Abstract
From the early 16th century onward, the Apostolic Penitentiary broadened the scope of an office, which until this period had granted papal grace to tens of thousands of petitioners from all over Christendom. From then on, in hundreds of cases the office allowed church properties to be leased, especially in and around cities. In accordance with Roman law, the Penitentiary gave permission to clerics and laymen to use the form of the emphyteutic lease. This paper presents some examples from Naples and Rome that deserve further in-depth research.
Die Apostolische Pönitentiarie, das vierte zentrale Amt der römischen Kurie neben Kanzlei, Kammer und Rota, erteilte seit dem 13. Jahrhundert im Namen des Papstes Bittstellern aus der gesamten Christenheit vieltausendfach Gnaden. Sie wurde daher von Zeitgenossen „well of grace“ genannt.[1] Die von Rom gewährten Gnaden bestanden vor allem in Absolutionen und Dispensen für Christen, die gegen die göttlichen Gebote oder das kanonische Recht verstoßen hatten.
1 Si in evidentem-Suppliken im Pönitentiarieregister
Seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts findet sich in den Registern der Pönitentiarie eine neue Art von Bittschriften, nämlich Suppliken um die emphyteutische Verpachtung von Kirchengut. Ein Summarium mit den Worten Si in evidentem am Rand kennzeichnet diese Texte im Register. In diesem Beitrag geht es primär darum, die Form dieser neuen Gnadengesuche und ihren Quellenwert exemplarisch am Beispiel von Pachtverträgen aus Neapel und von Bittstellern an der päpstlichen Kurie vorzustellen.[2] Die älteste Si in evidentem-Supplik datiert vom 15. April 1504, dem ersten Pontifikatsjahr Juliusʼ II. Dieser Papst hat der Pönitentiarie offenbar erstmals die Fakultät für die Gewährung derartiger Lizenzen erteilt. Das ergibt sich – wie wir sehen werden – auch aus den Taxlisten. Der Text der erwähnten ersten Supplik lautet wie folgt:[3]
„Antonius de la Rocha Messinenis [exponit], quod abbas et conventus monasterii s. Placiti de Calameo OSB Messanensis [diocesis] haberent duas apothecas in civitate Messanensi in contrada bancharum, certe domui dicti exponentis … contiguas …, ex quibus abbas et conventus parvam utilitatem percipiebant … easdem apothecas eidem exponenti pro se suisque heredibus in emphiteusim perpetuam pro censu carlenorum quatuor monete illarum partium locarunt et concesserunt, donarunt transtulerunt et alienarunt … prout in quodam publico instrumento desuper confecto plenius dicitur contineri. Cum autem … premissa in evidentem dicti monasterii cesserunt atque cedant utilitatem … supplicatur … omnia et singula in dicto instrumento contenta auctoritate apostolica approbari et confirmari committere et mandare dignemini, non obstante constitutione … Pauli pape secundi.
Fiat de speciali servata iuris forma A. eiscopus. Agiensis regens. Et committatur decano et Coleantonio Malet canonico ecclesie Messin. et eorum cuilibet, Fiat A.“[4]
Suppliken um die emphyteutische Verpachtung von Kirchengut (wie diese aus Messina) stammen zu 90 % aus Italien. Daher werden hier exemplarisch Bittschriften aus Neapel und Rom untersucht, die aus den Jahren 1522/1523 sowie 1525 datieren. Daneben werden originale Suppliken aus dem 4. Pontifikatsjahr Leos X. (1517), die in einem verlorenen Registerband registriert waren, hinzugezogen.[5] Welches sind die charakteristischen Merkmale einer Supplik um Verpachtung von bona ecclesiae in den Registern der Pönitentiarie?
Eingereicht wurden diese Bittschriften entweder von der das Gut verleihenden kirchlichen Institution (Kloster, Stift oder Benefiziat) oder dem Petenten bzw. von beiden. Im Beispiel aus Messina sind es „Antonius de la Rocha … et conventus monasterii s. Placiti“. Topografische Lage, Größe, Bewuchs und Umfang des jeweiligen Pachtguts werden, insbesondere bei in einer Stadt gelegenen Objekten, genau umschrieben wie oben in der Supplik des Antonius: „duas apothecas in civitate Messanensi in contrada bancharum“. Für das auf Dauer verpachtete Gut zahlt der Bittsteller jährlich einen in Münzwerten angegebenen Zins. Als Zeitpunkt für die Zahlung des Pachtzinses wird in späteren Suppliken der 15. August oder (sehr selten) das Fest Allerheiligen genannt.
Begründet wird die Verpachtung stets mit der evidens utilitas ecclesie und dabei vermerkt, aus dem genannten Gut seien bisher keine oder nur ungenügende Erträge erwachsen (wie in der oben zitierten Supplik). Der Text schließt stets mit der Bitte um Approbation bzw. Lizenz durch den Papst oder die Pönitentiarie, gefolgt von verschiedenen Kautelarformeln und den üblichen Nonobstantien. Darunter wird wie in dem oben gezeigten Fall eine noch zu erörternde Konstitution Pauls II. genannt.[6] Am Schluß werden mit den Worten „et committatur“ zwei Kleriker bestellt, die als von Rom beauftragte Kommissare den Sachverhalt vor Ort überprüfen und abschließend gutheißen sollen.[7] Wenn es sich um Gut in einer Stadt handelte, wurden mit dieser Aufgabe (wie im Beispiel oben) regelmäßig Kanoniker der jeweiligen Bischofskirche betraut.
2 Kirchengut und Emphyteuse im Kirchenrecht
Die spätmittelalterliche Kirche verfügte über Grund- und Landbesitz in allen Gebieten der Christenheit. Das darauf basierende Kirchenvermögen, die bona ecclesiae, hatten dem Kult (der Messfeier und Sakramentenspendung), der Caritas gegenüber den Bedürftigen und dem Unterhalt des Klerus zu dienen.[8] Daher verbot das Kanonische Recht, bewegliches wie unbewegliches Kirchengut zu veräußern, auch unter dem Rechtstitel der Emphyteuse. Der Begriff Emphyteuse stammt aus dem römischen Recht und ist dort neben der Leihe (conductio) und Schenkung (alienatio) als eine dritte Art von Güterübertragung definiert.[9] Bei der Emphyteuse handelt es sich um einen zeitlich unbegrenzten Pachtvertrag, der in Schriftform bekräftigt wird („pactionibus scriptura interveniente habitis“). Jeder Erbpächter war verpflichtet, das gepachtete Gut zu pflegen und dafür einen jährlichen Zins zu entrichten.[10] Durch Gratian ist der Begriff Emphyteuse ins Kanonische Recht übergegangen.[11]
Ein ganzer Titel des „Corpus Iuris Canonici“ (CIC X 3.13 bis 18) handelt auch vom Verbot der Ewigpacht und trägt die Überschrift: „De rebus ecclesiae alienandis vel non“, darunter fällt auch die Emphyteuse.[12] Kapitel X 3.18.4 untersagt einem Erbnehmer, die Erträge aus dem Kirchengut zu veräußern.[13] In anderen Dekretalen wird das generelle Verbot, Kirchengut zu veräußern, wiederholt.[14] Der „Liber Sextus“ thematisiert es in Titel 9 mit einer Dekretale von Innozenz IV. (VI 3.9.1.), während in Kapitel 2 auf das vom Konzil von Lyon (1245) erlassene Verbot der Emphyteuse verwiesen wird. Auf die Beschlüsse des Konzils von Vienne (1309) verweist Titel 3.4 der Clementinen „De rebus ecclesiae non alienandis“.[15]
In diesen Rechtstexten werden allerdings Ausnahmen vom generellen Verbot der Entfremdung von Kirchengut genannt. Bereits Coelestin III. hatte nach dem Summarium von X 3.13.8 die Gewinnmaximierung bei verpachtetem Kirchengut zugelassen.[16] Der „Liber Extra“ (X 3.13) erlaubt in Kapitel 7 die erbliche Verpachtung von Rodeland.[17] In der Dekretale Innozenzʼ IV. (VI 3.9.1), werden eine evidens necessitas et utilitas für die Kirche als mögliche Ausnahmen vom Verpachtungsverbot benannt. Der Titel 4 der Clementinen „De rebus ecclesiae non alienandis“ kennt ähnliche Gründe.[18] In der „Glossa ordinaria“ (GO) zu den genannten Dekretalen werden sowohl die Emphyteuse wie die Rechte und Pflichten des Pächters diskutiert, und der Höhe des jährlichen Zinses werden gewisse Grenzen gesetzt.[19]
Eine Konstitution Papst Pauls II. vom 1. März 1468 mit dem Titel „De rebus ecclesiae non alienandis“ und den Anfangsworten „Ambitiosae cupiditati“, in die „Extravagantes communes“ des CIC aufgenommen, zeitigte allerdings bald umwälzende Folgen.[20] Papst Paul verbot zwar – wie alle seine Vorgänger – „omnium rerum et bonorum ecclesiasticorum alienationem“, ließ aber als Ausnahme die Emphyteuse zu. Diese Konstitution, die quasi zur Vergabe von Kirchengut einlud, wurde weitherum bekannt, weil sie noch im 15. Jahrhundert mehrfach zum Druck kam. Die Bekanntheit der Texte Pauls II. ist dadurch evident, dass in mehr als der Hälfte aller hier untersuchten Si in evidentem-Suppliken die Konstitution dieses Papstes in den Nonobstantien ausdrücklich genannt wird.
