Startseite Bildungswissenschaften Warnke, Silvia: Religiöse Bildung mit Elementen aus der Popularkultur. Praktische Unterrichtskonzeptionen für den Religionsunterricht an Realschulen in Bayern (Studien zur Kirchengeschichte und Theologie, Bd. 10), Gabriele Schäfer Verlag, Herne 2015. 428 S., kartoniert, mit fünf farbigen Tabellen und einem Farbfoto, 27,90 €.
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Warnke, Silvia: Religiöse Bildung mit Elementen aus der Popularkultur. Praktische Unterrichtskonzeptionen für den Religionsunterricht an Realschulen in Bayern (Studien zur Kirchengeschichte und Theologie, Bd. 10), Gabriele Schäfer Verlag, Herne 2015. 428 S., kartoniert, mit fünf farbigen Tabellen und einem Farbfoto, 27,90 €.

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Veröffentlicht/Copyright: 1. Mai 2016
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Die vorliegende Studie von Silvia Warnke – Studienrätin im Realschuldienst in Braunschweig und München sowie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik an der LMU München – zeigt Perspektiven und Unterrichtskonzeptionen für religiöse Bildung im schulischen Kontext in Bezug auf den Einsatz von „Popularkultur“ auf und wurde als Dissertation an der Katholisch-Theologischen Fakultät der LMU München angenommen.

Die Zielsetzung der Arbeit ist es, „mit Blick auf die religiöse Bildung Chancen und Grenzen für den Einsatz von Popularkultur im Religionsunterricht aufzuzeigen“ (11) und „der Wechselwirkung und dem Verhältnis von Religion und Populärem auf die Spur zu kommen“ (12). Dadurch könnten die Grundlagen für einen Religionsunterricht gewährleistet werden, „der den Jugendlichen heutzutage eine religiöse Bildung individuell, attraktiv und hilfreich für die eigene Identität bzw. das eigene Leben zukommen lassen möchte“ (28).

Zentraler Ausgangspunkt ist neben der Relevanz des Zusammenhangs von Bildung und Religion, dass an die Stelle bisheriger institutionalisierter Formen von Religion eine „‚neue‘ Religiosität“ (12) getreten sei, wobei insbesondere die Verzahnung von Religion und Popularkultur im (katholischen) Religionsunterricht an Realschulen (in Bayern) viele Möglichkeiten biete. Die katholische Perspektive auf die Thematik sei dabei bewusst intendiert, da dies als Desiderat in der katholischen Religionspädagogik ausgemacht wird.

Methodisch geht es ihr „weniger um eine intensive theologische Durchdringung als vielmehr um einen kreativen didaktischen Zugang“, da diese Studie einer „handlungsorientierten berufspraktischen Forschungsrichtung“ (24) zuzuordnen sei. Als weitere „methodische Vorgehensweise“ nimmt sie für die Schulform Realschule eine „didaktisch-methodische Aufbereitung eines exemplarisch ausgewählten Lehrplanthemas auf der Basis der vorher ausgeführten wissenschaftlichen Erkenntnisse“ (25) vor. Insgesamt verbleibt die Darstellung der Methode knapp: die Vf. verweist auf eine phänomenologische Betrachtung, einen hermeneutischen Ansatz, einen so genannten kreativen didaktischen Zugang, die Interdisziplinarität, eine konstruktive Herangehensweise sowie eine methodisch-didaktische Aufbereitung, ohne dies jedoch näher auszuführen. Zudem fehlt eine Forschungshypothese ebenso wie ein detailliertes Forschungsdesign.

Im ersten Kapitel nimmt die Vf. eine Definition der Begriffe Religion und Religiosität vor, wobei sie mit Luckmann Religion als unsichtbare Religion definiert, die in jedem Menschen, in allen Gedanken und Handlungen eine Rolle spiele. Demnach habe die Popularkultur als Produkt eines Menschen immer etwas mit Religion zu tun. Und in Bezug auf Hermann Schrödter beschreibt sie Religion als „Gesamtheit aller Erscheinungen, in denen Menschen das Bewusstsein der radikalen Endlichkeit ihrer Existenz und deren reale Überwindung ausdrücken“ (51), da diese Definition einen heuristischen Zugriff auf religiöse Empfindungen Jugendlicher ermögliche.

Weiter differenziert sie zwischen Spiritualität und Glauben sowie zwischen Religion und Religiosität, wobei – im Rückgriff auf verschiedene empirische Untersuchungen – die beobachtbare Entwicklung und Ausprägung von Religiosität bei der Definition und Analyse im Vordergrund steht. Diesen phänomenologischen Zugriff verfolgt sie weiter, indem sie im zweiten Kapitel die Zielgruppe Jugendliche und deren Verhältnis zu Religion und Medien aufgrund der Ergebnisse des SINUS-Lebensweltenmodells U18 und der Shell-Studien beschreibt. Sie skizziert, dass Jugendliche gegenwärtig als „religiöse Touristen“ in religiöse oder quasireligiöse Kontexte eintauchen und sich opportunistisch adäquate Angebote auswählen würden. Dieser Aspekt sei in Bezug auf den Gebrauch von Medien religionspädagogisch zu nutzen.

