Bedeutung der Umweltprüfungen für den Denkmalschutz
Zurzeit erleben wir weitreichende Transformationsprozesse in unserer Umwelt. Ob die Erweiterung eines Gewerbegebietes, der Bau einer Umgehungsstraße oder die Errichtung von Windkraftanlagen: All diese Vorhaben haben häufig auch Auswirkungen auf Bau- und Bodendenkmäler sowie die historische Kulturlandschaft als Teil des kulturellen Erbes.
Es ist unbestritten, dass bei einer möglichen Beeinträchtigung von Denkmälern die Regelungen der jeweiligen Denkmalschutzgesetze der Länder anzuwenden sind. Doch wer sich allein auf die Vorgaben der Denkmalschutzgesetze fokussiert, vergibt eine große Chance, die Belange der Denkmalpflege frühzeitig in Planungen und Projekte einzubringen. Umweltprüfungen sind seit den 1990er Jahren ein fest etabliertes Instrument, um bei Verfahren der Raumordnung wie der Aufstellung von Regionalplänen, bei großen Bau- und Infrastrukturvorhaben wie der Anlage von Höchstspannungsleitungen und bei der kommunalen Bauleitplanung eine wirksame Umweltvorsorge zu gewährleisten. Die rechtliche Grundlage ist das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), das auf der UVP-Richtlinie der EU basiert. Durch die umfassende Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der voraussichtlichen Auswirkungen auf die gesetzlich festgelegten Schutzgüter können frühzeitig die möglichen Folgen für die Umwelt erkannt werden. Auch das kulturelle Erbe stellt eines dieser Schutzgüter dar und ist deshalb gleichrangig mit den anderen Belangen in der Umweltprüfung zu behandeln. Dabei sind nach Anlage 4 des UVPG die »Auswirkungen auf historisch, architektonisch oder archäologisch bedeutende Stätten und Bauwerke und auf Kulturlandschaften« zu berücksichtigen.[1]
In der Umweltprüfung sind mehrere Beteiligungsverfahren vorgesehen, die auch Denkmalbehörden und Denkmalfachämtern die Möglichkeit geben, Stellung zu beziehen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind eine wichtige Grundlage, um die Belange des kulturellen Erbes in angemessener Weise in den Abwägungs- und Zulassungsprozess der verfahrensführenden Behörde einzubringen (Abb. 1).

Ablauf von Umweltprüfungen am Beispiel der UVP und beteiligte Akteure, 2024
Der neue Leitfaden Kulturelles Erbe in der Umweltprüfung
In den vergangenen Jahren hat sich die Qualität der Umweltprüfungen bei der Bearbeitung des kulturellen Erbes deutlich verbessert, doch methodische Defizite bestehen weiterhin. Aus diesem Grund haben es sich die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland, gemeinsam mit der UVP-Gesellschaft e. V. und dem Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e. V., zur Aufgabe gemacht, die vor über dreißig Jahren erstellte Handreichung »Kulturgüter in der Planung« zu überarbeiten und zu aktualisieren.[2] Vorrangiges Ziel der Überarbeitung war es, die Inhalte des Heftes praxistauglicher zu gestalten und an die inzwischen geänderten rechtlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen anzupassen. Dabei bekamen die Bearbeiter*innen aus der Bau- und Bodendenkmalpflege sowie der Landschaftskultur wertvolle fachliche Unterstützung aus der Planungspraxis durch Klaus Müller-Pfannenstiel (Bosch & Partner) und Joachim Hartlik (Büro für Umweltprüfungen und Qualitätsmanagement).
Der Ende 2024 veröffentlichte Leitfaden »Kulturelles Erbe in der Umweltprüfung«[3] stellt mit neuer Struktur und verbesserter Methodik eine grundlegende Überarbeitung der vorherigen Ausgaben dar (Abb. 2). Im Grundlagenteil finden sich Informationen zum archäologischen, baukulturellen und landschaftskulturellen Erbe sowie zu den gesetzlichen Vorgaben zu ihrem Schutz. Die komplexen Verfahrensschritte von Umweltprüfungen und deren rechtliche Grundlagen werden anschaulich mithilfe von Diagrammen erläutert.

