Reviewed Publication:
Chayes Sarah The Structure of Corruption: A Systemic Analysis Using Eurasian Cases Washington, DC: Carnegie Endowment for International Peace, Publications Department: June 2016.
Die Studie untersucht Korruptionsstrukturen in drei eurasischen Ländern: Aserbaidschan, Kirgisistan und Moldawien. Laut Chayes umfassen in allen drei Ländern korrupte Netzwerke verschiedene gesellschaftliche Sektoren. Regierungseinfluss und fehlende staatliche Strukturen ermöglichen ihr Wirken. Staatliche Funktionen werden darüber hinaus aktiv durch einflussreiche Netzwerke unterwandert und unterminiert, um Finanzströme umzuleiten, Netzwerkmitglieder vor Verfolgung zu schützen und unrechtmäßig erworbene Vermögen abzusichern.
In Aserbaidschan begünstige das repressive, autoritäre Regime zusammen mit schwer nachvollziehbaren Öleinkünften die Unterwanderung staatlicher Institutionen um systematische Korruption zu ermöglichen. Korrupte Netzwerke sind um die Familien des Präsidenten und seiner Gattin gespannt. Die meisten Ministerien und Teile der Armee sind unterwandert. Die Netzwerke sind sowohl vertikal als auch horizontal integriert. Bestechungsgelder werden in der Hierarchie nach oben weitergeleitet, zentral gesammelt und ein Teil wird als Bonus in der Hierarchie nach unten rückverteilt. Diese Boni wiederum sind essentiell für unterbezahlte Staatsbedienstete und verstärken ihre persönliche Abhängigkeit gegenüber höherrangigen Funktionären.
Kirgisistan verfügt laut Chayes über ein loseres Netzwerk als Aserbaidschan, in dem Funktionäre, Berater, Vertraute und Lokalfunktionäre einen Großteil der illegalen Gewinne abgreifen. Dieses Netzwerk beziehe zwar den Präsidenten mit ein, allerdings darf der kirgisische Präsident laut Verfassung nur für sechs Jahre amtieren. Zudem verfüge auch jeder realistische Anwärter auf die Präsidentschaft über eigene Netzwerke. Jedes Netzwerk ist vertikal integriert. Wie in Aserbaidschan werden Bestechungsgelder in der Hierarchie nach oben weitergeleitet. Landenteignungen durch Lokalfunktionäre mit Hilfe gefälschter Dokumente spielen hierbei eine zentrale Rolle.
In Moldawien hingegen sei das Staatsoberhaupt selbst wenig relevant. Das zentrale Korruptionsnetzwerk gehe von Oligarch Vladimir Plahotniuc aus. Plahotniuc besetze zwar kein offizielles Amt, nichtsdestoweniger sei es ihm gelungen, Schlüsselstellen in Institutionen entweder mit Vertrauten zu besetzen oder mit Personen, die zu schwach sind, um sich ihm entgegenzustellen.
In der Regel existieren Verbindungen der korrupten Netzwerke in die Privatwirtschaft. In Aserbaidschan bestehen große Beteiligungsgesellschaften in lukrativen Wirtschaftssektoren, die von korrupten Netzwerken kontrolliert werden. Besonders seien hier das Baugewerbe und der Öl- und Gassektor zu nennen. In Kirgisistan sei auch das Baugewerbe sowie insbesondere der Energiesektor betroffen, in Moldawien Banken und Bauunternehmer. In Moldawien sind angeblich nicht weniger als 12 Prozent des BIP in ausländische Konten von Briefkastenfirmen geflossen.