3 Vergabe von Kirchengut durch Kammer und Kanzlei
Trotz des generellen kanonischen Verbots wurde die Verpachtung von Kirchengut praktiziert. Die Genehmigung einer alienatio bonarum ecclesiae gehörte jedoch als Ausnahmerecht in die Zuständigkeit von päpstlicher Kammer und Kanzlei und bis zu Julius II. nicht zu den facultates der Pönitentiarie. Die Bedingung für eine Gewährung lautete in den Texten von Kammer und Kanzlei stets „si in evidentem utilitatem cedant“.[21] Die facultas concedendi si in evidentem wurde auch päpstlichen Legaten für ihre Mission erteilt.[22] In den Vatikanischen Registern wird eine solche Gewährung gewöhnlich kurz als „concessio si in evidentem“ bezeichnet.[23] Beleihung und Verkauf von Kirchengut im Bereich deutscher Diözesen lassen sich für die Jahre von Eugen IV. bis zu Sixtus IV. im Repertorium Germanicum (RG) nachweisen.[24]
So bat beispielsweise der Benediktinerabt von Comburg, der dem Grafen Albert von Hohenlohe das Dorf Künzelsau für 6000 rheinische Gulden mit Zustimmung des Bischofs von Würzburg verkauft hatte, am 12. September 1484 um päpstliche Bestätigung der Aktion.[25] Katherina, die verarmte Witwe des Johannes de Alamania de Urbe erhielt die Garantie, ihr Haus „in Urbe regione Parionis“ bei San Martinello, einer heute zerstörten Kirche beim Monte di Pietà in Rom, das ihr der Rektor der Kirche zur Emphyteuse überlassen hatte, behalten zu dürfen. Ihr Anliegen wird am 4. Juni 1485 von zwei römischen Kanonikern kommissioniert, Laurentius de Rubeis und Franciscus de Maffeis, die der Witwe zu ihrem Recht verhelfen sollten.[26]
Die Herzöge Ernst und Albert von Sachsen erhielten am 12. März 1485 eine pauschale Lizenz zur Anwendung von Si in evidentem und der Vergabe von Kirchengut ebenso wie Abt Heinrich von Homburg am 17. Januar 1489 für sein Kloster in Weissenburg (Btm. Speyer).[27] Abt Heinrich beklagte, dass sein Haus recht verarmt sei und er es wieder reformieren wolle, indem er Kirchengut abstoße.[28] Eine gleichlautende Lizenz erhielten auch 1485 Hartman Krorz, Pfarrer von St. Martin in Chur,[29] der Bischof von Schleswig (für die Verleihung einer Insel namens Utholm[30]), der Vikar von St. Ansgar in Bremen (für ein Haus in der Stadt Bremen[31]). Abt und Konvent des Klosters Marienthal im Bistum Bremen durften ein ruinöses Haus in der Stadt Emden verkaufen, das ihnen nur sieben Gulden Pacht einbrachte.[32] Der Speyrer Adlige Johannes Hirschhorn erwarb von Abt und Konvent des Benediktinerklosters Limburg ein „castrum Fudelzheym“ (Friedelsheim?) im Bistum Speier für den Zins von 40 rheinischen Gulden.[33]
Si in evidentem-Suppliken aus dem Deutschen Reich sind in den Pönitentiarie-Registern selten aufzufinden, weil die Vergabe von Kirchengut auf diözesaner Ebene ohne Berufung auf eine päpstliche Approbation möglich war. Dafür sollen einige Beispiele aus der Zeit vor 1500 genügen, die Christiane Schuchard in den Mainzer Domkapitelsprotokollen gefunden hat. Dort kommt sowohl die Formel Si in evidentem wie auch der Verweis auf die Konstitution Pauls II. vor.
Im Zusammenhang mit dem Zoll in Niederlahnstein an der Grenze zwischen den Bistümern Mainz und Trier wird 1493 in den Mainzer Domkapitelsprotokollen ein Geschäft erwähnt, in welchem der Erzbischof die Festung Quingenberg für 2000 Gulden abgab.[34] Heinrich von Fulda, Abt des dortigen Klosters beantragte 1497, eine Immobilie seiner Vikarie in der Nähe von Kronberg im Taunus verkaufen zu dürfen. Unter dem Vorbehalt, dass die Konstitution Pauls II. dabei zu beachten sei, wurde dem Verkauf zugestimmt.[35] Auch der Kauf eines Hofes (curia) zu Ostrich (Oestrich im Rheingau) für 80 Florenen wird 1498 unter der Voraussetzung der evidens utilitas ecclesie genehmigt.[36] Möglicherweise handelt es sich um dasselbe Anwesen, von dem 1519 in einer Supplik an die Pönitentiarie die Rede ist.[37] Eine Mainzer Klerikerversammlung stellte 1501 klar, dass bona ecclesiae nur dann abgetreten werden dürften, wenn eine evidens necessitas nachgewiesen sei.[38]
4 Amt und Aufgabe der Kommissare – Taxen für die littera
Si in evidentem-Suppliken wurden – wie bereits an der zitierten Supplik aus Messina gezeigt – dorthin kommissioniert, wo sich das betreffende kirchliche Gut befand. Die von Rom beauftragten Kleriker, Kommissare genannt, haben somit bei der Vergabe entscheidend mitzureden. In den hier vorgestellten Suppliken aus Neapel werden von der Pönitentiarie regelmäßig Kanoniker des Domstifts bestellt. Sie durften – wie in manchen Suppliken zu lesen – auch den Zins einer Pacht überprüfen und ggf. erhöhen. Sie hatten damit einen entscheidenden Anteil an der Vergabe von bona ecclesiae in ihrer Stadt und fungierten als Dreh- und Angelpunkt bei dieser Art von Geschäften. Einige Kommissare entstammen adligen Familien der Stadt und sind dabei auch für sich selbst bzw. ihre Klientel tätig, wie später gezeigt wird. Für Suppliken aus dem Bistum Neapel werden folgende Kanoniker zu Kommissaren bestellt (in Klammern die Häufigkeit): Johannes de Musica (20), Luca Cangiano (22), Nicolaus de Ariano (13), Hieronimus Orilia (10), Alexander Trabuco (10), Franciscus Brancatio (7) und Raymundus Barillis (6).
Neben dem jährlich vom Pächter zu entrichtenden Zins (census) zahlten alle Bittsteller eine Schreibertaxe für die littera, denn jeder Petent, dessen Bitte gewährt wurde, erhielt vom päpstlichen Gnadenamt eine schriftliche Mitteilung. Diese littera wurde nicht in Rom registriert, sondern ist nur in den Archiven in partibus zu finden. Die Taxen sollten die Kosten der Produktion für die Bearbeitung, Ausstellung und das Siegel decken. Schreiber und andere kuriale Amtsträger bestritten davon ihren Unterhalt.[39] An der Pönitentiarie tätige Personen und Kuriale (vom Kardinal bis zum Prokurator), oft auch deren Verwandte, bezahlten keine Taxe, ebensowenig Petenten, die einen Armutseid abgelegt hatten. Die Höhe der Taxe war in entsprechenden Listen normiert und scheint dem sozialen Stand der Petenten sowie dem Wert des Kirchenguts entsprochen zu haben.
Dem erstmaligen Auftauchen von Bittschriften um die Vergabe von Kirchengut durch die Pönitentiarie unter Julius II. entspricht der Befund in den Taxlisten. In den aus der Zeit vor Julius (1503–1513) datierbaren Listen, etwa der des Cornelius de Ruyff, sind keine Angaben zu diesem Thema zu finden. Vermutlich hat Julius II. im Zuge seiner Reform des Taxwesens die neuen Briefsorten für Si in evidentem-Suppliken geschaffen. Denn nur in den späteren Taxlisten der Pönitentiarie sind Angaben zur Höhe der Taxe bei Suppliken zur Verpachtung gemäß Si in evidentem vorhanden.[40]
5 Kirchengut in Stadt und Umland von Neapel
Im Folgenden werden die neapolitanischen Suppliken aus dem Pontifikat Hadrians VI. und 18 Originalsuppliken des Jahres 1517 analysiert. Wie es scheint haben sich alle kirchlichen Institutionen der Stadt am Geschäft der Verpachtung von Kirchengut beteiligt.[41]
Die Benediktiner des Klosters S. Petri de Magella haben eines ihrer Häuser in der Stadt Neapel zuerst einem Renaldo Capo und dann einem Kleriker aus Benevent namens Johannes Vasallo de Altavilla zu einem Zins von sechs Dukaten überlassen.[42] Ein Kommendatar des Sankt-Peter Klosters im Bistum Caserta verpachtete einem Antonellus de Aloysiis aus Neapel ein Gut für fünf Dukaten, ein anderes für sieben Carlenen.[43] Der Abt des Klosters „de Capellis prope et extra muros Neapol.“ bestätigte dem Laien Gaspar Flonde, zwei Stücke Land im Stadtteil „Casatis Arzani in loco ubi dicitur ‚ad Capellam‘“ als Erbe eines Nardus Andree Flonde behalten zu dürfen.[44]
Benediktinerinnen waren in dem Geschäft mit Verpachtungen nicht weniger aktiv. Die Nonnen von Sankt Peter überließen einem neapolitanischen Laien namens Johannes Marini Spinicaraso ein Haus „in Summo Platee civitatis Neapol.“ direkt neben dem Anwesen des Petenten zum Zins von sechs Dukaten und einem Carlenen. Zusätzlich verpflichtete sich der Pächter, jährlich neun Tarenen einer von den Nonnen zu bestimmenden Person zu zahlen.[45] In einer Supplik um benediktinisches Kirchengut, die der neapolitanische Laie Jacobus Capellus in Rom eingereicht hatte, erfährt man, dass die Äbtissin des Klosters des Heiligen Ligorius ihm ein Haus mit mehreren Räumen in Neapel im Quartier von San Gennaro verpachtet hatte. Der Zins betrug fünf Carlenen und einen Tarenus.[46] Vier Monate später gaben Äbtissin und Nonnen desselben Klosters dem Johannes Antonius Koch aus Neapel ein genau bemessenes Stück Land in der Stadt direkt neben seinem Haus „in loco Sancta Clara nuncupato“ zur Emphyteuse.[47]
