mit niedrigeren Zulassungsvoraussetzungen, dafür aber höheren Studiengebühren sind. 1246 chinesische Hochschulen bieten ausschließlich zwei- oder dreijährige eher beruflich ausgerichtete Studiengänge (高职 bzw.专科) an.

Der Zugang zu all diesen Hochschulen wird durch die zentrale Hochschulaufnahmeprüfung (高考) geregelt, die jährlich in der ersten Juniwoche in ganz China stattfindet und für die berufliche Zukunft der jungen Chinesen von entscheidender Bedeutung ist. Wer in China nach seinem Bachelor-Abschluss weiterstudieren möchte, kann an 481 Hochschulen und 316 Forschungseinrichtungen seinen Master machen und promovieren. Die Regelstudienzeiten betragen in den grundständigen Studiengängen für den Bachelor acht Semester, für einen Master je nach Studienfach vier bis sechs Semester und für eine Promotion zwischen sechs und zehn Semester. Die Zahl der Studenten stieg von 2000 bis 2010 um das Vierfache auf knapp 24 Millionen. 2010 verließen mehr als 5,7 Millionen Absolventen die Hochschulen, während 6,6 Millionen Studienanfänger (bei knapp 9,6 Millionen Teilnehmern an der Hochschulaufnahmeprüfung) aufgenommen wurden. Allerdings sinkt die Zahl der Teilnehmer an der Hochschulaufnahmeprüfung seit 2008 kontinuierlich (2012 waren es 9,15 Millionen). Das ist u. a. eine Folge der chinesischen Ein-Kind-Politik.

Die Hochschulen in China unterscheiden sich zwischen Schwerpunkthochschulen(重点大学) und normalen Hochschulen, zwischen Universitäten und technischen Hochschulen usw. Eine besondere Rolle spielen die Schwerpunkthochschulen des „211-Projekts“ und des „985-Projekts“. Als eines der Schwerpunktprojekte des Neunten Fünfjahresplans (1996–2001) wurde das „211-Projekt“ ins Leben gerufen, um darüber die 100 besten Hochschulen für das 21. Jahrhundert (daher „211“) zu identifizieren und diese besonders zu fördern. Diese Hochschulen bzw. einzelne Fachbereiche sollen hinsichtlich Ausbildung, Forschung und Verwaltung höchstes internationales Niveau erreichen. Die heute 39 Hochschulen des „985-Projekts“ sind darüber hinaus noch einmal besonders ausgewählte Hochschulen des „211-Projekts“. Sie sind die am stärksten geförderten Hochschulen in China und gelten als die besten des Landes. Der damalige Staats- und Parteichef Jiang Zemin hatte anlässlich der 100-Jahrfeier der Peking-Universität im Mai 1998 (daher 985) dieses Projekt mit seiner Forderung, dass China Hochschulen mit Weltniveau brauche, ins Leben gerufen. (Song 2015: 125 f.)

Die ersten zwei Abschnitte werden vom deutschen Lehrer dargeboten und die Studenten machen die Übung „Shadowing“. Mit „Shadowing“ wird das monolinguale Nachsprechen von akustisch präsentiertem Input mit einem variablen zeitlichen Abstand bezeichnet. Es werden zwei Arten des „Shadowing“ unterschieden: Beim „Phonemic Shadowing“ wird so form- und zeitgleich wie möglich nachgesprochen und der Zeitabstand beträgt maximal wenige Silben; beim „Phrase Shadowing“ wird eine Proposition oder ein Segment abgewartet und der Abstand ist länger (vgl. Kalina 1998: 262).

Eine andere Möglichkeit ist, dass die Lehrkraft mit den Studenten die Übung „Schneeball“ mit dem ersten Abschnitt des deutschen Textes durchführt. Bei der Übung „Schneeball“ wiederholen die Lerner die gehörten Sätze, wobei die Anzahl der zu wiederholenden Sätze immer größer wird: Der Lehrer liest den ersten Satz des Textes vor, die Lerner hören dabei zu und machen keine Notizen. Wenn die Darbietung des Textes unterbrochen wird, wiederholen die Lerner den Satz. Danach fängt der Lehrer wieder beim ersten Satz an und verliest den ersten und den zweiten Satz, die die Lerner nun wiederholen. So geht es immer weiter. Wie ein Schneeball beim Rollen wird der zu wiederholende Text immer größer, die Sätze werden immer mehr. Mit der Übung „Schneeball“ trainiert man die Fertigkeiten Hören, Verstehen und Gedächtnisfähigkeit. Dabei können die Studenten die aufgabenbezogenen Speicherungs- und Memorierungsstrategien anwenden. Je besser man den Text versteht, desto leichter kann man den Inhalt im Kopf behalten und den Text wiederholen. Die Übungen „Shadowing“ und „Schneeball“ können die Studenten mit den Informationstexten des Lehrwerks auch zu zweit oder zu dritt zu Hause trainieren.

