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Johannes Friedrich – Zur Einleitung

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Veröffentlicht/Copyright: 17. Januar 2025
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Die Bedeutung, die Johannes Friedrich für die Hethitologie hatte und immer noch hat, lässt sich wohl kaum überschätzen. Er war es, der die Grundlagen für die Arbeit mit hethitischen Texten für alle schuf; ihm verdanken wir eine Zeichenliste, einen konzisen grammatischen Abriss in Kombination mit einem Übungsbuch mit Lesestücken sowie natürlich das erste Wörterbuch. Dass er daneben, vor allem in seinen Anfängen, auch wesentlich an der Erschließung der Texte selbst beteiligt war und mit seinen Übersetzungen und Bearbeitungen nicht nur das hethitische Schrifttum weit über die engeren Kreise der Spezialisten hinaus bekannt machte, sondern gleichzeitig Maßstäbe setzte hinsichtlich Methodik und Qualität, ist ebenfalls nicht hoch genug einzuschätzen. Mit seiner Übernahme der Professur für Altorientalistik an der neugegründeten Freien Universität in Berlin im Jahre 1950 leistete er zudem wichtige institutionelle Arbeit für die Fortführung der Assyriologie, aber besonders für die Etablierung der Hethitologie als eigenständiger Forschungsrichtung.

Noch vor dem Beginn des 1. Weltkriegs, im Jahre 1913, hatte er sein Studium in Leipzig aufgenommen, für damalige Verhältnisse im Alter von 20 Jahren sogar relativ spät. Die Fächer, die er studierte, waren geeignet, ihn für eine Laufbahn im Bereich der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft, die in dieser Zeit eine erste Blütephase erlebte, zu qualifizieren – neben Klassischer Philologie und Sanskrit waren dies die Vergleichende Sprachwissenschaft selbst sowie die Alte Geschichte. Seine Lehrer waren Ernst Windisch und besonders sein Doktorvater Karl Brugmann, einer der wichtigsten Vertreter der junggrammatischen Schule, die ihn nachdrücklich prägen sollten. Man wird Johannes Friedrich sicherlich nicht unrecht tun, wenn man ihn als einen positivistischen Grammatiker im besten Sinne bezeichnet, der der Sprache eines Textes größeres Interesse entgegenbrachte als vielleicht dessen Inhalt.

Friedrich konnte trotz des Krieges seine Studien fortsetzen und wurde bereits im Jahre 1916 mit einer indogermanistischen Arbeit promoviert. Da er schon während dieser Jahre die Gelegenheit nutzte, seine Kenntnisse der indogermanischen Sprachen mit semitistischen Studien zu ergänzen und dabei von der in Leipzig ebenfalls prominent vertretenen Disziplin der Assyriologie profitierte, lag es geradezu auf der Hand, dass mit der „Entzifferung“ des Hethitischen sich ihm ein ganz neues Forschungsgebiet eröffnete, für das er die idealen Voraussetzungen mitbrachte. Nach Ende des Krieges war er in den Schuldienst eingetreten, doch widmete er sich in diesen Jahren intensiv der Erforschung des Hethitischen, legte erste Übersetzungen und grammatische Studien vor und habilitierte sich dann im Jahre 1924 mit seiner Bearbeitung der Hethitischen Staatsverträge[1].

Die Ernennung zum Privatdozenten und erste Lehraufträge an der Universität Leipzig ebneten ihm den Weg, sich ganz der Wissenschaft widmen zu können. Zunächst übernahm er eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent im semitistischen Institut der Universität Leipzig, die er von 1928–1935 innehatte. Im Jahre 1929 erfolgte die Ernennung zum „nichtplanmäßigen außerordentlichen Professor“. In diese Phase fällt auch die für die sonstige Haltung Friedrichs ungewöhnliche Beteiligung an dem sogenannten „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“, mit dem im Vorfeld des Plebiszites, mit dem das NS-Regime den Austritt aus dem Völkerbund propagandistisch unterstützen wollte, Stimmung gemacht werden sollte und für den sich besonders die Universität Leipzig sehr empfänglich zeigte. Eventuell spielten hier Überlegungen für Friedrich eine Rolle, seine universitäre Laufbahn angesichts seiner beruflich unsicheren Situation nicht gefährden zu wollen. Tatsächlich sollte es noch bis 1936 dauern, bis er den Ruf auf eine ordentliche Professur erhielt – eine Phase in seinem Leben, in der er sich intensivst mit den so vielfältigen Quellen aus den Archiven der hethitischen Hauptstadt beschäftigte, die seinem Interesse an der Erschließung von Sprachen geradezu idealerweise entgegenkamen.

