Zusammenfassung
Die Verpflegung in deutschen Hochschulen, organisiert durch Studierendenwerke, spielt eine zentrale Rolle für Studierende und Mitarbeiter. Eine vollwertige Ernährung hat Potenzial für Prävention und Gesundheitsförderung. Die Bedeutung einer gesunden Ernährung wird von einer Mehrheit anerkannt, doch die Umsetzung im Alltag scheitert oft z.B. aufgrund sozialer Einflüsse. Nudging-Methoden und DGE-Qualitätsstandards in Mensen könnten die Inanspruchnahme der ausgewogenen Ernährung fördern.
Abstract
Catering in German universities, organized by Studierendenwerke, play a central role for students and staff. In this context, a balanced diet has the potential to prevent diet-related illnesses. The importance of a healthy diet is recognized by a majority, but its implementation in everyday life often fails e.g. due to individual social influences. Nudging methods und DGE quality standards in canteens could help to facilitate a balanced diet.
Einleitung
Das Verpflegungsangebot an deutschen Hochschulen ist stark durch die Nachfragen von Studierenden geprägt [1]. Organisiert ist die Verpflegung bundesweit durch 57 Studierenden- bzw. Studentenwerke (STW), die i.d.R. unabhängig von den Hochschulen und selbstständig als Anstalten des öffentlichen Rechts agieren [1]. Die STW boten 2022 in Mensen, Cafeterien, Bistros etc. den Studierenden, Mitarbeiter/-innen und externen Gästen fast 226.442 Sitzplätze an. Vier von fünf der 2,5 Mio. Studierenden in Deutschland nutzten im Jahr 2021 mindestens 1-mal wöchentlich das Angebot der Mensa oder der Cafeteria. Am häufigsten wird das Angebot der Mittagsmahlzeit (59% aller zubereiteten Speisen) in Anspruch genommen [1], [2]. Folglich birgt ein Verpflegungsangebot, das die Grundsätze einer vollwertigen Ernährung berücksichtigt, ein großes Potenzial, um Angehörige von Hochschulen gesund und ausgewogen zu verpflegen.
Vorteile vollwertiger Ernährung
Eine gesunde Ernährung wird in Fachkreisen als vollwertige Ernährung bezeichnet [3]. Die vollwertige Ernährung trägt zur bedarfsgerechten Versorgung des menschlichen Organismus mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen bei [3]. Einzige Ausnahme kann das Vitamin D betreffen: Es soll bei unzureichender Zufuhr über die Nahrung (z.B. über fettreichen Fisch) und endogener Synthese ergänzt werden. Vitamin D wird in der Haut durch Sonnenlicht, genauer durch UV-B-Strahlen synthetisiert [4].
Weiterhin trägt eine vollwertige Ernährung zur Prävention zahlreicher ernährungsassoziierter Erkrankungen und Beschwerden bei (z.B. Diabetes mellitus Typ 2, Obstipation). Auch fördert sie in Kombination mit Bewegung und Sport die Beibehaltung oder das Erlangen des Normalgewichts [5]. Von Normalgewicht ist die Rede, wenn der Body-Mass-Index (BMI) bei erwachsenen im Alter von 18 bis einschließlich 64 Jahren zwischen 18,5–24,9 liegt. Liegt der BMI unterhalb von 18,5 besteht Untergewicht, bei einem BMI ab 25 und höher Übergewicht. Für Menschen im Alter unter 18 und über 64 Jahre gelten andere Werte [6], die Mehrheit der Studierenden (und Mitarbeitenden) ist in diesem Altersspektrum.
Wie eine vollwertige Ernährung praktisch umgesetzt werden kann, wird u.a. durch die Ernährungspyramide und den Ernährungskreis der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) visualisiert. Wichtig zu wissen ist, dass sich die Angaben an gesunde Menschen richten [5]. Für Menschen mit besonderen Anforderungen (z. B. Zöliakie, Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten) müssen die DGE-Empfehlungen u.U. angepasst werden [7].
Vollwertige Ernährung als Standardoption?!
