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Published/Copyright: November 7, 2025

Allgemein

Otto Kallscheuer, Papst und Zeit. Heilsgeschichte und Weltpolitik, Berlin (Matthes & Seitz Berlin) 2024, 956 S., ISBN 978-3-7518-2015-8, € 44.

„Papst und Zeit“ ist ein Buch mit einem enigmatischen Titel. Tatsächlich legt es sich nie ganz fest, in welches Genre es fällt. Trotz des kirchengeschichtlichen und theologischen Themas handelt es sich hier keinesfalls um ein strikt akademisches Werk, sondern vielmehr um eine sehr persönliche, subjektive und oft zutiefst faszinierende Sicht auf das Papsttum und seine Geschichte, die Otto Kallscheuer in einem souveränen, feuilletonistischen Stil auszubreiten versteht. Auf den ersten Blick kann „Papst und Zeit“ einschüchternd wirken. Allein der Umfang von über 900 Seiten und das achtseitige Inhaltsverzeichnis dürften einige Leser*innen abschrecken. Kein Wunder also, dass Kallscheuer seinem Buch zunächst eine ‚Gebrauchsanweisung‘ vorangestellt hat. Hier wird klar, dass „Papst und Zeit“ keineswegs nur from cover to cover gelesen werden kann, sondern dass es auch als Nachschlagewerk zu verschiedensten kirchen- und theologiegeschichtlichen Themen fungiert. Zwischen 30 Hauptkapiteln sind so 20 sogenannte „Fokus“-Sektionen eingestreut, die eher Exkursen gleichen und zwischen denen zu springen sich lohnt. Dass Kallscheuers Buch ein sehr individuelles Werk ist, verdeutlicht sich schon an den Titeln der Kapitel und Unterkapitel, die da zum Beispiel lauten „Was heißt Erlösung?“, „Triumph der Madonna“ oder auch „The Empire strikes back“. Schrullig mag zudem wirken, dass Kallscheuer sein Buch teilweise mit lateinischen Überschriften gegliedert hat: Introitus, Corpus, Missio, Ecclesia, Saeculum und viele mehr. Sich Kallscheuers Buch von der Struktur her zu erschließen, ist nicht immer einfach, denn er versucht, wie gesagt, den Brückenschlag zwischen Feuilleton und Nachschlagewerk. Dabei handelt es sich bei „Papst und Zeit“ nicht um ein Sammelsurium von unzusammenhängenden Einzelartikeln und Anekdoten und auch nicht um 900 Feuilletonseiten. Tatsächlich ist „Papst und Zeit“ ein hochgradig individuelles, mutiges Buch und von einer Art, die man heute nur selten liest. Es geht hier um die Verschränkung einer tatsachenbezogenen Kirchengeschichte („wie es eigentlich gewesen“) mit der über Jahrhunderte hinweg gewachsenen Theologie des Papsttums. So eröffnet sich dann ein ideengeschichtlicher Zugang zum Herrschaftsanspruch, zur Politik und zur Diplomatie des Heiligen Stuhls. Was will „Papst und Zeit“ erreichen? Kallscheuers Buch ist nach eigener Aussage „eine konzeptionelle oder Problemgeschichte des Papsttums. Wer will kann auch Theorie sagen“ (S. 13). Eigentlich müsste man hier jedoch von einer Vielzahl an Problemgeschichten sprechen. Kallscheuer entwickelt keine übergreifende politische Theorie des Papsttums oder der päpstlichen Theologie, sondern vermittelt Leser*innen vielmehr den historischen Pluralismus einer Mehrzahl an Theorien, die durch die Päpste im Lauf der Geschichte vertreten und verbreitet worden sind. Kallscheuer versteht es, seine Leserschaft mit vielen chronologischen Sprüngen und Rückbezügen durch eine zweitausendjährige Historie zu führen. Die eigentliche Stärke des Buchs liegt in der Verknüpfung von Beobachtungen. Während die Kapitel einzeln gelesen nicht für alle in der Wissenschaft überraschend sein werden, dürften sie Interessierten aber neue Perspektiven auf verschiedene Jahrhunderte und ihre Zusammenhänge eröffnen. Von den Mysterien, die die ersten Päpste umranken, zu den politischen Wirrungen zwischen Kaiser und Papst im Mittelalter, den Religionskriegen der Frühen Neuzeit bis hin zum italienischen Risorgimento im 19. Jahrhundert und zur Transformation der katholischen Weltkirche nach 1945 – in all diesen Themengebieten erweist sich Kallscheuer als kompetenter Beobachter. Die wirkliche Leistung des Buchs besteht dabei in der Herausschälung und Verflechtung der großen Verbindungslinien zwischen Päpsten und Zeiten, die Kallscheuer über Epochenumbrüche hinweg ausmachen kann. Hier bleibt der Autor stets theologisch fundiert. Allenfalls besteht die Gefahr, dass Kallscheuers Buch Kontinuitäten zu konstruieren versucht, die tatsächlich vielleicht nie so ausgeprägt waren. Hinter den großen Trends können historische Komplexitäten, Widersprüche und, wenn man so will, auch die Ergebnisoffenheit, welche die Kirchengeschichte gekennzeichnet hat, leicht verblassen. Kallscheuers Sprache bleibt selbst bei den kompliziertesten Thematiken locker, journalistisch und augenzwinkernd. Johannes XXIII. erscheint als „rundlicher Bauernsohn“, Johannes Paul II. als „athletischer Pole“ und charismatischer „Tele-Evangelist“, während Benedikt XVI. mit „il professore tedesco“ noch einen vergleichsweise harmlosen Titel erhält (S. 16, 20). Besonders herauszuheben ist zudem Kapitel XV, in dem der umstrittene Papst Pius XII. als „eiskalter Engel“ auftritt (S. 326). Hier zeigt sich auch Kallscheuers Blick auf die Ambivalenzen von Kirchenpolitik. So sieht der Autor etwa das Schweigen des Papstes zur Shoah im Weltkrieg in einem „nuklearen Schweigen“ in der Zeit des Wettrüstens nach 1945 fortgeschrieben, in welcher der Heilige Stuhl nur bedingt als Friedensmacht aufzutreten bereit war, sondern in der Pius und seine Nachfolger vielmehr eine Allianz zwischen „Potomac und Tiber“ forcierten. „Mit mindestens einem Jahrhundert Verspätung“, konkludiert Kallscheuer, „war die Papstkirche in der demokratischen Staatenwelt angekommen“ (S. 336). Kallscheuers Buch macht die Geschichte des Papsttums einem breiten Publikum zugänglich. Bei allen Vereinfachungen, die Kallscheuer dabei schon allein aus Platzgründen vornehmen muss, gelingen ihm interessante Zuspitzungen. Gerade der nicht streng wissenschaftliche Stil dieses Buches entfaltet so seinen ganz eigenen Reiz.+TABRE+Simon Unger

Current Trends in the Historiography of Inquisitions. Themes and Comparisons, ed. by Irene Bueno/Vincenzo Lavenia/Riccardo Parmeggiani, Roma (Viella) 2023 (I libri di Viella 463. Inquire – International Centre for Research on Inquisitions), 412 pp., ISBN 979-12-5469-487-9, € 42.

Con questo volume, dove confluiscono gli atti del primo incontro svoltosi a Bologna nel 2021, si inaugura la collana del centro di ricerca internazionale „Inquire“ (International Centre for Research on Inquisitions), fondato da Irene Bueno, Vincenzo Lavenia e Riccardo Parmeggiani nel 2020. Per seri progressi nella ricerca è sempre opportuno partire da un bilancio che sia storiografico e tematico („this first volume focuses on the historiography of the last few decades to take stock of the main themes and questions … on medieval, early modern and modern inquisitions around the world“, p. 10) e poi, laddove possibile, invitare a partecipare alla discussione i più autorevoli studiosi del tema. I curatori, seguendo queste strade, ripropongono la felice formula con cui Adriano Prosperi aveva diretto e coordinato studiosi da tutto il mondo per il „Dizionario Storico dell’Inquisizione“, un’impresa che, con l’aiuto di John Tedeschi e di Vincenzo Lavenia, ha portato alla pubblicazione di quattro imponenti volumi nel 2010. Sin dalla scelta del titolo, che pone l’accento sulle Inquisizioni e non più sull’inquisizione, i curatori chiariscono il loro obiettivo di contribuire, favorire e stimolare il dialogo tra studiosi delle varie inquisizioni, superando le barriere cronologiche e geografiche: „it is necessary to abolish all barriers introduced by an overly scholastic periodization, thereby extending our gaze from the 13th to the 20th century“ (p. 8). Articolati in tre parti („Inquisitions in the Medieval West“; „The Iberian Inquisitions, Europe and the World“ e „Rome and the Congregations of the Curia“), i saggi di diciotto studiosi di diversa formazione e provenienza hanno preso in esame i tribunali inquisitoriali, con attenzione alle diverse realtà politiche, partendo dalle origini per passare alle inquisizioni iberiche, con un ormai indispensabile sguardo all’azione nell’America centro-meridionale per finire con l’inquisizione romana. Ogni studioso presenta lo status quaestionis storiografico e indica le nuove tendenze della ricerca, spesso suggerendo indirizzi e indicando fonti finora trascurate. Finalmente, nella guerra contro l’eresia, per riprendere il titolo del libro di Robert I. Moore, si sta uscendo dall’analisi regionale e dal ritratto singolo, così come si sta affermando l’indagine diacronica grazie alla quale continuità e adattamenti, compromessi e accordi restituiscono spessore ad attori precedentemente trascurati. Nella prima parte (saggi di Thomas Scharff, Irene Bueno, Jessalynn Bird, Riccardo Parmeggiani, Fiona Somerset, Thomas A. Fudge, Kirsi Salonen e Matteo Duni) si esaminano le origini e i primi passi dell’inquisizione medievale, il periodo avignonese, l’azione inquisitoriale tra Francia e Aragona, la repressione ereticale in Inghilterra e nell’Europa centrale, per poi esaminare due ponti che congiungono l’età medievale con l’età moderna (la fonte della Penitenzieria e il tema della magia e della caccia alle streghe, nonostante la cesura, cfr. i saggi di Salonen e Duni). L’analisi comparativa ridimensiona alcune caratteristiche prima considerate centrali e ne pone in luce altre salienti. Leggendo la seconda parte (saggi di Kimberly Lynn, Claudia Geremia, Gabriel Torres Puga e Carlos Mejía Chavez, M. Macarena Cordero Fernández, José Pedro Paiva e Bruno Feitler), emerge con forza il sempre più necessario uso di fonti diverse (si registra una considerevole attenzione alla documentazione dell’archivio di Propaganda Fide) e l’attenzione ai due imperi nel loro complesso, con l’analisi delle strategie e degli esiti, differenze che discendono dalla vastità dei territori, dalle scarse risorse disponibili, e dalle specificità locali che rimasero malgrado gli sforzi di sfumarle. La terza parte (saggi di Vincenzo Lavenia, Giorgio Caravale, Andreea Badea e Agnès Desmaziéres) è dedicata all’analisi delle due congregazioni romane, Sant’Uffizio e Indice anche nel lungo periodo. Andreea Badea propone di leggere l’azione inquisitoriale attraverso la categoria del Denkkollektiv per sottolineare l’interazione di vari attori, soffermandosi sugli scontri tra Roma e le sedi periferiche e ritenendo utile la soluzione di „composite Catholicism“ di Christian Windler. Così si dischiude un’altra immagine delle inquisizioni dagli orizzonti globali, grazie, finalmente, anche al coinvolgimento di studiosi di ogni parte del mondo nella speranza che i governi ascoltino gli appelli affinché la documentazione superstite sia tutelata e valorizzata. Alcuni progetti di ricerca avviati vanno proprio in questa direzione. In conclusione, è doveroso ricordare che l’attività del centro di ricerca non si limita a organizzare un convegno annuale e a promuovere iniziative seminariali, ma confluisce anche in un sito con la bibliografia in continuo aggiornamento.+TABRE+Michaela Valente

Ugo Sani, Da San Quirico in Osenna a San Quirico d’Orcia. Tracce di una comunità, Arcidosso (C&P Adver Effigi Edizioni) 2023, 991 pp., ill., ISBN 978-88-5524-678-1, € 30.

