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Informationsausbildung nicht ohne Dokumentationskenntnisse

  • Barbara Müller-Heiden

    and Marlies Ockenfeld

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Published/Copyright: December 2, 2022

Zusammenfassung

Die klassische Dokumentation findet heute im Backoffice vieler Informationseinrichtungen statt, ohne dass sie namentlich genannt wird. Ihre Kernanliegen müssen aber eher stärker als in der Vergangenheit im Studium der Bibliotheks- und Informationswissenschaft und anderen Ausbildungsgängen sowie bei Einführungen in das wissenschaftliche Arbeiten in allen Studiengängen berücksichtigt werden.

Abstract

Today, classical documentation takes place in the back office of many information institutions without being mentioned by name. However, its characteristic teaching content must be considered in the study of library and information science rather more than in the past. This applies to introductory courses to scientific work also.

1 Charakteristika der Dokumentation

Kern dokumentarischer Tätigkeiten ist das Erkennen der inhaltlichen Essenz eines als dokumentationswürdig erkannten Dokuments, ihre Repräsentation in einer fachspezifischen und zuverlässig wiederauffindbaren Form sowie deren Speicherung für die spätere gezielte Recherche. Der Begriff Dokument wird dabei in der Dokumentation weit gefasst und ist nicht auf traditionelle gedruckte Veröffentlichungen beschränkt: „Ein Dokument ist die Einheit von Datenträger und auf ihm fixierten Daten“.[1] Die Essenz eines Dokuments, also ihr Inhalt, für den sich im Zuge der Digitalisierung die Bezeichnung Content eingebürgert hat, „ist die Gesamtheit der in einem Dokument enthaltenen geistig oder maschinell erzeugten textlichen, bildlichen oder akustischen inhaltlichen Daten, die für die inhaltliche Erschließung bereitstehen“.[2] Der Informations- und Dokumentationsprozess (IuD-Prozess) insgesamt umfasst naturgemäß eine Reihe weiterer Aufgabenfelder. Dazu gehören die Ermittlung von Informationsbedarf und Informationsbedürfnissen der anvisierten Zielgruppen oder zur Weiterverarbeitung bereitstehender Anwendungen, die Erarbeitung von Kriterien zur Auswahl der dokumentationswürdigen Dokumente, die Beschaffung der Dokumente, die in den Dokumentationsprozess eingehen sollen, die Entwicklung von Methoden und Werkzeugen zur Repräsentation der Inhalte und deren Speicherung, die Speicherung selbst, die Entwicklung und Anwendung von Retrievalverfahren, die Durchführung von Recherchen und die Aufbereitung der Ergebnisse für die Rezeption oder Weiterverarbeitung.

Das von IuD-Fachgesellschaften aus 13 Ländern Anfang der 2000er-Jahre erarbeitete und von der DGI seither regelmäßig an neue Entwicklungen angepasste Handbuch zur Informationskompetenz[3] für die Zertifizierung von Informationsfachleuten berücksichtigt fünf Kompetenzgruppen mit insgesamt 30 Kompetenzbereichen. Einige seien exemplarisch genannt.

1.1 Information/Dokumentation

Berufsfeld und -umfeld: Kenntnis der nationalen und internationalen Institutionen, der Fachterminologie, der Geschichte, Treff- und Austauschpunkte des Berufsfeldes. Wissen um die Normen des Bibliotheks-, Verlags-, Informations- und Dokumentations- ,Archiv- sowie Bürobereichs.

Informationsrecht: Kenntnis und Anwendung von Gesetzen, Richtlinien und Vertragsbestimmungen insbesondere Urheberrecht, gewerblicher Rechtsschutz, Persönlichkeitsrecht, Wettbewerbsrecht, Vertragsrecht, Lizenzbestimmungen, Copyright, Meinungsfreiheit, Datenschutz, Bildrechte etc.

Inhalts- und Wissensrepräsentation: Für ein Fachgebiet die grundlegende Begrifflichkeit in Dokumentations- oder Wissensrepräsentationssprache übertragen; einen Aktenplan, ein Klassifikationssystem, eine gebundene Schlagwortliste, einen Thesaurus, eine Ontologie erarbeiten, Deskriptoren vorschlagen, Ergebnisse automatisierter Erschließung oder von Social Tagging prüfen, Kriterien für die Dokumentationswürdigkeit aufstellen.

Identifikation und Bewertung von Informationsquellen: Informationsquellen aller Art ermitteln, dem Dokumentationsgebiet entsprechend auswählen und bewerten, Herkunft, Aktualität, Qualität, Echtheit, Relevanz, Kosten etc. von Dokumenten und Informationen bestimmen.

