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Published/Copyright: November 29, 2021
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Berg Daniel 300 idiomów języka niemieckiego Warszawa PWN 2020 320 pp. ISBN 830118728


Ungeachtet der Tatsache, dass die Vermittlung phraseologischer Einheiten eine wichtige didaktische Aufgabe darstellt, sind Materialien, in denen diese systematisch behandelt werden, bisher nicht ausreichend vorhanden (vgl. Hallsteinsdóttir 2011). Diesem Problem wird teilweise mit dem 2020 im polnischen Verlag PWN[1] erschienenen Buch 300 idiomów niemieckich von Daniel Berg begegnet. Neben 300 deutschen Idiomen, die mit polnischen Äquivalenten versehen und mithilfe von Beispielen illustriert wurden, enthält dieses Lehrbuch einen praktischen Teil mit Übungen zu den aufgeführten idiomatischen Einheiten. Bei der 320 Seiten umfassenden Veröffentlichung handelt es sich nicht um ein Wörterbuch, sondern eher um eine Idiomaufstellung mit Übungsmaterial. Im Folgenden werden die drei Teile der Publikation, die Einleitung, die alphabetische Auflistung der Idiome und die Übungen, besprochen.

In der äußerst knappen Einleitung wird zunächst der Terminus Idiom skizziert, wobei der Schwerpunkt auf seine Funktionen in der Kommunikation gelegt wird. Die inhärenten Merkmale des Begriffs wie Polylexikalität, Idiomatizität und relative Festigkeit werden nicht diskutiert. Auch die Frage der Auswahl von idiomatischen Einheiten wird nicht ausreichend behandelt. Als Hauptkriterium, um in das Verzeichnis aufgenommen zu werden, gilt nach Berg der häufige Gebrauch des jeweiligen Idioms. Der Autor vertritt allerdings die Meinung, dass dies schwer messbar sei, weil man sowohl die Ergebnisse der Suchmaschine Google und von Befragungen als auch das eigene Sprachgefühl berücksichtigen müsse (S. 10). Wie der Verfasser diesbezüglich vorgegangen ist, bleibt offen. Er unterstreicht jedoch: „[B]ei allen Schwierigkeiten einer objektiven Quantifikation vertraue ich, dass die hier dargestellten Idiome in der Tat häufig gebraucht werden und seltene Einheiten ausgeschlossen wurden“ (Berg 2020: 10, übers. von E. D.). Nach Meinung der Gutachterin hätte der Autor die Frequenz der Einheiten in deutschen Referenzkorpora, z. B. im Deutschen Referenzkorpus (DeReKo), überprüfen und/oder auf dem phraseologischen Optimum von Hallsteinsdóttir et al. (2006) basieren können, um die Auswahl nachvollziehbar zu begründen und ausschließlich hochfrequente Einheiten zu berücksichtigen. Die stichprobenartige Frequenzüberprüfung einiger erfasster Idiome förderte zutage, dass unter den aufgeführten Idiomen nicht nur frequentierte Einheiten wie beispielsweise jmdm. am Herzen liegen (77.120 Treffer), auf der Hand liegen (59.146) und jmdm. die Daumen drücken (25.142), sondern auch als eher selten zu bezeichnende Ausdrücke wie ein hohes Tier (405 Treffer), den Teufel mit dem Beelzebub austreiben (633) und seine Schäfchen ins Trockene bringen (875) notiert sind.[2]

Im weiteren Verlauf der Einleitung wird der Äquivalenz viel Aufmerksamkeit geschenkt. Berg nennt die vier Arten (Voll-, Teil-, Substitutions- und Nulläquivalenz) und veranschaulicht diese jeweils an Beispielen. In welchem Zusammenhang dieses Vorgehen mit der Auflistung der Idiome im Hauptteil steht, wird dem Leser nicht erklärt. Um den jeweiligen Äquivalenztyp erkennbar zu machen, sollten alle Idiome nach Meinung der Rezensentin mit einem entsprechenden Zeichen versehen werden. Demnach könnte = für volläquivalente, ≈ für teiläquivalente Einheiten, → für Substitutionsäquivalenz und für Nulläquivalenz stehen.

