Home Die „Kohlekommission“ aus zivilgesellschaftlicher Perspektive
Article
Licensed
Unlicensed Requires Authentication

Die „Kohlekommission“ aus zivilgesellschaftlicher Perspektive

Chancen und Herausforderungen bei der Partizipation in Expertengremien
  • Antje Grothus

    Antje Grothus engagiert sich seit 2004 als kohlekritische Netzwerkerin im Rheinischen Revier und ist Gründungsmitglied der Initiative „Buirer für Buir“. Sie wurde im Juni 2018 von der Bundesregierung als Mitglied der Kohlekommission berufen. Seit April 2017 arbeitet sie bei der Klima-Allianz Deutschland als Koordinatorin für Kohlepolitik in NRW, seit Januar 2020 mit Schwerpunkt zum nachhaltigen Strukturwandel in NRW. Kontakt: antje.grothus@klima-allianz.de

    EMAIL logo
    and Daniela Setton

    Daniela Setton ist Senior Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam und forscht zu den sozialen Aspekten von Klimaschutz und Energiewende. Daniela Setton arbeitete in der Kohlekommission als „Sherpa“ von Antje Grothus mit. Vor ihrer Zeit beim IASS war sie lange Jahre in zivilgesellschaftlichen Organisationen tätig und koordinierte unter anderem Kampagnen gegen den Neubau von Kohlekraftwerken und neue Tagebaue in Deutschland. Kontakt: daniela.setton@iass-potsdam.de

Published/Copyright: July 1, 2020
Become an author with De Gruyter Brill

Zusammenfassung

Die von der Bundesregierung im Juni 2018 eingesetzte Expertenkommission zum Kohleausstieg und dem damit einhergehenden Strukturwandel zog enormes öffentliches Interesse auf sich. Trotz des komplexen Mandats und der breiten Zusammensetzung gelang es dem Beratungsgremium, an dem auch Umweltverbände und Bürgerinitiativen aus den Tagebauregionen beteiligt waren, einen Kompromiss zu erzielen, der allerdings in der Klimabewegung umstritten ist. Dieser Beitrag zeigt anhand der Erfahrungen der Kohlekommission auf, vor welchen Herausforderungen und Chancen zivilgesellschaftliche Akteure bei der Mitarbeit in solchen Regierungsgremien stehen und unter welchen Bedingungen sich dabei das partizipative Potenzial realisieren lässt. Daraus werden Empfehlungen für zukünftige Expertenkommissionen abgeleitet, um die Rahmenbedingungen für die zivilgesellschaftliche Beteiligung zu verbessern.

Abstract

The commission of experts set up by the German government in June 2018 to deal with the coal phase-out and the associated structural change attracted enormous public interest. Despite its complex mandate and broad composition, the advisory body, which also included environmental associations and citizens’ initiatives from the lignite mining regions, succeeded in reaching a compromise, which is, however, also controversial in the climate movement. Based on the experiences of the Coal Commission, this article shows the challenges and opportunities that civil society actors face when participating in such governmental bodies and under what conditions the participatory potential can be realised. It presents recommendations for future expert commissions to improve the framework conditions for civil society participation.


Hinweis

Beide Autorinnen wirkten selbst als Teil der Kommission mit, Antje Grothus als gewähltes Mitglied und Vertreterin der vom Tagebau betroffenen Bürger*innen im Rheinischen Revier, Daniela Setton als „Sherpa“ für ihre Begleitung und Unterstützung als Kommissionsmitglied. Dieser Artikel ist insofern eine Mischung aus persönlicher Reflexion von Erfahrungen und eigener Beobachtung sowie einer analytischen Auswertung.


About the authors

Antje Grothus

Antje Grothus engagiert sich seit 2004 als kohlekritische Netzwerkerin im Rheinischen Revier und ist Gründungsmitglied der Initiative „Buirer für Buir“. Sie wurde im Juni 2018 von der Bundesregierung als Mitglied der Kohlekommission berufen. Seit April 2017 arbeitet sie bei der Klima-Allianz Deutschland als Koordinatorin für Kohlepolitik in NRW, seit Januar 2020 mit Schwerpunkt zum nachhaltigen Strukturwandel in NRW. Kontakt:

Daniela Setton

Daniela Setton ist Senior Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam und forscht zu den sozialen Aspekten von Klimaschutz und Energiewende. Daniela Setton arbeitete in der Kohlekommission als „Sherpa“ von Antje Grothus mit. Vor ihrer Zeit beim IASS war sie lange Jahre in zivilgesellschaftlichen Organisationen tätig und koordinierte unter anderem Kampagnen gegen den Neubau von Kohlekraftwerken und neue Tagebaue in Deutschland. Kontakt:

Literatur

Aktion Unterholz 2018: „Mama, dieser Stock auch?“ Von Barrikaden, Waldschützer*innen und Antikapitalismus. Dezember 2018.Search in Google Scholar

