I. Einführung Die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat einer Kapitalgesellschaft ist nach wie vor begehrt. Daran ändert auch der deutsche Corporate Governance Codex nichts, der empfiehlt, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates neben einer festen eine erfolgsorientierte Vergütung erhalten sollen. Viele Aufsichtsratsmitglieder übersehen dabei, dass mit der Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko verbunden ist. Werden nämlich die vom Aktiengesetz bzw. GmbH-Gesetz festgelegten Sorgfaltspflichten oder die von der Rechtsprechung und Rechtswissenschaft entwickelten Überwachungsgrundsätze nicht sorgfältig beachtet, so besteht die Gefahr, dass das Aufsichtsratsmitglied sein ganzes Vermögen aufs Spiel setzt (vgl. §§ 116, 93 Abs. 2 AktG i.V. m. § 52 Abs. 1 GmbHG). Eine Sonderstellung nehmen dabei die kommunalen Aufsichtsratsmitglieder ein. Ihre Haftung richtet sich zwar ebenfalls nach den oben genannten Vorschriften, die Kommunalverfassungen der Länder enthalten für sie aber häufig einen Freistellungsanspruch gegenüber der Kommune. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit steht der Kommune jedoch ein Regressanspruch gegenüber dem Aufsichtsratsmitglied zu. Häufig unterschätzen gerade kommunale Mandatsträger in Aufsichtsräten die Anforderungen, die an sie in Form von wirtschaftlichen Kenntnissen gestellt werden. Hintergrund der Sorglosigkeit der um Aufsichtsratssitze konkurrierenden ehemaligen Unternehmer, Gewerkschaftsfunktionäre und Politiker ist, dass sich in der Praxis die persönliche Innenhaftung des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der Gesellschaft als ein recht stumpfes Schwert erwiesen hat. So existieren nur wenige Urteile, die eine Aufsichtsratshaftung bejahen. Dies verwundert, wenn man sich den Wortlaut der §§ 116, 93 Abs. 2 AktG i.V. m. § 52 Abs. 1 GmbHG vor Augen führt. Danach ist das Aufsichtsratsmitglied zum Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, wenn er seine Pflichten als Aufsichtsratsmitglied verletzt. Eine umfassendere und schärfere Haftungsvorschrift gibt es kaum. Der wesentliche Nachteil der aufsichtsrechtlichen Innenhaftung wurzelte bisher in der unzulänglichen Ausgestaltung des subjektiven Rechts auf Verfolgung des innergesellschaftlichen Schadensersatzanspruches. Nach § 78 Abs. 1 AktG wird die Aktiengesellschaft von ihrem Vorstand vertreten. Er ist zunächst das primär zuständige Organ zur Verfolgung potentieller Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Aufsichtsrat. Die Organe Vorstand und Aufsichtsrat sind jedoch einander kollegial und geschäftlich verbunden. Der Vorstand würde bei der gerichtlichen Geltendmachung eines innergesellschaftlichen Schadensersatzanspruchs gegenüber dem Aufsichtsrat häufig eigene Pflichtverletzungen eingestehen. Diese Konstellation hält die Vorstandsmitglieder häufig von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ab. Ähnlich ist das Verhältnis von Geschäftsführung und Aufsichtsrat in einer GmbH. Die Luft für Aufsichtsratsmitglieder wird jedoch dünner. Aktuelle Entwicklungen wie die in Deutschland mit Nachdruck geführte Corporate Governance-Debatte zeigen, dass es sich bei Organmitgliedern von Kapitalgesellschaften um fehlbare und somit kontrollbedürftige und für ihr Verhalten verantwortliche Individuen handelt. Darüber hinaus besteht im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 21. April 1997 ein erhöhter Druck auf Organmitglieder, potentielle Schadensersatzansprüche durchzusetzen, um nicht selbst wegen Organpflichtverletzungen zum Schuldner eines Schadensersatzanspruchs zu werden. Am 8. Juli 2005 durchlief das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) den Bundesrat. Am 1. November 2005 ist es in Kraft getreten. Ein Schwerpunkt des Reformgesetzes liegt dabei in der Nivellierung der Innenhaftung des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Von zentraler Bedeutung für die aufsichtsrechtliche Innenhaftung ist dabei, dass nach dem Vorbild der aus dem US-Recht bekannten „shareholder derivative suit“ eine so genannte Aktionärsklage eingeführt wurde (vgl. § 148 AktG). Damit sollen die bisherigen Schwächen im Bereich des subjektiven Anspruchsverfolgungsrechts bereinigt werden. Die Klageberechtigung wurde damit erstmals auf die Aktionäre ausgeweitet, wenn deren Anteil im Zeitpunkt der Antragstellung zusammen den einhundersten Teil des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000,– € erreicht und kumulativ die weiteren Voraussetzungen des § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 AktG vorliegen. Der Gesetzgeber hat damit seine über 100 Jahre anhaltende Furcht vor dem Aktionär als Kläger abgelegt. Das Herz der aufsichtsrechtlichen Haftung stellt die Pflichtverletzung nach den §§ 116, 93 Abs. 2 AktG i.V. m. § 52 Abs. 1 GmbHG dar. Im Rahmen der Abhandlung wird dabei auf die aktuelle Problematik der Verschwiegenheitspflicht von kommunalen Aufsichtsratsmitgliedern eingegangen. Diese wurzelt in der fehlenden Verzahnung des bundesrechtlichen Gesellschaftsrechts mit dem landesrechtlichen Kommunalrecht. Streitfrage ist, ob die Verschwiegenheitspflicht auch uneingeschränkt für kommunale Aufsichtsratsmitglieder gilt, oder ob diese im Lichte des Öffentlichkeitsprinzips des Kommunalrechts auszulegen ist.