Der letzte Abschnitt der Einleitung ist den Benutzungshinweisen gewidmet. Demnach können fortgeschrittene Leser mit dem Übungsteil anfangen, der laut Meinung des Autors als eine Art Test für sie fungiere. Diese Vorgehensweise ermögliche es den Benutzern, sich nur mit denjenigen Idiomen zu befassen, die für sie persönlich Schwierigkeiten bereiten.

Zu bemängeln ist, dass in der Einleitung relevante Informationen bezüglich der Zielgruppen und des Artikelaufbaus fehlen. Erstere ist allein dem Klappentext zu entnehmen, nach dem sich das Lehrbuch an Deutschlernende ab Niveau A2 bis C2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen richtet und für Schüler, Sprachlektoren, Lehrer, Übersetzer und alle Sprachpraktiker, die ihren Wortschatz erweitern wollen, gedacht ist. Auch nach einer Auskunft über die Anordnung der Idiome, die eine kompetente Benutzung voraussetzt, sucht man in der Einleitung vergeblich. Nach dem Durchblättern des Buches wird ersichtlich, dass sich Berg für ein grammatisch-alphabetisches Prinzip entschieden hat. Da alle behandelten Idiome mindestens ein Substantiv enthalten, sind sie unter der nominalen Komponente alphabetisch gruppiert.

Das Idiomverzeichnis stellt mit insgesamt 235 Seiten den umfangreichsten Teil und das Kernstück des Buches dar. Der nachstehend ausgewählte Eintrag zeigt beispielhaft, wie alle Artikel strukturiert sind:

Abbildung 1:

300 idiomów języka niemieckiego (Berg 2020: 115)

Zuerst wird das Idiom in seiner neutralen Form im Fettdruck angeführt. Dabei wird die nominale Komponente, unter der das Idiom eingeordnet wurde, unterstrichen. Darauf folgen polnische Entsprechungen des Idioms. Ihre Zahl variiert zwischen einem Äquivalent (S. 67) bis hin zu vier Entsprechungen (S. 105). Mehrheitlich handelt es sich um gelungene Äquivalente. Nur sporadisch treten Fehler auf, wie im Falle der Einheit die Chemie stimmt, bei der das polnische Äquivalent fehlt (S. 50). Fragwürdig erscheint angesichts der defizitär bleibenden theoretischen Ausführungen, weshalb das Kompositum eine Milchmädchenrechnung (S. 156) als Idiom notiert wurde.

Die registrierten Idiome sind überwiegend der neutralen oder umgangssprachlichen Stilebene zuzuordnen. Bisweilen werden auch saloppe bzw. vulgäre Einheiten mit der entsprechenden Kennzeichnung notiert. Aus Sicht eines Deutschlernenden ist es sicherlich lehrreich, die wortwörtliche Bedeutung in Anführungszeichen zu präsentieren. Untersuchungen von Berendi/Csabi/Kövecses (2009: 65) zufolge unterstützt die Bewusstmachung der konzeptuellen Metaphern das Erlernen der figurativen Lexik. Bedauerlicherweise wird diese Kennzeichnung nicht konsequent angewendet. Während sie bei den volläquivalenten Einheiten berechtigterweise nicht erscheint (eine solche Information wäre redundant), sollte sie bei Idiomen mit Teil-, Null- oder Substitutionsäquivalenz notiert sein, so beispielsweise bei die Alarmglocken läuten (22), um die goldene Ananas spielen (22), Äpfel mit Birnen vergleichen (25), jmdn. auf den Arm nehmen (26), mit einem lachenden und einem weinenden Auge (32).[3]

Abschließend wird das Idiom mithilfe eines Beispiels oder mehrerer Beispiele illustriert. Ob es sich dabei jeweils um Belege oder Beispiele handelt, wird nicht erklärt. In der Phraseographie wird seit langem diskutiert, ob in einem Lernerwörterbuch erfundene Beispiele oder authentische Belege zielführender sind.[4] Der Verfasser scheint sich für beide Vorgehensweisen entschieden zu haben. Ein Teil der Belege wurde z. B. dem Redensartenindex und der Presse entnommen, der Rest wird dagegen ohne Quellenangaben aufgeführt. Ob es sich dabei mehrheitlich um vom Autor selbst erdachte Beispiele handelt, kann nicht festgestellt werden.

