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„Irgendwas mit Zukunft“ – Impulse für eine nachhaltige Aus- und Weiterbildung im Berufsfeld Bibliothek

  • Ute Engelkenmeier

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    , Marie-Luise Forster

    and Sibylle Fröhlich

Published/Copyright: December 2, 2022

Zusammenfassung

Sind Mitarbeiter:innen in Bibliotheken und Informationseinrichtungen den zukunftsfähigen Aufgaben gewachsen? Ausgehend von den Anforderungen des Future-Skills-Framework des Stifterverbands und den spezifischen Anforderungen und benötigten Qualifikationen innerhalb des Berufsfelds Bibliothek und Information wird die Relevanz und Zukunftsfähigkeit ausgewählter Kernaufgaben und Spezialaufgaben betrachtet und Impulse für Ausbildung, Studium, Fort- und Weiterbildung gegeben.

Abstract

Are employees in libraries and information institutions up to the tasks of the future? Based on the requirements of the Future Skills Framework of the Stifterverband and the specific requirements and necessary qualifications within the professional field of libraries and information, the relevance and future viability of selected core tasks and special tasks are considered and impulses for training, studies, further and continuing education are given.

1 Einleitung

Angebote von Bibliotheken haben sich in den letzten Jahrzehnten weiter diversifiziert. Neben den bisher klassischen Aufgaben wie Sammeln, Erschließen, Verfügbarmachen von publizierten Informationen, erweitert sich das Portfolio. Öffentliche wie wissenschaftliche Bibliotheken haben in den letzten Jahren eine Renaissance der Nutzung als Lernraum erfahren, die Rolle von Bibliotheken als gesellschaftlicher Ort tritt mehr in den Fokus. In wissenschaftlichen Bibliotheken sind neben Publikationsberatung und Open Access neue Felder wie (Forschungs-)Datenmanagement und Szientometrie aktuell. Diese Aufgaben erfordern gut ausgebildete Fachkräfte, Expert:innen und Spezialist:innen.[1]

Derzeit ist es besonders dringlich, junge Menschen für die verschiedenen Berufe in Bibliotheken und Informationseinrichtungen zu begeistern. Jedes Jahr verlassen mehr Arbeitnehmende den Berufsmarkt als Berufsanfänger:innen nachrücken. Im Bibliotheksbereich ist der Mangel weniger dramatisch als in Pflegeberufen oder im Handwerk. Die Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit[2] definiert in der Kategorie „Berufe im Bibliothekswesen“ im Anforderungsniveau „Fachkräfte“ zwar keinen besorgniserregenden Engpass, sondern eine höhere Vakanzzeit von zu besetzenden Stellen, negative Trends im Zeitverlauf der Besetzungsschwierigkeiten werden jedoch bei den Ausbildungsniveaus von Expert:innen und Spezialist:innen gesehen.

2 Änderung der Arbeitswelt und Schlüsselqualifikationen

Die voranschreitende Automatisierung vieler Prozesse zeigt, dass Aufgaben, die gut automatisierbar sind, aus dem Tätigkeitsbereich vieler Berufe verschwinden. Im Gegenzug ist eine Zunahme von Aufgaben, die schlecht automatisierbar sind, zu beobachten. Hierzu zählen analytische Aufgaben und vor allen Dingen interpersonale Aufgaben, welche soziale Kompetenz und Interaktion mit anderen Menschen erfordern. Für den Dienstleistungssektor werden insbesondere Technologien zum Sammeln, Auswerten und Speicherung von Daten, Self-Service-Technologien, Künstliche Intelligenz bis hin zu Service-Robotern oder Social Agents als weitere Bereiche für Automatisierungen gesehen.[3]

Abb. 1 
          Future Skills, Herausforderungen in der Spitze und in der Breite; nach Kirchherr et al. (2018)
Abb. 1

Future Skills, Herausforderungen in der Spitze und in der Breite; nach Kirchherr et al. (2018)

Das Framework „Future Skills“,[4] entwickelt vom Stifterverband und McKinsey, definiert die aktuellen Kompetenzbedarfe in Wirtschaft und Gesellschaft.