Rispetto al libro che si presenta, lo stesso autore dichiara che „non è un lavoro squisitamente storico, almeno di sicuro non nel senso tradizionale del termine“ e che „volentieri lascia spazio anche alle apparentemente più bizzarre digressioni“ rispetto alle quali, però, specifica che, a suo modo di vedere, „concorrano a ricostruire, al di là e più dei nudi fatti, lo spiritus, il respiro di una comunità“ (le citazioni alle pp. 619 sg.). Quella di Ugo Sani è un’impostazione di ricerca, dunque, dichiaratamente non professionistica e spinta da una profondissima motivazione personale. Nonostante ciò, oltre a essere di piacevolissima lettura, a dispetto della mole imponente, il testo offre informazioni e materiali di grande interesse. Chiunque abbia a cuore la microstoria sa che questa si è affermata da più di qualche decennio e che da essa si sono evolute ulteriori direttrici di lavoro per molteplici approcci, anche in ambito italiano, avvicinando un vasto pubblico almeno ai temi di ricerca legati alle varie realtà locali. In ciò, un ruolo non secondario lo ricoprono quei docenti di scuola che continuano a crescere e a imparare con i propri studenti, senza rinunciare a continuare, a loro volta, ad ampliare e approfondire la propria preparazione anche in termini di contenuti. Ugo Sani è stato, evidentemente, tra questi, avendo insegnato nei licei di Montepulciano per quarant’anni senza perdere, come purtroppo non di rado accade, l’umiltà dubbiosa di voler capire, innanzitutto cercando basi documentarie a soddisfare la propria curiosità. Il libro, così, si propone come una carrellata di notizie che muovono dalla geologia alle soglie del Novecento. Un percorso possibile perché supportato da un’ampia cultura generale al cui interno collocare le vicende di quella „comunità“ di cui il libro intende individuare alcune „tracce“. Anche grazie a una ricca tradizione storiografica locale toscana, sono ormai a disposizione anche di studiosi non professionisti varie fonti per la storia medievale del Senese, in particolare per il pieno e tardo medioevo: di tali fasi, Sani si occupa nella Parte prima, intitolata „Fin sotto il peso delle libertà repubblicane“, da p. 17 a 141, e nella parte seconda, „La francigena e altre strade dell’arte“, che si chiude a p. 231. L’autore ha deciso di dividere il libro in cinque „parti“, anziché in capitoli, cui si aggiungono un prologo, un’introduzione relativa, come accennato, alla geologia della terra di San Quirico e un’appendice di documenti. In quest’ultima, spicca la presenza del testo dello Statuto del 1561 che è anche l’elemento portante della Parte terza, intitolata „Dal granducato al marchesato al regno d’Italia“, che si chiude a p. 479, sviluppandosi dunque per quasi 250 pagine, dopo le quali inizia un bell’inserto fotografico con 49 immagini. Infine, la quinta e ultima parte, „Dal regno d’Italia alla repubblica italiana: quasi una cronaca“, di oltre 220 pagine, cui seguono l’appendice documentaria, la bibliografia e un sempre utile indice dei nomi. Si potrebbe osservare che il libro presenta alcune sbavature in relazione ad aspetti formali nella composizione delle note e delle indicazioni bibliografiche: ad esempio, per alcuni titoli vi è indicato l’editore e per altri no; oppure, ci sono riferimenti incompleti a documenti di archivio, come alla nota 29 di p. 29. I temi sono talvolta fortemente legati a una dimensione locale che, però, non sono esclusivi della curiosità di Sani o del contesto di San Quirico: ad esempio, il paragrafo dedicato alle „porte del morto“ (pp. 164–166) che si trovano in palazzi di impianto medievale in diversi centri della penisola. Ma è pur vero che proprio lo studio di certi casi puntuali può talvolta aiutare a fornire spiegazioni a problemi di interesse generale: rispetto a ciò sembrano, ad esempio, molto interessanti i dati relativi alla situazione demografica di San Quirico alla fine dell’Ottocento, fotografati da un „Quadro statistico“ redatto del segretario comunale Celso Petessi in relazione alla situazione al 31.12.1867. Un libro come quello di Sani, così intriso di toscanità e di amore per il proprio paese, fa venire in mente le prime pagine di Luciano Bianciardi de „Il lavoro culturale“ con cui lo scrittore toscano si divertiva a descrivere le diverse fazioni formatesi nella sua città, Grosseto, in relazione alle origini cittadine. Un tema che, secondo Bianciardi, avrebbe „sempre sedotto e affaticato la mente di saggi, sapienti e intellettuali“ (Luciano Bianciardi, Il lavoro culturale, in: L’antimeridiano, Milano 2005, p. 197) dividendo in tre fazioni quanti erano interessati al riguardo: gli eruditi medievalisti, gli archeologi e i giovani, la generazione bruciata, d’accordo col tenente Bucker nel vedere in Grosseto qualcosa della sua Kansas City „città di sterrati, di spazi aperti, al vento e ai forestieri“ (ibid., p. 206). Dalle sue pagine, però, Ugo Sani non appare riconducibile a nessuna delle tre categorie: se mostra amore per i documenti, interesse che Bianciardi attribuisce, ma in eccesso, ai primi; se è in possesso, come scritto, di conoscenze anche precedenti quelle dell’archeologia; e se, infine, non è più definibile anagraficamente come un „giovane“, pure egli sembra aver caratterizzato la sua fatica con qualcosa che riporta a tutte e tre le categorie bianciardiane e forse, più di tutto, all’ultima, orgogliosa dello spirito di crescita e di accoglienza della propria città. Un’attitudine positiva evidente nelle righe conclusive: „Il sole è andato giù bene stasera, e da casa mia si vedono grumi di nuvole rosa striate di nero arrampicate sull’orizzonte. La brezza umida che il cane fiuta fa pensare che domani metterà pioggia; e di certo ne nascerà qualcosa di buono“ (p. 837).+TABRE+Mario Marrocchi

Jean Boutier/Sandro Landi/Jean-Claude Waquet (Eds.), Le temps des Italies, XIIe–XIXe siècle, avec la collaboration de Émilie Beck-Saiello, Roma (École française de Rome) 2023, 751 pp., ill., ISBN 979-1-0404-0113-1, € 29.

This substantial volume is set in the context of the most recent French historiography on medieval and modern Italy and proves how lively and fruitful the historiographical exchange between Italy and France has been in recent decades. The editors – Jean Boutier, Sandro Landi and Jean-Claude Waquet – and the authors, all specialists in Italian history, show that they take into account both the most recent trends in Italian historiography on the individual themes tackled and the older tradition of the genre „history of Italy“, starting with that of Croce. But methodologies and conceptual categories are those of French historiography: central is in fact the concept of scale that underpins the entire volume and consists of narrowing and widening from time to time the „Italian“ space invested by the observation in order to better bring out connections and circulations between local and global. With this mobile approach, „Le Temps des Italies“ proposes a history of Italy with an unusual periodization that, starting from the central centuries of the Middle Ages, stops at the Napoleonic age, purposely leaving out the question of the Risorgimento and Italian unity, often assumed in histories of Italy as a teleological landing place. Declining the word „Italy“ in the plural, the authors question to what extent the institutional pluralism of the peninsular political formations was surmountable by the feeling of Italianness. This is the theme of the first part of the volume entitled „Une et divisible: Italie en question“, in which the instruments and actors (geographers, men of letters, travellers, diplomats) thanks to which Italy could also be represented as a unitary whole, are indicated. The importance of Jean Boutier’s contributions on cartography and Caroline Callard’s on the writing of history from the period of the Italian wars (Machiavelli-Guicciardini) to that of Muratori and Sismondi should be emphasised here. In the historiography of the time, Italy appears to be a „meta-object“, absent in reality, but present as a problem (p. 105). But the object Italy, always problematic in its dialectic between unity and division, also emerges at other levels. On the one hand, in the central role it carves out for itself in the circulation of information involving not only the centres of production such as Venice and Rome but also the small courts and economic centres such as Genoa and Milan (Johann Petitjean, „L’espace des nouvelles“), and on the other in the agency of various figures of agents and diplomats who experiment, through speech and writing, the art of political negotiation. Jean-Claude Waquet demonstrates this by emphasising „the cultural unity of Italian diplomacy“ (p. 206). It is certainly more problematic to speak of an „Italian“ economy from the communes to the Napoleonic period, given the divergent interpretations of Italian economic history in the medieval and modern ages (described in turn as a theatre of early capitalisms, economic primacies, recurring crises, re-feudalisation and decadence). A panorama so complex that the problem of the economic unification of the peninsula is projected beyond the realisation of political unity. The second part of the volume, entitled „Cités et territoires: un espace composite“, takes the city as the Leitmotiv of Italian history but does not adequately explore the city-countryside relationship as would perhaps have been appropriate considering the breadth and quality of Italian research in this area. With the exception, however, of Brigitte Marin’s contribution, attentive to the types of domination of the city over the territory from the North to the South of the peninsula, and of Jean-François Chauvard’s on the territorial revolution of the „Ventennio francese“ (1796–1815), which not only coincided with the disappearance of some states but changed the urban system, introducing a more rational conception of political-administrative space with departmentalisation (p. 438). The composite Italian space was not only a space of cities, urban power coexisted with and often subordinated itself to that of the Princes or that of the Spanish monarchy in the latter’s domains. Two essays (Chapters 19 and 22) are dedicated to the nobility and its changes and to the strength and limits of the Spanish presence in Italy. It may be arguable that the role of the Church in shaping through diocesan boundaries, parishes, and the settlements of orders, the peninsular space on a regional and city level is only considered through the prism of the control and imposition of Tridentine conformism, although we cannot but agree with Marie Lezowski – „L’Eglise et le conformise tridentine“ – on the weight of the inquisitorial structures with its peripheral tribunals in the religious and behavioural life of the Italians. The third large part of the volume entitled „Du local à l’Universel: des Histoire enchevêtrées“ is composed of three subsections that aim to open up the consideration of Italy’s insertion into wider spaces – Mediterranean and global – not only at an economic level, through mercantile exchanges, but also at a religious-cultural and finally political level. The editors have shown that they grasp some novelties in the historiographic panorama of recent decades very well by including a session on the papacy between Italianism and universalism in which post-Tridentine Romanity is investigated in all its complexity. In particular, Antonella Romano’s contribution shows how, going beyond the traditional paradigm of the „scientific revolution“, Rome, with its colleges, courts, academies, missionaries and diplomats, could between the 16th and 17th centuries truly become a Christian factory of knowledge in the confrontation between the old and the new. Finally, the volume closes with a section on Italy as a space of conflict and circulation. Both Olivier Poncet and Florence Alazard agree that the Italian wars were an occasion for immense intellectual transfers (Poncet, p. 569) and the development not only of new military practices but also of a new political culture. Subjection to the Habsburg monarchy, Alazard argues, would not have produced a radical divergence between an Italy of Italians and an Italy under Spanish rule (p. 592). Even the relationship with the Turks and Barbarians would not have been marked by war alone, but in the alternation of peace and war, exchanges and interconnections would have developed, favoured by a particular „commercial diplomacy“ and the lingua franca. In conclusion, the volume, the result of a long collective work, with its 34 contributions and its articulate and reasoned structure constitutes an important novelty in the European historiographical panorama. Finally, it should be noted that each chapter is accompanied by maps that visually illustrate the phenomena discussed and an annotated image. These images constitute a veritable iconographic dossier that is an integral part of the book’s path aimed at restoring the diversity of the cultures of the „Italies“ and their convergences.+TABRE+Maria Antonietta Visceglia

Das Papsttum und Niederösterreich vom Hochmittelalter bis in das frühe 17. Jahrhundert. Die Vorträge des 40. Symposions des NÖ Instituts für Landeskunde in Kooperation mit dem Diözesanarchiv St. Pölten, Sommerrefektorium des Bistumsgebäudes St. Pölten, 4. bis 6. Juni 2022, St. Pölten (Niederösterreichisches Institut für Landeskunde, St. Pölten) 2024 (NÖLA. Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv 21), 424 S., Abb., ISBN 978-3-903127-48-7, € 30.

Nach mehreren, Corona-bedingt erfolglosen Ansätzen konnte im Juni 2022 schließlich das 40. Symposion des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde stattfinden, das sich einem Kernthema der Kirchen- und Papstgeschichte, nämlich dem Spannungsfeld von päpstlicher Zentrale und der Peripherie in partibus widmete, in diesem Fall am Beispiel Niederösterreichs. 14 Beiträge konnten in einem thematischen Jahresband der Zeitschrift „NÖLA. Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv“ veröffentlicht werden (S. 9–341). Der Anhang dieses Bandes (S. 346–413) umfasst Kurzberichte der Niederösterreichischen Archivtage 2022 und 2023, die in dieser Besprechung nicht berücksichtigt werden. Das Tagungsthema behandelt eine bekannte und viel diskutierte Problematik, die Region Niederösterreich ist freilich als Grenzregion des Reichs mit ihrer über Jahrhunderte andauernden kirchenrechtlichen Einbindung ins Bistum Passau und ins Erzbistum Salzburg und ihrer gleichzeitigen Brückenfunktion zum böhmischen und ungarischen Raum besonders interessant. Besonders zu betonen sind der breit gefasste zeitliche Rahmen, der bewusst auch die Frühe Neuzeit bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts einbezieht, und der dezidierte Quellenbezug der Beiträge. Die entsprechende Zielsetzung wird von Roman Zehetmayer in seiner Einleitung (S. 9–11) prägnant präsentiert. An dieser Stelle können nicht alle, ausnahmslos sehr qualitätsreichen Beiträge behandelt werden, im Mittelpunkt soll die Frage der Kombination römischer und örtlicher Quellenbestände stehen, die freilich fast alle Aufsätze durchzieht. Die ersten vier Beiträge widmen sich dem Hochmittelalter (bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts), der Abendvortrag von Jochen Johrendt, „Das Zeitalter des Gehorsams. Das Papsttum und die Kirchen nördlich der Alpen im Hochmittelalter“, S. 12–27, bietet einen umfassenden Überblick über das Spannungsfeld zwischen päpstlicher Zentralgewalt und den lokalen Kirchen unter dem Schlagwort der oboedientia. Die Umsetzung in die Praxis verdeutlicht Rainer Murauer, „Der Einfluss des Papstes auf die Gerichtsbarkeit bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts“, S. 75–92. Er kann in detaillierter Auswertung zahlreicher lokaler Archivalien zeigen, wie das kanonische Recht immer stärker in die päpstliche und lokale kirchliche Gerichtsbarkeit Einzug nimmt. Eine wichtige Kontroll- und Lenkungsfunktion nimmt seit dem Hochmittelalter das Legatenwesen ein, das von Werner Maleczek, „Päpstliche Legaten und Niederösterreich, 12. bis 15. Jahrhundert“, S. 93–125, über einen langen Zeitraum vorgestellt wird. Anhand ausgewählter Biographien päpstlicher Legaten und auf der Basis einer detaillierten Auswertung von Legatenurkunden in partibus werden entscheidende Entwicklungslinien hin zur Verstetigung des Systems in den Nuntiaturen der Frühen Neuzeit deutlich. Allein sechs Aufsätze sind im Spätmittelalter zu verorten. Während Herwig Weigl, „Die Kurie, die Diözese Passau und das Land Österreich im 14. Jahrhundert – mehr vom Gleichen oder auch Neues?“, S. 126–177, in seiner quellenreichen Studie die Gattung der Papsturkunden sowohl in der römischen als auch in der örtlichen Überlieferung vorstellt, widmen sich Philipp T. Wollmann, „Absolviert, dispensiert, privilegiert. Niederösterreichische Bittsteller in den Registern der Apostolischen Pönitentiarie“, S. 178–197, und Ulrich Schwarz, „Regesten aus päpstlichen Registerserien. Anmerkungen zum Repertorium Germanicum online und offline (mit Beispielen aus der Diözese Passau)“, S. 198–221, mit den Archivbeständen der päpstlichen Pönitentiarie und der päpstlichen Kanzlei bzw. der päpstlichen Kammer (Registerserien im Archivio Apostolico Vaticano) der Überlieferung in der Zentrale. Dabei wird in detaillierter Analyse der Betreffe zur Diözese Passau unterstrichen, welche Bedeutung das „Repertorium Poenitentiariae Germanicum“ und das „Repertorium Germanicum“ für die lokalgeschichtliche Forschung haben. Die parallele Bedeutung von Archivbeständen in partibus wird von Maximilian Alexander Trofaier, „Die Äbte des Wiener Schottenklosters als päpstlich bestellte Konservatoren“, S. 273–298, exemplarisch am reichen Bestand des Wiener Schottenklosters dokumentiert. Die abschließenden drei Aufsätze behandeln das 16. und beginnende 17. Jahrhundert. Nach einem profunden Überblick über die Beziehungen zwischen Rom und Niederösterreich im 16. Jahrhundert, die naturgemäß durch die wachsende Bedeutung des habsburgischen Kaiserhofs und die komplexe konfessionelle Lage bestimmt waren (Alexander Koller, „Rom und Niederösterreich im 16. Jahrhundert“, S. 299–316) zeigen Johannes Kritzl, „Die Exkommunikation des Klosterneuburger Propstes Andreas Mosmüller (1622/23) als casus belli von Jurisdiktionsstreitigkeiten im Kräftefeld Apostolischer Nuntius – Passauer Bischof – Passauer Offizialat“, S. 317–333, und Tomáš Černušák, „Die Entstehung der Nuntiatur in Wien 1608. Die zeitweilige päpstliche diplomatische Vertretung für die österreichischen Erblande, Mähren und Ungarn im historischen Kontext“, S. 334–341, exemplarisch zukunftweisende Forschungsansätze auf: die Abstrahierung quellenmäßig gut belegter Einzelereignisse unter übergreifenden strukturellen Fragestellungen und die Behandlung politisch relevanter Institutionen unter besonderer Berücksichtigung lokal- und sozialgeschichtlicher Aspekte. Leider fehlen, bedingt durch die Veröffentlichung als Themenschwerpunkt in einer Zeitschrift, sowohl Personen- und Ortsregister als auch eine übergreifende Bibliographie, die beide den Leser*innen die Konsultation bedeutend erleichtert hätten. Als Gesamturteil kann festgehalten werden, dass die Veröffentlichung in hervorragender Weise die enge Verzahnung von Institutionen-, Politik- und Lokalgeschichte zeigt: Sowohl eine Papstgeschichte ohne Einbeziehung lokaler Entwicklungen und Quellenbestände als auch eine Lokalgeschichte ohne Berücksichtigung der päpstlichen Zentrale bilden die Realität nur unvollständig ab. Dem Veranstalter und den Beiträger*innen ist für ihre erkenntnisreichen und immer quellenreichen Studien zu danken. Allen, die sich für eine quellenbasierte Papstgeschichte interessieren, kann die Lektüre des Bandes unbedingt empfohlen werden. Leider ist die Zeitschrift auch in Bibliotheken des deutschsprachigen Raums nicht flächendeckend zugänglich. Allerdings ist auch der Einzelband (zu einem moderaten Preis) über die Homepage des Niederösterreichischen Landesarchivs problemlos bestellbar.+TABRE+Thomas Hofmann

