Warum wurde die Arbeitsgruppe der VDL »Grundsatzfragen der praktischen Denkmalpflege« gegründet?
Einen wesentlichen Teil der inhaltlichen Arbeit und des fachlichen Austauschs der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern leisten deren zwölf Arbeitsgruppen. Neu gegründet wurde im Oktober 2021 die Arbeitsgruppe »Grundsatzfragen der praktischen Denkmalpflege«. Sie versteht sich als Plattform für den länderübergreifenden Austausch rund um die denkmalpflegerische Praxis und ihre fachliche Verankerung.
Die Arbeit der entsprechenden Abteilungen für Bau- und Kunstdenkmalpflege in den Ämtern wird unter anderem als umfassender Aushandlungsprozess im Umgang mit dem Denkmal und den Interessen der Eigentümer*innen verstanden. Die grundsätzliche Beschäftigung mit diesen Prozessen und die Analyse der Voraussetzungen für eine erfolgreiche denkmalpflegerische Begleitung von Baumaßnahmen war bisher nicht Inhalt einer der Arbeitsgruppen. Die konstituierende Sitzung der AG fand im Herbst 2021 in Wiesbaden statt, auf der die Ausrichtung und erste Handlungsfelder definiert und verabredet wurden. Selbstverständlich ist, dass es Schnittstellen zu anderen AGs der VDL und auch zu anderen Arbeitskreisen gibt.
Die AG wurde bis Herbst 2024 durch ein vierköpfiges Team koordiniert; Dr. Claudia Euskirchen aus dem Rheinland, Dr. Simone Meyder aus Westfalen, Dr. Nils Meyer aus Hamburg und Dr. Andreas Salgo aus Brandenburg. Seit Herbst 2024 sind Andreas Salgo und Simone Meyder die Sprecher*innen.
Vor welchem Hintergrund ist die Arbeit der AG zu sehen?
Die Denkmalpflege stützt sich international auf eine lange Tradition und Entwicklungsgeschichte und ist seit vielen Jahrzehnten mit ihren spezifischen Aufgabenstellungen spätestens seit dem europäischen Denkmalschutzjahr 1975 auch als Teil der Gesetzgebung aller deutschen Bundesländer etabliert.
Die wichtigste Aufgabe der praktischen Denkmalpflege ist die Beratung und Begleitung von Erhaltung und Sanierung der einzelnen Baudenkmale. Dies geschieht durch die Begleitung aller Aushandlungsprozesse zwischen den Eigentümer*innen, den am Bau beteiligten Fachleuten und gegebenenfalls weiteren Fachdisziplinen und Behörden. Über die Betrachtung einzelner Denkmäler hinaus gehören die Diskurse zu übergeordneten Fachthemen auf unterschiedlichen inhaltlichen und gesellschaftlichen Ebenen dazu. Es werden Fachstandards und denkmalpflegerische Methoden erarbeitet und überprüft. Mit vielen beteiligten Akteur*innen werden aktuelle Themen, zum Beispiel Fragen zur Verbindung von Denkmalschutz und Klimaschutz, die Einbindung der Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen und andere kultur- und gesellschaftspolitisch relevante Themen bearbeitet. Selbstverständlich gehört auch die Expertise zu fachlichen Fragestellungen und Standards wie zum Beispiel Grundsätze zur Umnutzung von Kirchen zu unseren Inhalten.
Bei allen Prozessen und Diskussionen treffen sehr verschiedene inhaltliche Themen mit vielfältigen Sichtweisen und Erwartungen aufeinander, die immer wieder aus der Sicht der Denkmalpflege möglichst transparent und kompetent erklärt werden müssen.
Die Qualität der Vermittlung der fachlichen Haltungen der Denkmalfachämter gegenüber unserem Partnerumfeld ist die wesentliche Voraussetzung für das Verständnis und das Ergebnis, welches wir im Umgang mit dem Denkmal erzielen. Wesentlich ist hier eine möglichst einheitliche Haltung zu Grundsatzfragen, Fachstandards und Methoden innerhalb der Ämter, aber auch im deutschlandweiten Vergleich. Die Transparenz unserer Arbeit ist von hoher Bedeutung für das Erfüllen der gesetzlichen Aufgaben.

Gruppentreffen in Dresden, 2025
Dabei ist das »System Denkmalpflege« kein starres, vielmehr muss es sich im Rahmen der fachlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen stets überprüfen und gegebenenfalls ändern lassen. Mit unseren Grundpositionen, die auf der Basis der Erhaltung von Substanz und Erscheinungsbild stehen, müssen wir immer wieder auf aktuelle Anforderungen neu reagieren können, wie zum Beispiel im Kontext der weltweiten Klimakrise und der damit verbundenen Energiewende.
Handlungsfelder und Arbeitsschwerpunkte der AG
Aufgrund des zum Teil denkmaltheoretischen Charakters der Themen, bei deren Bearbeitung prozesshafte, arbeitsethische, soziale und kommunikationswissenschaftliche Aspekte eine Rolle spielen, hat die Arbeitsgruppe den Charakter eines Labors bzw. einer Ideenwerkstatt.
Nach intensiven Diskussionen in der AG wurden zunächst vier Schwerpunkte herausgearbeitet:
Grundsatzfragen theoretischer und »denkmalethischer« Natur: Hier geht es um die Diskussion von Leitgedanken der Denkmalpflege und deren Überprüfung auf ihre individuelle Tauglichkeit für die zeitgemäße denkmalpflegerische Praxis.