Der 2024 erschienene Leitfaden Kulturelles Erbe in der Umweltprüfung
Der Praxisteil gibt Planenden die notwendigen Werkzeuge zur Erfassung und Bewertung des kulturellen Erbes sowie zur Einschätzung der Auswirkungen von Vorhaben an die Hand. Aufgrund der unterschiedlichen Erfassungs- und Bewertungsmethoden werden die einzelnen Arbeitsschritte differenziert nach dem archäologischen, dem baukulturellen und dem landschaftskulturellen Erbe beschrieben. Die neu entwickelte Bewertungssystematik basiert auf standardisierten Bewertungsrahmen, die eine nachvollziehbare Bearbeitung des Schutzgutes ermöglichen. Im Anhang verdeutlichen Arbeitshilfen wie ein Katalog von möglichen Umweltauswirkungen auf das kulturelle Erbe die Methode. Beispiele aus der Praxis helfen, die Auswirkungen auf das kulturelle Erbe einzuschätzen.
Die Bearbeitung des kulturellen Erbes in der Umweltprüfung
Die wesentlichen Bearbeitungsschritte zur Ermittlung der Umweltauswirkungen fasst das im Leitfaden veröffentlichte Ablaufschema zusammen (Abb. 3).

Bearbeitungsschritte zur Ermittlung der Umweltauswirkungen
Am Anfang der Bearbeitung steht die Erfassung der potenziell betroffenen Objekte, wobei die Betrachtungstiefe vom Planungsmaßstab abhängt. Bezogen auf das baukulturelle Erbe kann in der Regel auf vorliegende Daten zurückgegriffen werden. Dies betrifft insbesondere eingetragene Denkmäler mit den dazugehörigen Gutachten zum Denkmalwert. Eine Nacherfassung ist jedoch häufig beim Thema Raumwirkung[4] ratsam, da dieser Aspekt in vielen Fällen von wertgebender Bedeutung ist, aber bei der Unterschutzstellung noch keine umfassende Berücksichtigung gefunden hat.[5] Dies ist beispielsweise bei Höhenburgen mit markanten Sichtbeziehungen oder mehrteiligen Anlagen mit engen strukturellen und funktionalen Zusammenhängen, wie sie zum Beispiel bei einem Kloster anzutreffen sind, von besonderer Relevanz.
Die Bestandserfassung bildet die Grundlage für die Bewertung der kulturhistorischen Bedeutung. Während bei denkmalgeschützten Objekten die Bewertung mit der Denkmalausweisung erfolgt ist, liegt eine Bewertung bei dem übrigen baukulturellen Erbe wie der erhaltenswerten Bausubstanz oftmals noch nicht vor. Diese erfolgt auf Grundlage von Kriterien, wie sie sich im Zusammenhang mit denkmalwerten Objekten bewährt haben. Als Bewertungskriterien sind insbesondere der kulturhistorische Zeugniswert, die charakteristische Eigenart bzw. der regionaltypische Wert und die schon angesprochene Raumwirkung relevant. Für die abschließende Einstufung in eine sehr hohe, hohe, mittlere und geringe Bedeutung gibt der Leitfaden einen Bewertungsrahmen vor. Dabei werden alle nach Denkmalschutzgesetz geschützten Objekte per se in eine sehr hohe Bedeutung eingestuft.
Auf Grundlage der Bestandserfassung und -bewertung kann eine belastbare Prognose der Umweltauswirkungen auf das kulturelle Erbe getroffen werden. Dabei wird die Empfindlichkeit des jeweils betroffenen Objekts zu den projektspezifischen Wirkungen in Beziehung gesetzt. Grundsätzlich kann, wie eine umfangreiche Beispielsammlung im Anhang des Leitfadens deutlich macht, zwischen drei Arten von Auswirkungen unterschieden werden. Von substantiellen Auswirkungen ist die Rede, wenn die materielle Substanz des kulturellen Erbes direkt betroffen oder aber wertbestimmende räumliche Bezüge beeinträchtigt werden. Sensorielle Auswirkungen betreffen die Beeinträchtigung der Erlebbarkeit, Erlebnisqualität oder Zugänglichkeit und funktionelle Auswirkungen schließlich beziehen sich auf die Einschränkung der Nutzung, die für den Erhalt des kulturellen Erbes Voraussetzung ist, sowie die Einschränkung der Möglichkeit der wissenschaftlichen Erforschung.
Die Schwere der Auswirkungen wird nach Art, Intensität und Bedeutung des betroffenen Erbes bewertet. Als Hilfestellung zur Einstufung in die Bewertungskategorien sehr hoch, hoch, mittel und gering bietet der Leitfaden eine Bewertungsmatrix und konkrete Beispiele in tabellarischer Übersicht. Dabei bilden die Bewertungskategorien hoch und sehr hoch entscheidungserhebliche Umweltauswirkungen mit besonderer Schwere ab. Aufgrund der Einzigartigkeit eines jeden Objektes können exakte Grenzwerte oder Schwellenwerte zur Ermittlung einer Beeinträchtigung nicht aufgeführt werden. Um dem Vorsorgeanspruch der Umweltprüfung gerecht zu werden, ist für das Schutzgut Kulturelles Erbe grundsätzlich von einem Verschlechterungsverbot auszugehen.
Das UVP-Gesetz verlangt, dass für alle Schutzgüter und somit auch das kulturelle Erbe Maßnahmen zur Vermeidung, Minderung und Kompensation von erheblich nachteiligen Umweltauswirkungen des Vorhabens aufzuzeigen sind.[6] Damit die Umsetzung erfolgt, ist sicherzustellen, dass entsprechende Maßnahmen konkret aufgeführt und Bestandteil des Zulassungsbescheids werden. Es versteht sich von selbst, dass Kompensationsmaßnahmen nur in Betracht kommen, wenn alle Möglichkeiten zur Vermeidung und Verminderung ausgeschöpft wurden. Grundsätzlich nicht kompensierbar sind Eingriffe in die schützenswerte Bausubstanz.
Fazit
Trotz der nachvollziehbaren aktuellen Bestrebungen zur Beschleunigung der Verfahren, insbesondere im Zuge des Ausbaus der erneuerbaren Energien, besteht unverändert die Notwendigkeit einer angemessenen Sachverhaltsermittlung. Nur so lassen sich frühzeitig Konflikte erkennen und vermeiden, die zu einem späteren Zeitpunkt häufig zu einer unnötigen, zeit- und kostenintensiven Verzögerung des Verfahrens führen.
Mit dem Leitfaden erhalten Planungsbüros, Behörden sowie Akteure der Denkmalpflege und Kulturlandschaftsentwicklung eine praxisbezogene Arbeitshilfe, um das Schutzgut Kulturelles Erbe in Umweltprüfungen den rechtlichen Vorgaben entsprechend adäquat zu bearbeiten.
Der Leitfaden will aber auch die Akteure der Denkmalpflege ermutigen, die Chancen der Umweltprüfung stärker als bisher wahrzunehmen. Denn selbst wenn nach Vorgaben des Denkmalschutzes keine erhebliche Beeinträchtigung von Bau- oder Bodendenkmälern konstatiert wird, können entscheidungserhebliche Umweltauswirkungen auch unterhalb der Schwelle des Denkmalrechtes vorliegen. Die dann vorgesehen Vermeidungs-, Minderungs- und Kompensationsmaßnahmen bieten ein großes Potenzial, Denkmäler zu bewahren, das es zu ergreifen gilt.