Analyse von Dokumenten und inhaltliche Erschließung: Mit einer Dokumentationssprache indexieren, Programme zur automatisierten Erschließung und zum Text- und Datamining anwenden, extrahierte Fakten in eine Ontologie einarbeiten, ein Kurzreferat verfassen, ein Register erstellen, Anfragen und Informationsbedürfnisse in eine Rechercheanfrage umsetzen.

Informationsrecherche: Professioneller Umgang mit Informationsdatenbanken, Expertennetzwerken, Social Networks und Suchmaschinen.

Konzeption von Produkten und Dienstleistungen: Informationsprodukte und Dienstleistungen entwerfen und bereitstellen, für Aktualisierungen sorgen, die gezielte bzw. personalisierte Verteilung nach Interessenprofilen garantieren, Ergebnisse einer Recherche strukturieren, eine Webpräsenz mit Navigationsstruktur entwickeln, Dossiers pflegen, Infografiken entwerfen, Präsentationen zusammenstellen, Programme zum Summarising einsetzen, Newsletter, Podcasts, (Erklär-)Videos, Wikis, Blogs, Informationsportale, Dashboards konzipieren und ihre Umsetzung organisieren.

1.2 Kommunikations- und Informationstechnologien

Konzeption von Informationssystemen: Die Architektur eines dokumentarischen Informationssystems oder einer App konzipieren und spezifizieren; die passende Benutzungsoberfläche (Suchmaske oder Dashboard etc.) definieren.

IT-Anwendungen: Content Management Systeme zur Pflege von Webangeboten benutzen, Software installieren, konfigurieren und benutzen, Script- oder Makro-Sprachen sowie Sprachen für Datenbankmanagementsysteme wie etwa SQL verwenden, Funktionalitäten eines Betriebssystems beherrschen, Artificial-Intelligence-Software einsetzen, Werkzeuge zu Datensicherheit und Datenschutz kennen und benutzen.

Publizieren und Edieren: Inhalte zur Verbreitung bereitstellen, dabei neue Werkzeuge und Methoden der IT benutzen, Informationen im Intranet zur Verfügung stellen, ein Dashboard konfigurieren, Normen zur formalen Anfertigung eines Dokuments kennen und beachten.

Internet-Technologien: Die Funktionalitäten von Web-Browsern, Mailing-Software und anderen Internet-Tools kennen und einsetzen können (Diskussionsforen, Newsletter, Videochat, Social Media-Anwendungen, Cloudcomputing, Tagging, Wikis etc.), W3C Recommendations beachten und anwenden können.

1.3 Kommunikation

Kompetenzen, die es ermöglichen aktiv und kompetent Gespräche mit Fachleuten aus der Zielgruppe sowie den Fachkolleginnen und -kollegen zu führen.

1.4 Management

Organisation des Informationsmanagements: Die Ablauforganisation des Informationsmanagements definieren, an der Umsetzung mitwirken, dabei die personellen, technischen, finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Kompetenzen, die es erlauben aktiv und kompetent Gespräche mit Fachleuten aus Betriebswirtschaft, Marketing, Personalmanagement, IT und Ausbildung zu führen.

1.5 Zusatzwissen

Kompetenzen, die mit Tätigkeitsbereichen der Zielgruppe oder mit Informationen bzw. Dokumenten spezieller Natur verbunden sind.

Ergänzt werden diese Kompetenzgruppen des Euroguide durch Soft Skills.

2 Blick Bibliothek auf Dokumentation

1977 schrieb Horst Kunze, DDR-Bibliothekswissenschaftler (und Direktor der Deutschen Staatsbibliothek, Ostberlin 1950–1976), in seiner Bibliothekslehre: „Historisch betrachtet ist also die Dokumentation nichts anderes als die Weiterentwicklung der bibliothekarischen Arbeit. Ihr Ausgangspunkt ist die Sache, das Problem und nicht der Bestand einer Bibliothek.“[4] Er sah eine fortschreitende Integrierung von Bibliotheks- und Dokumentationswesen.