Das von den Benediktinerinnen des monasterium s. Marie Donne Remote oder in Domnica verpachtete, mit Bäumen und Weinstöcken bepflanzte Kirchengut lag nicht unter dem Vesuv, sondern im Bistum Nola. Es brachte dem Kloster einen jährlichen Zins von sechs Dukaten ein.[48] Pächter waren eine Frau namens Maria und ihr Sohn Petrus Perezatus. Zwei Häuser in der Stadt selbst hatten die Äbtissin und die Nonnen von Santa Maria in Domnica an eine Frau namens Angela Folona aus Neapel verpachtet. Das erste lag in einem Stadtteil „ubi vulgariter dicitur ‚Ad la scalesia‘“ (?), das andere im Gebiet „Ad la crosta sancti Martini“, sie brachten den Nonnen jährlich zehn Dukaten ein.[49]
Die Nonnen des Klosters s. Archangeli ad Baianum hatten dem neapolitanischen Laien Johannes de Licteris einen mit alten Bäumen bepflanzten Acker von 17 modii im Gebiet der Siedlung Magnani neben dem Gut des Adligen Johannis Antonii Ferilli und dem des Notars Antoniius Miglian „in loco ubi dicitur ‚Canuto‘“ zu emphyteutischen Bedingungen überlassen. Der Zins sollte von den Kommissaren, den Domkanonikern Francisco Brancatio und Luca Cangiano, festgelegt werden, durfte aber wie notariell vereinbart 20 Dukaten nicht übersteigen.[50]
Ebenfalls mitten in Neapel „in frontispicio Castri Capuani“ lag ein Laden (apotheca), den die Äbtissin des Klosters des hl. Gaudiosus, Elizabeth de Noffredo, einem gewissen Pascalis überlassen hatte, der als Trompeter (tubice) qualifiziert ist und den bezeichnenden Beinamen de Silentio führt. Die Nachbarn des Anwesens, das sechs Dukaten Zins abwarf sowie für 20 Dukaten renoviert werden musste, waren eine Cassandra de Carazolo und ein Marcus Antonelli de Castellis.[51] In der Umgebung von Neapel „in loco ubi dicitur ‚Ad foro Gropp seu Ad Fastignano‘“ hatten die Nonnen von Sankt Marcellino den Gebrüdern Loysius und Philippus de Preciosis aus Neapel ein Stück Land der Größe von zwei modii mit einem Haus und Palmen für einen Zins von zehn Dukaten überlassen und der Verpflichtung, die apostolische Zustimmung zu der Pacht einzuholen. Dort wird auch der Wechselkurs von neapolitanischen und Kammerdukaten genannt.[52]
Auch die Klarissen Neapels nutzten ihren Besitz in der Stadt, um daraus Profit zu schlagen. So verliehen sie einem Papierhändler und einem Mönch zwei nebeneinander stehende Häuser von vier bzw. sechs Räumen „in platea s. Stephani et Magne Vicarie“ in der Stadt.[53] Ferner gaben die Nonnen an den Bürger Paduanus Rixii (?) einen Teil ihres fundicus mitten in der Stadt „in Platea Capuana et in frontispicio Castri“ gelegen. Die dem Pächter überlassenen Kammern und Keller werden genau beschrieben, die jährliche Pacht auf zehn Dukaten festgelegt.[54] Auf dem soeben genannten Grundstück „in frontispicio Castri“ hatten die Klarissen bereits einem gewissen Vincentius Roccalupo mehrere Räume gegen einen Zins von 18 Dukaten verpachtet. In demselben fundicus, quasi als Untermieter des Vincenzius, erhielt der Laie Donatus de Camarota einen offenen Keller mit vier Räumen und ein weiteres Zimmer, deren Ausmaße genau angegeben sind. Für seinen Teil des Anwesens musste Donatus dem Hauptmieter Vincentius drei Dukaten und vier Tarenen Zins entrichten.[55]
Franziskanerinnen waren auch in ein mit dem Geruch des Wuchers belastetes Geschäft involviert.[56] Die Nonnen schuldeten einem Bewohner Neapels namens Petrus de Molinis 340 Dukaten. Deshalb hatten sie einen Vertrag mit dem neapolitanischen Adligen Hannibal Pignatellus und seiner Frau Lucrezia Carbone geschlossen, denn Hannibal stand bei dem Kloster mit 212 Dukaten in der Kreide. Hannibal und Lucrezia übernahmen daher die Schuld der Nonnen gegenüber Petrus de Molinis. Ein von Hannibal den Nonnen geschuldeter Zins von jährlich zehn Dukaten und vier Carlenen wurde dabei bis zur Tilgung der 340 Dukaten berücksichtigt. Alle diese Abmachungen waren zuvor notariell aufgezeichnet worden, wie in der Supplik mehrfach betont wird. Die Pönitentiarie segnete diese „in evidentem dicti monasterii utilitatem“ getroffene Abmachung ab und bestellte wie immer zwei Domkanoniker als Kommissare.
In Rom hatte man diese Supplik auf mögliche Verstöße gegen das kanonische Wucherverbot indes sorgfältig überprüft.[57] Das Ergebnis brachte der Regens in einem langen Kommentar im Register am Ende der Supplik zum Ausdruck. Der kanonistisch gebildete Mercurius de Vipera berief sich in seiner positiven Entscheidung auf das Werk des Johannes de Anania († 1457), nämlich die „Commentaria super libro Decretalium“, die seit der Erstausgabe Bologna 1479 mehrfach gedruckt worden sind.[58]
Die Augustinerinnen in Neapel waren bei der Verpachtung von Kirchengut nicht weniger aktiv als die Klarissen. Das Kloster der hl. Maria Magdalena vergab ein ruinöses Anwesen in der Stadt an zwei Laien, Antonellus de Mauris aus Neapel und einen dort ansässigen Spanier mit Namen Michael Dives, gegen einen beachtenswerten Zins von 30 Dukaten. Das Pachtgut lag am Hafen „in Platea s. Jacobi regionis Sedilis Portus“ und umfasste mehrere Gebäude, ein Hotel und einen Laden. Die Begünstigten verpflichteten sich, für die Reparatur des Komplexes innerhalb von drei Jahren nach Erhalt der päpstlichen Approbation 200 Dukaten aufzuwenden. Der jährliche Zins konnte nach Maßgabe der zwei als Kommissare bestellten Domkanoniker noch erhöht werden.[59]
Ein nicht seltenes Problem bei der Verpachtung ihres Gutes hatten die Franziskaner-Konventualen von S. Maria de la Misericordia seu s. Laurentii. Ihnen waren von einem gewissen Agamemnon Galmanus, einem Laien aus Capri, testamentarisch mehrere Häuser mit Gärten und Weinbergen weit entfernt von Neapel geschenkt worden, mit der Auflage, drei Messen pro Woche für das Seelenheil Agamemnons zu feiern. Ausserdem durften sie die dort befindlichen Häuser, Gärten und Wälder nicht verkaufen. Um dennoch daraus Gewinn zu erzielen, verpachteten sie das Gut einem Verwandten Agamemnons in Emphyteuse zum Zins von sechs Dukaten.[60] Der gleiche Minoritenkonvent von San Lorenzo in Neapel besaß in der Stadt Anteile an einem Haus „in platea s. Herami“ (?), welches sie 1517 dem Laien Petrus Paulus de Strio zu Erbpacht überließen.[61]
Das gleiche Problem wie die Franziskaner hatten die Augustinereremiten Neapels. Sie zweifelten eine von der Pönitentiarie erhaltene Lizenz, ihre Güter in Emphyteuse zu verpachten, an und baten um eine erneute päpstliche Bestätigung. Einige der den Mönchen testamentarisch überlassenen Besitztümer waren ihnen mit dem ausdrücklichen Vorbehalt geschenkt worden, diese Güter nicht zu verschenken oder zu verpachten.[62] Prior und Konvent des Klosters der Jungfrau Maria de Crivello teilten solche Bedenken nicht. Sie hatten einer adligen Witwe der Stadt mit Namen Leonora Speraindeo ein Haus mit mehreren Zimmern und einem mit Wein bepflanzten Garten in dem „Ad Prigliano“ genannten Gebiet im Territorium Sinne verpachtet. Leonora verpflichtete sich, dort 100 Dukaten „in melioramentis“ zu investieren. Sollte Leonora den Zins von 13 Dukaten über mehr als zwei Jahre schuldig bleiben, fiel das Gut wie in dem notariellen Vertrag vereinbart wieder an Prior und Konvent zurück.[63] Die Gemeinschaft der Augustinereremiten von S. Giovanni ad Carbonetum in Neapel hatten dem Magister Antonius de Bisigno de Calmaneo, Einwohner der Stadt, dort einen Laden in der „platea vulgariter nuncupata ‚Li Piantiblari seu de la Teutri‘“ auf 30 Jahre und zu einem Zins von sieben Carleni überlassen. Antonius verpflichtete sich vertraglich dazu, das Objekt zu reparieren, eine neue Tür und einen Gang (permeatum) einzubauen. Ferner musste er auf seine Kosten die päpstliche Genehmigung für die Verpachtung einholen.[64]
Wie andere Bettelorden sicherten sich auch die Dominikaner in Neapel Einkünfte mit Hilfe ihres Kirchenguts. Für eine Ablösung (affrancatio) ihres Besitzes in Sorrent bekamen sie 100 Dukaten und gaben einem Angelellus Castelli de Sancta Anastasia ein Stück Land von elf modii für fünf Dukaten pro Jahr in seinem Dorf zu Lehen.[65] Ein großes Gut mitten in der Stadt Neapel verpachteten die Dominikaner s. Petri Martiris dem neapolitanischen Kaufmann magister Sanctillus della Monica. Es lag in einem besonderen Teil der Stadt in der „Platea della Incoronata“, wo sich auch der Sitz der königlichen Kavallerie befand.[66] Sanctillus sollte dafür eine Pacht von jährlich 20 Dukaten zahlen. Zusätzlich zum Zins war er laut notarieller Vereinbarung verpflichtet dafür Sorge zu tragen, beim Kastellan der Burg zu erwirken, die dort ansässige königliche Kavallerie auf seine Kosten an einen anderen Ort zu verlegen. Wer war dieser magister Sanctillus della Monica, dass er eine solche Aktion zu vollbringen verspricht? Die Dominikaner des gleichen Konvents in Neapel hatten bereits 1517 einem Drucker namens Nikolaus Ambrosio ein mehrstöckiges, mit Gärten und zahlreichen Zimmern ausgestattetes, „in platea porte Capue“ gelegenes Haus zum Zins von 27 Dukaten lokaler Währung jedoch nur auf 29 Jahre verpachtet. Nikolaus hatte sich zudem verpflichtet, zwei Zimmer auf seine Kosten auszubauen.[67]
