Zusammenfassung
Die Bibliothek als Treffpunkt und Veranstaltungsort! An der Universität Bern beginnen jedes Jahr 360 Studienanfänger*innen mit dem Medizinstudium. Für sie beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Wer hilft den Neuankömmlingen, sich an der Uni zurechtzufinden? Wer gibt ihnen ein „Home away from home“? Wer führt sie an die E-Ressourcen heran? Wer hilft ihnen mit all dem digitalen Krimskrams? Wer gibt ihnen Tipps und Tricks auf den Weg? Wer hilft ihnen, sich zu vernetzen und Freundschaften zu schließen?
Die Bibliothek, welche Offenheit und Vernetzung groß schreibt! Mit einem ganztägigen Event, dem „E-Day“, empfängt die Bibliothek Medizin in Bern (BibMED) jedes Jahr die Erstsemestrigen. Vorlesungen, Workshops und Marktstände helfen, die Informationsflut in den Griff zu kriegen, während Angebote wie Friend-Speed-Dating, Wettbewerbe, ein Food Truck und ein improvisiertes Café dazu animieren, sich auf den neuen Lebensabschnitt zu freuen. „Von Studis für Studis“ ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor.
Abstract
The library as a meeting place and venue! Every year, 360 first-year students begin their medical studies at the University of Bern. For them, a new phase of life begins. Who helps the newcomers to find their way around at the university? Who gives them a “home away from home”? Who introduces them to the e-resources? Who helps them with all the digital things? Who gives them tips and tricks along the way? Who helps them network and make friends?
The library that values openness and networking! Every year, the Library of Medicine in Bern (BibMED) welcomes first-semester students with an all-day event, the “E-Day”. Lectures, workshops, and booths help to get a handle on the information overload, while offers like friend speed dating, competitions, a food truck, and an improvised café encourage students to look forward to their new phase of life. “By students for students” is a key success factor here.
1 Wozu ein E-Day? Die Informations-Watsche
„Lost“ – mit diesem Wort beschreiben junge Menschen, wie man sich am ersten Tag an der Universität fühlt. Bin ich hier am richtigen Ort? Was kommt auf mich zu? Wo finden meine Veranstaltungen statt? Wo muss ich mich anmelden, wo registrieren, wo einloggen, wo verbinden? Wie bringe ich den Stoff in meinen Kopf? Gehöre ich zu den Leuten? Komme ich zurecht, finde ich Anschluss, fühle ich mich wohl, kann ich das, will ich das überhaupt? Hilfe!
Gleichzeitig werden die Studienanfänger*innen mit einer Flut von Informationen eingedeckt. Eine Betroffene hat diese Erfahrung einmal als „Informations-Watsche“ bezeichnet: Nach dem Gießkannenprinzip werden den Studierenden so viele Informationen an den Kopf geworfen, dass sie sich geohrfeigt fühlen: „Hier einloggen für den Stundenplan, dort einloggen für die Prüfungsanmeldung und dort drüben einloggen für die Noteneinsicht. Es gelten diese und jene Reglemente. Hoffentlich haben Sie das alles mitgeschrieben!“ Dabei müsste vielleicht zuallererst herausgefunden werden, wie das eigene Gerät mit dem Campus Netzwerk verbunden wird und warum das Passwort auch beim dritten Versuch nicht funktioniert. Hilfe!
Durch Beobachtung und Vernetzung kann die Bibliothek die wahren Probleme der Studierenden erkennen und bietet mit dem E-Day[1] eine ausgefallene Lösung für Probleme an: Ein Tag, der den Studienanfänger*innen helfen soll, sich im Uni-Dschungel zurechtzufinden. Mit einer Lösung oder einer Initiative sollte immer ein Problem behoben werden, ansonsten hat es keinen Mehrwert für die Studierenden. Das Ziel des E-Days ist somit die Erhöhung der „Lebensqualität“ der Studierenden im Studienalltag.
Da es sich um eine Veranstaltung der Bibliothek handelt, war von Anfang an klar, dass der Tag auch im Zeichen der Bibliothek und vor allem der elektronischen Ressourcen stehen soll. Von daher leitet sich auch der Name ab: Der E-Day – Ein Tag für die E-Ressourcen. Somit stehen Produkte im Zentrum, welche die Mehrheit der Ausgaben der BibMED ausmachen, aber physisch nicht sofort ersichtlich sind und daher ein anderes Format an Bekanntmachung benötigen.
Gute Ideen sind bekanntlich immer gestohlen und das ist hier nicht anders. Nach unserem Kenntnisstand ist es die Staatsbibliothek zu Berlin, die zum ersten Mal einen E-Day durchgeführt hat. Inzwischen hat der Anlass allerdings in Bern schon eine langjährige Tradition: Im September 2022 wurde der E-Day der BibMED bereits zum siebten Mal durchgeführt. Jede Wiederholung funktioniert nach dem Prinzip „Bewährtes beibehalten, den Rest verbessern und coole neue Dinge hinzufügen.“ Jeder E-Day wird wie ein Prototyp angesehen, bei dem neue Ideen und Konzepte ausprobiert werden. Die Reaktion der Teilnehmenden und Protagonist*innen werden überdacht und sind entscheidend für die Planung des nächsten E-Days. Der E-Day ist daher ein ständiger Prototyp, der sich in einem iterativen und dynamischen Prozess weiterentwickelt.

E-Day während Corona im Jahre 2020
Auf diese Weise hat der Event eine richtige Evolution durchgemacht und auch zwei Jahre Pandemie überstanden. Für die BibMED ist es der wichtigste Anlass im Jahr mit dem größten Publikumsaufkommen. Doch das war nicht immer so.
2 Erfolge und Misserfolge aus der Geschichte des E-Days
Nachdem die Beweggründe für die Veranstaltung ausgeführt worden sind, möchten wir einen Blick auf die Geschichte des Anlasses werfen, um anhand einiger Beispiele zu verdeutlichen, wie wir aus unseren Misserfolgen zu lernen versuchen.
2.1 Zuerst kommt am E-Day niemand in die Bibliothek
Der erste E-Day der BibMED im Jahr 2015 war kein Erfolg. An gut gemeinten Informationsangeboten hat es nicht gefehlt, doch das große Publikum blieb fern. Die Bibliothek wirkte während dem ganzen Anlass halb leer. Gelangweilt standen manche Protagonist*innen hinter ihren Marktständen im Erdgeschoss, während im Obergeschoss bedauernswerte Dozierende ihre Workshops vor kaum besetzten Stuhlreihen abhalten mussten. Kaffee und Kuchen blieben liegen und das Organisationsteam fühlte sich vor den eingeladenen Protagonist*innen blamiert, von denen einzelne sogar verlauten ließen, dass sich die Anreise nicht gelohnt habe. Das war nicht nur ein enttäuschendes Ergebnis, sondern stand auch in keinem Verhältnis zum Aufwand für die Vorbereitungen, die fast ein ganzes Jahr in Anspruch genommen hatten.
Aufgrund dieser entmutigenden Erfahrung verzichteten wir im Folgejahr auf eine Durchführung des E-Days. Stattdessen wurde nur eine einstündige Bibliothekseinführung angeboten. Überraschenderweise war diese jedoch äußerst gut besucht. Worin lag der Unterschied? An der Werbung konnte es nicht liegen, da hatten wir uns im Vorjahr wesentlich stärker eingesetzt. Wir hatten damals bereits Monate vor dem Anlass mit der Bewerbung auf allen Kanälen begonnen (Flyer, Plakate, Webseite, Infoscreen, Social Media, Mail-Verteiler) und sogar Briefe mit Einladungen an alle 150 Institute der medizinischen Fakultät geschickt.
Dabei hielten wir uns unbewusst an das Motto „Biete etwas Gutes an, erzähle allen davon und die Leute werden von allein kommen!“ Warum hatte das nicht mehr Wirkung gezeigt?