Die Ergebnisse des Ernährungsreports 2023 und die Ernährungsstudie der Techniker Krankenkasse zeigen, dass für ca. 91% der Befragten gesundes Essen wichtig ist [8], [9]. Dies zeigt, dass die Bevölkerung weiß, dass die tägliche Ernährung einen Einfluss auf die Prävention von bestimmten Erkrankungen hat und zur Gesundheitsförderung beiträgt. Oft scheitert die Umsetzung im Alltag [9], was sich u.a. durch eine hohe Anzahl von Menschen mit Übergewicht und Adipositas zeigt [10]. Denn wie sich Menschen ernähren, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ganz entscheidend sind der Geschmack [9] sowie soziale Faktoren (z. B. Routinen, Rituale). Sie beeinflussen das individuelle und kollektive Ernährungsverhalten. Nur selten stehen biologische Faktoren bzw. die „optimale“ Nährstoffversorgung im Fokus [11].
Da ein Großteil der Studierenden mindestens 1-mal pro Woche die Hochschulverpflegung nutzt, besteht ein großes Präventionspotenzial. Dies kann u.a. durch Nudging-Methoden gefördert werden. Nudging („sanfte Anstupsen“) soll Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen, z.B. die Wahl einer gesunden Mahlzeit statt dem Griff zu einem unausgewogenen Gericht, animieren [12]. In gemeinschaftsgastronomischen Einrichtungen wie Mensen erfolgt dies, indem vollwertige Mahlzeiten als Standardoption und/oder mit dem Ampel-Prinzip mit Erläuterung präsentiert werden: Steht die Ampel auf Grün, wissen Gäste, dass es sich um ein vollwertiges Gericht handelt. Eine rote Ampel weist darauf hin, dass ein Gericht nicht als ausgewogen eingestuft wird, da es z.B. reich an gesättigten Fettsäuren ist oder kaum Ballaststoffe enthält. Auch der Preis ist entscheidend: Ist das Tagesgericht stets am preiswertesten und enthält gleichzeitig die Merkmale einer vollwertigen Mahlzeit, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Studierende häufiger zu diesem Gericht greifen [12]. Mit Nudging-Maßnahmen können aber nicht nur ausgewogene, sondern auch umweltbewusste Ernährungsweisen positiv beeinflusst werden, um so die CO2-Bilanz deutscher Hochschulen positiv zu beeinflussen [13].
Zudem beeinflusst die Umgebung und das Angebot das Ernährungsverhalten: Stehen bspw. Automaten oder Kioske bereit, die Süßigkeiten und salzreiche Knabbereien anbieten, werden Studierende dieses Angebot auch nutzen. Ist ein solches Angebot hingegen (zusätzlich) mit gesunden Lebensmitteln bestückt (z.B. ungesalzene Nüsse, Obst, Salat, Gemüsesticks) ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diese Lebensmittel gewählt werden. Verstärken lässt sich der Effekt, indem gesunde Lebensmittel u.a. ins Sichtfeld gerückt und ansprechend präsentiert werden [12], [13].
Ausgewogene Ernährung und außercurriculare Angebote
Eine andere Methode, um ein ausgewogenes Verpflegungsangebot anzubieten, ist die Einführung der DGE-Qualitätsstandards. Die DGE-Qualitätsstandards wurden exklusiv für gemeinschaftsgastronomische Einrichtungen entwickelt, wobei die Umsetzung vorsieht, dass Tischgäste immer eine gesundheitsfördernde Mahlzeit erhalten. Gleichzeitig unterstützen die DGE-Qualitätsstandards Anbietende und Mitarbeitende dabei, das Angebot ausgewogen und nachhaltig umzusetzen [7].
Auch durch außercurriculare Bildungs- und Beratungsangebote können gesundere Ernährungsweisen gefördert werden. Stehen interne oder kooperierende zertifizierte Ernährungsfachkräfte als Ansprechpartner/-innen zur Verfügung, besteht die Möglichkeit z.B. durch Vorträge, Workshops oder quantitative und qualitative Selbstreflektion individueller Ernährungsweisen, einen positiven Einfluss zu nehmen. Die Leistungen zertifizierter Ernährungsfachkräfte können durch gesetzliche Krankenkassen finanziell gefördert werden [14].