Nach dieser Vorübung liest der deutsche Lehrer die ersten zwei Abschnitte noch einmal vor und die Studenten versuchen, diese simultan zu dolmetschen. Weil die Informationen in diesem Text für die Studenten nicht fremd sind und die Studenten in ihre Muttersprache dolmetschen, kann die Lehrkraft hier den Studenten eine Möglichkeit bieten, das Simultandolmetschen einmal zu probieren. Das könnte dann solche Studenten, die gute Sprachkompetenzen haben und am Dolmetschen interessiert sind, ermutigen, simultan zu dolmetschen.

Schließlich öffnen die Studenten ihre Bücher. Sie lesen den ganzen deutschen Text „Die Hochschullandschaft in China“ durch und schreiben für jeden Abschnitt zwei bis drei Stichwörter auf. Mit diesen Stichwörtern, d. h. ohne Bücher, fassen die Studenten dann den Text mit eigenen Worten auf Deutsch zusammen. Manchmal kann diese Übung auch nicht in derselben Sprache des Textes gemacht werden.

Mit dieser Übung können die Studenten die Fertigkeiten wie z. B. Lesen, Verstehen, Zusammenfassen und Gedächtnisfähigkeit trainieren. Solche Fertigkeiten braucht man, wenn man später bei der Arbeit kurz vor dem Dolmetschen einen Text erhält, dessen Hauptinformationen man in kurzer Zeit aufnehmen und den man dann dolmetschen muss.

Beispiel 3 – Übungsmöglichkeiten mit einem deutschen Informationstext: Partnerarbeit, Gruppenarbeit, unilaterales Konsekutivdolmetschen, Wiedergabe

Sehenswürdigkeiten in Shanghai

Der Bund (Waitan) ist das Wahrzeichen Shanghais. Er erstreckt sich entlang des Westufers des Huangpu-Flusses. Hier entstanden die ersten europäischen Bauten in Shanghai. Sie wurden zwischen 1873 und 1937 erbaut. Die Bauten am Bund spiegeln in gewisser Weise die Entwicklungsgeschichte der Stadt seit fast einhundertfünfzig Jahren wider und sind zugleich Architekturdenkmäler der neueren Zeit. Die Bauten am Bund sind wichtige Zeugnisse des Kulturaustauschs zwischen Ost und West und werden deshalb als „Ausstellung von Gebäuden aus zehntausend Ländern“ bezeichnet. Der Bund war in den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts das Wirtschaftszentrum Shanghais. Firmensitze großer einflussreicher Banken, Handelshäuser, Konsulate und Hotels waren hier angesiedelt. Heute spielt der Bund als Wirtschaftszentrum aber keinerlei Rolle mehr, denn die Firmensitze wurden längst in die modernen Hochhaus-Stadtteile wie z. B. Pudong verlagert. Heute bietet der Bund besonders in den Abendstunden eine beeindruckende Kulisse. Ganz früh am Morgen hat der Bund ein anderes „Gesicht“. Statt Spaziergängern und Touristen mit Kameras begegnet man Anwohnern, die dort tanzen oder Tai Chi praktizieren.

Sehr sehenswert ist sicherlich auch der Yu Yuan, eine der bedeutendsten klassischen Sehenswürdigkeiten Shanghais. [...]

Südlich der Huaihai Lu erstreckt sich das ehemalige Französische Viertel aus der Kolonialzeit. [...]

Der Fernsehturm „Perle des Ostens“ ist eine der Hauptattraktionen der Stadt. [...]. (Song 2015: 146 f.)

In diesem Text werden vier Sehenswürdigkeiten in Shanghai vorgestellt, nämlich der Bund, der Yu-Garten, das Französische Viertel und der Fernsehturm. Deshalb kann die Lehrkraft die Unterrichtsteilnehmer in vier Gruppen einteilen.