Zu begrüßen ist, dass alle Beispiele bzw. Belege auch ins Polnische übersetzt wurden. Ebenfalls als vorteilhaft können die Anmerkungen hervorgehoben werden, die bisweilen am Ende des Artikels vorkommen und in denen die Herkunft des Idioms erklärt wird (S. 37, 77) oder auch kontextspezifizierende Angaben aufgeführt werden (S. 88).

Drucktechnisch gesehen fallen etliche fast leere Seiten unangenehm auf, auf denen aus nicht ersichtlichen Gründen kein Idiom steht (vgl. dazu beispielsweise S. 23, 52, 59, 62, 118, 185, 229 und 244).

Der Übungsteil (S. 257–318) umfasst vier Schwierigkeitsgrade, wobei auf jeder Schwierigkeitsstufe zwei bis fünf Übungen vorhanden sind. Diese progressive Anordnung von Übungen kann als innovativ und vorteilhaft bezeichnet werden. Ebenfalls positiv anzumerken ist, dass alle Übungen einen Lösungsschlüssel haben, wodurch das Buch im Selbststudium einsetzbar ist. Es fehlt allerdings ein alphabetisches Verzeichnis aller registrierten Idiome am Ende des Lehrbuchs, mit dessen Hilfe die Benutzer ein bestimmtes Idiom mühelos und rasch nachschlagen könnten.

Mithilfe der entwickelten Materialien wird in erster Linie die Erweiterung der passiven phraseologischen Kompetenz angestrebt. Die Übungen wurden allerdings nicht nach dem Kühnschen Dreischritt: Entdecken – Entschlüsseln – Verwenden (Kühn 1992) konzipiert, der von Lüger (1997) um die Phase des Festigens erweitert wurde. Es handelt sich vorwiegend um formorientierte Übungen wie z. B. Ergänzungs- und Multiple-Choice-Übungen. Da das Buch für die polnische Leserschaft gedacht ist, hat der Autor zu Recht ebenfalls Übersetzungen aus dem Deutschen ins Polnische und umgekehrt vorgeschlagen.

Zu bedauern ist – zumindest aus der Sicht der Rezensentin – allerdings, dass im Buch weder die wörtliche noch die übertragene Bedeutung illustrierende Bilder vorhanden sind, zumal eine farbige und originelle Zeichnung auf der Titelseite zunächst ins Auge fällt und zur weiteren Lektüre animiert. Bilder gelten als ein Motivationsfaktor und können zum Einprägen von Idiomen beitragen (Lüger 1997; Bergerová 2011). Daher wäre ihre Berücksichtigung im Lehrbuch gewinnbringend.

Resümierend lässt sich feststellen, dass Bergs Buch 300 idiomów niemieckich es dem Leser nicht immer leicht macht. Zu den klaren Defiziten gehören eine nicht optimal aufgebaute Einleitung, zu knappe Benutzerhinweise, Inkonsequenzen bei der Angabe der wortwörtlichen Bedeutung, fehlende Visualisierungen und zahlreiche fast leere Seiten.