„Die zukünftige Arbeitswelt wird immer mehr von digitalen Informationen und Abläufen geprägt werden. Herkömmliche Berufsbilder wandeln sich, neue Anforderungsprofile entstehen. Der Umgang mit digitalen Technologien und internetbasierten Anwendungen wird in fast allen Branchen und Berufen wichtiger werden.“[5]

Eine knappe Ressource auf dem Arbeitsmarkt sind insbesondere die Tech-Spezialist:innen, die Fähigkeiten für den Umgang bzw. die Gestaltung von transformativen Technologien mitbringen, wie bspw. Web-Entwicklung, Künstliche Intelligenz, Big Data, UX-Design oder Robotik-Entwicklung. Informationstechnologisches Fachwissen wird in vielen Branchen benötigt und führt zu neuen Berufsprofilen wie z. B. Data Scientist. Aber nicht nur Spezialwissen wird benötigt. Neue Arbeitsformen und Digitalisierung erfordern zugleich ein verändertes Skill-Set bei allen Mitarbeitenden. Für das Berufsleben wie auch für die gesellschaftliche Teilhabe werden digitale Schlüsselqualifikationen, wie digitales Lernen und Wissensgenerierung, Umgang mit Daten und Fähigkeiten zum kollaborativem Arbeiten sowie nicht-digitalen Schlüsselqualifikationen wie unternehmerisches Denken, Durchhaltevermögen und Adaptionsfähigkeit benötigt. Mitarbeitende sollten im Idealfall ein Bündel von relevanten Skills mitbringen. Der Arbeitsmarkt kann aktuell den Bedarf insbesondere an Technologie-Spezialist:innen nicht decken. Kirchherr et al. schätzen, dass in Deutschland in diesem Bereich rund 700 000 Personen mehr benötigt werden.[6]

3 Anforderungen, Trends und Schwerpunkte in Ausbildung und Studiengängen

Derzeit laufen an einzelnen Bibliotheken Versuche mit Robotern, die eine Stellrevision durchführen können. An der Lokalisierung von einzelnen Medien im Regal wird ebenso geforscht. Ob Roboter auch Bücher einstellen können, bleibt eine vage Zukunft. Was jedoch sicher ist, ist der weitere Weg, einfache Tätigkeiten auch in Bibliotheken zu automatisieren. Aus der Forschung und Industrie 4.0 unterstützen Augmented-Reality-Anwendungen im Logistikbereich. In den nächsten Jahren wird es weitere KITechnologien geben, die insbesondere beim Sammeln, Auswerten und Speichern von Daten unterstützen. Fremddatenübernahme und Metadatenmanagement sind mittlerweile wichtiger, als eigene Katalogisate anzufertigen. Durch die fortschreitende Digitalisierung des Publikationsmarktes nehmen zudem klassische Aufgabengebiete wie Fernleihe oder Lieferdienste weiter an Bedeutung ab. Eine Aufgabenverlagerung wird sich in den Bibliotheken zum einen in die Entwicklungsarbeit und Anwendung von IT ergeben. Für die Entwicklung von Systemen und Diensten wie insbesondere auch für den Betrieb in der Praxis benötigen Bibliotheken entsprechende Spezialist:innen und Expert:innen. Zum anderen nimmt die Bedeutung der interpersonalen Aufgaben zu. Beschäftigte in Bibliotheken und Informationseinrichtungen werden zu Beratenden und Lehrenden, die Lernprozesse ihrer Nutzenden unterstützen. Dazu benötigen sie eine hohe soziale Kompetenz, Professionalität im pädagogischen Handeln und grundlegende Kenntnisse didaktischer Methoden. Die komplexer gewordene Informations- und Publikationslandschaft erfordert zudem im Zeitalter der Falschnachrichten aktuelles Wissen zur Bewertung von Informationen. Auch die Reflexion des eigenen Handelns als Meta-Kompetenz und ethische Grundsätze (Informationsethik wie Berufsethik) haben weiterhin hohe Relevanz.

