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Die Verletzlichkeit des Sterbenden und ihre Aufforderung zur Sorge

  • Giovanni Maio
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Gelingende Sterbehilfe?
Ein Kapitel aus dem Buch Gelingende Sterbehilfe?

Zusammenfassung

Die Verletzlichkeit des schwerkranken Menschen ruft dazu auf, eine pflegerische und medizinische Betreuung zu ermöglichen, die dem ganzen Menschen in seiner Verschränkung von leiblicher, geistiger und sozialer Vulnerabilität im Sterben gerecht wird. Das kann nur gelingen, wenn die Sorge zum identitätsstiftenden Merkmal der Medizin gemacht wird, denn über die Sorge erst verwirklicht sich der soziale Anspruch der Medizin. Mag die Sorge auch nicht lebensrettend sein, so bleibt sie gleichwohl überlebensnotwendig, denn nur über die Sorge kann dem hilfsbedürftigen Menschen das Gefühl der Achtung vermittelt. Der Effekt der Sorge wird dadurch gezeitigt, dass sie den anderen anspricht und dadurch zu einem Jemand macht, zu einem besonderen Menschen, der durch das Angesprochenwerden die Chance erhält, seine Selbstachtung zurückzuerlangen. Die zentrale Aufgabe von Medizin und Gesellschaft besteht kurz gesagt darin, Menschen, die Angst vor ihrer Gebrechlichkeit haben, zu signalisieren, dass sie nichts leisten müssen, um als unschätzbare Menschen anerkannt zu werden. Es gilt, der Isolation vieler kranker Menschen entgegenzuwirken und ihnen eine neue Bedeutung zu verleihen, damit sie sich nicht als »Versorgungsproblem« begreifen, das anderen nur Arbeit macht. Sie müssen vielmehr realisieren dürfen, dass die Gesellschaft dankbar dafür ist, sie in ihrer Mitte zu haben.

Zusammenfassung

Die Verletzlichkeit des schwerkranken Menschen ruft dazu auf, eine pflegerische und medizinische Betreuung zu ermöglichen, die dem ganzen Menschen in seiner Verschränkung von leiblicher, geistiger und sozialer Vulnerabilität im Sterben gerecht wird. Das kann nur gelingen, wenn die Sorge zum identitätsstiftenden Merkmal der Medizin gemacht wird, denn über die Sorge erst verwirklicht sich der soziale Anspruch der Medizin. Mag die Sorge auch nicht lebensrettend sein, so bleibt sie gleichwohl überlebensnotwendig, denn nur über die Sorge kann dem hilfsbedürftigen Menschen das Gefühl der Achtung vermittelt. Der Effekt der Sorge wird dadurch gezeitigt, dass sie den anderen anspricht und dadurch zu einem Jemand macht, zu einem besonderen Menschen, der durch das Angesprochenwerden die Chance erhält, seine Selbstachtung zurückzuerlangen. Die zentrale Aufgabe von Medizin und Gesellschaft besteht kurz gesagt darin, Menschen, die Angst vor ihrer Gebrechlichkeit haben, zu signalisieren, dass sie nichts leisten müssen, um als unschätzbare Menschen anerkannt zu werden. Es gilt, der Isolation vieler kranker Menschen entgegenzuwirken und ihnen eine neue Bedeutung zu verleihen, damit sie sich nicht als »Versorgungsproblem« begreifen, das anderen nur Arbeit macht. Sie müssen vielmehr realisieren dürfen, dass die Gesellschaft dankbar dafür ist, sie in ihrer Mitte zu haben.

Kapitel in diesem Buch

  1. Frontmatter I
  2. Inhalt V
  3. Einleitung: Gelingende Sterbehilfe? 1
  4. Ein resonanzphilosophischer Anfang
  5. Kann Suizidassistenz ein Sterben in Selbstachtung unterstützen? Plädoyer für eine Resonanzethik des Sterbens in Achtung vor sich selbst und den anderen 15
  6. Teil I: Schwerpunkt Anthropologie: Menschliches Sterben als Beziehungsgeschehen
  7. Altersmedizin und Sterbebegleitung 45
  8. Begleiten und Loslassen, Sterben und Miteinandersterben – fiktional und autofiktional 67
  9. Der vergessene Trost. Über die halbierte Anthropologie der Sterbehilfe 87
  10. Die Zeit des Sterbens 103
  11. Teil II: Schwerpunkt Sterbensethik: Was sind Formen einer gelingenden bzw. misslingenden Sterbebegleitung?
  12. Denkperspektiven über die Begleitung eines alten Sterbenden 129
  13. Die Verletzlichkeit des Sterbenden und ihre Aufforderung zur Sorge 143
  14. Sterbebegleitung in der medizinischen Praxis 151
  15. „…jede Hilfe zu spät…“ 161
  16. Teil III: Schwerpunkt Suizidethik: Was sind Formen einer gelingenden bzw. misslingenden Begleitung von Menschen mit Suizidwunsch und ihrer Angehörigen?
  17. Assistierter Suizid: Die Bedeutung der psychiatrischen Perspektive und von Suizidprävention 181
  18. Andere im Ich – Psychoanalytische Reflexionen suizidaler Subjektivierungen als möglicher Beitrag der Sorge um einen freien Willen zu sterben 201
  19. Praxis klinischer Seelsorge bei Todeswünschen – eine besondere Herausforderung im psychiatrischen Kontext 221
  20. Trauer und psychische Belastungen nach einem assistierten Suizid 233
  21. Suizid und assistierter Suizid – ein Blick auf die Angehörigen und Zugehörigen 241
  22. Teil IV: Schwerpunkt Sozialtheorie: Gesellschaftliche und rechtliche Kontexte der Suizidassistenz
  23. Unterschiedliche Ansätze für das gleiche Ziel: Analyse der Entwürfe für ein Gesetz über die Sterbehilfe in Deutschland und in Frankreich 263
  24. Solidarität statt Suizid. Sind wir auf dem Weg in eine Technokratie des Sterbens? 279
  25. Teil V: Ein trialogischer Schluss
  26. Suizidalität, Suizidprävention und Trialog: Impulse verschiedener Traditionsstränge für die multidisziplinäre Praxis 293
  27. Autorenverzeichnis 305
Heruntergeladen am 21.11.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783111553597-008/html
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