Fazit
Gerade in „postfaktischen“ Zeiten, in denen Emotionen versus Informationen eine bedeutende Rolle einnehmen, spielen individuelle Angebote und eine zielgruppenspezifische Ernährungskommunikation eine immer wichtigere Rolle [15]. Denn Ziel der gesunden, ausgewogenen Ernährung ist es, die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen fördern oder zumindest zu erhalten. Dies gilt insbesondere auch für Studierende und Mitarbeitende an Hochschulen. Anzumerken ist, das vollwertige, aber auch nachhaltige Ernährung immer relevanter werden, da Hochschulen angehalten sind, ihre CO2-aquivalenten Emissionen zu senken. Anzumerken ist, dass vollwertige wie auch nachhaltige Ernährung immer relevanter wird, da Hochschulen angehalten sind, ihre CO2-aquivalenten Emissionen zu senken. Erste Landeshochschulgesetze (z. B. in Sachsen) weisen explizit auf die Verantwortung hin, die menschlichen Lebens- sowie Umweltbedingungen zu verbessern [16].
Autorenerklärung
Autorenbeteiligung: Die Autorinnen tragen die Verantwortung für den gesamten Inhalt dieses Artikels und haben der Einreichung des Manuskripts zugestimmt. Finanzierung: Die Autorinnen erklären, dass sie keine finanzielle Förderung erhalten haben. Interessenkonflikt: Die Autorinnen erklären, dass kein wirtschaftlicher oder persönlicher Interessenkonflikt vorliegt. Ethisches Statement: Für die Forschungsarbeit wurden weder von Menschen noch von Tieren Primärdaten erhoben.
Author Declaration
Author contributions: The authors have accepted responsibility for the entire content of this submitted manuscript and approved submission. Funding: Author state no funding involved. Conflict of interest: Author state no conflict of interest. Ethical statement: Primary data for human nor for animals were not collected for this research work.
Literatur
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©2024 Nadine Berling et al., published by De Gruyter, Berlin/Boston
This work is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0 International License.
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Editorial
- Gesundheitsförderung an Hochschulen in Deutschland: Eine Übersicht
- Studierende mit gesundheitlicher studienerschwerender Beeinträchtigung
- Studieren mit Behinderung im internationalen Vergleich
- Was wissen wir über die psychische Gesundheit von Studierenden in Deutschland?
- Erfahrungen und Erwartungen von Studierenden mit psychischen Krisen
- Die psychische Gesundheit Studierender mit digitalen Angeboten fördern
- Entstigmatisierung von psychischen Störungen in der Hochschullehre
- Universitäre Gerechtigkeit und Gesundheitsoutcomes
- Gesunde Hochschullehre – ein Paradigmenwechsel
- Ansatzpunkte und Herausforderungen für ein ganzheitliches studentisches Gesundheitsmanagement an Hochschulen
- Gesundheitskompetenz von Studierenden. Befunde und Interventionsansätze
- Präventionsbedarfe von Studierenden nach dem Gesundheitsstatus
- Die studentische Gesundheit – Herausforderungen und Potenziale
- Fit durchs Studium: Gesunde Hochschulverpflegung durch vollwertige Ernährung
- Bewegt studieren – studieren bewegt an der Universität Bayreuth
- Bewegungsaktivierung und Sitzzeitreduzierung im Hochschulalltag
- Studierendengesundheit und das Potenzial der Gesundheitsressource Naturerfahrung
- Achtsamkeit bei Studierenden
- Gesundheit von Fernstudierenden stärken
- Digitale Gesundheitsförderung an Hochschulen
- Digitale Inklusion an Hochschulen
- Empfehlungen zu Nachteilsausgleichen und Teilhabeleistungen im Studium aus rechtssoziologischer Sicht
- Studienzweifel und Studienabbruch bei Studierenden mit Behinderungen
- Promovieren mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Behinderungen
- Gesundheitsmonitoring und Gesundheitsmanagement an Hochschulen: Ein Überblick
- Public Health Infos
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