2.2 Der E-Day wird zum Publikumserfolg
Es war nicht schwierig, herauszufinden, warum die Bibliothekseinführung im Folgejahr so viel besser besucht war als der allererste E-Day: Die Bibliothekseinführung war als obligatorischer Anlass im Stundenplan des ersten Semesters der Medizin eingetragen, der E-Day im Vorjahr hingegen nicht. Der Publikumserfolg war also darauf zurückzuführen, dass das Publikum zur Anwesenheit „gezwungen“ wurde. Aber kann eine solche Taktik gut gehen? Oder ist es nicht vielmehr ein Eigentor, welches einen Imageschaden nach sich ziehen könnte?
Es ist auf keinen Fall ratsam, einen obligatorischen Anlass durchzuführen, bei dem die Leute hinterher den Eindruck haben, dass die Sache für sie keinen Mehrwert hatte und eigentlich reine Zeitverschwendung war. Die Bibliothek würde von Beginn an negative Assoziationen bei den Studierenden auslösen und in der Folge gemieden werden. Das wäre hochgradig kontraproduktiv. Beim genauen Hinsehen wird allerdings auch deutlich, warum gerade im universitären Kontext ein gutes Angebot und eine gute Werbung allein nicht ausreichen: Studierende und Universitätsangehörige haben oft gar keine Zeit. Die Stundenpläne sind gut gefüllt, die Kalender quellen bereits über. Niemand kommt für den E-Day in die Bibliothek, wenn gleichzeitig eine Vorlesung stattfindet, welcher nur unter Vorweisung eines Arztzeugnisses ferngeblieben werden darf. Den E-Day in Koordination mit dem Studiendekanat als obligatorisch zu deklarieren, hat also nur in zweiter Linie die Funktion, die Anwesenheit der Studierenden zu erzwingen. An erster Stelle geht es darum, den Stundenplan überhaupt erst für die Teilnahme freizuhalten. Entsprechend ist die Teilnahme auch nur für den Vormittag obligatorisch, das Nachmittagsprogramm ist dagegen freiwillig.
2.2.1 Wie kann eine Bibliothek einen Anlass obligatorisch machen?
Gewöhnlich hat eine Universitätsbibliothek keinen Einfluss auf die Gestaltung der Stundenpläne der Fakultäten. Wie auch? Innerhalb der universitären Ordnung sind Bibliotheken und Studiendekanate oft getrennte Organisationseinheiten, welche zu verschiedenen Abteilungen gehören, die kaum Berührungspunkte aufweisen. Die Mitarbeitenden kennen sich gegenseitig nicht und haben keine genaue Vorstellung davon, was die jeweils andere Abteilung eigentlich macht – geschweige denn, dass sie überhaupt existiert. Doch Schlagworte wie Offenheit und Vernetzung bedeuten gerade, über den Tellerrand solcher Zuständigkeiten hinauszudenken und auf Menschen aktiv zuzugehen. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten plant das Organisationsteam der BibMED den E-Day deshalb seit der zweiten Durchführung von Anfang an in Zusammenarbeit mit dem Studiendekanat der Medizinischen Fakultät. Dadurch ist gewährleistet, dass der E-Day teilweise als obligatorischer Anlass im Stundenplan erscheint. Seither gibt es keine Probleme mehr mit geringen Besuchszahlen. Im Gegenteil: Jetzt stellt sich die Frage, wie Bibliothek mit ihren Räumlichkeiten den großen Andrang auffangen kann. Darauf kommen wir weiter unten zurück (siehe Punkt 5.1)
Sollte also jede Bibliothek, die einen Publikumsanlass plant, darauf bedacht sein, diesen als obligatorische Veranstaltung deklarieren zu lassen? Dies dürfte längst nicht in jedem Fall möglich oder auch nur sinnvoll sein. Die beste Alternative ist eine gut koordinierte, zielgruppengerechte Bewerbung des Anlasses. Auch hier gilt: Das Gespräch suchen mit Vertretenden der Zielgruppe und sie einzubeziehen, denn sie sind die Stakeholder.

Am virtuellen Seziertisch
3 Konzepte: Die Ideen hinter dem E-Day
Welche Konzepte stehen hinter dem Anlass? Einige Ideen haben wir bereits erwähnt: Die Studienanfänger*innen der Medizin im Studium und in der Bibliothek zu begrüßen, die Informationsflut zu bewältigen helfen und die Leute an die E-Ressourcen heranzuführen. Darüber hinaus gibt es weitere Überlegungen, die es sich zu machen lohnt.
3.1 Echte Begegnungen an einem echten Ort
Führt die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft und des Lebens zu einer Vereinzelung des Menschen? Solche Bedenken sind verschiedentlich geäußert worden.[2] Von ihrer psychologischen Ausstattung her sind Menschen zutiefst soziale Wesen, dennoch richten sich viele digitale Anwendungen eher an Einzelpersonen, die isoliert vor einem Bildschirm sitzen.
Der E-Day ist auch ein Versuch, hier eine sinnvolle Brücke zu bauen: Ein Anlass vor Ort, mit echten Menschen und echten Begegnungen in den echten Örtlichkeiten der Bibliothek. Anstatt allein am Computerbildschirm FAQs und Installationsanleitungen durchzuforsten oder im Alleingang Schritt-für-Schritt-Instruktionen abzuarbeiten, werden die Benutzenden an der Hand genommen und persönlich an die E-Ressourcen herangeführt.
Es ist etwas anderes, ob ein*e Studienanfänger*in einfach mal auf Empfehlung der Bibliothek eine Anatomie-App für sich installiert und nach erstmaligem Ausprobieren nicht so recht weiß, was damit anfangen, oder ob es ältere Studierende gibt, die zeigen, wie sie die App für das Lernen effektiv nutzen, welche Fallstricke es vielleicht bei der Installierung gibt und wozu das alles gut ist.
Das bringt uns zu der nächsten Frage: Wer sind die richtigen Personen, um solche Inhalte glaubwürdig zu vermitteln?

Die Protagonist*innen
3.2 Die Protagonist*innen
Welche Personen nehmen nun die Studierenden konkret in Empfang am E-Day? Sind es Dozierende, das Bibliothekspersonal, Vertreter*innen der Verlage, ältere Studierende oder sogar irgendwelche Social Media Influencer?
Wir bezeichnen alle Personen, die eine aktive Rolle am E-Day übernehmen (aber nicht zum festen Bibliotheksteam gehören) als „Protagonist*innen“. Ihnen kommt eine außerordentlich wichtige Bedeutung zu. Sie werden zu Ambassadoren der Bibliothek. Sie sind diejenigen, die die Inhalte vermitteln und die Bibliothek und deren Angebote überhaupt erst zugänglich machen. Daher sind recht viele von ihnen im Einsatz, gegenwärtig rund 30 an der Zahl. Was tun die Protagonist*innen alles? Sie geben zum Beispiel Schulungen, leiten Workshops oder stehen als Ansprechpersonen an den Marktständen. Sie organisieren aber auch das Café oder leiten das Friend-Speed-Dating an.
Über die Jahre hinweg haben wir Verschiedenes ausprobiert und evaluiert. Es hat sich gezeigt, dass die älteren Studierenden dabei am besten „ankommen“. Sie lassen sich mit Fragen löchern und stehen Rede und Antwort, denn sie kennen die Probleme und Ängste ihrer Kolleg*innen am besten. Sie können ungezwungene Lösungen bieten. Sie plaudern aus ihrem Nähkästchen und geben ihre Erfahrungen weiter. Sie bieten sich als Identifikationsfiguren an, können sich in die Situation der Studienanfänger*innen versetzen und auf Augenhöhe kommunizieren: „Wir standen vor wenigen Jahren an derselben Stelle wie ihr. Wir haben es geschafft, also könnt ihr es auch schaffen. Wir zeigen euch jetzt die Dinge, die uns am meisten geholfen haben.“
Die Rolle der Bibliothek besteht dann vor allem darin, die Plattform anzubieten, auf welcher dieser Austausch stattfinden kann. Ein sogenanntes Innovation Mindset ist dann gar nicht mehr nötig. Es reicht zu beobachten, was angenommen wird und dieses weiterzuverfolgen. Zuallererst müssen jedoch geeignete Protagonist*innen ausfindig gemacht, angeworben, koordiniert und betreut werden. Gar keine so leichte Aufgabe!