Im gleichen Jahr 1517 hatte ein Goldschmied (aurifaber) der Stadt namerns Avellus de Armensa von den Dominikanern von San Domenico einen der Renovierung bedürftigen Laden, den zuvor sein Vater Franziscus de Armensa für jeweils 15 Jahre gepachtet und dort 28 Dukaten investiert hatte, für den identischen Zins zu Ewigpacht übernommen.[68] Ein anderes dreistöckiges Haus der Prediger wurde dem Schuster Antonius Palombi überlassen. Es lag „in loco ‚La via nova‘“ und war „cum astreto ad solem ac puteo cantina et furno“ gut ausgestattet. Es brachte den Predigern jährlich zehn Dukaten und sechs Carlenen Zins ein. Der Pächter hatte sich, wie im notariellen Vertrag zu lesen war, zusätzlich verpflichtet, zur Reparatur des Anwesens 30 Dukaten zu investieren.[69] Der weibliche Zweig des Ordens, nämlich Priorin und Konvent der Dominikanerinnen von San Sebastiano, hatten 1517 einem Laien aus der Stadt namens Vitillio de Croffo einen Laden im Zentrum Neapels zu einem Zins von sieben Dukaten verpachtet.[70]
Die Johanniter unterhielten in Neapel ein bedeutendes Hospital, das hospitalis s. Johannis ad mare, Verwalter des Hauses war als Prior Johannes Carafa. 1517 hatte er einem Ordensbruder namens Michael de Guidoni und dessen Verwandten ein Haus in Neapel mit Laden, Keller und zwei Räumen zu einem Zins von achteinhalb Dukaten in Emphyteuse verpachtet mit der Verpflichtung, dort 25 Dukaten zu investieren.[71] Fünf Jahre später nahm Johannes Carafa weitere Verpachtungen vor. Als Prior des Spitals Sancti Johannis ad Mare verpachtet er in der Stadt Neapel einem Stellmacher (carpentarius) namens Minicus de Charo ein Haus mit mehreren Räumen auf dem Gelände des Priorats für einen jährlichen Zins von vier Dukaten.[72] Dem Laien Pirrus Antonius Follerii überließ er ein Haus in zentraler Lage gegen einen Zins von zehn Dukaten und acht Carlenen. Einer der Kommissare dieses Geschäfts war der damals in Neapel residierende Bischof von Lesina, Lucas Matthaeus Caracciolo.[73] Johannes Carafa gab acht Monate später in seiner Eigenschaft als commendator des Spitals einem anderen Mitglied des Hauses Caracciolo, Johannes Caracciolo de Neapol., zwei neben dessen eigenem Haus gelegene Gebäude für sechs Dukaten zur emphyteutischen Pacht.[74] Man darf wohl hinter diesem Geschäft nicht zuletzt gewisse Familieninteressen vermuten. In eben diesem Gebiet, „in rua Francesca sedilis nove civitatis“ hatte 1517 ein Orden dem Adligen Angelo Carlone ein Haus für einen Zins von 78 Carlenen zu emphyteutischen Bedingungen verpachtet.[75]
Eine dritte, dieses Spital betreffende Supplik schildert einen komplizierten Fall. Der verstorbene Johanniter Fabritius de Carreto hatte als ehemaliger magister hospitalis Sancti Johannis in Neapel seinem Ordensbruder Carolus de Jesualdo ein großflächiges Anwesen mit Hof, Garten, Terrasse und vielen Obstbäumen neben dem genannten Hospital und dem Anwesen eines Luca Gagliardi verpachtet.[76] Carolus wiederum hatte den Komplex seinem leiblichen Bruder Maxentius de Jesualdis, einem verheirateten Laien, für einen Zins von siebeneinhalb Dukaten weitergegeben. Dem Maxentius war erlaubt worden, zu Lebzeiten seines Bruders diesen Palast mit seiner Familie zu bewohnen, er durfte das Anwesen aber nicht verkaufen oder weitergeben. Auch über die Modalitäten dieser Abmachung bestand ein notariell beglaubigter Vertrag. Carolus und Maxentius baten in ihrer Supplik um päpstliche Approbation und Konfirmation desselben.
In Neapel existierten weitere, der Krankenfürsorge gewidmete Häuser, das hospitalis s. Juliani extra Neapol. und das hospitalis s. Marie de Populo alias de Incurabilibus. Die Verwalter des erstgenannten, außerhalb der Mauern Neapels gelegenen Krankenhauses, verpachteten einem Priester in Neapel, Bernardinus Piscopis, einen Garten mit Obstbäumen, der neben dem Anwesen des Adligen Johannis de Laris gelegen war und bisher zu wenig Ertrag einbrachte, zum Zins von sechs Carlenen. Nach einer gewissen Zeit durfte der Zins auf sieben Tarenen erhöht werden.[77] Das „Spital der unheilbar Kranken“ erwarb von einem Petrus Abbas, dem Rektor der Pfarrkirche s. Johannis de Porta s. Januarii in Neapel ein vom Zerfall bedrohtes Haus. Den emphyteutischen Vertrag schlossen Petrus und die Verwalter des Hospitals s. Marie de Populo alias de Incurabilibus ab. Auf dem Pachgut lastete ein jährlicher Zins von 15 carleni.[78]
Die bisher vorgestellten Suppliken lassen erkennen, wie begehrt Kirchengut besonders in der Stadt Neapel war. Die Beschreibung der Häuser, Gärten und Äcker sowie die präzise Ortsangabe einschließlich der Nennung von Bewohnern benachbarter Grundstücke liefern neue, sehr präzise Details zur Geschichte der Stadt und ihrer Umgebung. Und mitten in Neapel – ebenso wie in Rom – gab es im Spätmittelalter nicht nur Bauten aus Stein, sondern noch zahlreiche Äcker, Weinberge und Olivenhaine.[79] Ein solches Stück Land, einen Weinberg von zehn modii, hatte der mit der Kirche s. Archangeli ad Signum de platea Sedilis Montanee bepfründete Kleriker Bernardus de Antinoro dem Laien Hannibal Morena zu Ewigpacht überlassen. Der Weinberg lag direkt neben Hannibals eigenem Grundstück und der Jahreszins betrug elf Dukaten.[80]
Nicht nur die geistlichen Institutionen, sondern auch Benefiziaten verliehen ihr Kirchengut in Neapel. Scipio Ayossa, Rektor der auf der „platea Robotina“ gelegenen Kapelle des Heiligen Andreas, erscheint mit zwei Pachtverträgen in unseren Suppliken. Einmal gab er einem Laien aus der Vesuvstadt mit Namen Adonicus de Antribulo ein mehrzimmriges Gebäude mit einem Laden an der „platea Robotina“. Der Pächter zahlte 13 Carlenen als Zins und verpflichtete sich, innerhalb von zwei Jahren 30 Dukaten für eine Reparatur des Anwesens aufzuwenden.[81] Ein zweiter ‚Kunde‘ Scipio Ayossas, ebenfalls ein Laie aus Neapel hieß Loysellus Cimbari. Ihm verpachtet Scipio an derselben platea Robotina zwei nebeneinander stehende und aufs Meer ausgerichtete Häuser, die als reparaturbedürftig charakterisiert werden. Sie wiesen verschiedene Räume und zwei Läden mit Meeresblick auf. Für diese beiden Häuser in so zentraler Lage zahlte Loysellus pro Jahr beträchtliche 30 Dukaten und versprach in einem darüber aufgesetzten notariellen Vertrag, binnen zwei Jahren noch 70 Dukaten dort zu investieren.[82]
Bittschriften stammten nicht nur aus Neapel, sondern auch von Petenten aus dem umliegenden Territorium des Erzbistums, denn nicht weniger begehrt als Liegenschaften in der Stadt war das um die Stadt herum („in pertinentiis“) gelegene Land in kirchlicher Trägerschaft.[83] Vincentius de Mauro verpachtete als Rektor der Kreuz-Kapelle in der Region Sedilis Porte Nove von Neapel an zwei Brüder Ackerland von drei modii „in pertinentiis Neapol. in loco ‚Ad viam Sumesa‘“ gegen einen Zins von viereinhalb Gulden.[84] Jacobus Tomacelli, Rektor einer Kirche „in platea Mercati Veteris“ vergab sumpfiges Ackerland von 30 modii in der Umgebung Neapels neben dem Gut eines Francesco Muscatele an drei Laien aus Portici zu emphyteutischen Bedingungen, die dafür einen Zins von zehn Carlenen für jeden modius zahlten.[85]
In dem bereits genannten Territorium Fastignano, heute Fuorigrotta, lag ein mit Bäumen und Wein bewachsenes Landgut von vier modii, welches zur Kirche s. Johannis Maioris in Neapel gehörte und von dem Sekularkleriker Fabricius Follecii, zu dessen Benefiz das Land gehörte, dem Laien Rechisentius Ritio zu Emphyteuse für jährlich sechs Dukaten und einen Tarenus „de carlenis monete regni“ verpachtet wurde. Gemäß notariellem Vertrag musste der Pächter auch für die Kosten der Anerkennung der Verpachtung durch Rom aufkommen.[86] Im Gebiet von Fastignano hatte auch Jacobus Caro, ein früherer ebdomadarius der Kirche von Sankt Marien in Neapel, ein ähnlich qualifiziertes Gut von zwei modii besessen, das er dem neapolitanischen Laien Lucosentius Bicci für jährlich 35 carleni überlassen hatte. Später erhielt Lucosentius von Johannes Bernardus, einem Kaplan der Kapelle s. Angeli Porte Ventose in Neapel, ein weiteres Stück Land an demselben Ort Fastignano, für welches er wie vertraglich abgemacht einen Zins von 26 carleni entrichtete.[87]
