Volume 17, Issue 9

I. Einführung Der Bundesgerichtshof befasst sich in den vorliegenden Entscheidungen vom selben Tag mit der Frage des Auslagenersatzes für den Insolvenzverwalter, wenn er vom Gericht mit der Vornahme von Zustellungen an Verfahrensbeteiligte beauftragt wurde, die nach den Vorschriften der Insolvenzordnung dem Insolvenzgericht obliegen (§ 8 Abs. 3 InsO). Die Sachverhalte der Entscheidungen betreffen Insolvenzverfahren, die zum einen vor dem 1.1.2004, zum anderen nach diesem Zeitpunkt eröffnet worden sind. Dieses Datum ist deshalb von Bedeutung, weil die Neuregelung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung zum pauschalierten Auslagenersatz nach § 8 Abs. 3 InsVV durch die Erste InsVV-Änderungsverordnung vom 4.10.2004 nach § 19 Abs. 1 InsVV für Verfahren gilt, die nach dem 1.1.2004 eröffnet worden sind. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind sachlich aufeinander abgestimmt, sie enthalten in ihren Begründungen teilweise identische Aussagen.

I. Einführung Häufig sehen sich vorläufige Insolvenzverwalter mit dem Problem konfrontiert, dass die zur Betriebsfortführung notwendige Aufrechterhaltung geschäftlicher Verbindungen des Schuldners eine Befriedigung sämtlicher Altforderungen der zu weiteren Lieferungen oder Werk-/Dienstleistungen erst nach Bezahlung ihrer offenen Rechnungen bereiten Gläubigern voraussetzt. Dabei stellt sich die Frage, ob eine solche Vereinbarung später angefochten (§ 132 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und entsprechende Zahlungen nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO wieder zurückgefordert werden können, obwohl mit der nur nach dem Ausgleich von Altforderungen möglichen Fortführung des Betriebs für alle eine höhere Befriedigungsquote als bei seiner Zerschlagung erzielt werden kann. Trotz Ungleichbehandlung scheint es hier an einer Benachteiligung zu fehlen. Das Ziel des Insolvenzverfahrens ist eine möglichst hohe Befriedigung (Quote) der Gläubiger, was in Bestimmungen wie § 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO und § 38 InsO zum Ausdruck kommt. Die Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger ist jedoch ebenfalls Zweck des Verfahrens, denn bei dem Ausschluss der Einzelzwangsvollstreckung (§ 89 Abs. 1 InsO) und der von § 39 Abs. 1 InsO vorgeschriebenen Befriedigung aller im gleichen Rang stehenden Forderungen nach dem Verhältnis ihrer Beträge handelt es sich um ein grundlegendes Prinzip. Ausnahmen müssen gesetzlich vorgesehen sein und sind abschließend aufgezählt (§ 39 Abs. 1 Nr. 1–5 InsO). Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob die Befriedigung von Insolvenzforderungen durch oder mit Zustimmung vorläufiger Verwalter unter bestimmten Voraussetzungen wirksam ist und höchstens angefochten werden kann oder stets dem Zweck des Insolvenzverfahrens zuwider laufende Rechtshandlungen vorliegen.

I. Einleitung In der forensischen Praxis stehen Richter kontinuierlich vor Fragen, die sie anhand eigener Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mit ausreichender Sicherheit zu beantworten vermögen. Vornehmlich aufgrund wachsender Technisierung und beruflicher Spezialisierung in diversen Lebensbereichen haben Richter zunehmend weniger die notwendige Übersicht, um die ihnen theoretisch allein zustehende Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) vorzunehmen. In dieser Situation besteht die Möglichkeit, spezielle Kenntnisse durch Zuziehung eines Sachverständigen gemäß §§ 402 ff. ZPO zu erlangen.

I. Einleitung Es haben sich Rechtsprechung und Schrifttum lange gemüht, den Missbrauch der aktienrechtlichen Anfechtungsklage zu präzisieren und typologisch zu umfassen. Bisher ist eine tatbestandliche Verfestigung jedoch noch nicht gelungen. Überwiegend ursächlich hierfür ist, dass nach § 245 AktG nahezu jeder Aktionär, ohne ein besonderes Rechtsschutzinteresse dartun zu müssen, einen Hauptversammlungsbeschluss wegen einer behaupteten Verletzung des Gesetzes oder der Satzung anfechten kann. Lediglich jene Sachverhalte, in denen der Anfechtende die Klage mit dem ausschließlichen Ziel betreibt, die AG in grob eigennütziger Weise zu einer gesetzeswidrigen Leistung zu veranlassen, sind nach überwiegender Meinung eindeutig als rechtsmissbräuchlich einzuordnen. Es ist jedoch bis heute nicht abschließend geklärt, inwieweit der Vorstand sich an einem solch illoyalen Vorhaben beteiligen darf, auch wenn der von ihm beabsichtigte Abkauf der Klage von dem Motiv dominiert ist, die Gesellschaft vor größerem Schaden zu bewahren.

