Reviewed Publication:
Kozhanov Nikolay Russian Policy Across the Middle East. Motivations and Methods London: Royal Institute of International Affairs – Chatham House (Research Paper) Februar 2018.
Die vorliegende Studie behandelt die Nahostpolitik Russlands seit dem Jahr 2012. Ihr Ziel ist, sowohl die Beweggründe als auch die Herangehensweise der russischen Regierung im Nahen Osten zu beleuchten, und damit eine Grundlage für westliche Politik gegenüber Moskau zu schaffen. Zunächst zeigt der Autor die Entwicklung der russischen Nahostpolitik auf – von einer behutsamen Wiederaufnahme der seit dem Zerfall der Sowjetunion kaum priorisierten Beziehungen in den Jahren 2012 – 2013, über eine Phase des vertieften wirtschaftlichen und politischen Engagements, welches zu einer Militäroffensive im syrischen Bürgerkrieg führte (vom Spätjahr 2013 bis Ende 2015), bis hin zu einem proaktiven, selbstbewussten und bisweilen sogar „vermessenen“ politisch-militärischen Auftreten Moskaus in der Region seit dem Jahr 2016.
Auf dieser Basis erläutert Kozhanov, dass der maßgebliche Auslöser des verstärkten russischen Engagements im Nahen Osten die stetige Verschlechterung der Beziehungen zwischen Moskau und dem Westen war. Meilensteine in dieser Hinsicht sind das Scheitern des ‚Resets’ zwischen den USA und Russland aufgrund der umstrittenen Wiederwahl Vladimir Putins im Jahr 2012 und der seitdem zunehmend anti-westlichen Haltung der Regierung sowie Moskaus Annexion der Krim im Jahr 2014 und die daraus resultierenden Sanktionen seitens westlicher Staaten. Beide Entwicklungen setzen die Beziehung unter Druck, und machten, so Kozhanov, eine strategische Neuausrichtung der russischen Außenpolitik gen Asien unumgänglich.
Konkret ist das Interesse Moskaus, dem Westen durch verstärktes und langfristig angelegtes Engagement im Nahen Osten die eigene internationale Bedeutung zu demonstrieren. Die Kernstaaten sind dabei der Iran, Syrien, Saudi-Arabien, Katar und Israel. Dort verfolgt Moskau einerseits langfristige wirtschafts- und energiepolitische Ziele – z. B. die Förderung von Handelsbeziehungen in den (aus westlicher Perspektive hochumstrittenen) Bereichen Atomkraftenergie und Rüstungsexport, Technologietransfer, sowie beim erweiterten Zugriff auf lokale Energiereserven und bei der Transportinfrastruktur. Zum anderen ist Russland darum bemüht, sich in der Region als eine ernstzunehmende diplomatische und militärische Kraft zu etablieren und so den dortigen Regierungen eine politische Alternative zum Westen anzubieten.
Darüber hinaus hat Moskaus außenpolitisches Wirken im Nahen Osten auch eine innenpolitische Dimension: So sollten Z. B. durch Handels- und Energiekooperation die negativen ökonomischen Auswirkungen der westlichen Sanktionen abgeschwächt und Russlands Gesamtwirtschaft, besonders im Vorfeld der jüngsten Präsidentschaftswahlen stabilisiert werden. Nicht zuletzt hat Moskaus Syrien-Engagement auch das Ziel, die aus Russland und dem postsowjetischen Raum stammenden islamistischen Kämpfer, die, eigenen Angaben zufolge, sich im syrischen Krieg lediglich auf die kommende „Schlacht“ in Russland vorbereiten, direkt zu bekämpfen und damit die nationale Sicherheit zu gewährleisten.
Trotz innenpolitischer Aspekte sind jedoch laut Kozhanov das tragende Leitmotiv der Nahostpolitik Russlands die (schlechten) Beziehungen zum Westen. Dahinter steht das Bedürfnis, eine international (und nicht nur regional) respektierte und beachtete Großmacht zu sein. Derzeit, so der Autor, macht sich Moskau die geo- und sicherheitspolitischen Fehler des Westens im Nahen Osten zunutze, um sich diesem dann als unabdingbarer sicherheits- und energiepolitischer Partner zu empfehlen. Diesen Ruf nach Anerkennung, argumentiert der Autor, sollte der Westen nicht unterschätzen. Anderenfalls würde riskiert, dass Moskau sich, von der empfundenen Missachtung durch den Westen provoziert, zu einem ernsten und unvorhersehbaren Problemstifter in und jenseits der Region entwickelt.
© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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