Vor dem Unterricht hat die Lehrkraft schon den Text nach den Themen der vier Sehenswürdigkeiten in Sätze unterteilt. Jeder Satz steht jeweils auf einem Zettel. Bei dem Beispiel der Sehenswürdigkeit „Bund“ sieht das dann folgendermaßen aus:

1. Der Bund ist das Wahrzeichen Shanghais. Er erstreckt sich entlang des Westufers des Huangpu-Flusses.
2. Hier entstanden die ersten europäischen Bauten in Shanghai. Sie wurden zwischen 1873 und 1937 erbaut.
3. Die Bauten am Bund sind wichtige Zeugnisse des Kulturaustauschs zwischen Ost und West und werden deshalb als „Ausstellung von Gebäuden aus zehntausend Ländern“ bezeichnet.
4. Der Bund war in den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts das Wirtschaftszentrum Shanghais. Firmensitze großer einflussreicher Banken, Handelshäuser, Konsulate und Hotels waren hier angesiedelt.
5. Heute spielt der Bund als Wirtschaftszentrum aber keinerlei Rolle mehr, denn die Firmensitze wurden längst in die modernen Hochhaus-Stadtteile wie z. B. Pudong verlagert.
6. Heute bietet der Bund besonders in den Abendstunden eine beeindruckende Kulisse. Ganz früh am Morgen hat der Bund ein anderes „Gesicht“. Statt Spaziergängern und Touristen mit Kameras begegnet man Anwohnern, die dort tanzen oder Tai Chi praktizieren.

Die Studenten bilden zu zweit ein Team. Jedes Team bekommt einen Zettel. Im Plenum liest der eine des Teams den Satz vor, der andere hört zu und dolmetscht. Dabei hören die anderen Gruppen gut zu. Nachdem die erste Gruppe „Der Bund“ alle Zettel behandelt hat, soll ein Vertreter der zweiten Gruppe die Informationen über den Bund wiedergeben. Danach wird die Wiedergabe von der ersten Gruppe, der Lehrkraft und natürlich auch von anderen Studenten ausgewertet. So geht die Übung weiter, bis die vier Gruppen die vier Sehenswürdigkeiten fertig behandelt haben.

3.2 Schaffung von Authentizität durch den Dialog

Mit dem Dialog jeder Einheit wird eine authentische Situation beim Dolmetschen im Alltag simuliert. Doch nicht immer wird die Authentizität mit den vorhandenen Dialogen im Lehrwerk geschaffen. Es können den Studenten auch andere Übungsformen angeboten werden, um authentische Situationen zu simulieren. Wichtig ist, dass jeweils eine aufgabenorientierte Dolmetschübung auf der Basis der thematischen Informationstexte gestaltet wird.

Beispiel 4 – Übungsmöglichkeiten mit einem Dialog: Gesprächsdolmetschen (bilaterales/unilaterales Konsekutivdolmetschen), Präsentation (unilaterales Konsekutivdolmetschen), Exkursion (unilaterales/bilaterales Konsekutivdolmetschen)

S: Hallo, Herr Li!

李: 你好,施密特先生。

[...]

S: Ach so. Wie viele Hochschulen gibt es jetzt in China? Gibt es genug Studienplätze?

李: 过去的几年里,中国的高校体制经历了快速的扩大。2000年到2010年国家认可的高校从1041所增加到2358所,10年间增加了一倍多。有1112所高校提供四年制本科教育,其中323所是所谓的独立学院,入学门槛较低、学费较高。另有1246所高校提供2-3年的高等职业教育

S: Zu welchem Abschluss führen die grundständigen Studiengänge? Bachelor oder Master?

李: 是学士。本科毕业拿到学士学位后想继续学习的,可以在481所大学和316家研究所攻读硕士和博士。一般本科学制4年,硕士学制根据专业的不同为2-3年,博士在3-5年之间

S: Bei uns in Deutschland ist das jetzt auch so. Früher bekam man nach dem Studium ein Diplom oder ein Magisterzeugnis. Es gab keine Bachelor- und Masterstudiengänge wie in anderen Ländern. Seit ca. 10 Jahren erlebt das deutsche Hochschulsystem jedoch große Veränderungen. Nach dem 1999 verabschiedeten Bologna-Prozess sollen vergleichbare Studienstrukturen und -abschlüsse in ganz Europa geschaffen werden, um darüber die internationale Mobilität der Studenten zu fördern. So hat auch das deutsche Hochschulsystem von den traditionellen Diplom- und Magisterstudiengängen zu den international üblichen Bachelor- und Masterstudiengängen gewechselt.

李: 那新的体系有什么好处吗?

S: Durch dieses neue System wird die Studienzeit verkürzt. Das Bachelorstudium dauert meistens 6 und das Masterstudium 4 Semester.

李: 那很好啊!