3.2.1 Woher kommen die Protagonist*innen?
Wo findet eine Bibliothek Studierende, die das notwendige Talent und Wissen haben, um vor einer Gruppe etwas vermitteln zu können? Längst nicht jede Person fühlt sich in dieser Rolle wohl. Das Ausfindigmachen und Anwerben von Protagonist*innen sollte sehr ernst genommen werden. Wir nutzen dazu je nach Bedarf verschiedene Kanäle: Aufrufe per Social Media, Plakate an den Türen der Bibliothek, Gespräche an der Theke, Kontakte zu Studierendengruppen wie der Fachschaft und anderen Studi-Vereinigungen, Herumfragen unter den bestehenden Protagonist*innen sowie nicht zuletzt den eigenen Pool an studentischen Hilfskräften. Bei all diesen Bemühungen zahlt es sich aus, wenn es der Bibliothek bereits gelungen ist, sich als einen Ort zu positionieren, welcher große Nähe zu den Anliegen der Studierenden aufweist.
Da die älteren Studierenden als Protagonist*innen so gut ankommen, versuchen wir, so viele wie möglich aus ihren Reihen zu rekrutieren und sie jedes Jahr wieder einzusetzen. Natürlich muss auch regelmäßig für Nachwuchs gesorgt werden, da alle irgendwann ihr Studium abschließen und die Universität verlassen.
Für Workshopleitungen und Schulungen bieten wir eine finanzielle Entschädigung an, wobei die Höhe vom Aufwand abhängt (Einsatzzeit am E-Day plus allfällige Vorbereitungen). Der Stundenansatz orientiert sich an dem, was studentische Hilfskräfte üblicherweise an der Universität Bern erhalten.
Wichtiger als der finanzielle Anreiz dürfte für die Protagonist*innen allerdings die intrinsische Motivation sein: Die eigenen Erfahrungen für andere nützlich zu machen und die authentische Dankbarkeit der Erstsemestrigen zu erleben, stellt eine Belohnung in sich dar. Die Studienanfänger*innen blicken zu den älteren Studierenden hoch, was zu erlebter Wertschätzung und spürbarer Begeisterung beiderseits führt.
4 Das Programm
Wie läuft der E-Day in Bern ab? Die Gestaltung des Programms hat über die Jahre hinweg ebenfalls eine Evolution durchlaufen. Inzwischen hat sich ein zweiteiliges Programm am meisten bewährt, welches aus einem obligatorischen Teil am Vormittag und einem freiwilligen Teil am Nachmittag besteht.
4.1 Das obligatorische Vormittagsprogramm
Am Vormittag werden die Informationen vermittelt, die alle Studienanfänger*innen wissen müssen. Das geschieht hauptsächlich per klassischem Frontalunterricht. Dazu gehören eine Einführung in die Benutzung der Bibliothek sowie Schulungen zu den wichtigsten E-Ressourcen (E-Book-Plattformen, eine Anatomie-App und eine Lernplattform). Studiendekanat und Fachschaft geben ihrerseits Einführungen, zum Beispiel in die zentrale Plattform der Lehre und in das Verwaltungssystem der Leistungsnachweise der Uni Bern. Ein Großteil dieser Informationen wird von älteren Studierenden präsentiert.
Mit diesen inhaltsschweren Schulungen bildet der Vormittag die „Knochenarbeit“. Abgeschlossen wird dieser Teil mit einer Fragerunde, in der die Studienanfänger*innen eine Gruppe von älteren Studierenden mit allerhand Fragen löchern dürfen. Die Fragen können im Plenum oder anonym per Padlet gestellt werden und das Ganze nimmt die Form eines Podiumsgesprächs mit Publikumsfragen an: Welches Studienjahr ist das härteste? Braucht man einen Laptop, wenn man schon ein iPad hat? Wie hoch ist die Durchfallquote? Wie viel kann man neben dem Studium arbeiten und Geld verdienen? Woher weiß man, was im Selbststudium gemacht werden muss? Wie bereitet ihr euch auf die Prüfungen vor? Muss ich Bücher kaufen?
Diese Fragestunde wirkt jeweils hochgradig aktivierend. Für eine gute Rhythmisierung des Programmes ist dies wichtig. Die vorherigen Schulungen setzen gezwungenermaßen stärker auf Frontalunterricht, ein Format, das für gewisse Inhalte besser geeignet ist, aber den Nachteil hat, beim Publikum nach einer bestimmten Zeit zu spürbarer Ermüdung zu führen. Deshalb macht es Sinn, dass die letzte Stunde vor dem Mittag reserviert ist für eine Unterrichtsform, bei der sich die Studierenden aktiv einbringen können mit den Fragen, die ihnen aktuell unter den Nägeln brennen.
Es lohnt sich auch, anderweitig gezielt nach Phasen im Programm zu suchen, die sich zu sehr in die Länge ziehen, um über Lösungen nachzudenken. Bei einem Anlass, der jedes Jahr mit 360 Personen durchgeführt wird, lohnt sich ein entsprechender Aufwand, um kontinuierlich die Probleme der Studierenden zu erkennen und ungewohnte, aber passende Lösungen zu liefern. Aufgrund solcher Überlegungen haben wir inzwischen für die BibMED eine virtuelle Tour produziert (siehe unten unter Punkt 7.1).
4.2 Nachmittagsprogramm
Der Nachmittag des E-Days ist der geselligere Teil. Im Gegensatz zum Vormittag ist die Teilnahme freiwillig und es gibt wesentlich mehr Möglichkeiten, sich die Inhalte zusammenzusuchen, die für einen interessant und relevant sind. Es gibt auch wesentlich mehr Gelegenheiten zum Netzwerken und Leutekennenlernen.
4.2.1 Marktstände
Im Erdgeschoss der Bibliothek wird rund ein Dutzend Marktstände aufgestellt. Wer zum Beispiel noch Probleme hat, seine mobilen Geräte mit dem Campus-Netzwerk zu verbinden, kann direkt damit zum Stand der Informatikdienste gehen und erhält vor Ort kompetente Unterstützung. Wer sich noch nicht für die Anschaffung eines Laptops oder Tabletts entscheiden konnte, kann sich am Stand von Projekt Neptun Geräte ansehen und beraten lassen. Bei weiteren Marktständen gibt es Hilfe bei der Installation der Apps und E-Books.
Bei all diesen Angeboten handelt es sich eigentlich um unterstützende Maßnahmen, damit die teuer lizenzierten E-Medien der Bibliothek tatsächlich genutzt werden. Teilweise besteht das Problem nicht darin, dass die Studierenden die E-Medien nicht kennen, sondern dass technische Hürden bestehen und sich die Benutzenden enttäuscht vom Angebot abwenden. Leider ist es gerade bei den E-Book-Plattformen so, dass die Bibliothek einigen Aufwand betreiben muss, um mangelnde Bedienungsfreundlichkeit sowie uneinheitliche Funktionalitäten seitens der Hersteller zu kompensieren.
Obschon der Schwerpunkt auf den E-Ressourcen liegt, sind auch analoge Angebote vorhanden. Die Fachreferentin für Medizin zeigt an einem Marktstand die Printbücher der Basisliteratur und an einem anderen Stand können die 25 anatomischen Modelle der Bibliothek angefasst und ausprobiert werden, die sich sonst in einer Vitrine befinden und erst ausgeliehen werden müssen.