Ebenfalls in Fastignano erwarb eine Gruppe spanischstämmiger Bewohner der Stadt Neapel Kirchengut. Der verstorbene Rektor der Kirche des Heiligen Dionisius in der Region Sedilis Indi mit Namen Matheus Impalo verfügte dort über ein mit Bäumen und Wein bewachsenes Stück Land und einige Gebäude. Mit einem direkt daran anschließenden Terrain war ein gewisser Petrus Salicti, Kaplan der Kapelle des hl. Paulus de li Citari in der Region Sedilis Porte Nove bepfründet. Das zuerst genannte Gebiet war für zehn carleni, das zweite für drei Dukaten und drei Tarenen an Petrus de Stella de Navarra und Philippus de Navarra nach emphyteutischen Regeln verpachtet worden. Inzwischen war Matheus, der Rektor des ersten Territoriums, verstorben und seine Kirche einem Leonardus de Magistris verliehen worden. Auch Philipp Navarra war inzwischen tot. Petrus de Stella hatte als sein Universalerbe mit Zustimmung der genannten Kleriker Leonardus und Petrus das Land übernommen, wie in den Notariatsakten verzeichnet sei. Alle an dem Vertrag Beteiligten baten durch den Katalanen und Bürger von Neapel Franciscus Moles um päpstliche Approbation.[88]
6 Ärzte, Juristen, Adlige und Domkanoniker als Pächter
In der Reihe der Pächter von Kirchengut finden sich neben weniger bekannten Personen auch Vertreter der städtischen Führungsschicht: Adlige, Ärzte, Juristen und sogar Domkanoniker. Johannes Baptista de la Bella war nicht nur einfacher Medikus, sondern – um es modern auszudrücken – eine Art Chefarzt im Königreich Neapel, regius prothomedicus neapoletanus. Von den Benediktinerinnen s. Ligorii Maioris erwarb er Land von dreieinhalb modii mitten in der Stadt. Der jährliche Zins dafür ist mit 20 Carlenen nicht besonders hoch, konnte aber nach der Prüfung durch die beiden Kommissare, die Kanoniker Nicolaus de Ariano und Luca Cangiano, neu festgelegt werden.[89] Ein weiterer Kirchengut pachtender Arzt, Pietro dʼAfeltro, artium et medicine doctor, lehrte seit 1483 als Professor an der Universität Neapel. Er erwarb ein hinter seinem eigenen Haus gelegenes Gelände mit einer Kapelle, die er innerhalb eines Jahres zu restaurieren versprach. Er zahlte dafür jährlich zwei Dukaten Zins. War die Kapelle vielleicht für seine Grablege gedacht?[90] Ein chirurgicus namens Altobellus de Borbenis, pachtete von den Klarissen einige mehrstöckige Gebäude mit zwei Läden neben ihrem Konvent mitten in der Stadt „in loco ‚Ad Chiamaria‘ nuncupato“. Der Jahreszins belief sich auf stolze 62 Dukaten, auch der Wechselkurs ist in der Supplik genau angegeben. Die Schreibertaxe von 46 Turnosen spricht ebenfalls für einen außergewöhnlichen, auch notariell abgesicherten Vertrag.[91]
Nicht minder interessiert an städtischem Hausbesitz waren Juristen und Notare Neapels. Der „egregius vir Johannes de Guillelmo, notarius et civis neapolitanus“, erhielt vom Prior der Augustinereremiten ein dreistöckiges Haus mit „Balkon“ und einem Brunnen. Das wertvolle Anwesen lag mitten in der Stadt. Die Mönche hatten es bisher für nur fünf Dukaten verpachtet, jetzt nutzten sie das Recht der Gewinnsteigerung und erhielten sechs Dukaten jährlichen Zinses dafür.[92] Ein notarius neapolitanus mit Namen Petrus Luna war sowohl als Pächter wie als Notar bei einer Transaktion zu seinen Gunsten tätig gewesen. Er bezeugte 1517, dass ein Prokurator des Bischofs von Catania ihm Land von sieben modii im Bistum Neapel für einen Zins von fünf Carlenen verpachtet hatte.[93] Ein weiterer Rechtsgelehrter namens Jacobus Rocha, utriusque iuris doctor, pachtete von einem Kaplan der Kapelle s. Salvatorelli, die in der Stadt „ubi dicitur ‚ad Don Petro‘“ gelegen war, ein neben dem Anwesen des Johannes Sussulani gelegenes Haus mit drei Räumen und einem kommunalen Brunnen. Der Jahreszins dafür betrug 17 Tarenen. Für die Reparatur des Hauses verpflichtete sich Jacobus, weitere 25 Dukaten auszugeben.[94]
Selbstverständlich beteiligte sich auch der Adel am Geschäft mit dem Kirchengut in und um die Stadt. Dem Vincentius de Rosa wurde von den Franziskanerinnen ein Landhaus „in terra Gumine (?) ubi dicitur ‚A lo Casaviale‘“ für nur zweieinhalb Dukaten Zins verpachtet. Er musste aber für dessen Restaurierung 60 Dukaten aufbringen.[95] Die Dominikaner von Sumona in der Diözese Nola überließen einem Antonius de Rosa aus Neapel Land zu einem Zins von sechseinhalb Dukaten.[96] An die adlige Neapolitanerin Beatrix (de) Villa Marina, eine der wenigen Frauen unter den Pächtern, vergab die Bruderschaft des Heiligen Petrus von Ferrara zwei kleine unbedachte Buden („casalena discoperta“) hinter ihrer Kirche.[97] Der adlige Laie Johannes Bapista Paschalis erwarb 1517 von Christoforus de Ramaldo, einem Kaplan an Santa Maria Maggiore in Neapel, Land im Umfeld der Stadt für einen Zins von 11 Dukaten.[98]
Mitglieder des Hauses Caraffa traten bei Geschäften mit dem Kirchengut mehrfach in Erscheinung. Johannes Vincentii Caraffa zahlte für die Pacht dreier Häuser in Neapel, die er für sich und seine Nachkommen erhalten hatte, einen Zins von immerhin 20 Dukaten. Der Erwerb war kompliziert, weil der mit diesen Häusern bepfründete Kleriker Antonius Spinicaraso, „capellanus altaris s. Thomasii de Contuberniis constructi intus par. eccl. s. Archangeli ad Situm civitatis Neapol.“, verstorben war, bevor er die päpstliche Genehmigung für die Verpachtung erhalten hatte. Der Nachfolger in seiner Kaplanei, Camillus de Tolfa, stimmte der Pacht zu und bat um päpstliche Approbation. Es handelte sich offenbar um drei bedeutende Gebäude „in platea Arcus“, mitten in der Stadt. Der Pächter war gemäß dem notariellen Vertrag verpflichtet, die reparaturbedürftigen Gebäude zu renovieren.[99]
Die Aktivitäten des Johanniters Johannes Baptista Caraffa, Prior des Spitals Sancti Johannis ad Mare, bei der Verpachtung von Kirchengut wurden bereits erwähnt. An einem verwickelten Fall von Emphyteuse sind sowohl Mitglieder des Hauses Caraffa wie deren Schwager Petrus Cossa, magnificus nobilis neapolitanus, beteiligt. Es geht um ein Gut der Benediktinerinnen des Klosters der Heiligen Patrizia an der „Platea Arcus civitatis“. Pietro Cossa, Herr von Procida, hatte 1510 Camilla Caraffa della Stadera geheiratet. Zusammen mit der Äbtissin und dem Konvent des genannten Klosters hatte Pietro dem neapolitanischen Laien Magister Clericus Pistoris zwei benachbarte freistehende Häuser zum Zins von 39 carleni im Zentrum von Neapel verpachtet. Ein Haus wies vier Räume, einen Ofen und einen Brunnen auf, das andere zweistöckige war mit zwei Läden, einem Brunnen und einem Hof ausgestattet.[100]
Um beide Häuser wurde ein langer Streit geführt, zuerst vor Gericht in Neapel, dann an der römischen Kurie, weil der das Streitobjekt beanspruchende Magister Clericus Pistoris es versäumt hatte, die päpstliche Approbation einzuholen. Pietro Cossa hatte das Kloster in den Prozessen finanziell unterstützt, daher wollten die Nonnen nun ihm, seiner Frau Camilla und den Kindern die umstrittenen Häuser zu emphyteutischen Bedingungen verpachten, und zwar gegen einen Zins von 51 carleni, was mit der vorliegenden Supplik in Rom beantragt wurde. Über die erwähnten Prozesse existierten gemäß dem Text der Supplik mehrere notarielle Dokumente, die in den Archiven in Neapel aufzusuchen sich lohnen würde.
Ebenso wie der Adel erwarben auch Kanoniker der Stadt und Angehörige ihrer Sippen Kirchengut. So verpachtete 1517 der neapolitanische Kanoniker Oliverius Gaieta in einem Ort der Diözese namens Passamule Land an Lucas Salernitanus für fünf Dukaten.[101] Bernardinus de Cepolariis und Johannes de Cepolariis aus Portici bei Neapel erklärten im gleichen Jahr, dass ihnen der Kanoniker Franciscus Baptule als Rektor einer Kirche in „platea Forcelli“ Weinberge von drei modii in Portici „in loco ubi dicitur ‚La Stazza‘“ für einen Zins von 40 Carlenen verpachtet hat.[102]
Die Vermischung von Familieninteressen mit der Tätigkeit als Kommissar soll am Beispiel der Familie Ariano erläutert werden.[103] Antonius Russi, Rektor der Pfarrkirche Sancti Jacobi de Paglia extra muros Neapol. bezeugte in einer Supplik, dass sein Vorgänger im Amt des Rektors vor geraumer Zeit der Sigismunda Aurelie aus Neapel ein Stück Land verpachtet hatte. Aus in der Supplik nicht genannten Gründen war es zu einer Kontroverse zwischen Antonius und Sigismunda um das Pachtgut gekommen. In einem ersten Prozess erhielt Antonius Recht. Sigismunda appellierte an den Apostolischen Stuhl, der die Angelegenheit dem Domkanoniker Guillelmus de Deodatis überwies. Guillelmus indes hatte als Kommissar den Fall auch nicht abschließen können.[104]
Da beide Parteien dem Streit ein Ende setzen wollten, akzeptierten sie einen von Guillelmus de Deodatis und dem Juristen Thomas de Capua unterbreiteten Vergleich (concordia), der vorsah, dass Sigismunda das Stück Land für sich und ihre Kinder zum Zins von sechs Dukaten pachten sollte.[105] Beachtenswert ist, dass auch Guillelmus de Deodatis Domkanoniker von Neapel war, ebenso wie die von Rom für die Supplik bestellten Kommissare Nicolaus de Ariano und Hieronimus Aurelie. Sigismunda Aurelie stammte sicher aus der Familie des Letzgenannten. Mit dieser Verpachtung ebenso wie in den folgenden Suppliken des Domkanonikers Salvatore de Ariano und eines Nicolaus de Ariano sowie weiterer Mitglieder des Hauses werden offensichtlich Familieninteressen verfolgt!