Von der Autorin wird auch ein Bezug zwischen Beziehungen zu westlichen Staaten und lokalen Korruptionsstrukturen hergestellt. Militär- und Entwicklungshilfe, diplomatische Beziehungen und ausländische Direktinvestitionen begünstigen eine Anreizstruktur, die Korruption belohne. Ebenso gäbe es wenig westliches Engagement gegenüber korrupten Netzwerken in den einzelnen Ländern. Dies ist zum Teil auf politische Überlegungen zurückzuführen. In Aserbaidschan sehen westliche Akteure die Rolle des Regimes weniger kritisch aufgrund der energiepolitischen Bedeutung des Landes und seiner geostrategischen Rolle als Gegenpol zu Teheran. Kirgisistan beherbergte bis 2014 eine strategisch wichtige amerikanische Luftwaffenbasis und Moldawiens korrupte Netzwerke seien zumindest formal pro-EU eingestellt.
Ausländische Investitionen und geschäftliche Beziehungen zu den genannten Ländern können Korruption begünstigen. Korruptionsnetzwerke dürfen laut Chayes auch nicht als rein nationale Organisationen gesehen werden, sondern operieren transnational. Westliche Banken, die von mit lokalen Netzwerken assoziierten Briefkastenfirmen Gelder annehmen oder Immobilienmakler, die ihnen Objekte verkaufen, sind externe Faktoren, die Korruption ermöglichen.
In Aserbaidschan werde Korruption durch ausländische Kanzleien, Offshore-Banken und Briefkastenfirmen ermöglicht. Hinzu kommen ausländische Unternehmen, die in unterwanderten Sektoren wie Aserbaidschans Öl- und Baugewerbe Geschäfte machen. In Kirgisistan werde Korruption durch lettische Banken und ebenfalls durch Offshore-Briefkastenfirmen ermöglicht. Andere externe Faktoren, die Korruption begünstigen, sind Entwicklungshilfe durch EU-Länder sowie den USA und Infrastrukturkredite für Wasserkraftprojekte. In Moldawien spielen Offshore-Briefkastenfirmen und russische Banken eine zentrale Rolle.
Chayes argumentiert, dass auch Entwicklungshilfe problematisch sein kann. Westliche Hilfsorganisationen streben zunehmend Partnerschaften mit lokalen Organisationen an. Oftmals sind örtliche Wohltätigkeitsorganisationen aber in intransparente und korrupte Praktiken involviert. Darüber hinaus entbinde auch apolitische Entwicklungshilfe Regierungen von der Pflicht, öffentliche Güter bereitzustellen und ermögliche es ihnen, Staatseinnahmen für eigennützige Zwecke zu verwenden.
Die Autorin sagt korrupten Netzwerken auch Verbindungen zur organisierten Kriminalität nach, insbesondere zum Drogen- und Warenschmuggel in Kirgisistan und zum Menschenhandel und zur Geldwäsche in Moldawien.
Zentrale Erkenntnisse aus der Studie sind, dass in allen drei Staaten einflussreiche korrupte Netzwerke bestehen, die sowohl den Regierungssektor als auch privatwirtschaftliche Unternehmen unterwandert haben. Sowohl in Kirgisistan als auch in Aserbaidschan stehen die Staatsoberhäupter an der Spitze dieser Netzwerke. Westliche Akteure haben bislang nur geringe Anstrengungen unternommen, gegen diese Netzwerke vorzugehen, obwohl diese maßgeblich von externen Faktoren wie ausländischen Briefkastenfirmen, Immobilienbesitz, Banken und Anwaltskanzleien profitieren. Grundsätzlich muss auch bei Geschäftsbeziehungen, Direktinvestitionen und Entwicklungshilfe davon ausgegangen werden, dass korrupte Netzwerke davon profitieren. Eine Grundbedingung sollte daher sein, dass derartige Zahlungen an unabhängige Journalisten, nach Reformen strebenden Kräften oder an Regierungsfunktionäre und Institutionen fließen, deren Unabhängigkeit verifiziert werden kann. Andernfalls muss davon ausgegangen, dass korrupte Netzwerke von wirtschaftlicher Kooperation, Investitionen und Entwicklungshilfe profitieren.
© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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