Trotz der hier aufgeführten Kritik ist das Lehrbuch ein Gewinn für die deutsch-polnische Phraseodidaktik. Der Autor bemüht sich, die polnischen Leser auf das Phänomen der deutschen Idiome aufmerksam zu machen. Polnische Deutschlernende können zahlreiche gängige idiomatische Einheiten kennenlernen und sie mithilfe der Übungen festigen. Obwohl der Übungskatalog mit nur fünf Übungsformen eines Ausbaus bedarf, können die Benutzer mit seiner Hilfe ihr phraseologisches Vokabular testen bzw. erweitern. Zudem kann die progressive Anordnung der Übungen als benutzerfreundlich eingestuft werden. Zu begrüßen sind überdies die Präsentation der wortwörtlichen Bedeutung (diese sollte allerdings in einer nächsten Ausgabe konsequent vorgenommen werden) sowie die Anmerkungen mit Auskunft bezüglich der Herkunft und des typischen Kontextes, in dem der Ausdruck bevorzugt anzutreffen ist.

Das gesamte Buch stellt eine Hilfe beim Erlernen von Idiomen für polnische Deutschlernende ab Niveau A2, polnische Studierende der Germanistik und der Angewandten Linguistik, Deutschlehrer und alle an phraseologischen Fragestellungen Interessierten dar.

Mit dem vorliegenden Buch wird das Desiderat der lerngerechten Aufarbeitung von Idiomen im deutsch-polnischen Kontrast allerdings nur teilweise behoben. Es fehlen immer noch Aufarbeitungen, im Rahmen derer diese Einheiten systematisch und kontrastiv geübt werden. Von Vorteil wären mehr Aufgaben, mit deren Hilfe die aktive phraseologische Kompetenz, d. h. eine korrekte Anwendung der Idiome, unterstützt wird. Einige in dem rezensierten Buch vorgeschlagene kontrastive Übersetzungsübungen sind hier auf jeden Fall ein guter erster Schritt.

Elżbieta Dziurewicz

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Literatur

Beréndi Márta, Szilvia Csábi & Zoltán Kövecses. 2008. Using conceptual metaphors & metonymies in vocabulary teaching. In Frank Boers & Seth Lindstromberg (Hrsg.), Cognitive Linguistic Approaches to Teaching Vocabulary and Phraseology, 65–99. Berlin: de Gruyter.10.1515/9783110199161.2.65Search in Google Scholar

Bergerova, Hana. 2011. Zum Lehren und Lernen von Phraseologismen im DaF-Studium. Überlegungen zu Inhalten und Methoden ihrer Vermittlung anhand eines Unterrichtsmodells. Linguistik online 47. https://bop.unibe.ch/linguistik-online/article/view/365/564 (Letzter Zugriff am 01.09.2020)10.13092/lo.47.365Search in Google Scholar

Hallsteinsdóttir, Erla. 2011. Aktuelle Forschungsfragen der deutschsprachigen Phraseodidaktik. Linguistik online 47. http://www.linguistik-online.de/47_11/hallsteinsdottir.html (Letzter Zugriff am 01.09.2020)10.13092/lo.47.358Search in Google Scholar

Hallsteinsdóttir, Erla, Monika Šajánoková & Uwe Quasthoff. 2006. Phraseologisches Optimum für Deutsch als Fremdsprache. Ein Vorschlag auf der Basis von Frequenz- und Geläufigkeitsuntersuchungen. In: Linguistik online 27. http://www.linguistik-online.de/27_06/hallsteinsdottir_et_al.html (Letzter Zugriff am 01.09.2020)10.13092/lo.27.746Search in Google Scholar

Kühn, Peter. 1992. Phraseodidaktik. Entwicklungen, Probleme und Überlegungen für den Muttersprachenunterricht und den Unterricht Deutsch als Fremdsprache Fremdsprachen Lehren und Lernen 21. 169–186.Search in Google Scholar

Lüger, Heinz-Helmut. 1997. Anregungen zur Phraseodidaktik. Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung 32. 69–120.Search in Google Scholar

Mellado Blanco, Carmen. 2009. Theorie und Praxis der idiomatischen Wörterbücher. Tübingen: Max Niemeyer Verlag.Search in Google Scholar

Published Online: 2021-11-29
Published in Print: 2021-11-25

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 14.12.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/phras-2021-0009/html
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