Gleich anschließend folgen die Marktstände der Studierendenvertretungen, wie die Fachschaft Medizin, die Studierendenschaft der Uni Bern oder die Kritischen Medizinstudierenden. Der Berufsverband der Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte war 2022 auch erstmals vertreten und 2023 soll noch der UniSport hinzukommen, welcher für viele Studierende neben der Bibliothek zu einem der wichtigsten Angebote gehört.

Standgeschehen
4.2.2 Workshops
Im Obergeschoss finden am Nachmittag wiederholende Workshops in den Gruppenräumen der Bibliothek statt. Die Plätze sind beschränkt, weshalb sich die Studierenden bereits am Vormittag gemäß ihren Präferenzen anmelden müssen. Die Anmeldung lässt sich am Vormittag gleich als praktische Übung in den Unterricht einbauen, da das entsprechende Tool für die Stundenpläne ohnehin vorgestellt wird.
Die Workshops werden alle von älteren Studierenden geleitet und tragen Titel wie „Tipps und Tricks“ oder „Medizin, und dann?“.
Bei „Tipps und Tricks“ können Fragen an Höhersemestrige zu allerlei Dingen gestellt werden, diesmal aber in einer wesentlich kleineren Runde. Das ermöglicht auch das Ansprechen anderer Themen. Die Studierenden sind unter sich, was den unkomplizierten Dialog ohne Hemmschwellen zusätzlich erleichtert. Hier kann auf Fragen eingegangen werden, die man am Vormittag vor der ganzen Gruppe vielleicht nicht stellen wollte – weil sie zum Beispiel zu umständlich schienen oder weil man nicht wusste, ob es eine dumme Frage sei. Dieses Format wird von den Erstsemestern sehr geschätzt.
Beim sogenannten Friend-Speed-Dating können neue Bekanntschaften geschlossen werden. Der Ablauf funktioniert ähnlich wie beim klassischen Speed-Dating: Jeweils zwei Personen sitzen sich für zwei Minuten gegenüber und tauschen sich aus. Danach wird ein Sitz weiter gerutscht und neue Paare bilden sich. Gerade für Studierende, die für das Studium aus anderen Gegenden nach Bern gekommen sind, ist dies eine höchst willkommene Gelegenheit, um gleich erste Bekanntschaften zu schließen. Solche Bekanntschaften sind sehr wichtig für das erfolgreiche Medizinstudium in Bern, da der Unterricht einen starken Fokus auf das Lernen in Kleingruppen legt. Auch hier wird es als hilfreich wahrgenommen, dass die Bibliothek aktiv Hemmschwellen abbaut: Es ist einfacher, in einem solchen halb-formellen Setting auf Peers zuzugehen, als wenn jemand geradewegs eine fremde Person ansprechen soll.
Beim Workshop „Medizin, und dann?“ erzählt eine ehemalige Studentin von ihrem Studium, ihrer Zeit als Assistenzärztin und ihrem Berufseinstieg. Dies gibt konkrete Einblicke in Perspektiven und bietet die Möglichkeit, Erfahrungen abzuholen und sich ein realistisches Bild zu machen.
4.3 Rahmenprogramm
Studierende, die während der Mittagspause in zahlreichen Grüppchen vor der Bibliothek im Freien sitzen, miteinander plaudern, lachen und essen – solche Eindrücke gehören zu einem gelungenen Anlass. Informationsangebote, Schulungen und Workshops allein ergeben noch nicht einen Tag, den die Leute in guter Erinnerung behalten. Dazu gehört auch der soziale, gesellige Aspekt – und vielleicht noch der kulinarische. Beides scheint interessanterweise häufig Hand in Hand zu gehen, was psychologisch mit der Stammesgeschichte menschlicher Wesen zu tun haben mag. Am Lagerfeuer wurden Geschichten erzählt, Informationen ausgetauscht, Beziehungen gepflegt sowie gegessen und getrunken.
Der E-Day möchte in irgendeiner Form daran anknüpfen. Für die BibMED ist das nicht ganz einfach, da die Verpflegungsangebote auf dem Areal spärlich sind. Die hauseigene Cafeteria ist von ihrer Lage und Größe her ungeeignet, und temporäre Lösungen, wie zum Beispiel eine Bestuhlung des Außenraumes, ist nur höchst eingeschränkt möglich.
4.3.1 Food Truck
Was sich allerdings gut bewährt hat, ist ein unabhängiger Food Truck, den wir jedes Jahr kommen lassen, wobei wir bereits mit verschiedenen Anbietern zusammengearbeitet haben. Bei der Wahl eines passenden Food Trucks ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Preise mit einem studentischen Budget vereinbar sind. Zu bedenken ist ebenfalls, dass je nach lokaler Gesetzgebung gastgewerbliche Bewilligungen eingeholt werden müssen und dass auch gut abgeklärt werden muss, wo der Food Truck aufgestellt werden darf, damit er zum Beispiel nicht der Blaulicht-Organisation oder anderen Sicherheitsaspekten im Wege steht.
4.3.2 Café
Ein mobiles Café gleich neben dem Eingang der Bibliothek bietet Kaffee und Kuchen auch außerhalb der Mittagszeit an. Das Organisationsteam hat sich dafür entschieden, auch hier mit Studierendenvereinigungen zusammenzuarbeiten, konkret mit den „Kritischen Medizinstudierenden“ (KriMe). Wir hatten auch Offerten von kommerziellen Anbietern eingeholt, dabei allerdings festgestellt, dass diese erstens teurer sind und zweitens zu professionell. Natürlich ist Professionalität auf den ersten Blick ein Vorteil, doch im studentischen Umfeld kommen Angebote besser an, welche „von Studis, für Studis“ sind. Lösungen dürfen manchmal „handgestrickt“ sein, wichtig ist, dass sie als unkompliziert, authentisch und auf Augenhöhe erlebt werden. Manchmal erlauben wir uns auch unkonventionelle Lösungen, die nicht bis ins Detail geprüft sind – das verbindet uns mit den Studierenden, welche die bürokratische Trägheit der Verwaltung nicht immer als nachvollziehbar oder wünschenswert erleben.
4.3.3 Wettbewerb
Zum Rahmenprogramm gehören auch ein oder zwei Wettbewerbe. Diese werden zum Beispiel genutzt, um Feedbacks zu generieren. Als Preise kommen Dinge wie etwa eine tragbare externe Speicherplatte oder ein Semesterschließfach inklusive Starterpaket infrage. Am Wettbewerb nehmen alle teil, die ein Feedback abgegeben haben oder die ein Foto, das am E-Day gemacht wurde, auf Instagram mit der BibMED taggen.
Es empfiehlt sich, sowohl quantitative wie auch qualitative Feedbacks einzuholen. Die quantitativen Feedbacks (zum Beispiel eine Skala zur Bewertung des Anlasses von schrecklich bis fantastisch) geben ein allgemeines Stimmungsbild ab, während offene Fragen (Was hat mir besonders gefallen? Was hat mir weniger gefallen? Was hat gefehlt?) konkrete Ansatzpunkte für zukünftige Verbesserungen liefern und aufzeigen, was unbedingt erhalten werden sollte (vergleiche auch weiter unten unter Punkt 6.1).
4.3.4 After-E-Day-Party
Für das nächste Jahr überlegen wir uns im Organisationsteam, das Rahmenprogramm um eine „After-E-Day-Party“ zu erweitern. Auch hier haben wir die Idee, in erster Linie mit Studierenden zusammen zu arbeiten, die in der Vergangenheit bereits erfolgreich Studi-Partys unabhängig von der Bibliothek organisiert haben. Die Bibliothek würde zum Beispiel die passenden Räumlichkeiten mieten und sich vor allem um logistische und organisatorische Aspekte kümmern, während das Programm und die Inhalte stark der Community selbst überlassen würde. Glücklicherweise befindet sich eine geeignete Location eine Gehminute von der Bibliothek entfernt.