Im dritten Kapitel stehen die Beschreibung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und insbesondere der Einfluss der Popularkultur auf die religiöse Entwicklung im Vordergrund. Gelungen und weiterführend sind hierbei die Ausführungen zu den neurobiologischen Erkenntnissen. Die gängigen Stufenmodelle von Oser/Gmünder und von Fowler werden von der Vf. kritisch betrachtet, jedoch weiterhin als hilfreich für die Planung des Religionsunterrichts angesehen; so werden die Schüler der Realschule dabei den Stufen 2 und 3 (Oser/Gmünder) zugeordnet und einige seien bereits auf der 4. Stufe.

Im vierten Kapitel untersucht die Vf. den Einfluss von Popularkultur auf die religiöse Bildung und die konkreten Auswirkungen auf die didaktisch-methodischen Entscheidungen. Der Begriff „Popularkultur“ wird als eng zusammenhängend mit dem Begriff „Medienkultur“ umrissen, da diese sich insbesondere auf die Medien wie Film, Musik, Internet sowie Kinder- und Jugendliteratur als „Zeichen unserer Zeit“ (22) bezöge. Spannungsfelder von Religion und Literatur, Religion und Musik und Religion und Film werden hier mit Chancen und Grenzen aufgezeigt. Die Vf. weist zudem darauf hin, dass seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein wertschätzender Umgang mit Popularkultur im Entstehen sei, welchen es für den Religionsunterricht weiter zu fördern gelte.

Insgesamt definiert sie die Begriffe Religion bzw. Religiosität, Popularkultur und Jugend immer phänomenologisch im Zusammenhang mit dem Religionsunterricht, wobei sie Religion und Popularkultur dichotomisch betrachtet, z. B. die Spannungsfelder sakral-profan, kirchlich-weltlich oder populär-unpopulär. Vorteile dieser Definition sieht sie dabei in der damit gegebenen heuristischen Zugriffsmöglichkeit.

Im letzten Kapitel werden praktische Unterrichtskonkretionen für das für die 9. Klasse vorgesehene Lehrplanthema „Tot – was dann? – Hoffnung über den Tod hinaus“ in Verbindung von Religion und Popularkultur vorgestellt. Ausgehend von den Kompetenzen für den bayrischen Realschullehrplan des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (Realschule R6) zeigt die Vf. die Relevanz von ausgewählten Medien aus der Popularkultur zum Thema „Tod und Sterben“ im Religionsunterricht auf, wobei die jeweiligen Zugänge über Film, Kunst, Jugendliteratur, Pop- und Rockmusik und Youtube in ihren Möglichkeiten und Grenzen ausgelotet werden. Dieses knapp 100 Seiten umfassende Kapitel stellt auch das Herzstück der Dissertation dar. Hier fließen die theoretisch erarbeiteten Erkenntnisse in sorgfältig geplante und gut durchdachte Unterrichtsanalysen ein, sodass sich für den Religionsunterricht viele neue Möglichkeiten und Themen ergeben.

Relevant werden insbesondere die Themenbereiche Suizid/Drogen, Abschied nehmen/Zurückbleiben/Trauern, Krankheit/Sterben/Sterbehilfe, Jenseitsvorstellungen/leben nach dem Tod und Apokalypse. Sensibel werden hier die jeweiligen Beispiele dargestellt und analysiert, die sowohl für den katholischen als auch für den evangelischen Religionsunterricht interessant sind und auch für die unterschiedlichen Schulformen eingesetzt werden können. Konkrete Arbeitsblattvorgaben, z. B. für die Gestaltung eines Lesetagebuches, ergänzen die Beispiele zur Jugendliteratur und bieten somit eine direkte Einsatzmöglichkeit an. Die Ausführungen zum youtube-Kanal sind ebenfalls sehr interessant, aktuell und religionspädagogisch weiterführend.

Für die Auswahl der vorgestellten Bücher und Filme legt die Vf. keine Begründung vor. Hier hätten Bezüge zu dem zuvor theoretisch erarbeiteten Zusammenhang von Religion und Popularkultur, z. B. eine Kriteriologie – z. B. nach der zuvor vorgestellten Dichotomie von heilig-profan oder kirchlich-weltlich die Ergebnisse – gegebenenfalls systematisieren können.

Auch eine Einordnung der methodischen Prinzipien zur Filmanalyse oder zum Umgang mit Literatur und Musik zu den jeweiligen fachdidaktischen Ansätzen (Kindertheologie, Performative Religionsdidaktik, Interreligiöse Perspektive, Korrelationsdidaktik etc.) hätte eine systematisch-strukturierte Darstellung (z. B. Singen/Musik als methodisches Prinzip der Performativen Religionsdidaktik) ermöglicht, werden einige Ansätze doch bereits kurz im vierten Kapitel erwähnt.