Gemessen an dieser Wertschätzung Kunzes erhält die Dokumentation gegenwärtig nur eine stiefmütterliche Behandlung in der Bibliotheksliteratur. Im Bibliothekarisches Grundwissen beschreiben Gantert und Hacker (2008) nur oberflächlich die Infrastruktur der Fachinformationszentren. Das Übersichtswerk Portale zu Vergangenheit und Zukunft schildert das IuD-Programm der Bundesregierung und widmet der DGI nur eine verkürzte Darstellung. Kaum jedoch ein Hinweis auf die inhaltsbezogene Arbeit der Dokumentation und ihrer wesentlichen Merkmale. Neben Information Brokern, die kommerziell agieren „sorgen Dokumentare in Dokumentationsstellen für eine optimale Erschließung und aktuelle Information über Daten aus Wirtschaft, Forschung und Technik.“[5]

Immerhin zählt der Berufsverband Information Bibliothek e. V. (BIB) auch ausdrücklich die Dokumentare zu seinem Klientel. Insgesamt wird jedoch der Schwerpunkt der qualifizierten inhaltlichen Auswertung von Fachinformation durch Abstracts, ihre Einordnung in Fachklassifikationen sowie die Indexierung durch die bibliothekarische Seite unzureichend berücksichtigt. Hier ist insbesondere die Indexierung zur Registererstellung, seien es Zeitschriften- oder Buchregister, zu benennen, im Sinne einer benutzerorientierten Zugriffsmöglichkeit, sowie die Bereitstellung von zielgruppenorientierter Vermittlung durch passende Informationsdienstleistungen.

Werden Archiv und Bibliothek gerne als Bewahrer des kulturellen Erbes zitiert, so hat die Dokumentation ihren Anteil daran durch die Sicherung der Zugänglichkeit zur dokumentationswürdigen wissenschaftlichen Fachliteratur – sowohl aktueller, internationaler als auch in wissenschaftshistorischer Hinsicht. Literatur- und Faktendatenbanken dokumentieren den Fortschritt der Fachwissenschaften. Weithin unbekannt ist die traditionelle Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken (ASpB), die fachlich begründet ist. Es ist die Thematik der unselbstständigen Literatur, bei der nicht zuletzt durch die Entwicklungen der Informationstechnik (IT) Bibliothek und Dokumentation verschmelzen, seitdem das Bibliothekswesen sich auch der Publikationsinhalte angenommen hat und moderne Methoden genutzt werden.

Etwas anders ist der Archivbereich mit der Dokumentation umgegangen und hat ausgewählte Aspekte als archivische Dokumentation integriert. Hierzu gehören die Erarbeitung von faktenbasierten Informationsdiensten wie Chroniken zu Einrichtungen aus dem Archivsprengel sowie die Entwicklung von Dokumentationsprofilen, um auch nichtamtliche Dokumente aus kommunalen Einrichtungen zu sammeln und zu bewahren. Dies gründet in der Erkenntnis, dass über gesetzliche Abgabepflichten hinaus Gemeinwesen dokumentationswürdige Unterlagen zur Bewahrung kulturellen Erbes enthalten.

Viele der Tätigkeiten, die bis Anfang unseres Jahrtausends vorwiegend intellektueller Art waren, werden heute mit Techniken der automatisierten Informationsauswertung unterstützt.[6] Dabei hat die elektronische Datenverarbeitung in der Dokumentation bereits in den 1960er-Jahren (Institute für Scientific Information, Pionier Eugene Garfield) eingesetzt. Karteikartensysteme wurden mit Lochkartensystemen verfeinert, Mikroverfilmung von Dokumenten bereits in den 1970er-Jahren als Computer Output on Microfilm weiterentwickelt. Durch das IuD-Programm der Bundesregierung 1974–1977 und seine Folgeprogramme, welche die Einführung und Nutzung von Datenbanken in allen Wissenschaftsbereichen förderten, wurde diese Datenbank-Kompetenz schnell dem IuD-Sektor zugeordnet. Hier haben Archiv- und Bibliotheksbereich inzwischen längst den Anschluss gefunden.

3 Sichtbarkeit von IuD

Die Sichtbarkeit von Dokumentationsstellen, eigenständigen wie auch betriebsinternen, ist gering, insbesondere im Vergleich zu den Nachbardisziplinen des Archiv- und Bibliotheksbereichs mit ihrer starken geografischen Verteilung und kommunalen Präsenz. Dokumentation ist eher zentral, physisch kaum greifbar, weil seit den 1960er-Jahren mit der Entwicklung von Online-Datenbanken digital aber unsichtbar, doch fachspezifisch organisiert. Für Informationsprozesse gilt, dass sie eher Backoffice statt Frontoffice sind. Zudem sind dokumentarische Aufgaben in unzählige Bereiche eingezogen und haben sich damit quasi vergesellschaftet.