Wie anders sollte man eine weitere Bittschrift eines Kanonikers des Domstifts datiert vom 22. Mai 1523 verstehen?[106] Als Privatmann, so schreiben Salvatore de Ariano (bzw. sein Prokurator Galteri), und nicht als Kanoniker („tamquam persone absolute et non ratione sue canonice“), und mit Zustimmung aller Kanoniker des Domkapitels, der „celerarii et ebdomadarii“ der Domkirche sowie der Mitbrüder einer confraternitas erhielt er für sich und seine Nachkommen („pro se suisque heredibus et successoribus“) ein ruinöses, mehrstöckiges Haus in der Nähe des Hafens und des königlichen Palasts zu emphyteutischer Ewigleihe.[107] Bislang konnte daraus nur ein Zins von 14 Dukaten pro Jahr erwirtschaftet werden. Salvatore de Ariano versprach, für das Haus einen Zins von 16 Dukaten zu zahlen. Ferner verpflichtete er sich, in den nächsten vier Jahren 50 Dukaten in die Renovation des Hauses zu investieren und auf seine Kosten für die päpstliche Approbation des vorliegenden notariell beglaubigten Emphyteuse-Vertrags zu sorgen.
Nicolaus de Ariano, Mitglied der Familie Ariano und Domkanoniker, verlieh als Rektor der Kirche s. Johannis ad Portam ein zu seiner Kirche gehörendes Gut in Arzano.[108] Der Domkanoniker Petrus Paulus Mainardi, Mitglied des Kapitels und civilarcha der Stadt unter dem Vesuv, überließ dem Laien Athanasius Ferraria Weinberge des Umfangs von zehn modii bei Neapel zum Zins von drei Dukaten und vier Tarenen zu Ewigpacht.[109] Eindeutige Clan-Interessen der Arianos werden auch in den beiden folgenden Bittschriften deutlich erkennbar, weil Begünstigte oder der Vermieter und mindestens einer der Kommissare aus derselben Familie stammen. Zum Benefiz eines Franciscus Regii, Priesters und Kaplans der capella s. Trinitatis de Crispanis de Carazulis gehörte ein „in platea Porte s. Ianuarii“ gelegenes Haus, welches Franciscus einem Priester mit Namen Efrimo de Ariano zu einem Zins von sechseinhalb Dukaten verpachtete. Als Kommissare nennt das Register den Kanoniker Nicolaus de Ariano sowie einen ebenfalls in Neapel wohnenden Kanoniker von Hydruntum namens Antonius Fraudino.[110]
„In pertinentiis“ der Stadt liegt das nächste Objekt einer Verpachtung, an der ein Ariano beteiligt war, nämlich im Dorf (villa) Cangiani im Umland der Stadt gelegen. Der frühere Rektor der dortigen Pfarrkirche Angelus de Ariano hatte das mit Bäumen, Weinstöcken und einer piscina ausgestattete Gebiet an einen Laien des Dorfes verpachtet. Das Gut soll gemäß der Supplik jetzt auf die Erben des Pächters übergehen. Bezeichnenderweise ist einer der Kommissare ein Mitglied der Familie Ariano, nämlich wiederum der Domkanoniker Nicolaus de Ariano.[111]
Wenige Tage später, beraten durch denselben Prokurator Galteri, verlieh ein anderer Rektor der Pfarre von Cangiani dort Kirchengut, Johannes Thomas de Sancto Felice und electus Caven.[112] Es handelt sich um Johannes Thomas, Familiar des Vizekanzlers Giulio de Medici, der das Bistum Cava von einem Petrus de Sancto Felice übernommen hatte, dem er die Hälfte der Einkünfte abtrat.[113] Der Elekt hatte den aus Cangiani gebürtigen Brüdern Jacobus und Franciscus de Neapol. und deren Familien Land und einen Garten in und um das Dorf für einen ein Zins von 35 carleni verpachtet.[114] Zwei Mitglieder der Familie Brancaccio, die Kanoniker Francesco Brancaccio und Giulio Brancaccio, wurden von Rom zu Kommissaren des Handels bestellt. Zwei andere Kanoniker aus Neapel (Johannes Corsis und Franciscus Florentinus) hatten 1517 dem Adligen Jacobus Mornulus Land in dem Ort Piczulo für einen Zins von neun Dukaten neapolitanischer Währung verpachtet. Zwei ihrer Kollegen waren als Kommissare bestellt, die Kanoniker Luca Cangiano und Guglielmo de Deodato.[115]
Das gesamte Domkapitel von Neapel als Institution handelte bei der Verpachtung eines Hauses in der Giudecca der Stadt an einen Laien namens Marcus Antonius Dacilli und seinen Erben.[116] Die Taxe war mit 37 Turnosen hoch und der Zins von 30 carleni durfte nach der Reparatur des Anwesens, zu der sich Markus verpflichtet hatte, durch die zu Kommissaren bestellten Kanoniker Franciscus Baptule und Guillelmus Deodato auch noch erhöht werden. Wie bei den meisten emphyteutischen Verpachtungen üblich, war der gesamte Vertrag zuvor notariell aufgezeichnet worden. Davon könnte es in den Archiven am Vesuv noch Spuren geben.
7 Suppliken kurialer Bittsteller
Kleriker aller Rangstufen, vom Kardinal bis hin zum einfachen Familiaren verfügten in Rom und auf ihren Benefizien über Kirchengut und supplizierten um die Erlaubnis, dieses pachten oder verpachten zu dürfen.[117] Diese Bittschriften häufen sich in den Monaten nach der Wahl des noch in Spanien weilenden Papstes Hadrian VI., weil die Petenten den Umstand nutzten, dass die Pönitentiarie als einziges päpstliches Dikasterium auch während einer Sedisvakanz voll handlungsfähig war. Bei allen an der römischen Kurie beschäftigten Bittstellern ging es um Land- oder Hausbesitz entweder in der Stadt Rom oder in der Umgebung bzw. in ihrer Heimatdiözese. Beginnen wir mit den von Kardinälen eingereichten Suppliken.
Eindeutige familiäre Interessen werden in zwei Bittschriften des Kardinalpriesters von San Clemente Domenico Jacovacci erkennbar.[118] Er vermittelte durch verwickelte Tauschgeschäfte seinen Nepoten „Cristophorus,[119] Antonius et Jacobus etiam de Jacobatiis“ mehrere Häuser in Rom. Gemäß dem Verzeichnis der Einwohner Roms von 1517 wohnte der Kardinal in der Region Colonna, besaß aber weitere Gebäude bei SantʼEustachio.[120] Eines der in seiner Supplik vom 12. Mai 1522 genannten Häuser lag in der Region SantʼEustachio, ein weiteres in der Region Colonna. Dieses Anwesen wurde gemäß dem Verzeichnis von 1527 von dem römischen Bürger Mario de Crescentiis bewohnt.[121] Das dritte Haus ist nicht lokalisierbar, da die Ortsangabe fehlt.[122] Der Jahreszins wird mit 14 bzw. 30 Dukaten angegeben, es dürfte sich also um bedeutende Gebäude handeln, die der Kardinal beraten vom Prokurator Galteri seinen Neffen übertrug. Die Schreibertaxe wird ihm selbstverständlich erlassen und als Kommissar nur eine Person bestellt, der in der Pönitentiarie tätige Vincenzo de Maffeis, Bischof von Signa, ein Mitglied des Volterraner Maffei-Clans.[123]
Vom 16. Mai datiert die andere Si in evidentem-Supplik des Kardinals Jacovacci.[124] Darin werden als Begünstigte erneut die Verwandten genannt. Diesmal ist ein Weinberg außerhalb Roms das Objekt, welches dem Kloster von Santa Prassede gehörte. Jacovacci zahlte dem Kloster dafür sieben Fässer Wein als Zins. Ein zweites Objekt bestand in einem solium terre dortselbst, das ihn zwei Dukaten und vier Denare Zins kostete. Der Kardinal wünschte beide Gebiete vom Zins zu befreien und seinen Verwandten zu übertragen.
Zu diesem Zweck hatte er den Zinsertrag von zwei anderen Häusern dem genannten Kloster überlassen. Eines der beiden, das vom römischen Bürger Prudentius de Pettinis bewohnte und im Rione SantʼAngelo „in via ‚La piscina‘ nuncupata“ gelegene Gebäude war mit einem Zins von vier Dukaten belastet. Noch im Einwohnerverzeichnis von 1527 wird ein „Prudentius de Pectino“ als Bewohner genannt.[125] Das andere direkt neben dem Kloster im Rione Monti gelegene Haus erwirtschaftete fünf Dukaten Zins,[126] auch dessen frühere Besitzer werden in der Supplik genannt. Für den notariell abgeschlossenen Vertrag erbat Jacovacci die päpstliche Approbation, und zur Prüfung des Vorgangs wird als Kommissar wiederum der Bischof von Signa Vincenco de Maffeis bestellt.[127]
Noch länger ist die Geschichte der Pacht eines Kirchenguts, die Kardinal Innocentius Cibo, ein Neffe Papst Leos X., der Pönitentiarie vortrug.[128] Wir erfahren aus seiner Supplik, dass Lorenzo Medici († 1492), der Vater Leos X., vom Jacobshospital in Altopascio für sich und seine Söhne ein gewisses „lo spedaletto“ genanntes Gut in der Diözese Pisa gepachtet und dem Spital dafür Besitz in Florenz übertragen hatte. Lorenzo und seine männlichen Nachkommen sollten dafür – wie in einem Vertrag zu lesen sei – einen jährlichen Zins von vier Pfund Wachs zahlen. Papst Leo als Erbe dieses Guts wusste, dass Petrus und Giuliano de Medici versprochen hatten, ihrem Schwager Francesco Cibo diese Güter abzutreten, weil sie bei ihm Schulden hatten.
