Cosimo Damiano Fonseca wurde am 21. Februar 1932 in Massafra (Provinz Tarent) geboren. Er studierte zunächst in Neapel Theologie und erhielt 1954 mit nur 22 Jahren die Priesterweihe. Nach dem Abschluss seines theologischen Studiums ging er 1956 nach Mailand, wo er an der Università Cattolica bei Cinzio Violante (1921–2001) Geschichte studierte und 1964 Privatdozent für Kirchengeschichte und mittelalterliche Geschichte wurde. 1971 kehrte er nach Apulien zurück und lehrte an den Universitäten Lecce und Bari. 1975 erfolgte seine Berufung zum Ordinarius für mittelalterliche Geschichte in Lecce, wo er Direktor des Instituts für mittlere und neuere Geschichte wurde und 1980 Direktor des Dipartimento di Scienze Storiche e Sociali sowie Dekan der Philosophischen Fakultät. 1982 bekleidete er das Amt des Rektors der neugegründeten Universität der Basilicata in Potenza, bis er 2001 einen Ruf an die Universität Bari annahm, wo er bis zu seiner Emeritierung 2006 lehrte. Als langjähriges Mitglied des Consiglio Universitario Nazionale (CUN) und Vizepräsident der italienischen Rektorenkonferenz hat er aktiv an der italienischen Universitätspolitik mitgewirkt.
Seine wissenschaftlichen Aktivitäten gingen stets über die nationalen Grenzen hinaus. 1963 war er Stipendiat am Centre d’études supérieurs de Civilisation médiévale in Poitiers und 1964/1965 Humboldt-Stipendiat an der Universität Freiburg im Breisgau, wo er von Joachim Wollasch (1931–2015) betreut wurde, der zu einer Gruppe junger Historiker gehörte, die sich um Gerd Tellenbach (1903–1999) zum Freiburger Arbeitskreis zur mittelalterlichen Personenforschung zusammengeschlossen hatten. Als Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom (1962–1972) förderte Tellenbach Forschungen zur Reichsgeschichte in der Toskana und eine Gruppe jüngerer italienischer Historiker, die sich um Fonsecas Lehrer Cinzio Violante sammelten, nachdem dieser 1965 von Mailand an die Universität Pisa gewechselt war. Tellenbach, der die Kooperation des Deutschen Historischen Instituts in Rom mit italienischen Historikerinnen und Historikern institutionell verankerte, nahm nach Vito Fumagalli (1938–1997), der von 1966 bis 1969 als Assistent am römischen Institut arbeitete, auch die Violante-Schülerin Livia Fasola 1970–1973 als wissenschaftliche Mitarbeiterin auf. Bei Wollasch lernte Fonseca die Memorialforschung kennen, die sich damals zu einem der bedeutendsten Forschungsprojekte der deutschen Mediävistik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte. Aus ihr ging 1975 das von Karl Schmid (1923–1993) und Joachim Wollasch begründete kommentierte Quellenwerk zur Erforschung der Personen und Personengruppen des Mittelalters „Societas et Fraternitas“ hervor, das sich vorwiegend mit liturgischen Quellen zum Totengedenken wie libri vitae und Nekrologien befasste, deren sozial- und kulturwissenschaftliche Bedeutung für die Erforschung der mittelalterlichen Gesellschaft noch nicht erkannt worden war. Fonseca und seine Schüler führten die Memorialforschung in den 1970er Jahren in der italienischen Mediävistik mit Erfolg ein.
Stets eng waren auch seine Kontakte zu polnischen Mediävistinnen und Mediävisten, wie überhaupt die zahlreichen von ihm veranstalteten internationalen Tagungen seit den sechziger Jahren ein Treffpunkt der internationalen Mittelalterforschung wurden. Nach seiner Rückkehr nach Apulien intensivierte er seine Forschungen zur Geschichte Süditaliens und nahm an den alle zwei Jahre stattfindenden „Giornate normanno-sveve“ teil, die an dem vom deutschen Mediävisten Carl Arnold Willemsen (1902–1986) in Bari gegründeten Zentrum für normannisch-staufische Studien (Centro di Studi Normanno-Svevi) stattfanden. Während sich die ersten Tagungen mit der Normannenzeit befassten, kam ab 1981 auch die Stauferzeit ins Blickfeld.