Das IuD-Programm, das diesem Bereich seinerzeit starke Anfangsimpulse zu Struktur und Inhalten gegeben hat, liegt ein halbes Jahrhundert zurück und viele der damals typischen IuD-Einrichtungen sind von staatlicher in private Trägerschaft oder andere Rechtsformen übergegangen und haben sich von Dokumentationszentrum wegbenannt in z. B. Rechercheabteilung, Informationsvermittlung, Research, Informationsmanagement oder neuerdings Repository.

4 Aktuelle Entwicklungen

War die Dokumentation in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schwerpunktmäßig wissenschaftliche Dokumentation, so hat sie sich spätestens mit dem IuD-Programm auf Wirtschaft, Verwaltung, Politik, Recht, Medien und andere Bereiche allgemeinen öffentlichen Interesses ausgeweitet und eigenständige Spezialgebiete wie Parlamentsdokumentation, Museumsdokumentation, Technische Dokumentation, Medizinische Dokumentation oder Patentdokumentation entwickelt. An die Stelle der wissenschaftlich-technischen Information traten Fachinformation und Betriebsdokumentationen. Die Mächtigkeit dokumentarischer Erschließungs- und Retrievalmethoden, insbesondere der strukturierten Erfassung, der Dokumentationssprachen und kontrollierten Terminologien, wurden für Produktkataloge, länderübergreifende Statistiken, Stücklisten, Fotosammlungen, Objektverzeichnisse, Personalverwaltung und in vielen anderen Bereichen eingesetzt. Heute bilden dokumentarisch erschlossene Bestände die Datengrundlage vieler KI-basierter Systeme.

Eine fundamentale Zielsetzung der Dokumentation ist es, nicht nur Erinnerungsrecherchen zu unterstützen, also etwas wiederfinden zu können, von dessen Existenz man weiß oder sie annehmen kann, sondern Entdeckungsrecherchen zu ermöglichen. Das Suchen in den Dokumentationsspeichern soll zu neuen Erkenntnissen führen, überraschende Ergebnisse liefern, Bekanntes in neuem Licht erscheinen lassen, Unbekanntes zu Tage fördern, Zusammenhänge aufdecken. Möglich wurde dies vor allem auch durch die sog. direkte Dokumentation oder Faktendokumentation, bei der die in den Dokumenten beschriebenen Inhalte direkt als Daten oder Fakten extrahiert und gespeichert werden. Bibliometrie, Szientometrie und Trendanalysen konnten sich hier entwickeln. Teile dieses Bereichs sind heute unter den Schlagworten Data Science oder Forschungsdatendokumentation aktuelle Betätigungsfelder. Ferner sind zahlreiche Dokumente inzwischen born digital und einige ihrer als dokumentationswürdig erachteten Merkmale werden bereits von ihrer Entstehung an in Dokumentationssysteme eingespeist. Auch bei der Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen oder Geschäftsabläufen, bei denen zusätzlich rechtliche Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle spielen (Datenschutz, Löschungsfristen, Aufbewahrungsfristen, Compliance etc.), werden unter Nutzung dokumentarischer Kenntnisse neue Verfahren eingeführt, die die Aktenführung direkt mit der Vorgangsdokumentation und der Archivierung verknüpfen. Records Management, Ticketsysteme oder Elektronische Akte sind hier Stichworte.

5 Konsequenzen für die Ausbildung

Mit Dokumentation beauftragte Information Professionals befassen sich vor allem mit drei Fragestellungen:

  1. Wie lassen sich Inhalte, Forschungsergebnisse, Wissen und Erfahrung in dem von mir betreuten Fachgebiet nachhaltig repräsentieren und extrahuman speichern?

  2. Wie lässt sich die Kommunikation zwischen denen, die Wissen und Informationen produzieren, vermitteln und nutzen, organisieren und nutzbringend gestalten und welche Rolle kommt mir dabei zu?

  3. Welche Methoden und Techniken der bedarfsgerechten Informationsverarbeitung, -analyse, -verbreitung, -vermittlung und -rezeption sind verfügbar und für das von mir betreute Fachgebiet und die zu bedienenden Zielgruppen geeignet?

Je nach Einsatz- und Verantwortungsbereich geht es dabei um das Management der Fachkommunikation, um gesellschafts- und kulturpolitische Entscheidungen oder um die transdisziplinäre Zusammenarbeit mit Fachleuten aus Informatik, Linguistik, Kognitionswissenschaft, Wissenschaftswissenschaft, Betriebswirtschaft und Recht.