Stadtansicht Warburg, 2012
Der Leitfaden kann auf folgender Seite heruntergeladen oder als Printausgabe bestellt werden: https://www.lwl-dlbw.de/de/publikationen/kulturlandschaft/.

Mechernich-Berg mit Burg Berg und Katholischer Pfarrkirche St. Peter, 2021
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Abbildungsnachweis:
1: Joachim Hartlik, Lehrte. — 2, 3: UVP Gesellschaft e. V. — 4: Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen, Angelika Brockmann-Peschel. — 5: Landschaftsverband Rheinland, Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Ulrich Jacobs.
© 2025 Jascha Braun/Marion Schauerte, published by De Gruyter
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Artikel in diesem Heft
- Cover
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- Frontmatter
- Inhalt
- Vorwort
- Vorwort
- Aufsätze
- Denkmalpflege in Deutschland – ein Statusbericht
- Zur Situation der Denkmalpflege in herausfordernden Zeiten
- Denkmalpflege. MehrWert als Du denkst
- Bausteine der Steuerung: Denkmalpflegepläne weiterschreiben
- Ein Gespräch über die Zukunft der Denkmalpflege
- Denkmalpflege und Bildungsbürgertum
- European Architectural Heritage Year 1975 and Reconstructed Polish Old Towns
- Zutritt verboten!
- Raumwirkung und kulturlandschaftliche Einbettung des Barockgartens Großsedlitz
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- Wege in die Denkmalpflege
- VDL – Arbeitsgruppe »Grundsatzfragen der praktischen Denkmalpflege«
- Kulturelles Erbe in der Umweltprüfung
- Brandschutz und Denkmalschutz mit Bedacht
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- »Wir sind die einzige Behörde, die konservativ sein darf, kann und muss«
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