Angeregter Austausch im Café
5 Die Logistik: Veranstaltungsort, Zeitpunkt und Kosten
Wenden wir uns nun der Frage zu, wo und wann ein solcher Event am besten stattfinden sollte und was er kosten darf.
5.1 Ist die Bibliothek der richtige Veranstaltungsort?
Idealerweise findet ein Event der Bibliothek auch in den Räumlichkeiten der Bibliothek statt. Schließlich wollen wir die Bekanntheit und Nutzung der BibMED erhöhen sowie uns als Lernort und Informationszentrum etablieren. Dabei haben wir allerdings mit gewissen Engpässen zu kämpfen. Die BibMED befindet sich in einem Gebäude, das über 40 Jahre alt ist. Es ist nicht auf die gegenwärtigen Studierendenzahlen ausgerichtet, welche in den letzten Jahrzehnten noch einmal stark zugenommen haben. Es war auch nie vorgesehen, in der Bibliothek Lehrveranstaltungen mit Hunderten von Teilnehmenden durchzuführen. Von Beginn an stellten diese Beschränkungen eine große Herausforderung dar.
In den ersten Jahren des E-Days wurde das Platzproblem so gelöst, dass die Studierenden in fünf Gruppen zu ca. 70 Personen eingeteilt wurden, die nacheinander in die Bibliothek kamen, um die Einführungen zu erhalten. Um eine Konzertbestuhlung für diese Gruppen einzurichten, mussten wir einen Teil der Lernarbeitsplätze im Lesesaal der Bibliothek vorübergehend wegräumen. Das war erstens sehr aufwendig. Zweitens war auch der Programmablauf nicht befriedigend, weil wir dieselben Inhalte fünfmal wiederholen mussten. Dieser Sachverhalt sprach sich unter den Studierenden schnell herum, was dazu führte, dass die ersten Durchführungen überfüllt und die letzten spärlich besucht waren.
5.1.1 Pandemie und externer Veranstaltungsort
Glücklicherweise – müssen wir im Rückblick fast sagen – zwang uns die Coronapandemie im Herbst 2020 zu einer anderen Lösung. Präsenzunterricht war damals nicht erlaubt und wir mussten den E-Day komplett auf ein digitales Format umstellen. Das Nachmittagsprogramm mit den Marktständen und Workshops wurde im ersten Pandemiejahr weggelassen. Der Anlass war somit nur halbtägig.
Das Organisationsteam quartierte sich mit den versammelten Protagonist*innen im Institut für Medizinische Lehre (IML) der Uni Bern ein, weil es über ein professionelles Aufnahmestudio für Videos verfügt. Von dort aus wurde der E-Day 2020 per Zoom abgehalten. Die Bibliothek ging quasi zu den Studierenden nach Hause, um ihre Bedürfnisse dort abzuholen und um auf sie einzugehen. Es ist wichtig, dass die Bibliothek auch im digitalen Raum nahe bei den Studierenden ist und eine Plattform der Vernetzung bietet.
Das virtuelle Format entsprach nicht unserer präferierten Form, doch es zeigte sich, dass die Veränderung nicht nur Nachteile hatte. Nicht verpflichtet zu sein, den ganzen Anlass in der Bibliothek durchzuführen, löste das Platzproblem schlagartig. Wie sich herausstellte, bot das digitale Format einen zweiten Vorteil, den wir nicht ganz vorausgesehen hatten: die Nutzung der Chat-Funktion.
Während jemand aus dem Bibliotheksteam oder von den Protagonist*innen etwas präsentierte, konnten andere den Chat betreuen. Über den Vormittag hinweg gingen rund 200 Fragen ein, die meist gerade im Chat beantwortet werden konnten. Es gab keine Notwendigkeit mehr, den Vortrag zu unterbrechen oder bis zum Schluss zu warten mit einer Frage. Entsprechend poppten die Fragen in Echtzeit auf und konnten meistens innerhalb von Sekunden beantwortet werden. Die Fragen drehten sich oft um Dinge, die gerade gesagt wurden, zum Beispiel: „Wo ist noch einmal der Link zu den VPN-Installationsanleitungen?“ oder „Kann man Bücher auch ausleihen, wenn die Unicard noch nicht aktiviert wurde?“
Auf diese Weise konnte die Interaktivität durch das virtuelle Format gesteigert werden, was wir nicht erwartet hatten. Unsere Befürchtung war im Vorfeld eher, dass ein virtuelles Format die Interaktion erschweren würde.
Im zweiten Pandemiejahr, das heißt im Herbst 2021, wollten wir auf diesen Erfahrungen aufbauen. Wir nutzten neben der Chat-Funktion nun auch andere Funktionen von Zoom wie Abstimmungen und Live-Umfragen, um im obligatorischen Vormittagsprogramm noch mehr aktivierende und interaktive Elemente einzubauen. Die Distanzregeln waren nicht mehr so streng wie im ersten Jahr der Pandemie und wir durften unter Einhaltung gewisser Auflagen wieder ein Nachmittagsprogramm vor Ort anbieten (die Teilnehmenden mussten sich mit Namen anmelden und ein Covid-Zertifikat vorweisen).
So sind wir zu dem Format gekommen, dass sich auch nach Ende der Coronamaßnahmen bisher am meisten bewährt: ein zweiteiliger E-Day mit einem obligatorischen Programm am Vormittag außerhalb der Bibliothek und einem freiwilligen Teil am Nachmittag vor Ort. So können wir die Platzprobleme beim obligatorischen Teil umgehen und die BibMED trotzdem als Veranstaltungsort nutzen.
Seit der letzten Durchführung nutzen wir das Alhambra, einen großen Hörsaal der Universität Bern. Es handelt sich dabei um einen ehemaligen Kinosaal, der in den letzten Jahren umgebaut wurde, speziell um den wachsenden Studierendenzahlen in der Medizin gerecht zu werden. Für das Vormittagsprogramm ein geeigneter Ort, der allerdings erforderlich macht, dass die Gruppe am Mittag einen zehnminütigen Fußweg zur Bibliothek auf sich nimmt.
5.2 Terminwahl
Da es sich um einen Einführungstag handelt, findet der E-Day jedes Jahr zu Semesterbeginn statt. Lange Zeit war es ein Tag in der ersten Woche (abhängig von der Gestaltung der Stundenpläne durch das Studiendekanat). Bei der letzten Durchführung im Jahr 2022 haben wir uns auf Empfehlung des Studiendekanats dazu entschieden, den E-Day bereits in der Woche vor Semesterbeginn durchzuführen.
Wir hatten etwas Zweifel, ob dies gut gehen würde; schließlich würde der Termin in die letzte Woche der Sommersemesterferien fallen und vielleicht wären viele noch gar nicht in Bern oder sonst nicht bereit, ihre Ferien abzukürzen. Wir waren bereit, dieses Risiko einzugehen, da wir so den Anlass aus der ersten Vorlesungswoche herauslösen konnten, die bereits sehr stark gefüllt ist. Abklärungen mit der Universität ergaben, dass wir den Vormittag trotzdem als obligatorisch einstufen durften, solange wir einen Live-Stream und eine Aufnahme für diejenigen zur Verfügung stellten, die nicht zu dem Zeitpunkt oder nicht vor Ort dabei sein konnten.