Cristina Cumbo, La chiesa e il convento di San Giuliano l’Ospitaliero ai Trofei di Mario, Roma (Edizioni Carmelitane) 2024 (Institutum Carmelitanum. Textus et studia historica carmelitana 57), 187 S., Abb., ISBN 978-88-7288-237-5, € 26,50.

Cristina Cumbo, vom Präsidenten des Institutum Carmelitanum, Giovanni Grosso, nicht ganz zu Unrecht als „specialista delle chiese carmelitane romane scomparse“ (S. 7) bezeichnet (2023 konnte ihre Untersuchung zu San Nicola dei Cesarini erscheinen), widmet sich in ihrer neuesten, schmalen Publikation der Kirche San Giuliano l’Ospitaliero ai Trofei di Mario, deren Spuren seit 150 Jahren aus dem römischen Stadtbild getilgt sind. Die topographische Angabe „ai Trofei di Mario“ bezieht sich auf ein noch heute erhaltenes, in die Piazza Vittorio Emanuele II auf dem Esquilin eingefügtes Gebäude, das um 226 n. Chr. gebaut wurde und einst als monumentale Brunnen- und Wasserverteilanlage fungierte. Für die Geschichte des Karmeliterordens ist diese bescheidene Kirche nicht zuletzt deshalb von einiger Bedeutung, weil sich hier wohl um 1260 die ersten Karmeliter in der Stadt Rom ansiedelten. Die Wahl fiel deshalb auf San Giuliano, weil die Karmeliter hier ihr ursprünglich an den Hängen des Berg Karmel gepflegtes, eremitisch geprägtes Büßerleben in der Abgeschiedenheit des Esquilin inmitten von Weingärten und ville suburbane weiterführen konnten. In strikt chronologischem Durchgang beschreibt die Autorin die Geschichte der 1876 im Zuge der Stadterweiterung abgerissenen Kirche und taucht dabei tief in die vorhandene Quellendokumentation ein. Die urbanistischen Aktivitäten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf dem Esquilin führten zu einer Reihe bedauerlicher Kollateralschäden in Form der Beseitigung antiker und mittelalterlicher Bauten, darunter auch San Giuliano. Die Dokumentation der archäologischen Funde (Registro Trovamenti) musste damals unter zeitlichem Druck erfolgen, die Beschreibungen fielen deshalb entsprechend oberflächlich aus: „Le scoperte furono numerose, ma decontestualizzate“ (S. 57). Einiges verschwand auf dem Schwarzmarkt, ging durch mehrere Hände, wurde so „legalisiert“, um dann in vielen Fällen von amerikanischen Museen in gutem Glauben erworben zu werden. Cumbo bringt Klarheit in das chronologische Dunkel, das bisher San Giuliano l’Ospitaliero umgab: Eine dem hl. Julianus Hospitator geweihte Kirche entstand deutlich vor dem 10. Jahrhundert in einem stadtrömischen Gebiet, das, geprägt von opulenten Villen mit großzügigen Gärten, in augusteischer Zeit zu den begehrtesten Wohnlagen gehört hatte. Von 1260 bis 1781 ist eine karmelitische Präsenz nachweisbar. Nach dem Weggang der Karmeliter siedelte sich die Arciconfraternita degli albergatori e vetturali bis 1783 an, die das Grundstück mit den Gebäuden an die Redemptoristen weiterreichte. Nach deren Weggang 1848 folgten bald polnische Basilianerschwestern, die 1874 enteignet wurden. San Giuliano fungierte dann kurze Zeit als Magazin der Städtischen Archäologischen Kommission, bevor es 1876 endgültig dem Erdboden gleichgemacht wurde. Die historische Rekonstruktion musste um große Leerstellen herum erfolgen: die spätmittelalterliche Geschichte von Kirche und Kloster liegt noch immer weitestgehend im Dunkeln. Veduten des 18. Jahrhunderts zeigen eine „chiesa monastica di piccole dimensioni, con annesse poche celle per i Carmelitani che vi abitavano“ (S. 31). Die Informationen, die sich aus der im Generalarchiv des Ordens lagernden, 1512 einsetzenden Überlieferung gewinnen lassen, verweisen auf ein bescheidenes Immobilienportfolio, das zum Unterhalt des Klosters beitrug. In einem „Inventario delle robe del convento di S. Giuliano“ finden sich nicht nur der Inhalt von Schränken mit liturgischem Gerät und Gewandung, sondern auch die Inneneinrichtung einiger Räume, darunter die Zelle des Priors, beschrieben. Viele Informationen verdanken sich Überlieferungszufällen, so etwa über ausgedehnte Erbschaftsstreitigkeiten, in die das Kloster im Ottocento verwickelt war. Eine vollständige Liste all derjenigen Karmeliter, die in San Giuliano von der Gründung bis zur Auflösung lebten, existiert nicht. Cumbo erwähnt – mit einer gewissen Vollständigkeit erst im 18. Jahrhundert – aber all diejenigen Namen, die sich in der defizitären Überlieferung finden lassen (S. 87–92). Ein sechs Stücke umfassender Quellenanhang liefert einschlägige Stücke vornehmlich zur Geschichte des Klosters während der letzten 100 Jahre seines Bestehens. Der Band, dessen Fehlerdichte sich in Grenzen hält (S. 28: duas immagine // duas immagines; S. 28: flexis gemibus // flexis genibus; S. 81, Anm. 46: cuotos // custos; S. 135: tradition // traditione), wird durch einen Index der Namen, Orte und Sachen erschlossen. Der Band steht beispielhaft dafür, wie die Kollaborationen zwischen einem „istituto di ricerca di matrice religiosa, ma ormai con un numero di religiosi a disposizione sempre calante“ (S. 9) und Forschern, die keinem Orden angehören, zum gedeihlichen Nutzen beider zukünftig aussehen könnten. Die Autorin hat ihr Ziel erreicht: „La chiesa e il monastero di San Giuliano hanno finalmente una storia contigua alle spalle, non più frammentaria“ (S. 111) – eine Geschichte, die freilich noch viele Leerstellen aufweist, die zu schließen künftigen Forschungen vorbehalten bleibt.+TABRE+Ralf Lützelschwab

Guido Rossi, Ordinatio ad Casum. Legal Causation in Italy (14th–17th Centuries), Frankfurt a. M. (Klostermann) 2023 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 339), X, 332 S., ISBN 978-3-465-04608-0, € 89.

Der an den Universitäten Edinburgh und Palermo tätige Rechtshistoriker Guido Rossi beschreibt in diesem Buch mit seinem schwer verständlichen Titel das juristische Kernproblem der Kausalität (causation): „A study on the development of the legal understanding of causation“ (S. 10). Genauer gesagt geht es darum, welche Anforderungen man daran stellte, einen Schaden oder einen Verlust (casum) dem Verhalten eines Täters zuzurechnen (ordinatio), um ihn zivilrechtlich haftbar oder strafrechtlich verantwortlich zu machen. Das ist auch im geltenden Recht ein wichtiges Problem, aber Rossi behandelt es rein historisch für die im Titel genannte Epoche und bezieht es überwiegend auf die italienische juristische Praxis, den mos italicus. Seine wichtigsten Quellen sind über 220 gedruckte Bücher aus der Zeit vor 1800 und dazu Manuskripte aus elf verschiedenen europäischen Ländern. Die Auswahl geht zurück auf Mario Ascheris reiche Sammlung in Helmut Coings „Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte“, Band 2, Teil 2, 1976, S. 1130–1157. Aus dieser beeindruckenden Materialfülle destilliert er seine Ergebnisse. Er beschreibt, wie unter dem Einfluss des berühmtesten Juristen des Mittelalters, Bartolus de Saxoferrato (1313–1357), die heute noch jedem Juristen geläufige Conditio-sine-qua-non-Formel überragende Bedeutung erlangte: Man denkt sich die fragliche Tat weg und überlegt, ob der Schaden trotzdem eingetreten wäre. Im Zivilrecht bleibt das bis ins 18. Jahrhundert die herrschende Doktrin, während sie im Strafrecht zu Beginn der Neuzeit von intensiven Diskussionen über den Vorsatz verdrängt wird. So driften die beiden Rechtsgebiete in dieser Frage auseinander und die internen Diskurse der Teildisziplinen verselbständigen sich. Das Buch ist in drei Teile geteilt. Im ersten geht es unter dem Titel „Ordinatio culpae ad casum“ (Zurechnung schuldhaften Verhaltens zum Schadensfall, S. 15–150) vor allem um die besagte klassische Doktrin des Bartolus. Im zweiten folgt unter dem kryptischen Titel „Causal interlude“ (S. 151–216) dasjenige, was Bartolusʼ Erben aus dieser Lehre gemacht haben. Dazu gehört eine differenzierende Qualifizierung der Pflichtverletzungen nach dem Grad des Verschuldens (culpa levissima usw.) und der Entfernung (proximitas) zum Schadenseintritt. Im dritten Kapitel (S. 217–284), das durch lange Quellenzitate auffällt, wird dann die Zurechnung von Straftaten, insbesondere von Tötungsdelikten, thematisiert. Dabei setzt sich, wie schon angedeutet, ab dem 16. Jahrhundert, allmählich die Überzeugung durch, dass als Grund für die Bestrafung die Vorhersehbarkeit nicht ausreicht, dass dafür vielmehr Vorsatz erforderlich ist. Die knappe Zusammenfassung (S. 285–290) führt den hohen Schwierigkeitsgrad des Themas noch einmal eindrucksvoll vor. Diese Fragen um Kausalität, Zurechnung und Vorsatz sind zwar von so zentraler Bedeutung, dass Tausende von Prozessen sich an ihnen entschieden haben müssen. Aber außerhalb der Rechtswissenschaft wird sich trotzdem kaum ein Leser auf diese Subtilitäten einlassen. Das ist bedauerlich, denn das Buch hält eine ganze Anzahl von Ansätzen und Einsichten bereit, die über sein spezielles Thema hinausführen. Zum einen ist die sonst seltene, hier aber wirklich überzeugende Zusammenschau von Zivil- und Strafrecht zu nennen. Weiterhin ist es die konsequente Historisierung unter Verzicht auf die Rückprojektion der modernen Doktrin. Das erfordert viel Sorgfalt, weil die mittelalterliche Terminologie durchaus noch das geltende Recht beherrscht, aber die Inhalte sich geändert haben. Wie groß die Versuchung in dieser Lage ist, einfach das im Jurastudium Gelernte auf den historischen Stoff anzuwenden, sagt der Autor klar (S. 5). Ebenfalls vorbildlich ist die sorgfältige und methodisch gut begründete Quellenauswahl. Es geht Rossi, wie er immer wieder betont, um eine Untersuchung der juristischen Praxis. Sie ermittelt er mit Hilfe der consilia, also der von den Gerichten oder den Parteien in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten, und vom Beginn der Frühen Neuzeit an dann mit der Dezisionenliteratur, also den Urteilsvorschlägen der referierenden Richter innerhalb der Spruchkollegien. Zwar kann man beiden Quellengruppen nicht ablesen, wie die Gerichte dann tatsächlich entschieden haben, aber Rossi betont zu Recht den Quellenwert selbst parteiischer Gutachten, denn deren Wirkung musste von ihrer Überzeugungskraft für die Zeitgenossen abhängen. Mit dem gleichen Argument wird auch nicht direkt an konkreten Fällen orientierte, abstrakte gelehrte Literatur einbezogen. Seine stärkste Wirkung beim Leser erzielt Rossis Buch durch seinen paneuropäischen Zugriff. Das gilt sowohl für den skizzierten gewaltigen Quellencorpus und die besagten Grundsatzfragen, die auch für andere historische Untersuchungen juristischer Doktrin entschieden werden müssen, als auch für den wundervoll britischen tongue-in-cheek-Stil, den der schottisch-italienische Autor vor allem in seiner lesenswerten Einleitung (S. 1–14) gewählt hat. So konzediert er, es gehöre zu den Defiziten mittelalterlicher Juristen, nicht korrekt gegendert zu haben (S. 14), scherzt über Stereotype wie italienische Unpünktlichkeit (S. 13, Anm. 29) und räumt ein, die Juristen seiner Untersuchungszeit könnten die Regeln manchmal zugunsten ihrer Klienten gebogen haben, „much unlike present-day lawyers, who embody the highest moral principles“ (S. 2).+TABRE+Albrecht Cordes

Susanne Kubersky-Piredda/Tobias Daniels (a cura di), Santa Maria dell’Anima. Dinamiche sociali e arte di una comunità straniera a Roma tra ’400 e ’600, Roma (Campisano) 2023 (Roma communis patria 3), 478 S., Abb., ISBN 979-12-80956-02-6, € 80.