Richtlinie 80/987/EWG Art. 8 Urteil vom 25.1.2007 – Rs. C-278/05 (Carol Marilyn Robins u. a. ./. Secretary of State for Work and Pensions) 1. Art. 8 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ist in dem Sinne auszulegen, dass die Finanzierung erworbener Rechte auf Leistungen bei Alter in dem Fall, dass der Arbeitgeber zahlungsunfähig wird und die Aktiva betrieblicher oder überbetrieblicher Zusatzversorgungseinrichtungen nicht ausreichen, weder zwangsläufig von den Mitgliedstaaten selbst sichergestellt werden noch vollständig sein muss. 2. Art. 8 der Richtlinie 80/987 steht einem Schutzsystem wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegen. 3. Im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie 80/987 hängt die Haftung des betreffenden Mitgliedstaats von der Feststellung ab, dass dieser Staat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt waren, offenkundig und erheblich überschritten hat.

InsO § 8; InsVV §§ 4, 8 n. F. Beschluss vom 21.12.2006 – IX ZB 129/05 1. Nach Inkrafttreten der Änderungsverordnung vom 4.10.2004 können die sächlichen Kosten, die dem Insolvenzverwalter infolge der Übertragung des Zustellungswesens durch das Insolvenzgericht entstanden sind, neben der allgemeinen Auslagenpauschale geltend gemacht werden. 2. Die durch die Besorgung der Zustellungen angefallenen Personalkosten können dem Insolvenzverwalter nicht im Wege des Auslagenersatzes erstattet werden. (Vorgehend: AG Bad Hersfeld, 4.2.2005 – 11 IN 30/04; LG Fulda, 18.3.2005 – 5 T 104/05)

InsO § 7; InsVV § 4, § 8 a. F.; ZPO §§ 567, 572, 577 Beschluss vom 21.12.2006 – IX ZB 81/06 1. War die sofortige Beschwerde unzulässig, hat das Beschwerdegericht sie jedoch sachlich verbeschieden, ist diese Entscheidung auf eine zulässige Rechtsbeschwerde hin aufzuheben und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen; ist allerdings auch die Rechtsbeschwerde unzulässig, muss sie ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit der vorausgegangenen sofortigen Beschwerde verworfen werden. 2. Wird mit der sofortigen Beschwerde ein neuer Hilfsantrag gestellt, ist dieser nicht Gegenstand der Abhilfeentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts; das Beschwerdegericht darf die Verbescheidung des Hilfsantrags nicht wegen Fehlens einer Abhilfeentscheidung unterlassen. 3. Nach dem vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung vom 4.10.2004 geltenden Recht können die Auslagen, die dem Insolvenzverwalter infolge der Übertragung des Zustellungswesens durch das Insolvenzgericht entstanden sind, nicht im Wege der Einzelabrechnung neben der allgemeinen Pauschale geltend gemacht werden. 4. Die durch die Besorgung der Zustellungen angefallenen Personalkosten können dem Insolvenzverwalter nicht im Wege des Auslagenersatzes erstattet werden. (Vorgehend: AG Aschaffenburg, 13.9.2005 – IN 60/03; LG Aschaffenburg, 26.4.2006 – 4 T 15/06)

GmbHG §§ 19, 55 Urteil vom 12.2.2007 – II ZR 272/05 1. Der Tatbestand einer verdeckten Sacheinlage bei der Barkapitalerhöhung einer GmbH setzt einen unmittelbaren oder mittelbaren Einlagenrückfluss an den Inferenten als Vergütung für eine von ihm erbrachte oder absprachegemäß zu erbringende Leistung voraus. Sonstige Absprachen zwischen dem Inferenten und der Gesellschaft über die Verwendung der Einlagemittel sind unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung unschädlich. 2. Eine verdeckte Sacheinlage liegt nicht schon dann vor, wenn die von einer Konzerngesellschaft auf das erhöhte Kapital ihrer Tochter-GmbH geleistete Bareinlage absprachegemäß zum Erwerb des Unternehmens einer Schwester-Gesellschaft verwendet wird, an welcher die Inferentin weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt ist. (Vorgehend: LG Traunstein, 21.2.2005 – 2 HKO 2929/04; OLG München, 6.10.2005 – 23 U 2381/05)