So erstaunt es nicht, dass neben dem Hethitischen selbst die Quellen der kleineren und noch weniger bekannten Sprachen, die unter den Keilschrifttexten aus Boğazköy vertreten waren und die mit der Neuaufnahme der Grabungen im Jahre 1931 stetig an Umfang zunahmen, bald sein Interesse fanden – und diesem Themengebiet sind auch die in diesem Band gesammelten Beiträge gewidmet. Zum Hurritischen freilich kam Johannes Friedrich über den Umweg des „Chaldischen“, wie man in dieser Zeit das Urartäische noch nannte. Der Grund mag mit darin zu suchen sein, dass zwar die Tontafelsammlungen der ehemaligen Archive der hethitischen Hauptstadt Ḫattuša rein umfangmäßig die größte Anzahl an hurritischen Texten zu bieten hatten, doch wurden diese von den Herausgebern der Texte verständlicherweise nur zögerlich publiziert, da man dieses noch schwer oder ganz unzugängliche Material gegenüber der Fülle an hethitischen Texten noch zurückstellte.[2] Zwar hatten schon B. Hrozný und E. Forrer erkannt, dass hier mit derselben Sprache zu rechnen ist wie im sog. Mittani-Brief aus Amarna,[3] dieselbe Sprache, die auch in den mehrsprachigen Texten aus Ugarit vertreten zu sein schien, doch bestand noch lange kein Einvernehmen in der Forschung, in welchem Verhältnis die Texte, die in ganz unterschiedlichen Archiven entdeckt worden waren, zueinander standen.[4]

Friedrich selbst beteiligte sich an diesen Forschungen ab den 1930er Jahren, eventuell angeregt durch das beginnende Erscheinen der Neuedition aller damals bekannten „chaldischen“ Inschriften durch C. F. Lehmann-Haupt (ab 1928),[5] womit eine verlässliche Textgrundlage geschaffen wurde.[6] Vor allem in der ersten Hälfte der 1930er Jahre nahm Friedrich sehr aktiv an der Erforschung des Urartäischen teil, weitere kürzere Beiträge folgten, bevor er sich dann dem Hurritischen zuwandte und, ähnlich wie bei seiner Beschäftigung zum Urartäischen, dann ab 1939 in kurzer Folge mehrere Arbeiten zum Hurritischen veröffentlichte. Parallel trieb er seine hethitologischen Forschungen voran, die 1940 in die Veröffentlichung seines „Hethitischen Elementarbuchs“ mündeten,[7] ein wesentlicher Schritt für die Hethitologie insgesamt, aber für Friedrich selbst nur ein Zwischenschritt, denn die folgenden Jahre sollten zeigen, dass das Hethitische weiter im Zentrum seines Interesses stand, was er eindrucksvoll mit weiteren maßgeblichen Veröffentlichungen belegte wie etwa seinem Wörterbuch, dessen erste Lieferungen in den Jahren 1952–1954 erschienen, der lange erwarteten Bearbeitung der hethitischen Gesetze (1959) oder dann seiner Zeichenliste (1960).[8]

Zwar kehrte er ab und zu in kleinen Beiträgen nochmals zum Urartäischen oder Hurritischen zurück, doch war die Veröffentlichung von Speisers „Introduction to Hurrian“ (1941), der Friedrich eine ausgesprochen positive ausführliche Besprechung widmete,[9] eine Art Schlusspunkt seiner eigenen Forschung. Eventuell war ihm dadurch klargeworden, dass es schwer fallen würde, demgegenüber substantielle Fortschritte ohne neues Material erzielen zu können. Doch stand solches Material vorerst nicht zur Verfügung, was sich in einer gewissen Stagnation der hurritischen Forschung insgesamt niederschlug, und auch Friedrich hatte sich wieder ganz neuen Forschungsfeldern zugewandt.[10] In den 1950er und 1960er Jahren nahmen das Luwische und die luwische Hieroglyphenschrift und, wohl dadurch bedingt, allgemein-schriftgeschichtliche Fragen den Platz neben dem Hethitischen in seinen Arbeiten ein, den in den vorhergehenden Jahren das Urartäische und Hurritische hatten.[11] Ein wenig überraschend war es vielleicht unter diesen Umständen, dass er ganz am Ende seiner eigenen Publikationstätigkeit nochmals zum Hurritischen und Urartäischen zurückkehrte und die entsprechenden Kapitel für den Band zu den „Altkleinasiatischen Sprachen“ im Handbuch der Orientalistik lieferte, nicht aber den Beitrag zum Hethitischen, den A. Kammenhuber verfasste.[12]

Resümierend lässt sich festhalten, dass Friedrichs Arbeiten zum Urartäischen und Hurritischen die von ihm gewohnte Solidität aufweisen und insofern auf die Forschung, vor allem in ihrer frühen Phase, in diesem Bereich sicherlich eine positive Wirkung hatten. Sein sich streng an das Material anschließender, von einer fundierten analytischen Methodik ausgehender Zugang, den alle seine Arbeiten auszeichnen, kam der Erforschung des Urartäischen und Hurritischen, die in ihrer frühen Phase doch stark von spekulativen Thesen geprägt war, mit Sicherheit zugute, auch wenn sein Beitrag nicht denselben Rang besaß wie im Falle des Hethitischen.

Bibliografie

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Friedrich, J. (1930): Staatsverträge des Ḫatti-Reiches in hethitischer Sprache. 2. Teil: Die Verträge Muršiliš’ II. mit Manapa-Dattaš vom Lande des Flusses Šeḫa, des Muwattalliš mit Alakšanduš von Wiluša und des Šuppiluliumaš mit Ḫukkanāš und den Leuten von Ḫajaša (mit Indices zum 1. und 2. Teil) (MVAeG 34/1), Leipzig.Suche in Google Scholar

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Online erschienen: 2025-01-17
Erschienen im Druck: 2025-01-14

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