S: Natürlich sind die Umstellung auf die international üblichen Abschlüsse Bachelor und Master und die Neuordnung der Studiengänge noch nicht in allen Bereichen umgesetzt. Immer wieder gibt es Probleme. So gingen die Politiker davon aus, dass die meisten Bachelor-Absolventen erst einmal ein paar Jahre einem Beruf nachgehen, bevor sie ein Master-Studium aufnehmen. Doch die Nachwuchsakademiker haben andere Pläne: Vier von fünf würden am liebsten sofort den Master dranhängen – so viele Studienplätze gibt es aber gar nicht. Die deutschen Hochschulen sind so voll wie nie zuvor. Hat China dieses Problem auch?

李: 中国大学生也很多。2000年到2010年大学生人数增加了四倍,达到差不多2400万。2010年有570万大学毕业生离校,新增大学新生660万,同年参加高考人数为960万。不过高考人数2008年以来逐年递减,2012年为915万。原因之一可能是计划生育政策导致的结果。

S: Ich habe gehört, in China gibt es große Unterschiede zwischen Schwerpunkthochschulen und normalen Hochschulen. Stimmt das?

李: 是的,中国确有重点大学和普通大学之分。重点大学里又数211工程和985工程的大学特别重要

S: Was bedeutet das? Können Sie mir das ein bisschen genauer erklären?

李: 好啊。211工程是中国第9个5年计划中的一个重点项目,目的是为21世纪建成100所最好的高校,使它们在教育、科研、管理方面达到国际先进水平,所以被称为211。而985高校又是在211高校基础上特别选出的中国最顶级的大学,那是因为1998年的5月,当时的中国国家主席江泽民在北京大学100周年校庆之际要求中国建成具有世界级水平的高校。与普通高校相比,211工程和985工程的高校硬件设备先进,师资力量比较好,获资助力度也最大。 (Song 2015: 128 ff.)

Der Dialog in jeder Einheit beruht auf den Informationen der jeweiligen thematischen Informationstexte. Beispielsweise stammen die hier in diesem Textbeispiel unterstrichenen Stellen aus dem chinesischen und deutschen Informationstext der obigen Beispiele. Damit können die Studenten Selbstvertrauen beim Dolmetschen gewinnen. Außerdem können die Studenten dadurch auch erleben, dass es die Arbeit erleichtert, wenn man sich schon auf das Dolmetschen vorbereitet hat. Damit sollte den Studenten klar werden, dass die Vorbereitung auf das Dolmetschen bei der späteren Arbeit sehr wichtig ist.

Mit diesem Textbeispiel führen der chinesische Lehrer und der deutsche Lehrer das Gespräch über die Hochschulbildung im Plenum. In der Mitte sitzt ein Student als Dolmetscher für bilaterales Konsekutivdolmetschen. Nach ein paar Abschnitten geben die Lehrer Kommentare ab und die Verdolmetschung wird ausgewertet. Dann kommt ein anderer Student nach vorne und übernimmt die Aufgabe. Wenn am Unterricht eine größere Gruppe Studenten teilnimmt, können zwei Studenten in der Mitte sitzen und für das unilaterale Konsekutivdolmetschen zuständig sein. Wenn die Gruppe noch größer ist, lesen der chinesische Lehrer und der deutsche Lehrer den Text des Gespräches ein und die Verdolmetschung wird auf Tonband aufgenommen.

Mit dem Gespräch zwischen dem chinesischen und dem deutschen Lehrer schafft man eine authentische Situation, bei der die Studenten wirklich als Dolmetscher fungieren können. Doch nicht immer führen der chinesische Lehrer und der deutsche Lehrer nach der Behandlung der Informationstexte ein Gespräch, um eine authentische Situation zu simulieren. Manchmal können auch andere Übungsvarianten gewählt werden. Beispielsweise kann die Lehrkraft nach der Behandlung des thematischen Informationstextes über die Sehenswürdigkeiten in Shanghai im obigen Beispiel die Studenten bitten, sich gemäß den Gruppen zu Hause auf eine Präsentation vorzubereiten. Bei der Vorbereitung können die Studenten die Informationen im Lehrwerk verwenden und auch selbst im Internet recherchieren. Bei der Präsentation soll über die Sehenswürdigkeit auf Chinesisch erzählt werden, aber für die chinesische Präsentation soll vorher eine deutsche Übersetzung gemacht werden. Besonders für die schwierigen Begriffe und Ausdrücke sollte vorher eine Vokabelliste vorbereitet werden.