Interessant und in jedem Fall sehr lesenswert ist daher besonders das fünfte Kapitel mit exemplarischen Unterrichtsanregungen, die Darstellung der Kompetenzen sowie die zusammenfassende thematische Analyse (Kapitel 6), in deren Rahmen insbesondere das Spannungsfeld von Bildung, Religion und Popularkultur deutlich aufgezeigt wird. Besonders hervorzuheben ist auch das knapp 50-seitige Literaturverzeichnis, welches insbesondere für den Einsatz von Filmen, Musik- bzw. Youtube-Sequenzen eine hervorragende religionspädagogische Quelle bietet.

Die Vf. zieht dass Fazit, dass die in der Dissertationsschrift vorliegende unvoreingenommene Wahrnehmung von Religion und Religiosität im Sinne eines heuristischen Zugriffs einen Zugang zur „profanen“ Popularkultur eröffnet habe, die mittlerweile im Leben der Jugendlichen einen nahezu „sakralen“ Charakter erreicht habe (371). Zudem zeigt sie im Rückgriff auf Pirner abschließend Kriterien für die Arbeit mit Medien im Religionsunterricht auf.

Die Dissertationsschrift schließt somit eine Lücke im Desiderat praxisorientierter Unterrichtskonkretionen im katholischen Religionsunterricht an Realschulen im Hinblick auf die Thematik „Tod und Sterben“. Sie zeichnet sich insgesamt durch einen guten Überblick zu den verschiedenen Medien mit ihren Chancen und Grenzen zur Thematik aus.

Viele Ergebnisse können gut auf empirische Untersuchungen mit neuen Fragestellungen übertragen werden, z. B. zu anderen Themen im Religionsunterricht (wie Gebet oder Beichte, Dialog mit anderen Religionen im Internet) oder auch für den evangelischen Religionsunterricht oder für den Religionsunterricht in anderen Schulformen. Zudem evoziert die Studie auch weitere Fragen in Bezug auf die Lehrerausbildung, denn wenn die lebensweltliche Relevanz von Musik, Literatur und Filmen und Internet für die Schülerinnen und Schüler so bedeutsam ist, sollte die Medienkompetenz von Lehrkräften bereits in der Hochschulausbildung in entsprechenden Seminaren oder Übungen geschult werden. So fordert die Verfasserin zu Recht, dass zukünftige Lehrerinnen und Lehrer bereits in der Ausbildung „mit ganz besonderen Kompetenzen, Kenntnissen und Gespür für gegenwärtige Entwicklungen ausgestattet werden müssen“ (378).

Online erschienen: 2016-5-1
Erschienen im Druck: 2016-3-1
Erschienen im Druck: 2016-5-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Titelseiten
  3. Artikel
  4. Vorwort der Herausgebenden
  5. Editorial
  6. Unterscheiden, was zusammengehört
  7. Die Rede von der Wahrheit im christlichen Leben. Neutestamentlich-hermeneutische Anmerkungen
  8. Gott sei Dank, die Wahrheit
  9. Pädagogische Wahrheit(en). Über Erziehung
  10. Kann Kindertheologie auch unwahr sein?
  11. Elementare Wahrheiten – Versuch einer Präzisierung
  12. Die Wahrheitsfrage als Herausforderung Interreligiösen Lernens
  13. „Wahrheitsfähigkeit“ als professionelles Können – Implikationen für die Religionslehrer/innenbildung
  14. Ahmad Mansour, Generation Allah: Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen. Frankfurt am Main: S. Fischer. 2015, 270 S., € 19,99. Kurt Edler, Islamismus als pädagogische Herausforderung. Stuttgart: Kohlhammer. 2015, 116 S., € 22,99.
  15. Zimmermann, Mirjam: Interreligiöses Lernen narrativ. Feste in den Weltreligionen, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 2015, 142 S., € 18,00 Zimmermann, Mirjam: Feste in den Weltreligionen. Narratives Unterrichtsmaterial für die Sekundarstufe I, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 2015, 95 S., € 23,00
  16. Rudolf Englert, Helga Kohler-Spiegel, Elisabeth Naurath, Bernd Schröder, Friedrich Schweitzer (Hg.): Religionspädagogik in der Transformationskrise: Ausblicke auf die Zukunft religiöser Bildung (JRP 30), Neukirchen-Vluyn, Neukirchner 2014, 222 S., € 32,00.
  17. Warnke, Silvia: Religiöse Bildung mit Elementen aus der Popularkultur. Praktische Unterrichtskonzeptionen für den Religionsunterricht an Realschulen in Bayern (Studien zur Kirchengeschichte und Theologie, Bd. 10), Gabriele Schäfer Verlag, Herne 2015. 428 S., kartoniert, mit fünf farbigen Tabellen und einem Farbfoto, 27,90 €.
Heruntergeladen am 13.12.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zpt-2016-0014/html
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