Das Rollenbild und Selbstverständnis der Arbeit in der praktischen Denkmalpflege. Diese Untersuchung betrifft das Fremdbild und das Selbstbild, die Effektivität der amtsinternen Strukturen, Aufgaben und Zuordnungen sowie die Möglichkeiten und Grenzen der fachlichen Beratung.
Die Optimierung fachlicher Prozesse und Verfahren im Umgang mit den Denkmalen. Wie kann man die an der Erhaltung der Denkmale beteiligten Akteure konstruktiv begleiten und für die denkmalfachlichen Belange sensibilisieren? Wie kann der notwendige Ausgleich zwischen Fachlichkeit, Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit nachvollziehbar geschehen?
Vermittlung, Wissenstransfer und Qualitätssicherung. Wie können neue Erkenntnisse, auch solche, die in der Baupraxis erworben wurden, effektiv organisiert unseren Kolleg*innen, den Partnern in den unteren Denkmalschutzbehörden und anderen Partnerinstitutionen vermittelt werden? Wie kann eine Qualifizierung der Nachwuchskräfte gelingen? Welche Möglichkeiten der Fortbildung der am Bau beteiligten Personen, insbesondere der Planenden, können wir nutzen? Besonders bei diesem Arbeitsschwerpunkt ergeben sich viele Schnittstellen zur VDL -Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit und der aus dem Verband der Hochschullehrer*innen hervorgegangenen AG »Theorie und Lehre in der Denkmalpflege«.
Als erste Aufgabe schien die Diskussion und Evaluierung des Themas: »Fremd- und Selbstbild der praktischen Denkmalpflege« am dringendsten zu sein. Dabei waren folgende Fragestellungen wichtig: Wie gelingt es, eine breite Akzeptanz für denkmalpflegerisches Handeln zu schaffen? Wie stark divergieren die eigene Wahrnehmung und die Wahrnehmung Dritter hinsichtlich der Erfolge und Niederlagen der Denkmalpflege? Können Handlungsempfehlungen formuliert werden, um Selbstbild und Fremdbild in bessere Deckung zu bringen?
Eine methodische Annäherung wurde durch einen Abgleich der eigenen Wahrnehmung von Vermittlungserfolgen mit der Wahrnehmung durch Dritte unternommen. So diente die 2016 veröffentlichte Standortbestimmung der VDL im » Leitbild Denkmalpflege« als Grundlage für die Analyse und Reflexion des Selbstbildes. Als Informationsquellen für das Fremdbild wurden existierende Analysen genutzt, wie beispielsweise das Umfrageergebnis der Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH (Forsa) von 2015 im Auftrag der ZEIT-Stiftung zu schutzwürdigen Gebäuden und Kulturgütern oder eine jüngste Umfrage des Deutschen Architektenblatts »Was schützen, wie weiterbauen« (veröffentlicht im August 2023). Auch wurde auf eine durch die AG im März/April 2023 initiierte Instagram-Umfrage in der Fachcommunity (Baden-Württemberg und VDL) zurückgegriffen.
Als Ergebnis der Diskussion über das Fremd- und Selbstbild wurde in der Herbstsitzung 2023 in Halle (Saale) zusammenfassend das Arbeitspapier »Unser Selbstverständnis« formuliert. Die Erarbeitung dieses Papiers war nicht nur für das Selbstverständnis der Arbeitsgruppe wichtig. Vielmehr sind diese Arbeitsergebnisse nun in die VDL Imagekampagne »MehrWert« eingeflossen.
Der letzte Arbeitsschwerpunkt der AG war das Thema der Aus- und Weiterbildung unserer Partner*innen mit einem Schwerpunkt auf der Gewinnung von gut ausgebildeten Nachwuchskräften. Hierbei standen der Austausch und die gemeinsame Arbeit mit Vertreter*innen der Hochschulen und der VDL -AG »Volontariat in der Denkmalpflege« im Mittelpunkt. In der Herbstsitzung 2024 in Brandenburg an der Havel und der Frühjahrssitzung 2025 in Dresden wurden Positionspapiere zu den Themen Studium und Volontariat in der Denkmalfachbehörde erarbeitet. Als nächstes Thema der AG sollen bundesweite Standards und Grundsätze zu Umnutzungen von Kirchen betrachtet werden.
Des Weiteren befasst sich die AG auch regelmäßig unterstützend mit den Schwerpunktthemen der jeweils bevorstehenden Jahrestagungen. So standen »Prozesse in der Denkmalpflege« (Saarland 2023), »Denkmalpflege und Partizipation« (Baden-Württemberg 2024) und »Wege in die Denkmalpflege« (Bayern 2025) auf der Tagesordnung der Arbeitsgruppentreffen. Außerdem beschäftigt sich die AG mit den Erfahrungen, die die einzelnen Länder im Umgang mit dem Themenkomplex Klimaschutz und Denkmalschutz gemacht haben.
Wie in allen Arbeitsgruppen stellt die Möglichkeit eines länderübergreifenden Austauschs auch in dieser AG für alle Mitwirkenden eine große Bereicherung dar.
Aus dem Ideenlabor der ersten Zeit wird sich die fachliche Ausrichtung der Arbeitsgruppe weiter entwickeln. Im Sinne einer bundesweiten Vernetzung werden zukünftig auch Ansätze zur Vermittlung einzelner Themenkomplexe entwickelt werden. Damit soll die Wirksamkeit denkmalpflegerischen Handelns und Denkens unterstützt werden.
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Abbildungsnachweis:
Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Symon Schirmer
© 2025 Claudia Euskirchen/Nils Meyer/Simone Meyder/Andreas Salgo/Ruth Klawun, published by De Gruyter
This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License.
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