Entgegen unseren Befürchtungen wurde der Zeitpunkt in den Feedbacks mehrfach gelobt. Die Stimmung am ganzen Tag war auch deutlich entspannter, da die Studierenden noch weniger absorbiert waren durch ihre Stundenpläne. Wir hatten das Gefühl, dass die Bereitschaft zu verweilen und sich auf Gespräche einzulassen, höher war. Vermutlich ist der Studienbeginn für viele Studierende ein spannungsvoll erwartetes Ereignis, weshalb sich bei manchen auch eine gewisse Erleichterung einstellt, wenn man endlich kommen und sich einfach einmal umsehen darf. Jedenfalls planen wir, den Termin bei der nächsten Durchführung wieder in der Woche vor Semesterbeginn anzusetzen.
5.3 Budget und Personalaufwand
Was darf ein solcher Anlass kosten? Die BibMED wendet für den E-Day kein großes Budget auf. Da stark von vorhandener Infrastruktur Gebrauch gemacht wird und bestehendes Personal zum Einsatz kommt (z. B. im Organisationsteam), benötigt der Anlass trotz seiner Größe nur ein recht bescheidenes Budget, das von der Bibliothek selbst getragen wird. Wir sind in Bern bisher mit weniger als umgerechnet 3 000 € pro Jahr ausgekommen. Darunter sind etwa Drucksachen wie Plakate und Flyer, Dekorationen wie Ballons mit BibMED-Logo und gelegentlich die Miete für eine Verstärkeranlage. Der größte Posten bilden die Honorare der Protagonist*innen. Da die meisten von ihnen aber inklusive Vorbereitung nicht mehr als 4–8 Stunden aufwenden und sie Stundenansätze von studentischen Hilfskräften haben, halten sich auch hier die Ausgaben in Grenzen.
Nicht zu unterschätzen ist selbstverständlich der Aufwand für das Organisationsteam. Das Kernteam umfasst vier Personen, welche sich in dem Halbjahr vor dem Anlass monatlich treffen und dazwischen zugeteilte Aufgaben selbstständig erledigen. Via Gruppen-Chat ist das Organisationsteam ständig im Kontakt, damit alle über neue Entwicklungen informiert werden können.
Auf gemachte Erfahrungen kann aufgebaut werden und einmal aufgebaute Ressourcen, Kontakte und Know-how können wieder verwendet werden. So sinkt bei jeder erneuten Durchführung der Aufwand für das Grundprogramm, was zeitliche Ressourcen freispielt, um Verbesserungen und Ergänzungen aufzubauen.
Der E-Day beschäftigt an unserer Bibliothek mehrere Personen über die Hälfte des Jahres hinweg mit mehreren Arbeitsstunden pro Woche. Im Endspurt vor dem Anlass ist der Aufwand größer.
6 Feedbacks, Auswertungen und Nachbearbeitung
Ein laufender Publikumsanlass führt dazu, die Aufmerksamkeit des Organisationsteams stark zu binden. Wenn das Programm im Gange ist, läuft vieles auf einmal. Leute gehen und kommen, Fragen tauchen auf, hier und da muss ein kleines Problem gelöst werden. In der Hitze des Gefechts wird gern vergessen, Material für die Auswertung und Nachbearbeitung zu produzieren. Es ist sehr schade, wenn ein toller Anlass gelungen ist und hinterher kein attraktives Material besteht, um anderen davon zu berichten. Deshalb ist es wichtig, Statistiken zu führen, Feedbacks einzuholen, Erfahrungen zu dokumentieren und während dem Anlass Fotos und Videos zu produzieren. Dies alles dient dem altbekannten Marketing-Grundsatz „Tue Gutes und sprich darüber!“.
6.1 Feedbacks und Statistiken
Zahlen sind sehr nützlich, um gegen außen ein kurzes und doch aussagekräftiges Bild abzuliefern: Wie viele Personen haben am Vormittag teilgenommen? Wie viele am Nachmittag? Wie gut waren die Workshops besucht? Besucherzahlen können in der BibMED beispielsweise per Eingangsschleuse erhoben werden. Bei den Workshops dienen die Anzahl Anmeldungen als Quelle. Falls keine solche Systeme vorhanden sind, lohnt es sich Alternativen zu organisieren. Die Protagonist*innen können zum Beispiel angewiesen werden, die Teilnehmenden bei den Durchführungen händisch zu zählen und dies in einer vorbereiteten Tabelle einzutragen. Es gibt weitere Zahlen, die zu oft unerwähnt bleiben, weil sie denjenigen trivial erscheinen, die vor Ort dabei waren, die aber dennoch aussagekräftig sind für allen anderen: Wie viele Schulungen wurden angeboten? Wie viele Fragen wurden im Chat beantwortet? wie viele Marktstände gab es?
Rückmeldungen, die von den Teilnehmenden direkt kommen, sind besonders aussagekräftig. Es ist ratsam, solche Feedbacks aktiv zu stimulieren. Wir haben es so gelöst, dass bei den obligatorischen Plenumsveranstaltungen am Vormittag direkt Feedbacks eingeholt werden, zum Beispiel durch Live-Voting. Mit solchen Methoden wird eine sehr hohe Rücklaufquote erreicht. Für das Nachmittagsprogramm gibt es jeweils einen separaten Marktstand für Wettbewerb und Feedback. Am Wettbewerb nehmen automatisch alle teil, welche ein Feedback abgegeben haben (und sich für den Bibliothekskatalog registriert haben).
Kombinationen von qualitativen und quantitativen Fragen sind besonders aufschlussreich. Natürlich ist es vorteilhaft, die Fragen kurz und knapp zu gestalten, um die Abbruchquote gering zu halten. Der allgemeine Eindruck kann etwa mit einer Zahlenskala abgefragt werden, während mit offenen Fragen genauer eruiert wird, was beibehalten, was verbessert und was allenfalls in Zukunft ergänzt werden sollte: Was hat mir besonders gut gefallen? Was hat mir weniger gut gefallen kommt? Was habe ich vermisst?
6.2 Foto und Video
Wir haben bisher darauf verzichtet, eine professionelle Foto-/Video-Produktion in Anspruch zu nehmen. Neben den Kosten kam uns das auch etwas zu bombastisch vor. Viele Menschen fühlen sich unwohl, wenn sie fotografiert oder gefilmt werden, weshalb das eher diskret und am Rande stattfinden sollte. Bei uns hat es bisher eine Person aus dem Team mit Affinität zur Fotografie gemacht. Vorteilhaft ist aber, wenn diese Person nicht noch andere Aufgaben am Anlass hat, was bei uns leider in der Vergangenheit der stets Fall war. In Zukunft können wir uns vorstellen, Studierende mit Affinität zu Videoproduktion für diese Aufgabe einzusetzen. Die entsprechenden Kontakte versuchen wir aktuell aufzubauen.
Beim Bildmaterial muss darauf geachtet werden, dass die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen respektiert werden. Wir haben uns bei der letzten Durchführung dafür entschieden, die Gesichter zu verpixeln. Für das nächste Mal prüfen wir, ob wir per Ankündigung das Einverständnis implizit einholen können.
6.3 Nachbearbeitung
Zur Nachbearbeitung empfiehlt es sich, mit dem Organisationsteam eine Besprechung eine oder zwei Wochen nach dem Anlass durchzuführen. Dabei können die gesammelten Feedbacks und die erhobenen Statistiken ausgewertet werden. Die Erfahrungen und Erinnerungen sind noch frisch und werden schriftlich festgehalten, damit bei der Planung für den nächsten Anlass darauf zurückgegriffen werden kann. Zu bedenken ist nicht nur, dass in den zwölf Monaten zwischen zwei Durchführungen Dinge vergessen gehen, sondern dass auch die personelle Zusammensetzung des Organisationsteams wechseln kann. Wir waren schon mehrfach froh, dass wir nachlesen konnten, was wir besser machen wollten.