Die Kernaufgabe, die Verbindung zwischen Informationsmanagement und Beratung wird bleiben und sich doch ändern. Expert:innen und Spezialist:innen arbeiten bereits mitten im Prozess der Transformation des (wissenschaftlichen) Publizierens. Neben dem klassischen Bestandsaufbau mit Erwerbungsprofilen und Lizenzmodellen, wird der Wandel zu Open-Access-Publikationen vorangetrieben. „Bibliotheken fällt aufgrund ihrer Funktion als Verfügbarmacherinnen eine neue Rolle zu, OA zu ermöglichen. Das Verfügbarmachen verschiebt sich somit von der Bestandsentwicklung zu einer Art Integration.“[7] Gestützt wird die Transformation durch die aktuelle Forderung des Wissenschaftsrats, dass der freie Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen zum Standard gemacht werden soll.[8] Wichtig bleiben ebenso aktuelle Grundlagen im Feld des Bibliotheksrechts – allen relevanten Rechtsbereichen im Umfeld bibliotheksspezifischen Handelns von Strafrecht, Verwaltungsordnungen im Nutzungsbetrieb über Haushaltsrecht, Urheberrecht oder Arbeitsrecht u. v. m. Die Bibliothek als gesellschaftlicher Ort erfordert zudem moderne Bauten und Räume für geeignete physische Treffpunkte und Lernorte bis hin zu komplexen hybriden Lernräumen. Grundlagenwissen des Bibliotheksbaus, Organisation von Umbaumaßnahmen in Bestandsgebäuden sind genauso notwendig, wie die Kenntnis grundlegender Bibliothekstechnik bis hin zu Regalsystemen. Bibliothekstypologie, die Kenntnis über Arten von Trägern und Formen von Bibliotheken gehört ebenso zu Grundkenntnissen. Noch wichtiger ist jedoch die Kenntnis und Erkenntnis darüber, welchen Wert Bibliotheken für Gesellschaft und Wissensgesellschaft haben und die Fähigkeit der Bibliotheksbeschäftigten, den Wert und die Leistungsfähigkeit gegenüber Berufsinteressierten und insbesondere gegenüber ihren Trägern zu vermitteln.[9] Strategische Ausrichtung, ein proaktiver Ansatz und strategische Kommunikation sind im Rahmen der Wertevermittlung essenzielle Methodenkenntnisse.[10]

4 Gemeinsamkeiten von Informations- und Medieneinrichtungen

Nicht nur Bibliotheken stehen im Wandel, sondern auch Archive und Informations- und Dokumentationseinrichtungen. Ebenso entwickeln sich Museen zu Orten des Austausches. Wissenschaftliche Bibliotheken und Archive haben in den Bereichen der Digitalisierung, Erschließung, Langzeitarchivierung, Urheberrecht und Datenschutz gemeinsame Schnittstellen. Die fachlichen Kompetenzen wie Erschließung, rechtliche Grundlagen und Bewertung von Informationen sind in allen Bereichen Grundlagenwissen. Herausforderungen bestehen in der Kooperation über Einrichtungsgrenzen, Berufsgrenzen und Spartengrenzen hinaus. Im Rahmen des Diskurses über die Rolle sammelnder Einrichtungen empfiehlt der Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII), „dass traditionelle institutionelle Barrieren zu überwinden sind, um analoge und digitale Daten bzw. Objekte zusammen denken zu können“.[11] Die Konvergenz zeigt sich jedoch noch zögerlich in den Ausbildungs- und Studieninhalten. Beispielsweise wird es zwar voraussichtlich ab Herbst 2024 eine neue Ausbildungsordnung für Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste (FaMI) mit weiterhin mehreren Fachrichtungen geben, es stellt sich jedoch die Frage, ob es hier nicht sinnvoll wäre, eine gemeinsame Basis für alle Fachrichtungen zu definieren und Vertiefungen als Wahlprogramm oder über spätere Zertifikate und Fortbildungen zu vermitteln.

5 Anpassungsdruck in Ausbildung und Studium

Galt vor ein paar Jahrzehnten noch, dass Qualifikation durch Ausbildung und Studium für eine (Berufs-)Lebensspanne ausreichte, ist heute mit dem ersten Arbeitsvertrag die berufliche Fort- und Weiterbildung nicht abgeschlossen. Lebenslanges Lernen gilt auch für das Berufsfeld Bibliothek. Im Studium wichtiger werden Lerninhalte wie Methodenwissen, Problemlösungskompetenz, idealerweise durch projektorientiertes Lehren und Lernen, um auch agiles Arbeiten und Teamarbeit zu fördern. Auch führen verschiedene (Berufs-)Wege in den Arbeitsort Bibliothek. Fachexpert:innen wie Jurist:innen, Informatiker:innen, Personalmanager:innen oder Kulturmanager:innen sind (oft) mit begleitendem Weiterbildungsmaster in den Bibliotheken beschäftigt.