Deshalb hatte Leo X. mit Zustimmung der Verwalter des Spitals die genannten Güter dem Kardinal übergeben, dem Sohn Francesco Cibos. Im Vertrag war ferner vorgesehen, dass der Kardinal die Abmachung innerhalb von 18 Monaten von dem übergeordneten Hospital Santa Maria Nova in Florenz schriftlich bestätigen lassen sollte, die Zustimmung des Papstes immer vorausgesetzt. Innozenz holte mit dieser Supplik also die päpstliche Approbation ein. Als Kommissar wurde Francesco Minerbetti bestellt, ein in Florenz weilender Freund der Medici.[129]
Die Suppliken anderer Kardinäle indes waren weniger von persönlichen Interessen, sondern eher von objektiven Notwendigkeiten geleitet. In seiner Eigenschaft als perpetuus commendatarius des im Bistum Milet gelegenen Basilianerklosters des Heiligen Onofrius supplizierte „Andrea (della Valle) tituli s. Prisce presbiter cardinalis“[130] für einen Laien aus seiner Diözese, der ein dem Kloster gehörendes Stück Land seit langer Zeit gepachtet hatte.[131] Der Zins belief sich auf 10 tumuli Korn, die einem Zinsertrag von 14 Dukaten entsprachen. Weil der Pächter aber keinen Nachweis darüber besaß, baten sowohl er wie der Kardinal um päpstliche Approbation bzw. die Lizenz, den Pächter in seinem Recht zu bestätigen. Ein Jahr später datiert eine weitere Supplik des Kardinals della Valle, mit der er einem Laien namens Gabriel Fazali Besitz im Umland von Milet bestätigte, der jährlich einen Carlenus als Zins einbrachte.[132]
Als perpetuus commendatarius eines ihm anvertrauten Klosters handelte ein weiterer Purpurträger, Paulo Cesi „tituli s. Eustachii diaconus cardinalis“. Er klagte in seiner Supplik, die Kirche Santa Marie de Sitria in der Diözese Nocera bedürfe der Reparatur.[133] Daher suchte er um die Lizenz nach, gewissen Besitz des Klosters, ruinöse Häuser mit kleinen Flächen Land, die nichts einbrächten, bis zu einem Zinswert von fünf Gulden verkaufen zu dürfen, um damit die notwendigen Ausbesserungsarbeiten an der Klosterkirche zu finanzieren.[134]
Nicht nur Kardinäle, selbst Familiaren einflußreicher Kurialer wussten aus ihrer Position Nutzen zu schlagen indem sie Kirchengut zu pachten suchten. So verhalf Kardinalgroßpönitentiar Lorenzo Pucci seinem familiaris continuus commensalis Marius Vincentii de Varris zum Besitz von Kirchengut. Als Rektor einer Sinekure im Bistum Arezzo beruft sich Marius ausdrücklich auf seinen Status in der Familia des Kardinals. Das von Marius genannte Gut lag im Territorium seiner Pfründe in Arezzo und sollte verkauft werden, um mit dem Erlös ein Haus für die coloni der Kirche zu bauen. Ein gewisser Paulus Johannes de Varris, Kanoniker von Arezzo (und vermutlich mit dem Kardinalsfamiliar verwandt), wurde als einer der Kommissare berufen.[135]
An der römischen Kurie tätige Kleriker jeden Ranges supplizierten also um Kirchengut im Gebiet ihrer Benefizien. Der apostolische Protonotar und Bischof von Castro (im Patrimonium Petri bei Acquapendente gelegen) Georgius Rosa (de Ubertis) besaß das Amt eines Pönitentiarieschreibers.[136] Als solcher erbat er im April 1522 die päpstliche Lizenz, Fakultät und Approbation, einige Stücke Land in seiner Diözese im Wert von 400 (!) Golddukaten verkaufen zu dürfen, um dafür Immobilien zu erwerben. Aus dem registrierten Text geht nicht hervor, wo diese lagen und was der Bittsteller damit anzustellen beabsichtigte.[137]
Der Neffe eines anderen Pönitentiarieschreibers namens Gabriel de Guydalottis suchte im Umfeld seines Benefizes in Orvieto Land zu erwerben. Weil er mit dem Schreiber verwandt war, wurde ihm wie allen Kurialen die Taxe erlassen.[138] Dagegen bat der Pönitentiarieprokurator Johannes Petri de Symonetis de Cingulo darum, „duo parva terre petia“ im Gebiet seines Benefizes tauschen zu dürfen.[139] Der Kammerkleriker Christophorus Barotius[140] erhielt die Lizenz, in Tivoli ein Stück Land mitten in der Stadt dem Pönitentiarieschreiber Magister Petrus Suarez für einen Zins von vier carleni verpachten zu dürfen.[141] Eine ähnliche Lizenz erbat der Kanoniker einer Kirche in der Sabina, Laurentius de Servalentinis, der sich als enger Familiar des Pönitentiarieprokurators Blosio Palladio vorstellte. Laurentius hatte vor, Land im Wert von 100 Guldguden zu verkaufen, um mit dem Erlös nützlichere Güter zu erwerben. Gründe für die Bitte werden auch in dieser Supplik nicht aufgeführt.[142]
Doch kehren wir wieder nach Rom zurück! Die Stadt präsentierte sich in der Renaissance wesentlich grüner als heutzutage. Der Adel und die Kanoniker der großen Kirchen besaßen in der Stadt nicht nur Gebäude, sondern auch Weinberge und Gärten.[143] Solche städtischen Weinberge sind auch das Objekt einer Bittschrift des Kapitels von Santa Maria Maggiore.[144] Den Kanonikern gehörten viereinhalb petia Land, die innerhalb der Mauern Roms bei den Kirchen Santa Bibiana und San Giuliano im Rione Monti lagen, von denen das Kapitel Most und Trauben erhielt. Dieses Land hatten sie dem inzwischen verstorbenen adligen Römer Sisto Mellini für 205 Dukaten verkauft.[145] Nach Sistos Tod baten die Erben und das Kapitel am 28. April 1522 die Pönitentiarie, den darüber existierenden schriftlichen Vertrag zu bestätigen. Als Kommissare wurden der Archidiakon von Sorrent und Giovanni Andrea Cafarelli,[146] Kanoniker von Orte, bestellt, die beide in Rom lebten.
8 Kirchengut und Zins in Zahlen: Neapel
Im folgenden Abschnitt geht es darum, die in den Suppliken aus Neapel und Rom genannten Währungen, Flächen- und Hohlmaße zu untersuchen, nicht jedoch den Wert oder die Kaufkraft des genannten Geldes zu bestimmen.
In den Bittschriften aus Neapel werden die für eine emphyteutische Pacht zu entrichtenden jährlichen Zinsen (census oder canon genannt) und selten auch der monetäre Wert der verpachteten bona ecclesiae in Dukaten (ducatus), Carlenen (carlenus) und/oder Tarenen (tarenus) angegeben. Die zur Zeit Karls V. (1516–1554) im Königreich Neapel in Umlauf befindlichen Dukaten waren Goldmünzen von einem Gewicht von etwa 3,5 Gramm verschiedener Ausprägung.[147] Der Carlenus war eine Silberwährung, von dem aus der Zeit der hier untersuchten Suppliken mehrere Ausprägungen mit einem Gewicht von 3,58 Gramm existierten.[148] Für die Relation von carleni zu ducati regni neapoletani geben die Suppliken die Ratio zehn zu eins an.[149] Die seltener vorkommende Währung des tarenus bezeichnet eine Silbermünze von 6,23 Gramm Gewicht.[150] Allerdings sind aus den Jahren 1517 bis 1547 keine Tareni (tarì) mehr erhalten.
Zum Vergleich mit den an der Kurie üblichen Rechnungseinheiten wird in den Suppliken als Referenzwährung für die monete regni neapolitani bisweilen der Kammerdukaten („ducatus auri de camera“) genannt. So wird bei der Angabe des Zinses die Relation von neapolitanischen Dukaten zum Kammerdukaten mit sechs zu fünfeinhalb angegeben.[151] Dieser Wechselkurs von Dukaten auf der einen und Kammergulden auf der anderen Seite findet sich auch in einer anderen Supplik.[152]
Der jährlich fällige Pachtzins wurde zwischen Pächter und Pachtgeber vereinbart und in einem notariellen Akt festgehalten. Die Festsetzung bzw. Erhöhung des Zinses wurde aber bisweilen auch den Kommissaren überlassen. In diesem Fall kann auch eine Obergrenze gesetzt werden.[153] Im Fall des königlichen Arztes Johannes Baptista de la Bella erhielten die Kommissare das Recht, den Zins von 20 Carlenen noch anzuheben.[154] Die Höhe des Zinses hing offensichtlich vom Umfang und den Erträgen des Pachtgutes ab. Sie schwankt in Dukaten ausgedrückt zwischen zweieinhalb[155] und 62 Dukaten.[156] Bei der Angabe des Zinses in Tarenen liegt die Spanne zwischen einem[157] und 18 Tarenen.[158] Die Umrechnung von Dukaten in Tarenen ist nicht klar. So findet sich einmal die Angabe, 18 Tarenen entsprächen vier Dukaten.[159] Das ergäbe ein Verhältnis von viereinhalb Tarenen auf einen Dukaten von Neapel.
In einigen Suppliken wird der census sowohl in Carlenen wie in Tarenen auf die Größe des Landes bezogen. Die Grundeinheit für die Berechnung der Fläche eines Gutes ist der modius. So werden einmal neun Tarenen Zins pro modius erhoben.[160] In einer anderen Supplik handelt es sich um einen teils sumpfigen, teils bestellbaren Acker von 30 modii vor der Stadt Neapel, hier beträgt der Zins 13 Carlenen für jeden modius.[161] Wird der Zins in Tarenen ausgedrückt, kommt die Relation sechs Tarenen auf einen modius vor.[162] Eine Obergrenze für den Zins wird gelegentlich ebenfalls notiert.[163] Der modius, geläufig als Hohlmaß von ca. 8,75 Litern für Getreide und Flüssigkeit, wird in Suppliken aus Neapel als Flächenmaß benutzt. Die genaue Ausdehnung eines modius ist nicht angegeben.[164]
Leider erfährt man aus den Suppliken nur wenig über den Wert der in und um Neapel verpachteten Häuser oder Felder, wenn auch die Höhe des Jahreszinses ein Indikator dafür sein kann. Die in einigen Suppliken erwähnten Beträge für vereinbarte Investitionen auf dem gepachteten Gut (etwa zur Reparatur von Gebäuden oder der Bepflanzung) sind stets in Kammergulden angegeben. Sie schwankten zwischen 25 Dukaten für die Wiederherstellung eines Ladens[165] und 200 Dukaten für mehrere Häuser und Läden in Neapel auf dem Jacobsplatz nahe dem Hafen.[166]
9 Kirchengut und Zins in Zahlen: Rom
Bei den Währungseinheiten der Suppliken aus Rom sind mit Alexis Gauvin „monete reali“ und „monete di conto“ zu unterscheiden.[167]. An der Kurie galt der ducato dʼoro oder ducato papale bzw. de camera als die Rechnungseinheit, auf welche alle Münzsorten bezogen wurden. Seit der Münzreform Juliusʼ II. (1504) rechnete die römische Kurie auch mit ducati di carlini. Der Carlinus besaß wie gezeigt ein Gewicht von 3,58 Gramm Silber. In den hier vorgestellten Suppliken wird die Relation von zehn carlini auf einen ducatus zugrunde gelegt. Weiter kommt der fiorino vor, der zu 47 soldi berechnet wurde, so definiert in der Supplik des Kapitels von Santa Maria Maggiore vom 28. April 1522.[168] 20 soldi wurden auf eine libbra oder lira gerechnet, die wiederum 240 denari umfasste.
