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Begleiten und Loslassen, Sterben und Miteinandersterben – fiktional und autofiktional

  • Markus Vinzent
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Gelingende Sterbehilfe?
Ein Kapitel aus dem Buch Gelingende Sterbehilfe?

Zusammenfassung

Wenn von Sterbebegleitung (zum Beispiel in den Hospizen und in den Kliniken) gesprochen wird, meinen wir meist schon zu wissen, wer bei diesem Geschehen die oder der Sterbende und wer auf der anderen Seite die (ihn überlebende) Begleitung ist. Im Unterschied hierzu soll in diesem Beitrag die Frage gestellt werden: Wer begleitet wen in diesem Prozess? Dann auch: Auf welche Weise begleiten sich zwei Sterbliche, die miteinander eine Wegstrecke gehen, an deren Ende das Ableben einer der beiden Partner und das Weiterleben des andern stehen? Von welcher Wegstrecke sprechen wir? Was bedeutet diese gemeinsame wie auch unterschiedliche Erfahrung für die sich Begleitenden?

Anhand von fiktionalen und autofiktionalen Beispielen soll gezeigt werden, dass Sterben und Mitsterben zusammengehören, lange vor dem Tod eines der Partner und lange nach ihm. Wer stirbt erlebt im Partner dessen Mitsterben, im eigenen Loslassen den Versuch des Sterbenden und Mitsterbenden mitloszulassen. In unterschiedlichen Rollen geht es um ein Miteinandersterben, das alle Betroffenen teilen. Gegenüber der oder dem Verstorbenen endet das Mitsterben und Loslassen für die oder den Überlebenden nicht mit dem Tod der oder des Verstorbenen. Ebenso wenig beginnt etwas Neues, ob man will oder nicht, erst mit dem Ableben eines der Partner und nicht nur für den, der weiterlebt.

Fiktionales oder autofiktionales Schreiben und Reflektieren von Sterben und Tod des Partners ist nicht nur „Trauerarbeit“. Denn dieser Begriff legt nahe, dass nach dem Tod ein neuer Zeitabschnitt beginnt; doch, wie die Beispiele zeigen werden, setzt sich in der Trauer die Sterbebegleitung fort. Was im Sterbeprozess voneinander gelernt wurde, hat Auswirkungen auf das Sterben und auf die Zeit nach dem Tod eines der Partner. In der Sterbebegleitung und im gegenseitigen Miteinandersterben geschieht folglich für beide Partner vieles, was über den Tod hinaus reicht, auch wenn der Tod als Zäsur unleugbar ist. Er ist verbunden mit einem Schmerz, der nicht vorwegnehmbar ist, doch in seiner Reflexion das Loslassen verlängert.

Zusammenfassung

Wenn von Sterbebegleitung (zum Beispiel in den Hospizen und in den Kliniken) gesprochen wird, meinen wir meist schon zu wissen, wer bei diesem Geschehen die oder der Sterbende und wer auf der anderen Seite die (ihn überlebende) Begleitung ist. Im Unterschied hierzu soll in diesem Beitrag die Frage gestellt werden: Wer begleitet wen in diesem Prozess? Dann auch: Auf welche Weise begleiten sich zwei Sterbliche, die miteinander eine Wegstrecke gehen, an deren Ende das Ableben einer der beiden Partner und das Weiterleben des andern stehen? Von welcher Wegstrecke sprechen wir? Was bedeutet diese gemeinsame wie auch unterschiedliche Erfahrung für die sich Begleitenden?

Anhand von fiktionalen und autofiktionalen Beispielen soll gezeigt werden, dass Sterben und Mitsterben zusammengehören, lange vor dem Tod eines der Partner und lange nach ihm. Wer stirbt erlebt im Partner dessen Mitsterben, im eigenen Loslassen den Versuch des Sterbenden und Mitsterbenden mitloszulassen. In unterschiedlichen Rollen geht es um ein Miteinandersterben, das alle Betroffenen teilen. Gegenüber der oder dem Verstorbenen endet das Mitsterben und Loslassen für die oder den Überlebenden nicht mit dem Tod der oder des Verstorbenen. Ebenso wenig beginnt etwas Neues, ob man will oder nicht, erst mit dem Ableben eines der Partner und nicht nur für den, der weiterlebt.