Die Notwendigkeit, Ausbildungsordnungen und Curricula anzupassen, neue Qualifikationen in Berufe einzugliedern ist eine Daueraufgabe. Gegenwärtig herausfordernd ist jedoch der gestiegene zeitliche Druck auf immer schnellere Anpassungen. Neue Qualifikationen in bestehende Ausbildungen oder Studiengänge hinzuzufügen ist insofern herausfordernd, als dass es Entscheidungen erfordert, Inhalte zunächst wegzunehmen, um neue hinzufügen zu können. Das zwingt dazu, bisherige Ausbildungs- und Studieninhalte auf den Prüfstand zu stellen.

Wie im Rahmen der Future Skills skizziert: Es werden mehr Expert:innen und Spezialist:innen für den Umgang mit transformativen Technologien benötigt.[12] Grundlegende Kenntnisse auf Spezialist:innen-Niveau muss Teil des Curriculums sein. Dabei profitieren kleinere Bibliotheken „eher von Generalisten und größere Bibliotheken eher von Spezialisten in ihren IT-Abteilungen.“[13] Auf Expert:innen-Niveau, wie z. B. als Fachexpert:innen für Data Science oder Data Management ist es sinnvoll, bibliotheksspezifische Masterstudiengänge mit entsprechenden Spezialisierungsprofilen anzubieten als auch Absolvent:innen anderer Studiengänge in die Bibliothek zu integrieren, die im Rahmen von interdisziplinären Teams an Hochschulen, Hochschulbibliotheken oder in großen zentralen Fachbibliotheken an der Entwicklung neuer Dienstleistungen arbeiten.[14] Sinnvoll erscheinen Koppelstudiengänge oder Kooperationen bei Weiterbildungsstudiengängen von Hochschulen.

„Außerdem sollten neben der Theorievermittlung ausreichend praktische Lehrformen genutzt werden. Es sollte untersucht werden, ob ein duales Studium dafür besser geeignet wäre. Eine Zusammenlegung von Modulen von angehenden (Medien-)Informatikern und Bibliothekaren ist zu überlegen.“[15]

Die neue unabdingbare Offenheit wissenschaftlicher Inhalte von der ersten Idee über Preprints bis Wissenschaftsblogs wird weiterhin das Sammeln und Kuratieren von publizierten Informationen ändern. Vermittlungsaufgaben von Massen an frei verfügbaren Inhalten bis zu Infrastrukturen für die Verfügbarmachung und Langzeitarchivierung von Daten und Publikationen sind Aufgaben, die idealerweise in interdisziplinären Teams von Expert:innen und Spezialist:innen umgesetzt werden.

Große Schnittmengen zu bibliotheksspezifischen Bereichen rund um Metadaten und Ontologien haben neue interdisziplinäre Studiengänge wie z. B. Digital Humanities, mit Inhalten wie Digitale Bibliotheken und Informationssysteme, Datenmodellierung oder Visualisierung komplexer Datenstrukturen. Denkbar ist hier, die Nähe zu benachbarten Studiengängen zu nutzen, Synergien in der Kooperation von Studiengängen zu suchen. Dies betrifft auch andere Schnittmengenbereiche wie Architektur oder Management.