Angesichts der skizzierten Entwicklungen wurden Wissensproduktion, Veröffentlichungswesen, Bibliothek, Dokumentation und Archiv durch digitalisierte Arbeitsverfahren immer stärker verschmolzen. Dabei spielt die Dokumentation mit ihrem Methodenrepertoire und als Schnittstelle eine wesentliche Rolle, gerade auch mit ihrer Scharnierfunktion zur IT. Basiskenntnisse und Fertigkeiten aus anderen Bereichen werden in vielen Berufen des Informationssektors gebraucht, wie etwa Projektorganisation, Budgetplanung, Personalführung, Beherrschung von Bürosoftware, Fremdsprachenkenntnisse, Nutzung von Plattformen, Webkonferenzsystemen oder Werkzeugen zur gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten, zwischenmenschliche und computergestützte Kommunikationsfähigkeit, Dienstleistungsorientierung, mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit. Dokumentarische Grundkenntnisse sollten jedoch ebenfalls dazugehören.

Da für die Dokumentation Fachkenntnisse auf dem Dokumentationsgebiet unerlässlich sind, reicht die auf jeden Fall erforderliche breite Allgemeinbildung in der Regel für Erschließungsarbeiten nicht aus. Ein nicht konsekutives Masterstudium, in dem Personen mit einem Fachstudium die Methoden der Dokumentation vermittelt werden, wie es traditionell die postgraduale Weiterbildung geleistet hat, scheint daher angebracht. Auch für das aktuelle Feld Data Science, in dem vor allem mathematische, statistische und informatische Kenntnisse erforderlich sind, sind fachwissenschaftlich Gebildete zur Interpretation der Ergebnisse maschineller Auswertungen unabdingbar.

Wer ein bibliotheks- oder informationswissenschaftliches Studium oder eine Ausbildung absolviert hat, kann nicht nur in Bibliotheken, sondern auch in anderen Informationsberufen tätig werden. Ein breit aufgestelltes, nicht auf den Bibliotheksbereich fokussiertes Curriculum entspricht dieser Entwicklung. Basisaufgaben wie die formale Erfassung verlieren im Arbeitsprozess ihre herkömmliche Bedeutung, weil die erforderlichen Angaben heute in der Regel bereits im meist computergestützten Publikationsverfahren oder anderen Entstehungsprozessen von Dokumenten und Daten (Digitalfotografie, Messungen, Sensordaten etc.) erhoben und strukturiert gespeichert werden. Die Entwicklung der IT ist rasant, eine Einarbeitung in bestimmte vor Ort eingesetzte Systeme erfolgt in der Regel on the job. In Studium und Ausbildung müssen deshalb vor allem Funktionsweisen und Grundlagen der Informationsarchitektur vermittelt werden, die die späteren Informationsfachkräfte befähigen, kompetent mit den IT-Verantwortlichen zu interagieren.

So wie wissenschaftliche Bibliotheken meist in Forschungseinrichtungen integriert sind, werden Öffentliche Bibliotheken vermutlich bald Bestandteil von Begegnungsstätten sein, in denen unter einem Dach auch andere kommunale Dienstleistungen erhältlich sind. Fragen des Bibliotheksbaues, der Ausstattung, der Wegweisersysteme etc. werden dann von der übergeordneten Körperschaft oder Dienstleistern bearbeitet werden.

Über die Autoren

Barbara Müller-Heiden

Marlies Ockenfeld

Literaturverzeichnis

European Council of Information Associations (ECIA) (Hrsg.) (2005): Euroguide: Handbuch für Informationskompetenz. Band 1: Kompetenzen und Soft Skills der Informationsfachleute in Europa. Frankfurt a. M.: DGI.Search in Google Scholar

Gantert, K.; Hacker, R. (2008): Bibliothekarisches Grundwissen. München: K. G. SaurSearch in Google Scholar

Kunze, Horst (1977): Grundzüge der Bibliothekslehre (4. Aufl.) Leipzig: Verlag für Buch- u. Bibliothekswesen, VEB [München: Verlag Dokumentation in Komm.].Search in Google Scholar

Seefeldt, Jürgen; Syré, Ludger (2017): Portale zu Vergangenheit und Zukunft. Hildesheim: Olms. Search in Google Scholar

DGI-Fachgruppe Arbeitskreis Terminologie und Sprachfragen (2023): Terminologie der Information und Dokumentation (TID 3 – Kurzfassung). Frankfurt a. M.: DGI. (in Vorbereitung).Search in Google Scholar

Online erschienen: 2022-12-02
Erschienen im Druck: 2022-11-27

© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

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Downloaded on 24.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bfp-2022-0034/html
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