Fiktionales oder autofiktionales Schreiben und Reflektieren von Sterben und Tod des Partners ist nicht nur „Trauerarbeit“. Denn dieser Begriff legt nahe, dass nach dem Tod ein neuer Zeitabschnitt beginnt; doch, wie die Beispiele zeigen werden, setzt sich in der Trauer die Sterbebegleitung fort. Was im Sterbeprozess voneinander gelernt wurde, hat Auswirkungen auf das Sterben und auf die Zeit nach dem Tod eines der Partner. In der Sterbebegleitung und im gegenseitigen Miteinandersterben geschieht folglich für beide Partner vieles, was über den Tod hinaus reicht, auch wenn der Tod als Zäsur unleugbar ist. Er ist verbunden mit einem Schmerz, der nicht vorwegnehmbar ist, doch in seiner Reflexion das Loslassen verlängert.

Kapitel in diesem Buch

  1. Frontmatter I
  2. Inhalt V
  3. Einleitung: Gelingende Sterbehilfe? 1
  4. Ein resonanzphilosophischer Anfang
  5. Kann Suizidassistenz ein Sterben in Selbstachtung unterstützen? Plädoyer für eine Resonanzethik des Sterbens in Achtung vor sich selbst und den anderen 15
  6. Teil I: Schwerpunkt Anthropologie: Menschliches Sterben als Beziehungsgeschehen
  7. Altersmedizin und Sterbebegleitung 45
  8. Begleiten und Loslassen, Sterben und Miteinandersterben – fiktional und autofiktional 67
  9. Der vergessene Trost. Über die halbierte Anthropologie der Sterbehilfe 87
  10. Die Zeit des Sterbens 103
  11. Teil II: Schwerpunkt Sterbensethik: Was sind Formen einer gelingenden bzw. misslingenden Sterbebegleitung?
  12. Denkperspektiven über die Begleitung eines alten Sterbenden 129
  13. Die Verletzlichkeit des Sterbenden und ihre Aufforderung zur Sorge 143
  14. Sterbebegleitung in der medizinischen Praxis 151
  15. „…jede Hilfe zu spät…“ 161
  16. Teil III: Schwerpunkt Suizidethik: Was sind Formen einer gelingenden bzw. misslingenden Begleitung von Menschen mit Suizidwunsch und ihrer Angehörigen?
  17. Assistierter Suizid: Die Bedeutung der psychiatrischen Perspektive und von Suizidprävention 181
  18. Andere im Ich – Psychoanalytische Reflexionen suizidaler Subjektivierungen als möglicher Beitrag der Sorge um einen freien Willen zu sterben 201
  19. Praxis klinischer Seelsorge bei Todeswünschen – eine besondere Herausforderung im psychiatrischen Kontext 221
  20. Trauer und psychische Belastungen nach einem assistierten Suizid 233
  21. Suizid und assistierter Suizid – ein Blick auf die Angehörigen und Zugehörigen 241
  22. Teil IV: Schwerpunkt Sozialtheorie: Gesellschaftliche und rechtliche Kontexte der Suizidassistenz
  23. Unterschiedliche Ansätze für das gleiche Ziel: Analyse der Entwürfe für ein Gesetz über die Sterbehilfe in Deutschland und in Frankreich 263
  24. Solidarität statt Suizid. Sind wir auf dem Weg in eine Technokratie des Sterbens? 279
  25. Teil V: Ein trialogischer Schluss
  26. Suizidalität, Suizidprävention und Trialog: Impulse verschiedener Traditionsstränge für die multidisziplinäre Praxis 293
  27. Autorenverzeichnis 305
Heruntergeladen am 21.11.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783111553597-004/html
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