Es handelt sich um eine Aufsatzsammlung zur Geschichte der Kirche, die gemeinhin als deutsche Nationalkirche in Rom bekannt ist. Der Band erschien als Publikation der Bibliotheca Hertziana und enthält Arbeiten zur Kunstgeschichte und zu angrenzenden Fachgebieten aus dem ausgehenden Mittelalter und der Frühen Neuzeit. Damit betreffen sie über die Baugeschichte von Kirche und Sakristei hinaus große Veränderungen hinsichtlich von Größe, regionaler Herkunft und Sozialstruktur der die Institution tragenden Bruderschaft und der stets fluktuierenden Kirchengemeinde − Umstände, die abhängig waren von politischen Entwicklungen in Europa und zugleich von der Reformation in vielen Teilen des Heiligen Römischen Reichs. In Detailstudien widmen sich die Untersuchungen dem Kirchenbau, seiner künstlerischen Ausstattung und seinen Grabstätten, der sozialen Struktur der Auftraggeber und den Intentionen von Stiftern und ausführenden Künstlern. Es ergeben sich Hinweise auf die Beziehungen zur päpstlichen Kurie und zu Fürstenhäusern des Reichs, neben Erkenntnissen, die besondere Aspekte wie Heiligenverehrung, Ikonographie oder Pilgerwesen betreffen. Der einführende Beitrag schildert kurz die Frühgeschichte der Anima-Stiftung zur Zeit nach dem Großen Schisma, als in Rom zahlreiche Hospize mit eigenen Kirchenbauten entstanden, und erläutert die Verwendung des Begriffs „national“, der unter den Bedingungen ihrer Entstehungszeit anders verstanden wurde als in späteren Zeiten und darum auch Missverständnisse und Konflikte auslöste. Aus der Fülle der Einzelbeiträge können hier nur einige herausgegriffen werden, die nicht speziell kunsthistorische Fragestellungen betreffen. Zur Interpretation des Kirchenpatroziniums untersucht Susanne Kubersky-Piredda den Bildtypus der „Santa Maria dell’Anima“ hinsichtlich seiner Bedeutung für die Identifikation der natio germanica, die nicht über einen Nationalheiligen verfügte. Die Autorin zieht zwei etwa zur Zeit Sixtus IV. entstandene Holzschnitte heran, die – den in Deutschland verbreiteten Schutzmantelmadonnen verwandt − Maria als Retterin der Seelen aus dem Purgatorium zeigen und damit auf die bald darauf anstößige römische Ablasspraxis hinweisen. Nach dem Konzil von Trient scheint man sich für eine Gestaltung des Hochaltars entschieden zu haben, die diese Thematik vermied. Kombiniert mit dem Doppeladler lebte der überkommene ikonographische Typus jedoch weiter als Emblem auf Dokumenten und liturgischen Geräten. Mit sozialer Entwicklung und innerer Struktur der Anima-Stiftung befassen sich mehrere Beiträge. Tobias Daniels eruiert neue Quellen zur Lebenswelt der zahlreichen in Rom tätigen Notare. Er kann Schlüsse ziehen auf deren regionale und ständische Herkunft und auf ihre und ihrer Klienten Netzwerke. Weiteren Einblick in die soziale Funktion der Anima-Gesellschaft erbringt der Beitrag von Andrea Pagano und Tobias Daniels. Er verwertet das reiche Archivmaterial der Bruderschaft, um aus den an diese − nicht an die Kurie − gerichteten Suppliken zu referieren. Darunter finden sich auch literarisch gestaltete Hilfsgesuche von Studenten, die Bildungsbewusstsein und literarischen Ehrgeiz erkennen lassen. Weitere Forschungen regt Johan Ickx bezüglich der libri confraternitatis an, die persönliche Eintragungen der in Rom lebenden Mitglieder der Bruderschaft, aber auch Namen von Rom-Besuchern und darüber hinaus von Fürsten, die nie in Rom waren, enthalten. Er analysiert den Fall des Humanisten Widmanstetter, der sich 1550 zweimal eingeschrieben hat, und kann so über biographische Einzelheiten hinaus Motive für derartige Eintragungen ermitteln. Moritz Schönleben behandelt die Entwicklung der Verwaltungsstruktur der Anima- Bruderschaft, wo sich neben den Provisoren die Einrichtung einer Kongregation etablierte. Veränderungen ergaben sich insbesondere nach der Mitte des 16. Jahrhunderts, als sich schon große Teile des Reichs von der alten Kirche abgewandt hatten, der Pilgerstrom nach Rom nachgelassen hatte und die Teilnehmerzahlen an den Sitzungen der Gremien stark schwankten. Auswirkungen der Konfessionalisierung im Reich zeigten sich auch darin, dass nun kaum mehr in Rom lebende Laien, sondern überwiegend Kleriker und Kurienangehörige aus niederrheinischen und flämischen Gebieten die leitenden Positionen einnahmen. Zugleich kann der Autor zeigen, dass für die beginnenden gegenreformatorischen Initiativen im Reich Anima-Mitglieder tätig wurden. Als Beitrag zur allgemeinen Geschichte erweist sich die Studie von Michiel Verweij, der drei als Briefe stilisierte römische Druckschriften aus den Monaten untersucht, als der zum Papst gewählte Hadrian VI. noch in Spanien weilte, und zwei ebenfalls gedruckte Breven von dessen Hand aus demselben Zeitraum. Die römischen Texte sind Zeugnisse humanistischer Gelehrtheit, bestimmt von dem Wunsch, dass der Erwählte bald nach Rom komme. Alle bezeugen geringe Kenntnis seiner Persönlichkeit und sind daher abgestellt auf das Thema seiner Fremdheit in Rom. Die beiden Breven Hadrians, gerichtet an die Stadt Rom und an das Kardinalskolleg, haben erkennbar das Ziel, die Gründe für die Verzögerung seiner Anreise zu erläutern und die Adressaten zu beruhigen. Sie weisen damit auf die Sorge vor Unruhen in Rom hin. Das Schreiben an die Stadt liefert zugleich einen Beitrag zur Biographie des als Beauftragter des Papsts in Rom tätigen Kardinals Enckenvoirt. Er wurde der Stifter des Grabmals des Papstes, mit dem sich die Arbeit von Cristina Ruggero befasst. Sie schildert Gestaltung und ursprüngliche Platzierung der Monumente für Hadrian VI., Erbprinz Karl Friedrich von Jülich-Cleve, Kardinal Enckenvoirt und Kardinal Andreas von Österreich im Chorraum der Anima-Kirche und verweist damit auf die angestrebte identitätsstiftende Wirkung dieser Anordnung für die Selbstdarstellung der sich behauptenden Reichskirche. In enger Beziehung zur Entwicklung im Reich steht nach der Untersuchung von Andreas Raub auch die Ausstattung der Annakapelle der Kirche, deren ursprünglicher Altar eine Anna-Selbdritt-Gruppe zeigte, die ähnlich wie die Widmung einer Kapelle an Benno von Meißen und das auffällige Grabmal für den Erbprinzen von Jülich-Cleve ein Zeichen streng gegenreformativer Gesinnung darstellte und auch so verstanden wurde. Als Beitrag zur Reichsgeschichte ist schließlich der Beitrag von Cecilia Mazzetti di Pietralata zu nennen, der sich mit den „deutschen“ Kardinälen der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts befasst. Er widmet sich der Frage, ob diese in ihren Diözesen den zur Zeit des Frühbarocks so lebhaften Kultureinfluss Roms bestärkten. Ein Beispiel dafür wäre in der Rolle Kardinal Dietrichsteins für Ausbreitung und Beliebtheit der Loreto-Kapellen zu sehen. Als allgemeines Ergebnis ist daneben zu konstatieren, dass in Rom die künstlerischen Interessen der Kardinäle deutlich mehr ihren Titelkirchen als der Anima-Kirche galten. Allgemein ist bei der großen Diversität der Einzelstudien als verdienstvoll festzuhalten, dass der gut bebilderte, mit Registern versehene Sammelband überzeugende Einblicke in viele Aspekte des heutigen Stands der Archivforschungen und Darstellungen zur Geschichte der Anima vermittelt und damit auch Anregungen zur Bearbeitung noch bestehender Forschungslücken liefert.+TABRE+Rotraud Becker

Luigi Renzo, Basiliani, Cistercensi e Florensi in Calabria nelle visite apostoliche dei secoli XV–XVII, Cosenza (Luigi Pellegrini Editore) 2024, 250 S., ISBN 979-12-205-0275-7, € 18.

Der Verfasser, über 30 Jahre lang Priester in Rossano und in der Kirchenverwaltung dieses Erzbistums mit zahlreichen Aufgaben betraut, fungierte von 2007 bis 2021 als Bischof von Mileto-Nicotera-Tropea. Er ist folglich sowohl mit der Praxis der Visitation als auch mit dem behandelten geographischen Raum bestens vertraut. In der vorliegenden, umfangreichen Studie präsentiert er vier Visitationen kalabresischer Klöster im Zeitraum von 1457/1458 bis 1630. In einem Vorwort (S. 5–13) liefert Pietro Dalena, selbst ausgewiesener Experte im Bereich der mittelalterlichen Sozial- und Klostergeschichte Kalabriens, eine prägnante Synthese der Geschichte des griechischen Mönchtums in Kalabrien in normannischer und nachnormannischer Zeit. Die griechischen Klöster Süditaliens mit ihrer ausgeprägten „connotazione rurale“ (S. 8) erlebten seit dem 13. Jahrhundert eine fortschreitende Phase des Niedergangs, die neben zahlreichen anderen Faktoren entscheidend durch die Strukturkrise des monachesimo rurale bedingt war. Die hier vorgestellten Visitationen – als Momentaufnahmen eine wichtige, aber durchaus auch problematische Quellengattung – sind Versuche, dieser Strukturkrise zu begegnen: 1457/1458 mit der Visitation von Athanasios Chalkeopoulos, Abt von S. Maria del Patire, im Kontext der Klosterpolitik von Kardinal Bessarion, bei den Visitationen von 1551 (Marcello Terracina, Abt von S. Pietro Spina di Ciano), von 1598/1599 (Cornelio Pelusio Parisio, Präses der zisterziensischen congregazione di Calabria e Basilicata) und von 1630 (Fausto Caffarelli, Erzbischof von Santa Severina) im Geist der kirchlichen Neuordnung auf dem Konzil von Trient. Nach einer kurzen Vorbemerkung des Autors (S. 15–20) folgt in vier Kapiteln die Darstellung der jeweiligen Visitation (Visitation von Athanasios Chalkeopoulos 1457/1458: S. 21–115; Visitation von Marcello Terracina 1551: S. 117–138; Visitation von Cornelio Pelusio Parisio 1598/1599: S. 139–197; Visitation von Fausto Caffarelli 1630: S. 199–237). Die einzelnen Kapitel sind identisch aufgebaut: Der Biographie des jeweiligen Visitators und der Schilderung des unmittelbaren Kontexts der Visitation folgt die Nacherzählung der Visitationsberichte gemäß dem Ablauf der Visitation, geordnet nach den einzelnen Klöstern. Die Einzeleinträge werden jeweils durch eine kurze Klostergeschichte eingeleitet. Unter strikter Beschränkung auf die Region Kalabrien werden alle Einträge zu Klöstern in der Basilicata und in Kampanien weggelassen. Ein gemischter „Indice onomastico e toponomastico“ (S. 239–243) und eine Bibliographie (S. 245–248) beschließen die Studie. Die zugrundeliegenden Quellen sind den Forscher*innen, die sich mit dieser Materie beschäftigen, teilweise bekannt und mehr oder weniger einfach zugänglich. Dies gilt besonders für die Visitationsberichte von 1457/1458 und 1551, die in der Reihe „Studi e Testi“ der Biblioteca Apostolica Vaticana veröffentlicht wurden: Marie Hyacinthe Laurent/André Guillou (a cura di), Le Liber Visitationis d’Athanase Chalkeopoulos (1457–58). Contribution à l’histoire du monachisme grec en Italie méridionale, Città del Vaticano 1960 (Studi e testi 206); etwas schwieriger zu finden ist der Bericht von 1598/1599, ediert in Pietro De Leo, Certosini e Cistercensi nel Regno di Sicilia, Soveria Manelli 1993, S. 190–212. Der Visitationsbericht von Fausto Caffarelli aus dem Jahr 1630 hingegen ist ohne die hilfreiche Angabe des Verfassers wohl kaum auffindbar. Die Edition von Andrea Pesavento ist unter dem Titel „Una Visita inedita ai monasteri cisterciensi di Calabria e Lucania (1630)“ online zugänglich (URL https://www.archiviostoricocrotone.it/documenti/una-visita-inedita-ai-monasteri-cisterciensi-di-calabria-e-lucania/; 21.5.2025). Damit präsentiert die vorliegende Studie keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse auf der Basis bisher unedierter Quellen, eine analytische Zusammenfassung und eine Einordnung in den jeweiligen Kontext fehlen weitgehend. Allerdings wird das primäre Ziel einer „agevole lettura a un pubblico eterogeneo“ mit Interesse für die eigene Lokalgeschichte sicher sehr gut erreicht. Für Historiker*innen, die zur Klostergeschichte Kalabriens arbeiten, bietet die Veröffentlichung den Vorteil, sich über einzelne Klöster und deren Situation in Momentaufnahmen über einen Zeitraum von annähernd 200 Jahren schnell informieren zu können. Eine Einbeziehung der visitierten Klöster in der Basilicata (und im Cilento) und ein kurzer Hinweis auf die Visitationen im Archimandritat von S. Salvatore di Messina im 14. Jahrhundert (vgl. Raffaele Cantarella, Codex Messanensis Graecus 105, Messina 1937) – auch wenn es sich dabei nicht um „apostolische“, sondern um „reguläre“ Visitationen im Kontext des Visitationsrechts des Archimandriten handelte – wären freilich nützlich gewesen. In der Bibliographie fehlen einschlägige Werke zur Geschichte der griechischen Klöster in nachnormannischer Zeit, zur „Griechenpolitik“ Bessarions oder zur Kirchenpolitik im Regno in der Frühen Neuzeit, dafür ist das Literaturverzeichnis eine echte Fundgrube für ansonsten kaum nachgewiesene Lokalliteratur. Entsprechend ist das Gesamturteil aus wissenschaftlicher Sicht ambivalent.+TABRE+Thomas Hofmann

Giacomo Bonan/Katia Occhi (Eds.), Environment and Infrastructure. Challenges, Knowledge and Innovation from the Early Modern Period to the Present, Berlin-Boston (De Gruyter) 2023 (Early Modern and Contemporary European History 6), 220 pp., ill., ISBN 978-3-11-110064-7, € 99,95.