Der Wert des Kirchengutes wird in den Bittschriften immer in Golddukaten, also der Rechungseinheit der römischen Kurie, angegeben. Der Bischof von Castro bat um die Erlaubnis, Kirchengut im Wert von 400 Golddukaten verkaufen zu dürfen.[169] Auch Kardinal Paulo Cesi gab – wie oben festgestellt – den Wert seines Objekts mit „ducatorum auri“ an, desgleichen ein Supplikant aus der Sabina.[170] Die Kanoniker von Santa Maria Maggiore in Rom rechneten dagegen – wie bereits erwähnt – in den Einheiten solidi und floreni. Sie hatten dem römischen Bürger Sixtus de Melinis Kirchengut für 205 Florenen im Rione Monti verkauft, einen Florenus berechnet zu 47 solidi.[171] Kardinal Domenico Jacovacci bezifferte den Jahreszins seines Hauses in Rom mit 14 Dukaten „alter Carlenen“.[172] In einer zweiten Supplik rechnet er einen römischen Dukaten zu zehn Carlenen.[173] Für das von Kardinal Andrea della Valle verpachtete Kirchengut beträgt der Zins einen „carlenus monete illius patrie“.[174] Für ein Gut in Tivoli wurden ebenfalls Carlenen als Berechnungseinheit angegeben.[175] Marius de Volterris dagegen bezifferte in seinen Suppliken den Zins mit der libra, einem Pfund[176] und an anderer Stelle mit elf Pfund.[177]
Als Flächenmaß für die Ausdehnung eines Pachtgutes werden in den Bittschriften die Begriffe petium, stadium und opera verwendet. Völlig unbestimmt ist petium bzw. petium terre. Es kommt der Ausdruck „quattuor petia terre cum dimidia intus menia eiusdem Urbis“ vor, ein andermal wird das petium als „terre stadiorum duorum“ qualifiziert, dieses petium hätte also eine Ausdehnung von 380 Metern gehabt.[178] Weinberge werden in unseren Texten auch nach Tagwerken geschätzt: „vineam operarum quindecim“, auch die Bezeichnung „quatuor operas vinee“ kommt vor.
Sowohl in den Suppliken aus Neapel wie aus Rom bestand der Zins für das verpachtete Gut gelegentlich in Naturalien. Bei deren Quantifizierung werden beim Wein die Hohlmaße boccali, congitelle und barile verwendet. Acht boccali kamen auf einen congio (der wiederum aus zwei congitelle zu vier boccali bestand) und vier congi (bzw. 32 boccali) füllten ein Fass, barile; eine cabellata bestand aus vier barili und eine botte enthielt deren acht.[179] Das Wort starium, staria (Lat.: sextarius) in den Suppliken, heute Italienisch staio, antik staro, bezeichnet den sechsten Teil eines congio, ein Hohlmaß, das je nach Region von 16 bis 83 Liter maß. Kardinal Jacovazzi versorgte das Kloster von Santa Prassede in Rom mit sieben Fässern und einer congitella reinen Weins.[180] Das Kapitel von Santa Maria Maggiore in Rom trat 1522 dem adligen Römer Sixtus de Melinis einen Zins von drei cabellate Most und zwei quartarum Trauben „ad mensuram senatus Urbis“ ab.[181] Auch ein Zins von vier Pfund reinen Wachses kommt vor.[182]
Bei Getreide werden in den Suppliken die Maßeinheiten modius, tumulus und staria verwendet. Ein modius, italienisch modio, ist ein Hohlmaß von 8,75 Litern. Ein tumulus muss ebenfalls ein bekanntes Hohlmaß gewesen sein, denn den Mönchen werden vom Pächter 10 tumuli Korn im Werte von 14 Dukaten geliefert.[183] In staria wird der Zins angegeben, den Mariottus Octaviani de Listis von einem Acker bei Volterra entrichtete, er zahlte jährlich zwanzig staria handelsüblichen Korns.[184] Für ein weiteres von ihm gepachtetes Gut lieferten Mariottus und seine Nepoten viereinhalb modii Getreide als Jahreszins.[185] Unklar bleibt, was die Verwendung des Wortes staria im Zusammenhang mit Getreideerträgen bedeutet. Mariottus Octaviani und seine Nepoten aus Volterra lieferten für ein Pachtgut 17 staria Korn als Jahreszins ab, eines ihrer Güter wird als Predium von 40 staria qualifiziert.[186] Sollte das heißen, dass man darauf 40 staria Getreide erntete? Als Längenmaß wird der Begriff stadium verwendet, offenbar das antike Maß von 190 Metern. Hatte der Weinberg des Mario Maffei in dem Ort Coiano demnach eine Länge von fast 760 Metern?[187] Nicht immer lassen sich die in den Suppliken angegebenen Längen- bzw. Hohlmaße in für uns verständliche Größen umsetzen.
10 Fazit
Die Apostolische Pönitentiarie hat ihre Kompetenzen am Anfang des 16. Jahrhunderts durch die emphyteutische Verpachtung von Kirchengut stark ausgeweitet. Sie kam damit offenbar den Interessen der Führungsschicht von Rom und Neapel entgegen. Es wäre zu untersuchen, ob das Amt dadurch die bis dahin von Kammer und Kanzlei behauptete Kompetenz für sich allein beanspruchte oder weitere Wege zum Erwerb von Kirchengut offen blieben.
Unbestreitbar besitzen die hier vorgestellten Suppliken um Kirchengut für die Geschichte Roms wie Neapels einen besonderen Wert. Sie nennen die verpachteten Häuser und Ackerflächen, sie geben deren Lage und Umfang an, sie zählen Anzahl und Qualität der Räume und Keller auf, sie erwähnen die Namen der Nachbarn sowie der Vorbesitzer. Erinnert sei an das Haus des römischen Bürgers Prudentius de Pettinis, gelegen „in Regione s. Angeli in via ‚La piscina‘“ sowie an die dort erwähnte „domus solerata et tegulata …“ im Rione Monti, die einst Catherina, die Tochter des verstorbenen Petrus Mathei de li Monti und Witwe des Johannes de Marocha, bewohnte.[188] In Neapel wurde ein wertvolles, mehrgeschossiges Anwesen „mit Hof, Garten und Terrasse“ verpachtet, das „intus civitatem Neapol. ubi dicitur ‚Alla strata de sancto Johanne ad Carbonaram‘ iuxta bona Luce Gagliardi et hospitalis s. Johannis“ gelegen war.[189] Ein vom Prior des Hospitals Giovanni Caraffa verpachtetes Gebäude umfasste „duo membra domorum in civitate Neapol. in platea ‚La Rocha Francesca‘ iuxta bona Johannis Caraczoli“.[190]
Trotz des kirchenrechtlich festgelegten und auf vielen Konzilien wiederholten grundsätzlichen Verbots wurde unter Berufung auf Si in ecclesiarum evidentem utilitatem cedant (und die Konstitution Papst Pauls II.) die emphyteutische Verpachtung von Kirchengut eifrig praktiziert, wie hunderte von Suppliken in den Registern der Pönitentiarie belegen. Das konstante Bemühen der mit der Kurie eng verbundenen Bewohner beider Städte, durch Arrondierung ihren Besitz auf Kosten der Kirche zu erweitern, ist evident. Die detaillierte Untersuchung der einzelnen Fälle, der daran beteiligten Personen, der Petenten und Kommissare, der Gebäude und Flächen in Neapel und Rom kann bis auf Basisinformationen hier nicht geboten werden, sondern muss den Spezialisten vor Ort überlassen werden.
Als charakteristisch erwies sich bei allen hier vorgestellten Suppliken das enge Netz von Beziehungen zwischen Petent und den vom Gnadenamt bestellten Kommissaren. Eine entscheidende Rolle bei der Aneignung von bona ecclesiastica in Stadt und Land spielte ferner der Prokurator. Bei der Hälfte der hier vorgestellten Fälle agierte als Prokurator Johannes Galteri, ein über lange Jahre an der römischen Kurie nachweisbarer, juristisch versierter Vermittler, der sich offenbar auf das Gebiet der Si in evidentem-Suppliken spezialisiert hatte.
Die Pönitentiarieregister sind nicht der einzige Fundort für Dokumente über die Verpachtung von Kirchengut. Die auf die Supplik jedes Petenten hin ausgestellte littera der Pönitentiarie wurde in Rom zwar nicht registriert, da sie aber in jedem Fall dem Petenten ausgehändigt wurde, dürfte sie in vielen Archiven in der Heimat der Pächter noch zu finden sein. Zudem wird in fast allen hier untersuchten Texten auf zuvor angelegte notarielle Dokumente verwiesen, etwa mit den Worten „prout in quodam publico instrumento latius dicitur contineri“. Möglicherweise lassen sich in Neapel, in Rom und in den Notariatsregistern der Pächter und der das Gut verpachtenden Institutionen weitere Dokumente zu den hier vorgestellten Pachtverträgen finden. Es würde sich lohnen, diesen nachzuspüren.
© 2025 bei den Autorinnen und den Autoren, publiziert von De Gruyter.
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