6.4 Bericht
Wir verfassen zu jedem E-Day einen kurzen Bericht, welcher in fünf Minuten gelesen werden kann. In den ersten Jahren haben wir den Bericht als Infografik verfasst, seit letztem Jahr setzen wir auf ein Video. Die Berichte können auf der Webseite eingesehen werden.
Zielpublikum des Berichtes sind alle Partner*innen der BibMED, alle interessierten Personen sowie alle (fast 300) Mitarbeitenden unserer übergeordneten Institution, der Universitätsbibliothek Bern. Eine wichtige Funktion des Berichtes besteht darin, breite Unterstützung für den Anlass im erweiterten Umfeld der BibMED zu gewinnen.
7 Über den E-Day hinaus: Positive Nebeneffekte
Der E-Day hatte für uns sogar einige positive Nebeneffekte. Zwei Beispiele davon, auf die wir besonders stolz sind, möchten wir im Folgenden aufgreifen.
7.1 Virtuelle Tour
Die Erfahrungen in der Vergangenheit hatten gezeigt, dass es während dem obligatorischen Vormittagsprogramm durchaus „Durchhänger“ gibt: Langwierige Passagen im Programm, welche das Risiko bergen, dass das Publikum innerlich abzuschweifen beginnt. Gerade während der Bibliothekseinführung wurden innerhalb einer Dreiviertelstunde übermäßig viele Informationen mit übertriebenen Details abgegeben: „Wenn Sie eine Bücherbox ausleihen wollen, können Sie das an der Theke machen, dazu brauchen Sie Ihre Unicard, welche Sie zuerst mit ihrem Bibliothekskonto verknüpfen müssen. Die Leihfrist beträgt sechs Monate, Verlängerungen sind möglich, aber nur vor Ort. Bitte beachten Sie, dieses und jenes.“ Und so ging das noch eine Weile weiter. Insgesamt gab es über 20 solcher Themen, die wir den Neuankömmlingen vermitteln wollten. Das Problem: Diese Informationen sind erstens nicht für alle relevant, da am Ende nur ein Teil der Studierenden von den jeweiligen Angeboten Gebrauch macht. Zweitens sind zahlreiche Angebote noch nicht zu Beginn relevant, sondern erst im Verlaufe des Studiums.
Um die Informationsflut besser kanalisieren zu können, haben wir eine „Virtuelle Tour durch die BibMED“ auf den E-Day 2022 erstellt. Es handelt sich dabei um rund 25 Kurzvideos auf YouTube, welche zielgenaue Informationen zu den einzelnen Themen wie „Essen und Trinken“ oder „Ladegeräte“ liefern.[3] Somit müssen nicht alle Details am E-Day abgegeben werden. Es reicht, wenn wir sagen: „Es gibt Gruppenräume in der Bibliothek, welche sie online reservieren können. Wie das funktioniert, können Sie im entsprechenden Kurzvideo nachsehen.“ Somit können wir uns auf einen Überblick beschränken, ohne alle Details erläutern zu müssen.
Die Videos wurden vom Social Media Team der BibMED erstellt, das sich personell stark überschneidet mit dem Organisationsteam des E-Days. Dazu mussten wir uns einiges an Know-how in Videoproduktion und Videoschnitt autodidaktisch beibringen. Das verlangte dem Team immensen Einsatz ab, bereitete gleichzeitig aber auch sehr viel Spaß. Außerdem erhöhte es die heute stark gefragten digitalen Kompetenzen des Teams.
7.2 Vom E-Day zum Fernsehen
Inzwischen gibt es sogar so etwas wie ein Spinoff des Berner E-Days, das von zwei Medizinstudenten in Eigeninitiative gegründet wurde. Bei den beiden Studenten handelt es sich um langjährige E-Day-Protagonisten, die im Rahmen des E-Days bemerkt haben, wie groß der Informationsbedarf unter den angehenden Studierenden tatsächlich ist. Sie haben die Idee der Fragerunde aufgegriffen und weiterentwickelt. Daraus ist ein YouTube-Kanal entstanden, der unter dem Namen SwissMedTalk[4] Informationen zum Medizinstudium in der Schweiz und in Bern abgibt. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags existieren auf dem Kanal rund ein Dutzend Episoden, die typischerweise um die 30 Minuten dauern. In jeder Episode wird eine medizinische Fachperson interviewt und so erlebbar gemacht, wie der Alltag auf der Intensivmedizin, das Leben bei der Rettungsflugwacht oder ein Tag in der Pathologie aussehen. Die Beiträge wirken sehr locker und kurzweilig. Bei den Interviews wird Schweizerdeutsch gesprochen und geduzt (beides wäre der BibMED nicht ohne Weiteres erlaubt, würden wir unter unserem Namen solche Beiträge produzieren). Fragen wie nach der Höhe des Einkommens oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden unverfroren angesprochen und die Interviewten sind in ihren Antworten erfrischend direkt und offen. Es wird gelacht und Anekdoten werden zum Besten gebracht. Die beliebteste Episode hat weit über 10 000 Views erhalten – das sind Reichweiten, von denen wir als Bibliothek nur träumen können.
Das Schweizer Fernsehen SRF ist auf das Projekt aufmerksam geworden und engagiert die beiden Protagonisten nun für ein Sendungsformat, welches „Puls Check“[5] genannt wird. Das SRF preist die Sendung als „das Wissensformat für junge Menschen, in dem die Medizinstudenten Willi und Afreed anschaulich, informativ und lebensnah Themen rund um Gesundheit & Wellness erklären – immer hilfreich, immer glaubwürdig und mit einer Prise Humor“ an. Bisherige Themen: Alk im Körper, Schmerzmittel als Trenddrogen, Koffein als Booster, Long Covid bei jüngeren Menschen.
Die BibMED will sich hier keinesfalls mit fremden Federn schmücken: SwissMedTalk und Puls Check gehen auf die Eigeninitiative der beiden Studenten zurück. Die Bibliothek hat bei SwissMedTalk lediglich etwas Starthilfe geleistet. Es ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, wie hervorragende Ideen sich gegenseitig befruchten können und auf diese Weise Dinge entstehen, die so im Voraus nicht planbar gewesen wären. Für uns ist dies eine kleine Erfolgsgeschichte.
8 Offenheit und Vernetzung – die zentralen Erfolgsfaktoren
Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für den E-Day sind Offenheit und Vernetzung, wobei den Schlagwörtern gleich mehrere Bedeutungen zukommen. Zu Beginn steht die Offenheit der Bibliothek, überhaupt einen Event durchzuführen und sich in Bereiche vorzuwagen, die sich außerhalb der klassischen Bibliotheksarbeit befinden. Die Bibliothek wagt sich innerhalb des ihr gegebenen Rahmens in neue Territorien vor, um sich von anderen angebotenen Dienstleistungen der Universität abzuheben. Weiter geht es darum, die Bibliothek als Raum für solche Begegnungen zu öffnen. Sie ist am E-Day nicht mehr nur ein Ort des konzentrierten Lernens oder der Konsultation von Medien, sondern eher so etwas wie ein Messe-Standort. Der Lärmpegel ist an diesem Tag in den meisten Teilen der Bibliothek höher und es geht wesentlich lebendiger zu und her.
Drittens gehört Offenheit und Vernetzung bei neuen Kooperationen auf allen Seiten der Beteiligten dazu: die Offenheit, auf Protagonist*innen zuzugehen und für diese neue Form der Bibliotheksarbeit zu gewinnen, die Offenheit der Protagonist*innen, sich auf solche Aufgaben einzulassen. Ganz ähnlich verhält es sich mit der gegenseitigen Offenheit anderen Instituten gegenüber, insbesondere dem Studiendekanat (für die Planung der Stundenpläne) und während den Pandemiejahren dem Institut für Medizinische Lehre (für das Videostudio). Auch andere Stellen innerhalb der Universität wie zum Beispiel die Informatikdienste (Marktstand) und der Hausdienst müssen in die Offenheit mit einbezogen werden.