6 FaMI, Bachelor, Master

Knapp 23 000 Stellen waren im Jahr 2021 in den Stellenplänen deutscher Bibliotheken verzeichnet. Die Spezialist:innen (Bachelor-Niveau) wie auch Fachkräfte (FaMIs) bilden dabei die beiden größten Gruppen. Für FaMIs in Bibliotheken wird die Ausbildungsordnung derzeit überarbeitet. Wünschenswert mit Blick auf die geforderten Future Skills sind hier auch Inhalte, die die digitalen Schlüsselqualifikationen fördern. Für den Einsatz von Spezialist:innen ist ein grundständiges Bachelor-Studium notwendig. Studiengänge an Fachhochschulen und an der Humboldt Universität zu Berlin qualifizieren für ein bibliotheks- und informationsspezifisches Handlungsfeld. Grundlagen des Informationsmanagements und Managements wie auch Methodenwissen ist notwendig, um ein Lernen im Beruf weiter zu ermöglichen. Neben Management-Themen, wie Personal, Haushalt, rechtlicher Grundlagen sind auch fachspezifische Inhalte, wie Bestandsaufbau und Bibliotheksbau weiter aktuelle Inhalte. Der Ausbau von Führungskompetenzen ist auf Bachelorniveau ebenso notwendig, sind doch die Leitungen kommunaler Klein- und Mittelstadtbibliotheken oder Abteilungsleitungen in großen Bibliothekssystemen häufig in den Entgeltgruppen des sog. gehobenen Dienstes eingruppiert. Zwei Schwerpunkte sind insbesondere auszubauen: substanzielle IT-Kompetenzen sowie Grundlagen in Didaktik und pädagogischem Handeln. Expert:innen für Bibliotheks- und Informationseinrichtungen benötigen vertieftes Wissen in Personalmanagement und Management größerer Einrichtungen, bis hin zu Spezialwissen in den Bereichen rund um Wissenschaftsmanagement oder Kulturmanagement. Hier diversifiziert sich das benötigte Spezialwissen je nach strategischer Ausrichtung der betreffenden Bibliothek. Sowohl brancheneigene Masterabsolvent:innen wie auch branchenexterne Absolvent:innen sind für Spezialaufgaben notwendig. Für die Entwicklung neuer (digitaler) Dienstleistungen wird Expert:innen-Wissen im Bereich IT-Technologien und Datenmanagement wie auch Kultur- und Community-Management benötigt. Für die Dienstleistungsentwicklungen für und Kommunikation mit der Wissenschaft sind zudem Expert:innen mit fachlichem Hintergrundwissen erforderlich mit hohen kommunikativen Kompetenzen für die Arbeit in interdisziplinären Teams. Die Etablierung neuer Dienste erfordert eine entsprechende Projektkultur, konstruktive Feedbackkultur und partizipative Managementstrukturen in Bibliotheken.[16]

Konsekutive Masterstudiengänge knüpfen an den Inhalten des Bachelorstudiums an und vertiefen einzelne Themenfelder, um sich als Absolvent:in weiter zu spezialisieren und Expertenwissen zu erlangen. Ein Master-Studium bietet Studierenden nicht nur eine Weiterqualifizierung, sondern auch eine Neuorientierung, jedoch sind diese Studiengänge weniger geeignet für Interessierte, die mit einem branchenfremden Abschluss den Weg in die Bibliothek suchen. Mehr Flexibilität, insbesondere für Absolvent:innen anderer Fachrichtungen, bieten hier nicht-konsekutive Master-Studiengänge. Sie bauen nicht auf dem Bachelor-Studium auf, ermöglichen einen Fachwechsel und sind insofern auch für Quereinsteiger:innen bzw. in Fächerkombination mit anderen Studiengängen interessant. Für Bachelorabsolvent:innen aus dem Bibliotheksbereich scheinen sie jedoch eher geeignet zu sein, wenn es eine inhaltliche Schwerpunktsetzung gibt, um einige grundständigen Inhalte des BA-Studiums nicht zu wiederholen. Schwerpunktsetzungen und Modularisierung von Inhalten scheinen geeignet zu sein, auch den unterschiedlichen aktuellen Anforderungen gerecht zu werden, wie z. B. Datenmanagement oder Kulturmanagement.[17]

Nachdem Hochschulabschlüsse im Zuge des Bolognaprozesses vereinheitlicht wurden, bisherige Abschlüsse auf Bachelor und Master umgestellt wurden und eine Internationalisierung und Anerkennung von Abschlüssen angestrebt wird, kann hinterfragt werden, wie sinnvoll weiterhin Staatsexamina für den höheren Bibliotheksdienst sind. Hohe Qualitätsstandards sind in allen Studiengängen sinnvoll und der Zugang zur Beamtenlaufbahn ist nach aktuellem Laufbahnrecht auch ohne Staatsexamen möglich.

Weiterbildende Masterstudiengänge ermöglichen nach einem grundständigen Studium häufig die Möglichkeit, auch berufsbegleitend zu studieren. Es werden in der Regel berufspraktische Erfahrungen vorausgesetzt, um an Kenntnisse anknüpfen zu können. Eine Schwerpunktsetzung erscheint hier sinnvoll, um Spezialwissen aufzubauen, wie z. B. Schwerpunkte für Leitungs- und Führungsaufgaben oder der weiterbildende Masterstudiengang FH Potsdam „Digitales Datenmanagement“, der ebenso modulweise als Weiterbildungskurs belegbar ist. Berufsbegleitende weiterbildende Studiengänge scheinen flexibler auf den schnellen Anpassungsdruck reagieren zu können.