Il volume presenta i risultati della 62a settimana di studi intitolata „Environment and Infrastructures from the Early Modern Period to the Present“, organizzata nel 2021 dall’Istituto Storico Italo-Germanico a Trento. Nell’introduzione, i curatori dell’opera ribadiscono l’importanza di considerare le infrastrutture all’interno della storia ambientale, interpretandole come sistemi socio-ecologici ibridi: per dirla con Sara Pritchard, esse sarebbero „historically and culturally specific configurations of intertwined ecological and technological systems“ (p. 2). L’introduzione propone una discussione critica approfondita dello stato della ricerca attuale, prendendo in esame sia gli aspetti legati alle infrastrutture in città e al concetto di „networked city“, sia le questioni di storia dell’energia e dei sistemi energetici, nonché lo studio della gestione dei corsi d’acqua e delle risorse idriche. Il volume è organizzato in cinque parti: un „Overview“, una conclusione, e tre grandi sezioni intitolate „Urban Metabolism and the Transformation of Hinterlands“, „The Multiple Scales of Enviro-Technical Systems“ e „Hybrid Landscape. Infrastructures of Water Control“. Il primo contributo propone una visione d’insieme sul dibattito sull’antropocene, permettendo di contestualizzare in modo critico e provocatorio le grandi questioni che riguardano i dibattiti all’interno delle diverse discipline scientifiche riguardo alla sua definizione, sia come concetto geologico sia culturale. In questo modo, si permette anche una messa in contesto del tema del volume. Tra le numerose riflessioni proposte, particolarmente stimolante è la critica alla contrapposizione tra natura e cultura e l’aspetto „circolare“ dell’azione umana sui processi planetari che, a loro volta, hanno ripercussioni a livello ecologico e sociale. La prima sezione dell’opera presenta tre contributi che mettono in luce il rapporto tra infrastrutture, trasformazione delle città e impatto sull’hinterland. Le infrastrutture sono lette come sistemi dinamici, complessi e in continua evoluzione. Gli studi di caso analizzati riguardano la commercializzazione di legna e cereali e le infrastrutture idriche nella regione alpina orientale (tra Salisburgo, Linz e Vienna), il trasporto di legna in Friuli e la trasformazione della principale compagnia sovietica di estrazione di uranio nella Germania orientale in un’azienda che si occupa di riconversione e risanamento delle aree coinvolte, nonché di cura dell’eredità culturale legata alle miniere. La seconda sezione accoglie tre articoli che analizzano i diversi livelli dell’impatto delle infrastrutture dal punto di vista ambientale, sociale e tecnico. Le riflessioni si concentrano sull’analisi di progetti di infrastrutture idrauliche fallimentari, in quanto non basati su una corretta conoscenza dei flussi idrici, sulla questione della partecipazione pubblica nei processi decisionali legati a grandi progetti infrastrutturali (un elemento già presente nelle enquêtes publiques francesi settecentesche) e sulla gestione dello smaltimento dei rifiuti, considerando lo sviluppo di infrastrutture all’interno di collaborazioni tra partner diseguali (nel caso specifico, l’Honduras e gli Stati Uniti). La terza e ultima sezione affronta il tema delle infrastrutture idriche progettate per incanalare, immagazzinare o trattenere le acque. I temi trattati sono molteplici: le infrastrutture nella Pianura del Po, i diversi contesti socio-ecologici e la questione della manutenzione, nonché dei conflitti ad essa correlati; la costruzione di dighe e la protezione dalle acque nelle regioni costiere belghe e olandesi, una riflessione d’attualità che tocca il tema delle tecnologie necessarie per affrontare il cambiamento climatico. La sezione si chiude con un contributo sulla gestione delle acque nel Regno di Napoli nel XIX secolo, che mette in evidenza le disparità in questi processi tra città e zone rurali e le capacità delle popolazioni rurali di ovviare alla mancanza di interesse politico cittadino. Partendo dai risultati dei contributi contenuti nel volume, che riguardano sia l’epoca moderna che l’epoca contemporanea e che evidenziano la centralità degli aspetti sociali, ambientali e tecnologici legati allo studio delle infrastrutture, il capitolo conclusivo propone alcune nuove prospettive di ricerca, ad esempio aprendo alla storia del lavoro, alla storia militare, alle questioni di genere e alla storia del clima. In conclusione, il volume è una lettura di grande interesse perché permette di fare il punto su un ambito di studio ormai centrale per la storia ambientale, proponendo una serie di contributi stimolanti dal punto di vista metodologico e dei contenuti affrontati dagli studi di caso proposti.+TABRE+Simona Boscani Leoni

Marina Formica/Donatella Strangio, Resilience in Papal Rome, 1656–1870. A City’s Response to Crisis, London (Palgrave Macmillan) 2023, IX, 327 S., ISBN 978-3-031-41259-2, € 135.

Der fast vergessene Begriff Resilienz kam im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu neuen Ehren, und so bot es sich an, ihn auf die Vergangenheit zu übertragen. Im vorliegenden Fall lautet die Frage konkret: Wie krisenfest, widerstandsfähig und – als Folge schwerer Zeitläufe – innovationsbereit ist das päpstliche Rom zwischen der Mitte des 17. Jahrhunderts und dem 20. September 1870, an dem es zur Hauptstadt des Königreichs Italien umfunktioniert wird? Unter diesen leitenden Aspekten gliedern die beiden Verfasserinnen ihren Stoff in sechs Szenarien: politische Umbrüche, Epidemien, Umweltprobleme, Versorgungsengpässe, Finanzkrisen und Herausforderungen in Sachen „Identitätsfindung“. Die in diesen Kapiteln abgedeckten Zeiträume fallen sehr unterschiedlich aus, ohne dass die Gründe dafür einleuchten. So fokussiert das erste Kapitel auf die beiden revolutionären Einschnitte von 1798/1799 und 1848/1849, ohne diese solide mit der Vorgeschichte zu verklammern; gerade die erste Republik von Frankreichs Gnaden aber wird als Reaktion auf die Reformstaus des 18. Jahrhunderts und dementsprechend als Eldorado zuvor lange blockierter Sekundäreliten erst eigentlich verständlich. Schon hier tritt die weltanschauliche Prägung der Studien – Leitmotiv italienischer Historiographie zum Kirchenstaat seit dem Risorgimento – deutlich genug hervor. So wird die Partizipation breiterer Volksschichten an den beiden System-Umstürzen in apologetischen Tönen hervorgehoben – durchaus im Gegensatz zu den ideologisch unverdächtigeren und daher belastbareren Quellen der Zeit – und das Erbe dieser Umbruchjahre für die Italienische Republik von 1946 bewusst in Anspruch genommen. Insgesamt liegt der Fokus der Untersuchungen auf der Zeit zwischen 1750 und 1870. Rückgriffe auf ältere Zeiten sind nicht immer präzise. So wird der 1494 zwischen Spanien und Portugal geschlossene „Weltaufteilungspakt“ von Tordesillas angeblich 1506 vom bereits 1503 verstorbenen Alexander VI., also dem Papst unterschrieben, der durch seinen einseitigen Schiedsspruch zugunsten der katholischen Könige im Jahr zuvor den neuen Vertrag überhaupt erst nötig gemacht hatte (S. 275 f.), und Giordano Bruno das Weltbild eines Spinoza zugeschrieben. Unbefriedigend fällt vor allem Kapitel vier zu den Versorgungskrisen aus, das auf der Basis überwiegend veralteten Datenmaterials ganz auf das Settecento ausgerichtet ist, so die nach dem Pontifikat Alexanders VII. (1655–1667) einsetzenden Innovationen des annonarischen Systems nicht miteinbezieht und damit die im europäischen Maßstab exzeptionelle Brotpreis-Garantie für die römische Unterschicht bis 1798 aus dem Blickfeld rückt. Darüber hinaus hätte die Sanierung der Finanzen unter Innozenz XI. eine breitere Kontextualisierung verdient, gewinnt unter dem Odescalchi-Pontifikat doch eine neue und zugleich alte Idee, die einer „Zweiten Reform“ (nach der von Trient), Konturen – das vielleicht eindrucksvollste Bespiel für „Resilienz“ im päpstlichen Rom der Neuzeit überhaupt. Insgesamt fällt das Fazit der Autorinnen zur eingangs gestellten Frage überraschend positiv aus: Das päpstliche Rom vor dem durch die Französischen Revolutionen markierten Umbruch wird durchgehend auf der Höhe der Zeit und damit mindestens auf Augenhöhe mit den protestantischen Staaten und Kulturentwicklungen gezeichnet. Diese „Modernsprechung“ der Ewigen Stadt gipfelt im siebten, der Identitätsfindung gewidmeten Kapitel mit der Kennzeichnung Roms als eine Art Kulturhauptstadt Europas im 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Aufklärung. Das ist, vorsichtig ausgedrückt, eine sehr einseitige Wiedergabe der europäischen Wahrnehmung. Es genügt, das Beispiel eines Edward Gibbon anzuführen, der durch den ungeheuren Kontrast zwischen der Rückständigkeit Roms 1764 und der Weltgeltung des Imperiums im 2. Jahrhundert n. Chr. zu seinen Reflexionen über dessen Nieder- und Untergang angeregt wird, von der gängigen Darstellung Roms als Freilichtmuseum einer anderswo längst untergegangenen mehr oder weniger barbarischen Frühzeit bei den französischen Aufklärern ganz zu schweigen. Allerdings soll diese Kritik die Vorzüge der vorliegenden Gemeinschafts-Studie nicht unangemessen verdunkeln. Ihr herausragender Wert liegt darin, dass hier – von Ausnahmen wie Kapitel vier abgesehen – eine sehr umfangreiche und aussagekräftige, mit knappem Resümee zu Inhalt und Thesen versehene Bibliografie der neueren englisch-, italienisch- und partiell auch französischsprachigen Forschung zu Rom in den behandelten Zeiträumen geliefert und damit ein Fixpunkt zur Orientierung für weitere Forschung markiert wird.+TABRE+Volker Reinhardt

Mittelalter

Hubertus Seibert, Geschichte Europas im Mittelalter. Aufbruch in die Vielfalt, Paderborn (Brill Schöningh) 2024, 616 pp., ill., ISBN 978-3-8252-5114-7, € 49,99.

Hubertus Seibert presenta un lavoro imponente, con il quale si propone di affrontare la storia dell’Europa, o meglio, dell’Eurasia, lungo l’età medievale. Scopo del volume è introdurre un lettore/una lettrice alla complessità delle vicende della storia medievale. Il testo, dunque, a un primo superficiale sguardo, potrebbe essere identificato come un semplice manuale introduttivo allo studio della storia medievale, tuttavia, in realtà, pur rimanendo l’aspetto manualistico segnalato sin dall’inizio del testo, Seibert propone una sintesi ragionata sulla storia medievale ponendosi in un continuo e fruttuoso confronto con i risultati più importanti della storiografia europea. La base di questo confronto è dimostrata anche dalle oltre duecento pagine di bibliografia, accessibili online (https://www.utb.de/doi/10.36198/9783838551142) e dal corposo indice dei nomi. Il libro si articola in 16 capitoli, che affrontano diverse tematiche relative alla storia politica, ambientale, religiosa, culturale del Medioevo con uno sguardo trasversale e diacronico: i temi trattati sono analizzati e interpretati in maniera sintetica attraverso le tre principali chiavi di lettura proposte: Europa – premodernità – pluralità (p. 13). L’aspetto della pluralità emerge con chiarezza anche su argomenti già spesso frequentati dalla storiografia internazionale, relativa alle strutture e istituzioni del potere: in questo caso, la storia dell’Impero e della Chiesa latina sono inserite a ragione in un contesto più ampio relativo agli ordini di idee e modelli („Ordnungvorstellung und Ordnungsmodelle“) dell’età medievale di cui la Chiesa e l’Impero rappresentarono senz’altro l’espressione compiuta (capitolo 4). Parimenti rilevante è la scelta di trattare al capitolo 5 le strutture politiche derivanti da tali strutture ideali in modalità comparativa, con uno sguardo geograficamente ampio, che prende in esame anche i territori e le realtà politiche della Russia, Bulgaria, Serbia, del mondo islamico, oltre ovviamente alla penisola iberica, all’attuale Francia e alla penisola italica. Come nel capitolo 5 si indagano le strutture politiche, il tema religioso viene ripreso non più a livello di ideali quanto di strutture ecclesiastiche, nella più classica delle ripartizioni del medioevo latino occidentale, nel capitolo 10, nel quale si riprende la storia del papato e delle istituzioni curiali, così come i mutamenti più importanti delle forme di vita religiosa. Anche le suggestioni attuali provenienti dalla storia ambientale trovano spazio nel volume di Seibert nel capitolo 3, nel quale si tematizza il rapporto dell’uomo medievale con la natura e l’ambiente, intesi ovviamente in senso ampio. Si affrontano in queste pagine l’emergere di cambiamenti climatici, così come di catastrofi naturali, e infine, le conseguenze sull’uomo di tali mutamenti – con la diffusione di infezioni di carattere epidemico. La ricezione degli spunti storiografici più attuali si ritrova anche nel capitolo 14, nel quale Hubertus Seibert pur offrendo uno sguardo di insieme di impronta manualistica, riprende gli impulsi relativi alle tematiche della comunicazione, della mobilità e dei movimenti migratori, già propri dell’età medievale. I capitoli 11–16 sono fondamentalmente accumunati da una forte impronta di storia culturale. Vengono qui infatti offerti sguardi di insieme sia relativi all’emergere del sistema delle scuole (dai capitoli cattedrali e le scuole monastiche fino alla nascita delle università, capitolo 12), sia relativi al tema del lavoro e dell’economia, nonché infine delle innovazioni della tecnica. L’ultimo capitolo del volume mette bene a fuoco alcuni aspetti di storia culturale, proponendo una – a livello manualistico del tutto inusuale – sintesi di storia dell’architettura, della scultura e della musica. Anche in questo caso emerge la pluralità che costituì l’Europa medievale grazie alla considerazione e trattazione non solo di esperienze ed espressioni provenienti dall’Occidente latino-cristiano, ma anche dal mondo ebreo ed islamico. Nonostante dunque l’approccio dichiaratamente manualistico, Seibert propone con il suo lavoro uno sguardo d’insieme sull’età medievale realmente ampio e sfaccettato, non solo per le aree geografiche prese in esame relative non solo al mediterraneo o al mondo nord-sud-alpino, quanto anche per le tematiche innovative riprese e trattate nel volume, quali la storia culturale e ambientale dell’Europa medievale.+TABRE+Caterina Cappuccio

Mario Prignano, Antipapi. Una storia della Chiesa, Bari-Roma (Edizioni Laterza) 2024 (i Robinson / Letture), X, 228 S., ISBN 978-88-581-5517-2, € 19.