Selbst Dinge wie das Organisieren eines Food Trucks und das Einholen der entsprechenden Bewilligungen erfordern ebenfalls von allen Beteiligten die entsprechende Offenheit und Vernetzungsarbeit. Insgesamt gehört die Bereitschaft dazu, auf sehr viele Menschen zuzugehen und diese für den E-Day zu begeistern.
Nicht selten wird die Bibliothek auch mit Fragen konfrontiert in der Art: „Warum macht ihr euch das überhaupt zur Aufgabe? Wir dachten, ihr seid eine Bibliothek!?“ Solche Irritationen sind eine wundervolle Gelegenheit, um mit Leuten über die veränderte Rolle und das wandelnde Selbstverständnis der Bibliotheken zu sprechen. Wir erwähnen dann, dass Bibliotheken sich in einem Wandel befinden und längst nicht nur Bücherspeicher sind, sondern Lernorte und Informationszentren: Die Bibliothek wird zum Herz des Uni-Campus. Sie ist der einzige Ort an der Universität, an dem sich Studierende aus allen Semestern begegnen, und sie bietet somit den Zugang zu Informationen nicht nur via Medien, sondern auch durch sozialen Austausch.
Die BibMED muss dabei die vernetzten Komponenten wie Studienbeginn, Wahl der richtigen IT-Geräte, Verpflegung, Bibliotheksraum sowie Zugang zu E-Ressourcen und elektronische Lernmedien als „Ganzes“ betrachten und verstehen. Die Bibliothek ist somit Teil des Netzwerkes und bringt gerade dadurch den Studierenden einen Mehrwert.
Bei all diesen Kooperationen sind die Resultate erfahrungsgemäß dann am besten, wenn die Meinungen der Partner*innen aktiv abholt und in der Planung früh einbezogen werden. Die BibMED übergibt besonders den Studierenden eine aktive Rolle, um ihre Denkweise und Gewohnheit in den E-Day einbringen. Die Leute können ihre Fähigkeiten oft am besten einbringen, wenn ihnen Handlungsspielraum gewährt wird. Vom Organisationsteam verlangt dies einiges an Anpassungsfähigkeit. Pläne müssen immer wieder abgestimmt werden, weil z. B. jemand von den Protagonist*innen spät in der Planung plötzlich mit einer Idee kommt, wie sich ein Teil des Anlasses noch verbessern ließe. Auch dazu gehört Offenheit. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.
Zum Schluss soll aber noch die Offenheit erwähnt werden, außerhalb gewohnten und oft unbewusst ausgeübten Hierarchien zu denken. Universitäten sind grundsätzlich recht stark hierarchisch geprägte Institutionen, wobei Leitung und Lehrstühle oben und die Studierenden unten sitzen. Es gehört Offenheit dazu, sich als Uni-Mitarbeitende von Studierenden sagen zu lassen, wie ein Workshop oder eine Schulung am besten durchgeführt werden sollte. Auf solche Stimmen von „unten aus der Hierarchie“ zu hören, hat sich für den E-Day der BibMED jedoch enorm bewährt, denn letztlich sind dies die Stimmen der Hauptzielgruppe. Die BibMED ist somit eine Bibliothek für Studierende und nicht (nur) für Bücher. Der Fokus liegt nicht auf der Bereitstellung von Medien, sondern auf den Bedürfnissen und Gewohnheiten der Studierenden. Die Angebote und Dienstleistungen werden gemeinsam mit ihnen entwickelt. Gelingt es der Bibliothek, auf deren Anliegen einzugehen, sind die Erfolgschancen am besten.
Der Ansatz des „Design Thinking“[6] hilft der BibMED mit Partnern zusammenzuarbeiten, sich mit den Studierenden und Partnern zu vernetzen und sie aktiv in den E-Day einzubringen. Sie gibt somit ihren Protagonist*innen eine führende Rolle und gibt ihnen auch Raum für „Experimente“, die vielleicht nicht immer bis ins kleinste Detail durchdacht sind und auch einmal misslingen können. Dabei ist es wichtig, dass die Erkenntnisse aus den Experimenten offen im Netzwerk diskutiert werden, Probleme erkannt und sich daraus neue innovative Lösungsansätze entwickeln. In diesem Sinn steuert die BibMED neue Innovationen und ist vielleicht in gewissen Entwicklungen anderen Universitätsbibliotheken einen Schritt voraus. Vielleicht inspiriert dieser Beitrag Sie dazu, liebe*r Leser*in, etwas Neues auszuprobieren, Ungewohntes zu denken und in Gewagtes zu investieren.
9 Tipps für eigene Events
Planung frühzeitig beginnen (6–12 Monate im Voraus),
Vertreter*innen der Hauptzielgruppe in Planung einbeziehen,
Protagonist*innen aktiv suchen, anwerben und betreuen,
Zusammenarbeit mit Studiendekanat oder anderen Stellen suchen, welche die Teilnahme als obligatorisch deklarieren können oder welche wenigstens beurteilen können, ob es zeitgleiche Veranstaltungen gibt,
Bewilligungen einholen (z. B. für Food Truck). Manche Ämter haben lange Bearbeitungszeiten,
Raum- und Zeitpläne (Programmübersicht) erstellen,
Hausdienst einbeziehen (Sicherheit, Abfallkonzept, Reinigung),
Hauptprobe durchführen und die technische Infrastruktur genügend testen (Laptops, Anschlüsse, Beamer, Mikrofone, Lifestreams usw.),
Namensschilder für Protagonist*innen vorbereiten,
Statistiken führen, Feedbacks einholen, Erfahrungen dokumentieren, Bildmaterial erstellen,
Live auf Social Media posten,
Gewinner*innen der Wettbewerbe mit Einverständnis auf Social Media posten,
Bericht schreiben und veröffentlichen,
Von Misserfolgen nicht entmutigen lassen, sondern aus Fehlern lernen,
Erfolge feiern.
About the authors

Stefan Grosjean

Michelle Schaffer
Literaturverzeichnis
Kinnert, Diana; Bielefeld, Marc (2021): Die neue Einsamkeit: und wie wir sie als Gesellschaft überwinden können. (3. Auflage). Frankfurt a.M.: Hoffmann und Campe.Search in Google Scholar
Link, Patrick et al. (2020): Das Design Thinking Toolbook: die besten Werkzeuge & Methoden. München: Verlag Franz Vahlen.Search in Google Scholar
IDEO (2015): Design thinking for Libraries – A toolkit for patron-centered design. IDEO, Chicago Public Libraries and Aarhus Public Libraries. Verfügbar unter www.designthinkingforlibraries.com.Search in Google Scholar
© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
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- Ellyssa Kroski (Ed.): 25 ready-to-use sustainable living programs for libraries, Chicago: ALA Editions, 2022, ISBN 9780838936498, $59.99
- Veronica Arellano Douglas and Joanna Gadsby (Eds.): Deconstructing Service in Libraries. Intersections of Identities and Expectations. Sacramento, CA: Litwin Books, 2020. 404 S., Paperback, ISBN: 978-1634000604, $22.75.
- Judith Mavodza: Navigating and Managing an Academic Library. Best Practices from the Arabian Gulf Region. (Current Topics in Library and Information Practice), Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2022, ISBN 978-3-11-074008-0, € 92,95
- Kednik, Manfred (Hrsg.) unter Mitarbeit von Annemarie Kaindl: Martin Willibald Schrettinger (1772–1851). Vom eigenwilligen Mönch zum leidenschaftlichen Bibliothekar. Festschrift zum 250. Geburtstag (Neumarkter Historische Beiträge: 17). Neumarkt: Historischer Verein für Neumarkt in der Oberpfalz, 2022. 274 S. Abb., fest gebunden. ISBN 978-3-9811330-9-7, € 15,00
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