InsVV §§ 2, 3, 10, 11 Beschluss vom 22.2.2007 – IX ZB 120/06 1. Bleibt die Erhöhung der Vergütung durch Massemehrung aufgrund Fortführung des Unternehmens hinter dem Betrag zurück, der dem Verwalter bei unveränderter Masse als Zuschlag gebühren würde, so ist ihm ein diese Differenz in etwa ausgleichender Zuschlag zu gewähren. 2. Die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes rechtfertigt einen Zuschlag in der Regel nur, wenn mehr als 20 Arbeitnehmer betroffen sind. (Vorgehend: AG Essen, 16.9.2005 – 162 IN 282/03; LG Essen, 16.6.2006 – 16 a T 77/05)

InsO § 131; AGB-Banken Nr. 15 Urteil vom 8.3.2007 – IX ZR 127/05 Die Sicherungsabtretung der einem Scheck zugrunde liegenden Forderung an die den Scheck einziehende Bank ist als inkongruente Sicherung anfechtbar. (Vorgehend: LG Weiden i. d. OPf., 7.9.2004 – 1 O 163/04; OLG Nürnberg, 20.6.2005 – 8 U 3614/04)

BGB §§ 22, 42, 58 Hinweisbeschluss vom 23.4.2007 – II ZR 190/06 Auch bei einem Verein mit wirtschaftlicher Zielsetzung endet, falls die Satzung nichts Abweichendes bestimmt, die Beitragspflicht der Mitglieder mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vereinsvermögen (im Anschluss an BGHZ 96, 253). (Vorgehend: AG Hameln, 3.2.2006 – 23 C 305/05 (3); LG Hannover, 19.7.2006 – 10 S 6/06)

InsO § 80; StPO §§ 111 c, 111g Urteil vom 24.5.2007 – IX ZR 41/05 Die Beschlagnahme eines Gegenstandes nach § 111 c Abs. 1 bis 4 StPO hat im Insolvenzverfahren keine Wirkung. (Vorgehend: LG München I, 26.3.2004 – 10 O 19773/03; OLG München, 19.1.2005 – 15 U 3726/04)

AnfG § 11; BGB §§ 135, 136; ZPO §§ 867, 880, 883, 888, 938 Urteil vom 14.6.2007 – IX ZR 219/05 1. Der durch ein eingetragenes richterliches Verfügungsverbot gesicherte Anfechtungsgläubiger kann von dem Gläubiger einer später in das Grundbuch eingetragenen Zwangshypothek verlangen, mit seinem Recht hinter eine eigene Zwangshypothek des Verbotsgeschützten zurückzutreten. 2. Treten richterliche Verfügungsverbote zum Schutz unterschiedlicher Gläubiger gegeneinander in Wettbewerb, so ist das später wirksam gewordene Verbot gegenüber dem durch ein älteres Verbot geschützten Gläubiger (relativ) unwirksam. 3. Der anfechtungsrechtliche Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein weggegebenes Grundstück kann im Grundbuch nicht vorgemerkt werden, sondern ist im einstweiligen Rechtsschutz nur durch richterliches Verfügungsverbot sicherbar (Bestätigung von RGZ 67, 39). (Vorgehend: LG Stralsund, 8.11.2004 – 6 O 366/04; OLG Rostock, 17.11.2005 – 7 U 160/04)

InsO § 3; ZPO § 17 Beschluss vom 14.6.2007 – 74 IN 222/07 1. Ein Fall der Zuständigkeitserschleichung kann auch bei einer noch werbend tätigen Gesellschaft vorliegen (Stellung eines Eigenantrags unter Verschweigen eines vorherigen Fremdantrags und Begleichung der Forderung im Fremdantragsverfahren). 2. Ist ein vorläufiger »schwacher« Insolvenzverwalter bestellt, kann nur dieser einer Erledigungserklärung gemäß § 4 InsO i.V. m. § 91 a ZPO zustimmen. 3. Eine wegen Erfüllung abgegebene Erledigungserklärung ist unbeachtlich, wenn die Antraggegnerin ihre Zahlungsunfähigkeit – etwa durch Stellung eines Eigenantrags bei einem anderen Insolvenzgericht – einräumt.

Insolvenzrecht April bis Juni 2007