Im Unterricht referiert dann ein Vertreter jeder Gruppe im Plenum anhand einer PowerPoint-Präsentation auf Chinesisch über die jeweilige Sehenswürdigkeit. Von den anderen Gruppen wird ein Dolmetscher ausgesucht. Nach der Präsentation stellen andere Studenten Fragen auf Chinesisch. Der Referent antwortet und der Dolmetscher dolmetscht. Bei der Auswertung gibt es nicht nur Kommentare von Lehrern, auch die „Zuschauer“ können kommentieren. Insbesondere der Referent gibt Kommentare ab und zeigt den anderen die Vokabeln und deren vorbereitete Übersetzung. Dabei muss die Lehrkraft die Kommentare des Referenten auswerten.

Darüber hinaus können die Studenten diese Sehenswürdigkeiten in der Stadt selbst besichtigen und dabei Videoaufzeichnungen machen. Wenn sie zurück im Unterricht sind, können sie diese den anderen zeigen und über die Besichtigung berichten. Ist die Teilnehmerzahl am Unterricht nicht groß, kann auch die ganze Klasse zu einer Sehenswürdigkeit fahren. Dabei spielt der deutsche Lehrer einen deutschen Touristen und die Studenten spielen den Reisebegleiter. Bei allen solchen Situationen braucht man Dolmetscher.

4 Fazit

Im 21. Jahrhundert werden Informationen zwischen China und Deutschland immer schneller ausgetauscht. Fremdsprachenkompetenz – als Fähigkeit in einer modernen Zeit – ist auf verschiedenen Gebieten etabliert, wobei immer höhere Anforderungen an Fremdsprachenlehre und Fremdsprachenlernen gestellt werden.

Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Beitrag von der Interkulturalität ausgegangen, um die Dolmetschkompetenz der Studenten zu verbessern, weil die Kulturkompetenz ein wichtiger Teil der Dolmetschkompetenz ist. Die Herausbildung der Kompetenz der Interkulturalität ist nicht allein Sache des Landeskundeunterrichts, sondern sie muss auch im Dolmetschunterricht bewusst mitbedacht und mitvermittelt werden. Deswegen geht auch die Interkulturalität als roter Faden durch das Lehrwerk Chinesisch-deutsches Konsekutivdolmetschen – Ein Lehrwerk aus interkultureller Perspektive. Rund um die Interkulturalität werden in diesem Lehrwerk Informationstexte und Dialoge aus wechselseitiger Perspektive der chinesischen und der deutschen Kultur zusammengestellt. Der Lernstoff kann anhand der thematischen Informationstexte nach variablen Bedürfnissen von den Lehrern selbst gestaltet werden und mit den Dialogen kann Authentizität geschaffen werden. Mit abwechslungsreichen Übungen wird die Konzeption der Interkulturalität umgesetzt und dadurch wird schließlich auch die Dolmetschkompetenz der Studenten besser entwickelt.


Hinweis

In diesem Beitrag wird aus praktischen Gründen ausschließlich das generische Maskulinum der einschlägigen Berufsbezeichnungen verwendet. Unter Studenten, Autoren, Lehrern usw. sind selbstverständlich auch Studentinnen, Autorinnen, Lehrerinnen usw. mitgemeint.


Über die Autoren

Prof. Dr. PANG Wenwei

ist außerordentliche Professorin an der Deutschen Fakultät der Tongji-Universität. Sie schloss ihr Bachelor- und Masterstudium von 1998 bis 2005 an der Tongji-Universität ab und von 2010 bis 2013 promovierte sie an der SISU in Shanghai. Seit 2005 ist sie an der Deutschen Fakultät der Tongji-Universität tätig und seit mehreren Jahren hält sie den Dolmetschunterricht. Das Lehrwerk Chinesisch-deutsches Konsekutivdolmetschen – Ein Lehrwerk aus interkultureller Perspektive hat sie mitverfasst.

Prof. Dr. SONG Jianfei

ist Professor und Dekan der Deutschabteilung an der East China Normal University und beschäftigt sich seit langem mit Dolmetschen und Übersetzen in Forschung und Lehre. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten darüber veröffentlicht. Erschienen sind u. a. das Lehrwerk Chinesisch-deutsches Konsekutivdolmetschen – Ein Lehrwerk aus interkultureller Perspektive, bei dem er als Initiator und Hauptverfasser wirkte, und die Monografie Chinesische Literatur in deutscher Übersetzung – Ausgewählte Werke von den Anfängen bis in die Gegenwart.

Literatur

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Online erschienen: 2019-05-10
Erschienen im Druck: 2019-05-07

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 31.12.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/infodaf-2019-0016/html
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