Eine „neue“ Kirchengeschichte des Mittelalters als Geschichte der Gegenpäpste – Mario Prignano, Politikwissenschaftler und Journalist, z. Zt. Chefredakteur von Tg1 bietet einen neuen und sehr vielversprechenden Ansatz zur kirchenhistorischen Forschung des Mittelalters. Nachdem er sich bereits in früheren Veröffentlichungen mit Handlungsträgern des „Großen Abendländischen Schismas“ beschäftigt hat („Urbano VI. Il papa che non doveva essere“, 2010; „Giovanni XXIII. L’antipapa che salvò la Chiesa“, 2019), legt er nun in der weit verbreiteten und preiswerten Reihe „i Robinson / Letture“ der Edizioni Laterza eine Überblicksdarstellung vor, die von der Spätantike bis zum Ende des Mittelalters reicht. Die Frage, wer als (rechtmäßiger) Papst und wer als Gegenpapst zu definieren ist, ist zugleich einfach und schwer zu beantworten: Einfach, weil die Einordnung formal durch die offizielle Papstliste im „Annuario pontificio“ vorgegeben ist, schwer, weil das übliche Kriterium der Funktionsausübung „senza fondamento canonico“ im Einzelfall von der historischen Forschung nicht abschließend belegt werden kann. In der Regel ergab sich die Einstufung als Gegenpapst ex post, gleichsam als Folge eines ius victoris. Der Verfasser will über die rein biographische Darstellung hinaus die Bedeutung dieser Protagonisten für die Kirchengeschichte und für die Identitätsbildung der Kirche aufzeigen. Interessanterweise endete das Phänomen des Gegenpapstes im 15. Jahrhundert, „per ragioni ancora da indagare“, wie der Autor zurecht anmerkt (S. X). Die annährend 1500 Jahre Papstgeschichte, die in vorliegendem Band behandelt werden, sind in acht Kapitel unterteilt, die chronologisch fortschreitend die jeweiligen kirchengeschichtlichen Perioden mit ihren unterschiedlichen Rahmenbedingungen für das Papsttum und für die Möglichkeit von Gegenpäpsten in den Blick nehmen. Abgesehen von der Frühphase bis ins beginnende 4. Jahrhundert, in der, soweit wir es auf der Basis der dürftigen Quellenlage beurteilen können, dogmatische Fragen und Probleme der Selbstfindung der neuen christlichen Religion im Vordergrund standen („Eretici e santi“, S. 3–16), hingen Päpste und Gegenpäpste in hohem Maß von den aktuellen politischen Kräfteverhältnissen ab. Dies gilt für das Frühmittelalter in der Konfrontation mit dem oströmisch-byzantinischen Kaiser, aber auch mit Langobarden und Franken („Il trono di Pietro e quello di Cesare“, S. 17–42, und „Prima dell’anno Mille“, S. 43–72), in der Folgezeit dann mit dem „römischen“ Kaiser („Il tempo delle riforme“, S. 73–107, und „Perché il XII è il secolo degli antipapi [e il XIII no]“, S. 108–140) und im Spätmittelalter mit dem „französischen“ Königtum („Tra Roma e Avignone“, S. 141–164). Dabei traten aber auch in diesen Phasen lokale Interessen, z. B. während des sogenannten „römischen Adelspapsttums“, und interne Parteibildungen, aber auch Lehrfragen, z. B. im Reformpapsttum des 11. und 12. Jahrhunderts oder im „Armutsstreit“ des 14. Jahrhunderts, hinzu. Parallel schufen der wachsende Universalitätsanspruch des „Bischofs von Rom“, die Ausbildung des kanonischen Rechts und sukzessive verfeinerte Papstwahlordnungen Instrumentarien, um die kanonische Amtsnachfolge zu regeln und die Gefahr von Gegenpäpsten zu verringern. Dies war im Hinblick auf die Papstgeschichte seit der Frühen Neuzeit langfristig ein Erfolg, das „Große Abendländische Schisma“ machte aber deutlich, dass die Konsolidierung mittelfristig kein Selbstläufer war („La tempesta“, S. 165–201). In den 40 Jahren zwischen 1378 und 1418 fällt es der historischen Forschung (im Gegensatz zur kircheninternen Historiographie, die ausschließlich die sogenannte „Römische Obödienz“ als legitim definiert) besonders schwer, zwischen rechtmäßigen Päpsten und Gegenpäpsten zu unterscheiden: Die Konkurrenten berufen sich auf ihre kanonische Wahl, durch das Kardinalskolleg oder durch ein Konzil, und sorgen durch den Aufbau eigener administrativer Strukturen für eine kanonische Amtsnachfolge. Wie komplex die Situation war, wird auch in der Lösung des Schismas deutlich: Nur durch die Absetzung aller drei parallel amtierenden Päpste durch das Konzil von Konstanz und die Neuwahl Martins V. gleichsam zum „vierten Papst“ konnte ein Neuanfang gelingen. Nach dem letzten Gegenpapst Felix V., interessanterweise von Teilen des Konzils von Basel gewählt, endete 1449 dieses Phänomen der Kirchengeschichte. Mögliche Gründe dafür werden vom Verfasser auf S. 215–219 abschließend kurz angedeutet. Eine Vertiefung erscheint angebracht. Der Verfasser bietet auf gut 200 Seiten eine Papstgeschichte für einen Zeitraum von 1500 Jahren. Im Detail können keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse erwartet werden. Die narrativen und journalistischen Fähigkeiten führten allerdings zu einer gut lesbaren, ja fast kurzweiligen Studie, die sich sicher eher an einen breiteren, historisch interessierten Leserkreis wendet, nicht von ungefähr wurde das Thema im Januar 2025 als „podcast in 5 puntate“ auch in anderer Medienform verbreitet. Dass eine gute Vertrautheit des Verfassers mit der Forschungslage vorliegt, wird durch die zahlreichen Fußnoten einschlägiger wissenschaftlicher Literatur deutlich. Ein umfangreicher „Indice dei nomi“ (S. 221–229), der sowohl historische Persönlichkeiten als auch Autor*innen der Forschungsliteratur umfasst, rundet das Werk ab. Leider fehlt – wohl den Vorgaben der Serie geschuldet – ein Literaturverzeichnis, das einer wissenschaftlichen Nutzung sehr zuträglich gewesen wäre. Allen, die sich schnell, kurzweilig und auf guter Forschungsbasis mit der mittelalterlichen Papst- und Kirchengeschichte beschäftigen wollen, kann dieser Band unbedingt empfohlen werden.+TABRE+Thomas Hofmann

Christopher Kast/Claudia Märtl (Hg.), Papstreisen im Mittelalter. Organisation – Zeremoniell – Rezeption, Freiburg i. Br. (Herder) 2024 (Römische Quartalschrift. Supplementband 71), 420 S., Abb., ISBN 978-3-451-39570-3, € 58.

Die beiden Herausgeber, Christopher Kast und Claudia Märtl, haben sich bereits einen Namen bei der Erforschung von Mobilität und Alltagskultur des Papsthofs gemacht. Nun vereinen sie als Frucht einer Tagung, die 2022 von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Ludwig-Maximilians-Universität München im Römischen Institut der Görres-Gesellschaft am Campo Santo Teutonico veranstaltet wurde, 16 Beiträge zu Papstreisen im Mittelalter. Die Motive für das Verlassen Roms waren vielfältig. Sieht man von den hinlänglich bekannten politischen und pastoralen Gründen (Flucht aufgrund innerrömischer Widerstände, Herrschertreffen, Besuch von Synoden und Konzilien) ab, dienten die Ortswechsel – zumal zum Ende des Mittelalters hin – Visitationsreisen und dem Ausbau des Kirchenstaats, wobei ein beträchtlicher Apparat an mitreisenden Schreibern und Kurialen die Weiterführung der Amtsgeschäfte gewährleistete (Stefania Zucchini, Jörg Voigt). Dabei muss man nicht nur an die von örtlichen Chronisten aufmerksam protokollierten Ausgriffe nach Süditalien im Hochmittelalter (Markus Krumm) und an die militärischen Aktionen eines Julius II. (Maria Krumm) denken, sondern es konnte auch friedfertiger vonstattengehen. Dabei glich eine solche Reise zumal im Hochmittelalter manchmal eher einem Aufenthalt an einer „zweiten Papstresidenz“ (Jochen Johrendt, S. 33, 36, 40, u. a. mit Blick auf Stephans IX. besonderes Verhältnis zur Abtei von Montecassino). Pastorale und politische Anliegen vermischten sich in der unermüdlichen Reisetätigkeit des Reformpapstes Leos IX. (1049–1054) (Francesco Massetti). Im Falle der Frankreichreise Urbans II. 1095/1096 wurde die Zuspitzung auf die Kreuzzugsthematik erst nachträglich konstruiert (Georg Strack, S. 24 f.). Eugen III. reiste dagegen mit dem erklärten Ziel nach Frankreich, um nach dem Fall Edessas 1144 einen neuen Kreuzzug auszurufen (Pascal Montaubin). Eine besondere Betrachtung verdient die Mobilität der Avignoneser Päpste im 14. Jahrhundert (Patrick N. R. Zutshi, Ralf Lützelschwab). Die päpstlichen Besitzungen um Avignon lagen in der Grafschaft Venaissin, auf dem Gebiet des Reiches und Frankreichs. Eine – auch griffig auf die bekannte Formel Ubi papa, ibi Roma gebrachte – Vergegenwärtigung Roms (imitatio Romae) war stets ein Anliegen (S. 111 in Gaeta, S. 144 f. in St. Denis) und wurde vor allem bei Festkrönungen unterstrichen, wollte man die petrinische Tradition doch stets in Szene setzen. „Rom“ reist also immer mit und man beachtete für viele feierliche päpstliche Amtshandlungen (Exkommunikationen, Verleihung der goldenen Rose etc.) den rituellen Terminkalender, auch wenn man sich der jeweiligen Sakraltopographie anpasste (S. 22, 143 f., 206–208, 325 f.). Ein von Weihrauch, Düften (S. 103–105) und Musik (S. 264 Anm. 44; S. 273) begleiteter Papstadventus war stets ein Fest für alle Sinne und ein performatives Ereignis, auf das sich die hospitierenden Städte möglichst akribisch vorbereiteten. Während die örtliche Prominenz und Wimpel schwänkende Kinder (S. 259, 262) schon eher in den Quellen erscheinen, begegnen die Frauen meist nur als Zuschauerinnen (S. 104). Weit brisanter war, wer für die Finanzierung aufkam. Hierbei gab es verschiedene Lösungsansätze. So verlangte man zunächst von den Ortskirchen die procuratio canonica (S. 37, 131). Die vom Papst gerittenen Schimmel und der von den Gastgebern (vor-)zufinanzierende Baldachin schlugen ebenfalls zu Buche (die letztere Gepflogenheit untersucht Ursula Gießmann mit Blick auf den Adventus des Konzilspapstes Felixʼ V. in Basel 1440). Die anschließende rituelle Spoliierung kann man als „Art Gabentausch“ deuten (S. 259, 338). Die Päpste führten auf den Stationen ihrer Reise immer wieder symbolträchtige Handlungen wie Altarweihen und Heiligsprechungen durch. Was konnte also von einer Papstreise überdauern? Durch Heiligsprechungsakte sowie Reliquienerhebungen und -translationen wurden jedenfalls einige Heiligenkulte forciert (S. 24, 142). Reformanstöße und Appelle zu Kreuzzügen verhallten dagegen schneller. In der Avignoneser Zeit kann man sogar etwas zu den Bestattungszügen außerhalb der Kapitale sagen; so wurde Klemens V. in der kleinen Ortschaft Uzeste, nahe dem Geburtsort Villandraut, bestattet; Klemens VI. dagegen in La Chaise-Dieu (S. 226–232). Der Band bietet zahlreiche Hinweise zur Unterbringung und Verpflegung rund um die Reisen. Die Päpste konnten sich im Sattel reitend, getragen in einer (Pferde-)Sänfte oder mit Wagen und Schiff (Tobias Daniels) fortbewegen. Vor Ort versuchte man die Unterbringung des Papstes und seines Gefolges so komfortabel wie möglich zu gestalten, was nicht immer gelang. Dann war das Klagen natürlich groß. Hier geraten auch die oft betagten und gebrechlichen Kardinäle in den Fokus, für die das Reisen eine Strapaze war. Dabei sind bei ihnen auch die Konklaven in den Blick zu nehmen, die im 13. Jahrhundert oft außerhalb Roms stattfanden (Marco Ciocchetti). Aber auch das Rekreative kam nicht zu kurz. Ab Innozenz III. zog man regelmäßig in die Sommerfrische in höher gelegene Orte (Agostino Paravicini Bagliani). Neben den schon erwähnten performativen, sonoren und olfaktorischen Komponenten sind auch die visuellen Akzente bei einem Papstbesuch nicht zu unterschätzen; bei einem Adventus kamen dabei nicht nur Banner in den Kirchenfarben Weiß, Rot und Gelb zum Einsatz, sondern auch immer mehr die persönlichen Wappen des jeweiligen Papstes (S. 261 f., 267 f., 272, 300, 320). So manche Inschrift kündigt auch – wie heute noch gerne – vom hohen Besuch (Claudia Märtl).+TABRE+Andreas Rehberg

Johannes Preiser-Kapeller, Byzanz. Das neue Rom und die Welt des Mittelalters, München (C. H. Beck) 2023 (C. H. Beck Geschichte der Antike), 352 S., Abb., ISBN 978-3-406-80680-3, € 22.