In seiner Zeit als Rektor der Universität Potenza leitete Fonseca auch das auf seine Initiative hin 1984 vom Consiglio Nazionale delle Ricerche Italiane zunächst in Tito Scalo und dann im Stauferkastell Lagopesole eingerichtete Istituto Internazionale di Studi Federiciani, das sich vor allem der interdisziplinären Erforschung der Kastellbauten Kaiser Friedrichs II. widmet. Das in Italien mit großem Aufwand gefeierte Jubiläum zum 800. Geburtstag des staufischen Kaisers, an dessen Organisation Fonseca maßgebend beteiligt war, endete im Dezember 1995 mit der feierlichen Eröffnung einer großen Ausstellung im Palazzo Venezia in Rom, die vom deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog und dem italienischen Staatspräsidenten Oscar Luigi Scalfaro eröffnet wurde. Auf die Anregung Fonsecas hin erschien wenig später (2005) eine Friedrich II. und seinem normannisch-staufischen Großreich gewidmete „Enciclopedia Fridericiana“. Damit wurde der Staufer an die Seite Dante Alighieris gestellt, der bis dahin die einzige mittelalterliche Persönlichkeit war, die in Italien eine eigene Enzyklopädie erhalten hatte. Der damalige Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom, Arnold Esch (1998–2001), konnte daher im Jahr 2000 während der Gedenkveranstaltung zum 750. Todestag Friedrichs II. in der Stadthalle der Stauferstadt Göppingen den dort anwesenden Fonseca als „promotore di studi federiciani“ bezeichnen. Dass Fonseca die italienisch-deutsche Zusammenarbeit am Herzen lag, zeigt seine Anwesenheit auf dem Hohenstaufen am 11. Dezember 2000, als die Vertreter der Stauferstiftungen und Staufergesellschaften von Jesi, Palermo und Göppingen eine Partnerschaftsurkunde unterzeichneten und damit ihre künftige, bis heute anhaltende Zusammenarbeit begründeten. An diesem klaren Dezembertag konnte man vom Hohenstaufen außer dem ganz in der Nähe im Norden gelegenen römischen Limes auch in der Ferne im Süden den Gipfel der Alpen sehen, „was einem Historiker, der gewohnt ist, Geschichte mit den Augen wahrzunehmen, mit Bezug auf die Staufer an das, was da so bald von Schwaben nach Rom führen sollte (und dann noch weiter in den Süden) denken ließ“, wie Arnold Esch bei dieser Gelegenheit sagte. Daher verwundert es nicht, dass Fonseca am 11. November 2006 in Göppingen als erster und bisher einziger Italiener mit dem Wissenschaftlichen Stauferpreis der Stauferstiftung Göppingen ausgezeichnet wurde.
Es ist hier unmöglich, die mehr als fünfzigjährige wissenschaftliche Produktion (von mehr als 550 Titeln zwischen 1959 und 2005) und seine ebenso langjährige und umfangreiche Aktivität als Organisator von Tagungen zu erwähnen. Daher verweise ich an dieser Stelle nur auf die ihm gewidmeten Festschriften.[1] Fonsecas originellstes Arbeitsfeld war die in Süditalien und im Mittelmeerraum verbreitete civiltà rupestre, „die Kultur der Grotten“. Zu diesem Thema organisierte er zwischen 1971 und 1981 sechs internationale Tagungen sowie von 2003 bis 2022 zehn weitere Tagungen an der von ihm inspirierten Stiftung Fondazione San Domenico in Savelletri (Provinz Brindisi). Sein Interesse für die civiltà rupestre begann bereits 1962, als er zusammen mit Roberto Capraro und Espedito Jacovelli einen Beitrag zu einer „carta archeologica del complesso di cripte del territorio di Massafra“, also seines Geburtsortes, verfasste. 1970 konnte er zu diesem Thema die grundlegende Monografie „Civiltà rupestre in Terra jonica“ vorlegen, die zum Ausgangspunkt der erwähnten Tagungen wurde. Noch während der in Italien von Januar 2020 bis Mai 2023 herrschenden Covid-Epidemie fand im November 2021 in Savelletri eine Konferenz statt, die die 50 Jahre der Tagungen zur civiltà rupestre feierte, die alle von Fonseca geleitet worden waren. Als im Sommer 2021 nach der durch die Covid-Epidemie bedingten Unterbrechung die Sitzungen der Accademia Nazionale dei Lincei in Rom wieder aufgenommen wurden, nahm Fonseca trotz zunehmender gesundheitlicher Probleme an den Sitzungen vom 30. Juni und 3. Juli teil, bei denen auch der italienische Premierminister Mario Draghi und Staatspräsident Sergio Mattarella anwesend waren. Auch eine Tagung im September 2021 in Melfi besuchte Fonseca, obwohl er bereits schwer erkrankt war und die Ärzte ihm von Reisen abrieten. Die letzte Tagung des Zyklus der civiltà rupestre-Veranstaltungen sollte eigentlich Ende November 2023 in Savelletri stattfinden, wurde dann aber wegen seines Gesundheitszustands auf den 23. bis 25 November 2022 vorgezogen. Auf dieser Tagung, an der er mit letzter Kraft, aber wie immer guter Laune und ungebrochenem Optimismus teilnahm, schonte er sich nicht, war bei fast allen Vorträgen dabei und ließ es sich nicht nehmen, trotz des nasskalten Wetters am späten Abend noch ein Konzert zu besuchen. Ebenso bestand er darauf, an der von ihm einberufenen Sitzung des Comitato tecnico-scientifico der Fondazione San Domenico teilzunehmen, auf der es um die Zukunft der Stiftung ging. Dies bestätigte die Worte seines Lehrers und Freundes Cinzio Violante, der zurecht seine große Humanität, seine außergewöhnliche „disponibilità dello spirito verso il nuovo anche se arduo, verso ogni impegno grave anche se non compensato in nessuna maniera“ und seinen „gusto di far le cose per se stesse, senza altro motivo, ma con grande senso del gratuito“ gelobt hat.[2]
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