Anderl, Thorsten 2006: Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln. Eine rechtstatsächliche und verfassungsrechtliche Untersuchung am Beispiel des 14. und 15. Bundestages. Berliner Wissenschaftsverlag.Search in Google Scholar

Blumenthal, Julia von 2003: Auswanderung aus den Verfassungsinstitutionen: Kommissionen und Konsensrunden. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 43/2003, 9–15.Search in Google Scholar

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) 2019: Rahmen und nächste Schritte für die Kohleausstiegsgesetzgebung, Stand: 3. Juli 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/P-R/rahmen-und-naechste-schritte-kohleausstiegsgesetzgebung.pdf?__blob=publicationFile&v=10 (Zugriff: 19.04.2020).Search in Google Scholar

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) 2018: Einsetzung der Kommission Wachstum, Beschäftigung und Strukturwandel. 06.06.2018, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/einsetzung-der-kommission-wachstum-strukturwandel-beschaeftigung.pdf?__blob=publicationFile (Zugriff: 10.04.2020).Search in Google Scholar

Buirer für Buir 2018: Geben Sie den vom Braunkohletagebau betroffenen Menschen endlich eine Stimme! Offener Brief zur Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. 02.05.2018, https://www.buirerfuerbuir.de/images/pdf/brief_altmaier.pdf (Zugriff: 19.04.2020).Search in Google Scholar

Kaiser, Martin 2019: Reflexionen nach der Schlacht. In: politische ökologie 37. Jahrgang, 51–60.Search in Google Scholar

Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (KWSB) 2019: Abschlussbericht. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/A/abschlussbericht-kommission-wachstum-strukturwandel-und-beschaeftigung.pdf?__blob=publicationFile (Zugriff: 20.04.2020).Search in Google Scholar

Krick, Eva 2014: Partizipationspotentiale von Expertengremien. Der Trade-off zwischen Inklusion und Effektivität im Verhandlungsprozess. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 43 (1), 7–22.Search in Google Scholar

Krick, Eva 2011: Verhandlungen im Konsensverfahren: Varianten kollektiver Entscheidung. VS Verlag für Sozialwissenschaften.Search in Google Scholar

Landesregierung Nordrhein-Westfalen 2020: Drucksache 17/8880, Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3369 von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/8570, Welche Annahmen liegen der Landesregierung bezüglich der Behauptung der Bundesregierung einer energiewirtschaftlichen Notwendigkeit von Garzweiler II vor? 19.03.2020, https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-8880.pdf (Zugriff: 10.04.2020).Search in Google Scholar

Matthes, Felix C. 2019: Das Konzept der Dekarbonisierung – Raus aus den Fossilen! In: politische ökologie 37. Jahrgang, 24–30.Search in Google Scholar

Nanz, Patrizia/Staemmler, Johannes 2019: Strukturwandel und Nachhaltigkeit müssen zusammengehen. IASS Potsdam 11.06.2019, https://www.iass-potsdam.de/de/blog/2019/11/strukturwandel-und-nachhaltigkeit-muessen-zusammen-gehen (Zugriff: 16.04.2020).Search in Google Scholar

Niebert, Kai 2019: Kompromiss statt Klimarettung – Kommentar der Umweltverbände zum Ergebnis der Kohlekommission. In: politische ökologie 37. Jahrgang, 61–64.Search in Google Scholar

Oei, Pao-Yu/Rieve, Catharina/von Hirschhausen, Christian/Kemfert, Claudia 2019: Ergebnis vom Kohlekompromiss: Der Hambacher Wald und alle Dörfer können erhalten bleiben. DIW Berlin: Politikberatung kompakt 132, Februar 2019. https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.612926.de/diwkompakt_2019-132.pdf (Zugriff: 20.04.2020).Search in Google Scholar

Praetorius, Barbara 2019: Reflexionen nach der Schlacht. In: politische ökologie 37. Jahrgang, 51–60.Search in Google Scholar

Praetorius, Barbara/Bandt, Olaf/Grothus, Antje/Kaiser, Martin/Matthes, Felix C./Niebert, Kai/Priggen, Reiner/Schellnhuber, Hans-Joachim 2020: Stellungnahme ehemaliger Mitglieder der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (KWSB) zur Aufkündigung des Kohle-Kompromisses durch die Bundesregierung. 21.01.2020, http://hambachfrau.de/ag/stellungnahme-mitglieder-der-kohlekommission-zur-aufkuendigung-des-kohle-kompromisses-durch-die-bundesregierung/ (Zugriff: 19.04.2020).Search in Google Scholar

RWE Power AG 2020: Information der RWE Power AG an die Landesregierung über die Anpassung der Planungen für das Rheinische Revier. 27.02.2020, https://www.group.rwe/unser-portfolio-leistungen/rohstoffe-energietraeger/braunkohle/neues-revierkonzept (Zugriff: 20.02.2020).Search in Google Scholar

Schneidewind, Uwe 2019: Die Rolle der Zivilgesellschaft im 21. Jahrhundert – Taktgeber der Großen Transformation. In: politische ökologie 37. Jahrgang, 112–117.Search in Google Scholar