Mit diesem flott geschriebenen Band legt der österreichische Byzantinist eine Geschichte des Byzantinischen Reiches von den Anfängen unter Konstantin dem Großen bis zum Ende des 15. Jahrhunderts vor, wobei für die Jahre nach dem Fall von Konstantinopel (1453) kurz auf die dynastischen Ehen der letzten Palaiologen mit präsumtiven Erben des Neuen Roms in Russland und Österreich hingewiesen wird. Wie schon aus dem Titel hervorgeht, betont der Autor die Kontinuität des Römischen Reiches in Byzanz. Die Byzantiner bleiben Rhomaioi. Zwei Aspekte der byzantinischen Geschichte stehen in dieser Darstellung im Vordergrund: 1) Aufstieg und Untergang der verschiedenen kaiserlichen Dynastien von Konstantin bis zu den Palaiologen und 2) die Kämpfe zwischen dem Neuen Rom und den Nachbarvölkern: Persern, Arabern, Chazaren, Türken, Mongolen, Ungarn, Bulgaren, Slaven, Normannen, westlichen Kaisern, Kreuzzüglern, etc. und die daraus resultierenden Verschiebungen der Grenzen. Bei der Beschreibung der verschiedenen aufeinanderfolgenden Dynastien wird kein Bruderzwist, kein Giftmord, keine nationale oder internationale eheliche Verbindung ausgelassen, alles korrekt dokumentiert. Was die Kriege mit den verschiedenen Nachbarvölkern angeht, so werden die Auseinandersetzungen sehr kenntnisreich und detailliert dargestellt, wobei auch die inneren Verhältnisse in den jeweils feindlichen Staaten und deren kulturelle und religiöse Kontakte zum Byzantinischen Reich berücksichtigt werden. Die Verschiebungen der Reichsgrenzen werden auf mehreren Karten dargestellt. Aber beschränkt sich die Geschichte von Byzanz und der Welt des Mittelalters auf friedliche oder umstrittene Thronfolgen und auf Kriege mit feindlichen Nachbarn? Was meiner Ansicht nach fehlt in dieser byzantinischen Geschichte sind Hinweise darauf, wie der Staat strukturiert war und funktionierte: man denke an das Verhältnis Kaiser und Kirche, obwohl natürlich die religiösen Streitigkeiten um Monophysitismus, Ikonoklasmus, Hesychasmus und die mit der römischen Kirche nicht unerwähnt bleiben; man denke an das Verhältnis von Hauptstadt und Provinz, an die Verwaltung der Provinzen, an die wirtschaftlichen Strukturen, an die Rolle geistlicher und weltlicher Intellektueller, oder an die schnelle Integrierung von Angehörigen der Unterschicht oder Ausländern in die byzantinische Oberschicht. Es fehlt meiner Ansicht nach vor allem eine systematische Darstellung der Quellen: Im Gegensatz zu den meisten anderen Welten des Mittelalters sind für Byzanz, abgesehen vom Berg Athos und einigen wenigen Ausnahmen, keine Archive erhalten, was die moderne Geschichtsschreibung natürlich entscheidend beeinflusst. Preiser-Kapeller ist ein ausgezeichneter Kenner der byzantinischen Literatur und spickt seinen Text mit treffend ausgewählten Zitaten aus verschiedenen Werken byzantinischer Historiker oder Literaten, aber auch hier wäre ein kurzer Überblick über die byzantinische Geschichtsschreibung nützlich gewesen. Wer schreibt wann und wo? Am Ende des Bandes (S. 322–329) gibt es eine Zeittafel mit den wichtigsten Ereignissen zwischen 324–1492, und eine umfangreiche, nach Sachgebieten unterteilte, im wesentlichen deutsch- und englischsprachige Bibliographie; kaum ein französischer Titel, von italienischen, griechischen und russischen ganz zu schweigen.+TABRE+Vera von Falkenhausen

Giuseppe Mandalà/Angela Scandaliato, Palermo ebraica. Spazio urbano e società nel medioevo, Roma (Viella) 2024 (La storia. Temi 122), 263 S., Abb., ISBN 978-88-3313-209-9, € 26.

Mit der hier anzuzeigenden Publikation legen Giuseppe Mandalà und die leider 2023 vor Drucklegung verstorbene Angela Scandaliato eine umfassende und innovative Studie zur jüdischen Geschichte Palermos vom späten 6. Jahrhundert bis hin zur Vertreibung 1492/1493 vor. Eingeführt wird der Band von Henri Bresc, der Palermo als „osservatorio privilegiato“ (S. 7) beschreibt, von dem aus jüdische Urbanität im Mittelmeerraum modellhaft erfasst werden könne. In der Einleitung betonen Mandalà und Scandaliato das Ziel ihrer Arbeit: eine methodisch präzise Kontextualisierung und kritische Neubewertung der vielen verstreuten Quellen, die bislang nur unzureichend ausgewertet oder fehlerhaft interpretiert worden seien. Die Grundlage für dieses Vorhaben bildet Kapitel I („Gli ebrei a Palermo. Aspetti diacronici“). Es bietet einen diachronen Überblick zur jüdischen Präsenz in Palermo und zeigt, wie die Gemeinde über Jahrhunderte hinweg ein integraler Bestandteil städtischer Dynamiken war. In Kapitel II („Aspetti topografici“) werden topografische Strukturen und Raumzuschreibungen kritisch analysiert, wobei u. a. die verbreitete Vorstellung eines abgegrenzten Judenviertels nahe des Kemonia-Flüsschens weiter revidiert wird. Vielmehr zeigen Mandalà und Scandaliato anhand von Toponymie, dem Reisebericht des Obadia da Bertinoro, archivalischen Quellen und Stadtplänen eine polyzentrische jüdische Präsenz in Palermo, insbesondere entlang der urbanen Hauptverkehrsachsen (v. a. im Cassaro, S. 52–56 und S. 60–72). Außerdem beleuchten Mandalà und Scandaliato die Geschichte und Lokalisierung der als meschita bekannten zentralen Synagoge (S. 72–85 und 86–92). Zum einen wird hier die Annahme, die Synagoge sei aus einer ehemaligen Moschee der islamischen Zeit hervorgegangen, als „totalmente fuorviate“ zurückgewiesen (S. 90); vielmehr wird für eine Nutzungskontinuität durch die Herrschaftsumbrüche hinweg plädiert. Zum anderen wird basierend auf einem Verkaufsdokument vom 6. Oktober 1492, das im Anhang des Bandes erstmals ediert ist, eine Verortung der meschita in der „contrada li Flumetti“ vorgenommen. Der Komplex umfasste demnach Synagoge, Bad, Hospital, Fondaco und Hof. Neu und entsprechend bedeutend ist, dass mit diesem Dokument nun eine lückenlose Nachverfolgung der Transformations- und Nutzungsgeschichte des Komplexes nach der Vertreibung 1492/1493 rekonstruiert werden kann (S. 92–94) – von der Übergabe an das Klarissenkloster Santa Maria del Popolo (1507), über die Aufgabe nach der Überschwemmung (1557), bis zur Errichtung der Kirche San Niccolò da Tolentino (1609). Daran anschließend behandelt Kapitel III („Le istituzioni comunitarie“) Schlachthaus, Fondaco, Friedhof und Synagoge als zentrale Einrichtungen der spätmittelalterlichen Gemeinde. Diese werden zwischen halachischen (religiös-rechtlichen) Vorgaben und lokalen Gegebenheiten kontextualisiert. Am ausführlichsten geschieht dies im Fall der Synagoge als multifunktionalem Zentrum (S. 107–114), die zugleich Bet- und Lehrhaus war und mit weiteren Einrichtungen wie Bad oder Hospital verbunden sein konnte. Sie übernahm somit nicht nur religiöse, sondern auch wirtschaftliche und soziale Aufgaben und war vielfältig in den jüdischen Stadtalltag eingebunden. Kapitel IV („I bagni ebraici“) folgt einem vergleichbaren methodischen Zugriff: Es widmet sich den balnea, also den Bädern Palermos, die als jüdisch identifiziert werden. Indem Mandalà und Scandaliato neben einer kritischen Quellenanalyse die Deutung materieller Überreste in Palermo mit halachischen Kriterien sowie archäologischen Befunden anderer Orte kombinieren, können sie die Palermitaner Mikwe neu bewerten (S. 139–144, bes. 143). Gleichzeitig dekonstruieren sie überzeugend Zuschreibungen an andere Bäder, insbesondere an das sogenannte Bad von Johar, und machen eine neue Chronologie seiner Nutzung wahrscheinlich (S. 123–128). Soziale Konstellationen innerhalb der jüdischen Gemeinde treten in Kapitel V („Dinamiche sociali“) hervor. Anhand mehrerer Fallstudien, zumal aus dem 15. Jahrhundert, rekonstruieren Mandalà und Scandaliato Konflikte zwischen alten Eliten (maiores) und aufstrebenden Familien – etwa den Azeni, Bonavoglia, Chetibi. Auf Basis einer reichen archivalischen Überlieferung werden Netzwerke und wirtschaftliche Aktivitäten – etwa im Getreide-, Fisch- und Kreditwesen – herausgearbeitet. Zugleich wird nachvollzogen, wie sich Aufsteiger durch Kreditvergabe, Grundbesitz und Ämter politisch und ökonomisch etablierten. In diesem Zusammenhang behandeln Mandalà und Scandaliato das Amt des dienchelele – ein von der aragonesischen Krone eingesetzter oberster Richter über die Juden Siziliens – als Ausdruck königlicher Einflussnahme auf gemeindeinterne Machtverhältnisse (bes. S. 157–159). Kapitel VI („La vita culturale“) stellt die kulturelle Produktion und Bildungsstruktur der palermitanischen Juden in den Mittelpunkt. Mandalà und Scandaliato rekonstruieren zunächst die Präsenz von Schulen und Lehrhäusern (S. 176–180) und heben eine Reihe namentlich fassbarer Personen hervor, die exemplarisch für die Mobilität intellektueller Eliten stehen. Dabei wird deutlich, dass die kulturelle Rolle der Gemeinde vor allem in der Wissenstransmission – insbesondere in Medizin und Astronomie – zwischen den religiösen und sprachlichen Räumen des Mittelmeers bestand. Wichtig ist hier die Hervorhebung des vielfältigen Sprachgebrauchs in der Gemeinde: Hebräisch, Judäo-Arabisch, Judäo-Sizilianisch und romanische Mischformen koexistierten in liturgischem, juristischem und alltäglichem Gebrauch. Im abschließenden Kapitel VII („Il vincolo della memoria“) stehen Alltagsrituale, liturgische Bräuche und religiös codierte Praktiken im Mittelpunkt, wobei Hinweise dafür geliefert werden, wie lokale Eigenheiten und Bezugnahmen auf eine eigene memoria vergemeinschaftend für die jüdischen Palermitaner wirkten. Außerdem werden Lebensmittel wie Käse, Wein, Öl, Salz und Süßmittel nicht nur im Kontext halachischer Speisevorschriften analysiert, sondern auch als Träger lokaler jüdischer Identität interpretiert (S. 206–209, 210 f.). Dem letzten Kapitel folgt ein Appendix, der den bereits genannten Kaufvertrag vom 6. Oktober 1492 enthält, mit dem die Besitzungen der Synagoge (meschita) samt zugehöriger Liegenschaften übertragen wurden (S. 213–218). Das Dokument steht an dieser Stelle gleichsam symbolisch für das Ende jahrhundertelanger jüdischer Präsenz in Palermo. Der mittlerweile verstorbene Shlomo Simonsohn würdigte das Werk in seiner „Postfazione“ als grundlegenden Beitrag zur Erforschung des jüdischen Lebens in Sizilien. Besonders hebt er die topografische Präzision, quellenkritische Strenge und interdisziplinäre Breite des Werks hervor. Zugleich merkt er an, dass weiterführende Studien – nicht zuletzt auf Grundlage des von ihm zusammengetragenen Quellenmaterials – wünschenswert seien. Insgesamt ist „Palermo ebraica“ weit mehr als eine lokalgeschichtliche Fallstudie: Mandalà und Scandaliato legen ein Modell vor, wie sich jüdische Urbanität der Vormoderne quellennah, differenziert und konzeptionell präzise analysieren lässt. Damit setzen sie Maßstäbe für die Erforschung jüdischer wie städtischer Geschichte im Mittelmeerraum – und darüber hinaus.+TABRE+Theresa Jäckh

Agostino Paravicini Bagliani/Pietro Silanos (a cura di), Images of Desire in the Mediterranean World, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2024 (Micrologus Library 121), 573 pp., ill., ISBN 978-88-9290-320-3, € 80.

Senz’altro la storia culturale ha trovato molteplici importanti espressioni negli ultimi anni e la storiografia recente ha ampiamente confermato come essa costituisca un approccio quantomai necessario a completare la visione su alcuni aspetti e vicende proprie dell’età medievale. È sufficiente ricordare a questo proposito i lavori di Michel Pastoureau sul simbolo e sul colore nel Medioevo, così come l’impiego di un questionario affine da parte di Agostino Paravicini Bagliani per la storia del papato. Il volume curato da Agostino Paravicini Bagliani e Pietro Silanos prende le mosse dal convegno internazionale tenutosi presso l’Università di Bari nel 2022 e ne presenta in forma organica i risultati, offrendo uno sguardo completo e ricco di sfaccettature sulle immagini del desiderio nel mondo mediterraneo medievale. Le ampie considerazioni introduttive di Pietro Silanos inseriscono il lavoro all’interno del dibattito storiografico di riferimento e illustrano il percorso dei diversi contributi: la scelta di utilizzare il termine „figure di desiderio“ („images of desire“) nel titolo riprende e rappresenta bene la pluralità di voci che si susseguono nelle diverse sezioni del volume. Il volume è articolato in cinque sezioni. La prima si confronta con le dinamiche relative alla metafisica del desiderio: lo sguardo comparativo sui contesti filosofici del Mediterraneo medievale è apportato dai contributi di Costantino Esposito, sul desiderio in Agostino d’Ippona, e di Amos Bertolacci, con a tema la filosofia araba e il tema del desiderio di Dio nella metafisica di Avicenna. Concludono la sezione dedicata alla metafisica i contributi di Gert Melville sull’antropologia del desiderio in ambito monastico, e di Marco Rainini, che analizza le diverse esegesi proposte di un passaggio del „Cantico dei Cantici“ nel contesto delle scuole del secolo XII, soffermandosi sull’interpretazione proposta in ambito cistercense. Il desiderio come motore dei mutamenti istituzionali e la sua narrazione nelle fonti testuali è il tema che unisce i contributi della seconda sezione: tra essi, Nicolangelo D’Acunto studia le fonti del secolo XI attraverso la lente del desiderio e mostra come tale lente fosse consapevolmente utilizzata da entrambe le parti nel complesso scontro tra impero e papato. La terza sezione è dedicata al desiderio e al suo legame con la corporeità, intesa in senso lato. In particolare il contributo di Paravicini Bagliani tratta il desiderio dell’immortalità e lo sviluppo delle scienze presso la corte papale nei secoli XIV–XVI. Lidia Zanetti Domingues affronta nel suo contributo il nesso tra la soddisfazione emotiva e le forme di pacificazione prendendo in esame i modelli giuridici relativi alle faide nell’Italia comunale nei secoli XIII–XIV. Oggetto dei lavori raccolti nella quarta sezione del volume è lo studio del legame tra la normativa e il desiderio, nel tentativo di disciplinarlo nelle sue molteplici manifestazioni nella società medievale. In particolare, il contributo di Pietro Silanos studia le fonti narrative del XIV secolo, con attenzione al „Decameron“ di Boccaccio, e la loro narrazione della peste e delle emozioni collettive da questa suscitate, nonché le disposizioni giuridiche sorte per il contenimento di questo fenomeno collettivo. Lo sguardo sullo spazio politico del Mediterraneo diventa effettivamente reale anche dal punto di vista geografico nella quinta e ultima sezione del volume, grazie ai contributi di Antonio Musarra, sul desiderio come impulso per le scoperte geografiche, e di Francesco Paolo de Ceglia relativo alla storia culturale dei vampiri in area balcanica. Il contributo di Emanuele Colombo e Marina Massimi amplia ulteriormente lo sguardo sia dal punto di vista geografico che cronologico, prendendo in esame il ruolo del desiderio in Ignazio di Loyola e la sua applicazione diretta nelle cosiddette littere indipetae dei Gesuiti, ovvero le lettere con le quali gli appartenenti all’Ordine di sant’Ignazio di Loyola chiedevano di essere mandati in missione nelle Indie. Concludono il volume le riflessioni di Franco Cardini, incentrate sul confronto dialettico dei tre nuclei concettuali del volume: desiderio, Mediterraneo, Medioevo. In sintesi, i ventidue contributi, espressione di studiose e studiosi di ambiti filosofici, storici, letterari e storico-artistici, tracciano un’amplia storia culturale del desiderio nel pieno e tardo medioevo nello spazio culturale attinente al mediterraneo: particolarmente chiara e ben realizzata risulta la vocazione comparativa del volume. Inserendosi pienamente nella storiografia internazionale, la pluralità di voci, fonti, contesti e approcci propria del volume ottiene il risultato di riuscire a svolgere un’analisi comparativa di una tematica complessa e sfaccettata, offrendo uno sguardo completo e un contributo importante caratterizzato da indubbia originalità nella storia della mentalità della società medievale.+TABRE+Caterina Cappuccio