Ein berufsbegleitendes Studium ist für viele Beschäftigte in Bibliotheken von großem Vorteil. Familien- und lebensgerecht im Lehrangebot der Hochschulen wären ebenso kleinere Module, die, versehen mit ECTS, auch kumulativ einen weiterbildenden Master ergeben könnten. Dies erfordert eine tiefergehende Koordination und Kooperation der Hochschulen. Auch bereits bestehende Weiterbildungsangebote und Zertifikatskurse von Hochschulen in Kooperation mit zentralen Fachbibliotheken leisten einen sinnvollen Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis.

Neben den einzelnen Anforderungsniveaus ist es unerlässlich, eine höhere Durchlässigkeit zwischen den Diensten zu fördern.[18] Besorgniserregend ist jedoch die aktuelle Lage der wissenschaftlichen Weiterbildung.[19]

Eine grundständige Ausbildung für Fachkräfte und ein grundständiges Studium für Spezialist:innen bleibt ein Muss, begleitet von berufsbegleitenden Weiterqualifizierungen, je nach strategischer Ausrichtung der Bibliothek, sowohl innerhalb wie außerhalb der Branche. Die Kooperation und enge Verzahnung der Bibliotheken mit den Ausbildungsstellen und Hochschulen ist weiterhin zu verstärken. Lehrkräfte aus der Praxis mit unterschiedlichen Schwerpunkten können ihre Expertise in die Hochschullehre einbringen. Zusammen mit Verbünden, Hochschulen oder auch externen Dienstleistern können Expert:innen und Spezialist:innen in Bibliotheken selbst an neuen Entwicklungen mitwirken.

„Gerade hier hat das kooperativ aufgestellte Bibliothekssystem eine Stärke. Neben der Fort- und Weiterbildung bieten auch die Hochschulen einen Anknüpfungspunkt, den Transfer in die Praxis weiter zu stärken“.[20]

In den Bibliotheken braucht es neben einem guten Arbeitsklima, flexible Arbeitsmodelle, agiles Management sowie eine systematische Personalentwicklung, die mit Blick auf Anforderungen der Zukunft Mitarbeitende fördert – auch durch die Übernahme oder Beteiligung an Weiterbildungskosten und Gewährung von Teilzeit oder Sonderurlaub für Weiterbildungsmaßnahmen und letztlich auch durch attraktivere höherqualifizierte Stellen und ein entsprechendes Stellenbudget.

Über die Autoren

Dr. Ute Engelkenmeier

Marie-Luise Forster

Sibylle Fröhlich

Literaturverzeichnis

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Online erschienen: 2022-12-02
Erschienen im Druck: 2022-11-27

© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

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  36. Der Fachkräftemangel als Ausdruck der Krise des Bibliothekswesens
  37. Rezensionen
  38. Thomas, Barbro; Gram, Magdalena; Olsson, Tommy (Redaktörer) (2022): Framstegens Halvsekel. 50 år av folkebiblioteksutveckling [= Ein halbes Jahrhundert Fortschritt. 50 Jahre Entwicklung der Volksbibliotheken]. Borås: Biblioteksmusee. Broschur, Abb., 216 S. ISBN 978-91-527-1228-3
  39. Hoffmann, Claus-Wilhelm (Hrsg.): Wilhelm Hoffmann. Leben und Wirken. Ostfildern: Thorbecke Verlag, 2021. 584 S., s/w-Abb., fest gebunden. ISBN 978-3-7995-1512-2, 29,– €
  40. Buckland, Michael K.: Ideology and Libraries. California, Diplomacy, and Occupied Japan, 1945–1952. With the Assistance of Masaya Takayama. Lanham Md.: Rowman & Littlefield, 2021. ISBN: 978-1-5381-4314-8, 112 S., 70 Euro (Taschenbuch: Juni 2022 (1538171201): 36,50 €; E-Book (9781538143155): 33,99 €)
  41. Jahresinhaltsverzeichnis 2022
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