Setton, Daniela 2018: Kommissionitis statt Führungsstärke. Tagesspiegel Background 27.01.2018, https://background.tagesspiegel.de/kommissionitis-statt-fuehrungsstaerke (Zugriff: 19.04.2020).Search in Google Scholar

Siefken, Sven T. 2007: Expertenkommissionen im politischen Prozess. Eine Bilanz zur rot-grünen Bundesregierung 1998–2005, VS Verlag für Sozialwissenschaften.Search in Google Scholar

SPD Brandenburg/CDU Brandenburg/Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg 2019: Ein neues Kapitel für Brandenburg. Zusammenhalt, Nachhaltigkeit, Sicherheit. Gemeinsamer Koalitionsvertrag. 25.10.2019. https://www.brandenburg.de/media/bb1.a.3780.de/191024_Koalitionsvertrag_Endfassung.pdf (Zugriff: 20.04.2020).Search in Google Scholar

Staude, Jörg 2019: Megawatt und Giga-Euro – Beim notwendigen Strukturwandel muss die Politik aus alten Fehlern lernen. 14.09.2019, https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/megawatt-und-giga-euro (Zugriff: 19.04.2020).Search in Google Scholar

Zivilgesellschaftlicher Koordinierungskreis Strukturwandel 2019: Konzept Revierperspektiven Rheinland – gutes Leben und gute Arbeit. 19.11.2018, https://revierperspektiven-rheinland.de/wp-content/uploads/2019/01/Revierperspektiven-Rheinland_2019_01.pdf (Zugriff: 19.04.2020).Search in Google Scholar

Published Online: 2020-07-01
Published in Print: 2020-07-01

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Articles in the same Issue

  1. Frontmatter
  2. Editorial
  3. Klima und Zivilgesellschaft
  4. Nachruf auf Rainer Schmalz-Bruns
  5. Aktuelle Analyse
  6. Zivilgesellschaft im Ausnahmezustand: Corona und die Folgen
  7. Die multi-resiliente Gesellschaft: Orientierungspunkte für die Corona-Krise und darüber hinaus
  8. Engagement im Feld der Wohlfahrt zwischen Resonanz und Widerspruch
  9. Popularisierung von Protestsymbolen „Wir woll’n sie überall – Regenbogenfahnen“
  10. Themenschwerpunkt: Klima und Zivilgesellschaft
  11. Klimaschutz als Gestaltungsaufgabe für die Zivilgesellschaft
  12. Zugänge und Diskursverschränkungen
  13. Nachhaltigkeit und Klimaschutz
  14. Die Klimakrise ist ein medizinischer Notfall!
  15. Einfach klimagerechter leben
  16. Demokratiepolitische Herausforderungen
  17. Bürgerbeteiligung in der Klimapolitik: Erfahrungen, Grenzen und Aussichten
  18. Abschied vom NIMBY
  19. Energiewende in Zeiten des Populismus
  20. Zitierkartelle und Lobbyisten Vergleichende Perspektiven auf die Klimawandelleugner
  21. Klimapolitik im Mehrebenensystem
  22. Meereswind oder regionale Sonne?
  23. Die Angst vor der Katastrophe macht noch keine bessere Zukunft
  24. Den Klimawandel stoppen
  25. Wirtschaft und Klimawandel
  26. Geoengineering
  27. Kapitalismus neu denken in Zeiten des Klimawandels
  28. Unternehmerischer Klimaschutz im Zeichen von Corona
  29. Sozial-ökologisch-demokratisch: Das Primat des Politischen
  30. Sozialpolitik for Future
  31. Die „Kohlekommission“ aus zivilgesellschaftlicher Perspektive
  32. Wissenschaft, Forschung und Bildung
  33. Zukünfte gestalten: Zivilgesellschaft in Wissenschafts- und Forschungspolitik beteiligen!
  34. Systematische Verankerung von Klimaschutz-Themen in lokalen Bildungslandschaften?
  35. IPB beobachtet
  36. Kapitalismus und Bewegungsforschung
  37. Pulsschlag
  38. „Demokratie leben!“: Ein Bundesprogramm zur Demokratieförderung und Extremismusprävention zwischen Entfristungsankündigung, Kürzungsabsichten und Aufstockungserfordernissen
  39. Die Thüringer Mieter*innenbewegung. Bewegungspolitische Praktiken jenseits der Metropolen
  40. Klimaproteste im Angesicht von Diskriminierung
  41. Literatur
  42. Von Klima, Krise, Hoffnung und Handeln
  43. „On fire“ für einen Green New Deal Naomi Kleins Vision zu Wegen aus der Klimakrise
  44. Klimaschutz und Kommunen: Städte als Hoffnungsträger?
  45. Eine andere Welt in Freiheit, Fairness und Enkeltauglichkeit
Downloaded on 12.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/fjsb-2020-0023/html
Scroll to top button