Lucia Castaldi (a cura di), La trasmissione dei testi latini del Medioevo. Medieval Latin Texts and Their Transmissions. Te.Tra. 8: Opere anonime e pseudoepigrafe, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2023 (Millennio Mediaevale 126. Strumenti e Studi. Nuova serie 49), X, 778 S., ISBN 978-88-9290-265-7, € 120.

Das Forschungsprojekt „La trasmissione dei testi latini del medioevo“ (Te.Tra.) zielt auf eine möglichst breite und systematische Erfassung und Beschreibung von lateinischen Werken des Mittelalters unter besonderer Berücksichtigung ihrer Überlieferung, sowie textkritischer und editorischer Fragen. Der achte, 2023 erschienene Band ist den anonymen und pseudepigraphischen Texten des Mittelalters gewidmet. Folgende literarische Gattungen fanden dabei (alphabetisch geordnet) Berücksichtigung: Accessus, Ars dictandi, Ars poetica, Bestiaria, Chronographia et computus, Exempla, Fabulae, Grammatica, Hagiographia, Historia, Itineraria, Lexica et glossaria, Medicina, Philosophia, Prophetiae, Scripta alchemica, Sermones et homiliae. Die Spannbreite der behandelten Formen ist denkbar groß und schließt deshalb per se eine umfassende Behandlung des Phänomens falsch zugeschriebener bzw. anonym überlieferter Texte des Mittelalters in nur einem Band aus. Es kann also nur darum gehen, erste Schneisen in ein wild wucherndes Dickicht zu schlagen. Das Te.Tra.-Projekt ist eine „Ausgründung“ aus einem sehr viel umfangreicheren Forschungsunternehmen, das unter der Abkürzung OPA („Opere perdute e opere anonime nella tradizione latina dalla tarda antichità alla prima età moderna“) firmiert und selbst bereits bemerkenswerte erste Publikationsergebnisse vorweisen kann (Francesco Santi [a cura di], Lo Pseudo Bonaventura. Studi, edizioni e repertorio dei testi e dei manoscritti, Firenze 2024). Innerhalb der in Te.Tra. 8 behandelten Gattungen wurden jeweils einzelne bzw. mehrere charakteristische Beispiele erfasst. Findet sich etwa unter dem Stichwort Accessus lediglich ein Beispiel in Gestalt der „Vita Tibulli“ (Matteo Venier), werden unter den der Hagiographie und der Philosophie gewidmeten Kapiteln jeweils sechs bzw. zehn Texte subsumiert. Eine Begründung, weshalb die Wahl auf genau diese Texte fiel, unterbleibt. Das methodische Vorgehen sei anhand zweier Beispiele erläutert. Der den Predigten gewidmete Abschnitt nimmt zunächst fünf nahezu unbekannte Homilien in den Blick, die Johannes Chrysostomus lediglich zugeschrieben werden (weitere 38 stammen sicher von ihm). Im Zentrum steht die Beschreibung des „stato dell’arte“ (S. 675) der Handschriftenüberlieferung – wobei der Begriff „Beschreibung“ der dabei tatsächlich geleisteten Arbeit in keinster Weise gerecht wird. Die Aussagen zu Überlieferung und Textkritik, die die Autorin Marianna Cerno zu jeder Homilie trifft, beruhen auf intensiven und zeitraubenden Handschriftenstudien und der erschöpfenden Kenntnis der entsprechenden Sekundärliteratur. Präsentiert werden wertvolle Handreichungen für ein zukünftiges discrimen codicum, weil die Handschriften, in denen sich die Homilien finden, nicht nur beschrieben, sondern auch in ihrer Bedeutung gewichtet werden. Auf Marianna Cerno gehen auch die Ausführungen zu einem anonym überlieferten sermo zurück, dessen Titelgebung schwankt – von „Doctrina cuiusdam sancti viri“ über „Epistola exhortatoria ad populum“ bis hin zu „Omelia sancti Augustini“ – und der so auf die Schwierigkeiten verweist, solcherart Texte sicher einer Gattung, geschweige denn einem Autor zuzuweisen. Cernos Analysen geben Einblick in das Schicksal einer Predigt, ihrer komplizierten Wanderwege und der damit einhergehenden Eingriffe in die ursprüngliche Textgestalt. Am Ende erscheint eine Zuweisung an Cäsarius von Arles nicht ganz unwahrscheinlich. Dasselbe Methodeninstrumentarium wird mit Blick auf eine als „Sermo in dormitione beatae Mariae Virginis“ überlieferte Predigt zur Anwendung gebracht – und auch hier steht am Ende die plausible Hypothese einer Zuweisung an Jacobus de Voragine, den Verfasser der „Legenda aurea“. Insgesamt können die einzelnen Beiträge getrost als eine Art Prolegomena für die Erstellung künftiger kritischer Editionen herangezogen werden. Im Fall bereits existierender moderner Editionen wird man hingegen manchen Korrekturhinweis nur schwer ignorieren können, so etwa im Fall des als „Relatio de duobus ducibus“ sowohl in Prosa als auch in Versform überlieferten Exemplums, mit dem sich Christopher A. Jones beschäftigt. Summa summarum: eine Publikation, die durchaus eklektische Einblicke in die Welt der mittelalterlichen Anonyma und Pseudoepigraphica vermittelt, einen das Erscheinen weiterer Bände aber mit Spannung und Zuversicht erwarten lässt.+TABRE+Ralf Lützelschwab

Wolf Zöller (Hg.), Materialität, Inschriftlichkeit und schrifttragende Artefakte im mittelalterlichen Rom, Berlin-Boston (De Gruyter) 2023 (Materiale Textkulturen 44), VI, 260 S., Abb., ISBN 978-3-11-124355-9; e-ISBN (PDF) 978-3-11-124388-7, € 89,95.

Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um eine der abschließenden Veröffentlichungen des an der Universität Heidelberg angesiedelten Sonderforschungsbereiches 933 „Materiale Textkulturen“, der nach 12-jähriger Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Juni 2023 seine Arbeit eingestellt hat. Dass die inschriftlichen Zeugnisse des antiken wie des mittelalterlichen Italiens, besonders die der Stadt Rom und ihres Umfeldes, immer wieder im Zentrum der Untersuchungen dieses SFBs standen, kommt offensichtlich nicht von ungefähr. Denn gerade in diesem Umfeld angesiedelte Themen, wie etwa Arbeiten zu den Graffiti in den Wohnhäusern Pompejis und Herculaneums, zu Bild und Text auf römischen Mosaiken, zu Materialität und Präsenz spätantiker Inschriften in den italienischen Provinzen oder zu Inschriftkulturen im kommunalen Italien machen die beeindruckende Bandbreite der Forschungen dieses ganz speziellen SFBs aus. Die neun thematisch recht unterschiedlichen Einzelbeiträge des vorliegenden Bandes, die einem 2018 in Heidelberg veranstalteten Workshop „Metamorphosen und Kontinuitäten von Inschriftlichkeit – Päpstliche Epigraphik zwischen Spätantike und Renaissance“ zu verdanken sind, stehen hauptsächlich unter folgenden, von Wolf Zöller einleitend formulierten Prämissen (S. 1–20): Rom soll im Allgemeinen verstärkt als eigenständiger Schriftraum reicher epigraphischer Quellen und Praktiken wahrgenommen werden, und im Besonderen soll dem bisher von der Forschung offenbar bevorzugten Komplex „repräsentative(r) wirkmächtige(r) Steininschriften“ die Vielfalt epigraphischer Zeugnisse entgegengesetzt und gleichwertig behandelt werden. Weiterhin soll der von der traditionellen epigraphischen Forschung gern betonte Gegensatz zu den nicht-inschriftlichen Zeugnissen, etwa den aus dem handschriftlichen Kanzleibetrieb stammenden Quellen, zumindest überdacht und auf mögliche gegenseitige Beeinflussung untersucht werden. Schließlich soll es aber auch um naheliegende Einzelfragen gehen, etwa, wie Inschriften durch ihre Position im öffentlichen Raum den Alltag geistlicher wie weltlicher Gruppen bestimmen. Die einzelnen Beiträge beginnen mit einer fulminanten Überblicks-Analyse des Altmeisters Arnold Esch (S. 21–40), der unterschiedlich produzierte (in)schriftliche Zeugnisse auf Metall, Stein, Papier und Papyrus im Bereich Antike-Mittelalter miteinander in Beziehung bringt und auf die zahlreichen Möglichkeiten ihrer Deutung und Auswertung hinweist. Sebastian Scholz (S. 41–55) zeigt mit geschärftem epigraphischen Blick den bislang noch wenig beachteten Zusammenhang zwischen der inhaltlichen Ebene von Inschriften und ihrem Lay-Out, also ihrer optischen Präsentation, am Beispiel von zwei auf Marmortafeln eingehauenen frühmittelalterlichen päpstlichen Inschriften, die die Beleuchtungsproblematik in den Basiliken von St. Peter und St. Paul betreffen. Arianna Nastasi (S. 57–78) analysiert anhand frühmittelalterlicher Urkundeninschriften (carte lapidarie) die Spannungsfelder zwischen Dokumenten und Monumenten und weist zurecht darauf hin, dass durch deren spätere, nicht selten zu beobachtende Verwendung als Spolien nur ausnahmsweise die ursprünglichen, und damit aussagekräftigen Standorte rekonstruiert werden können. Wolf Zöller (S. 79–93) nimmt sich der gleichen Thematik an, indem er an der ehemals offenbar ganz bewusst vorgenommenen Platzierung der frühen Papstepitaphien in den Vorhallen von Lateran und St. Peter nachweist, dass diese monumentalen Grabdenkmäler mit ihren „kommemorativ-gedächtnisstiftenden“ Inschriften (u. a.) auch ein öffentliches Bewusstsein für die Kontinuität in der päpstlichen Amtsnachfolge erzeugen sollten. Julian Zimmermann (S. 95–120) widmet sich der von der klassischen Epigraphik nur selten wahrgenommenen Quellengattung der Münzen als „mobile Inschriften“, speziell den Zahlungsmitteln der römischen Kommune des Hochmittelalters hinsichtlich der Möglichkeit zur politischen Kommunikation, und zeigt anhand der Veränderungen in der Ikonographie und den Umschriften den wechselnden Einfluss zwischen einzelnen Führungspersönlichkeiten und einem Kollektiv, etwa einzelnen Senatoren und dem Senat. Nicoletta Giovè Marchioli (S. 121–144) unternimmt einen beeindruckenden epigraphischen Rundgang durch die Sepulkralkultur stadtrömischer Kirchen des 13. bis 15. Jahrhunderts und versucht den offensichtlichen Zusammenhang zwischen dem gewählten Material und den Inschriften auf Grabdenkmäler herzustellen, wobei sie auf die Unterscheidung bildloser, im Boden liegender und an der Wand angebrachter Grabdenkmäler Wert legt. Andreas Rehberg (S. 145–176) nimmt sich der Wappen als schrift- und zeichentragende Artefakte an, die im Rom des 14. bis 16. Jahrhunderts nicht nur päpstlichen, adeligen oder kommunalen Besitz anzeigten, sondern geradezu inszenierte, topographisch wie sozial bedeutende Markierungen im Stadtbild darstellten. Zudem arbeitet er am Phänomen der damnatio memoriae anhand der zahlreichen mehr oder weniger stark beschädigten, noch heute im Stadtbild vorhandenen Wappen eindrücklich heraus, welche Bedeutung diesen öffentlichen Kommunikationsmitteln damals zugemessen wurde. David Ganz (S. 177–238) wendet sich in seinem umfangreichen, gut bebilderten Beitrag einem von der traditionellen Epigraphik ebenfalls noch wenig beachteten Thema zu, nämlich den Inschriften auf den Einbänden liturgischer Bücher aus dem frühmittelalterlichen Rom und anderer vergleichbarer Bestände. Analysiert werden die Beziehungen zwischen kostbarem Material und Inhalt, Stifter und Rezipienten; es geht aber auch um heilsgeschichtliche Bezüge zwischen Altem und Neuem Testament. Thomas Frenz (S. 239–252) untersucht abschließend die Verwendung von Papyrus, Pergament und Papier innerhalb der Kurie. Pergament löst im Verlauf des 11. Jahrhunderts aufgrund seiner Haltbarkeit den empfindlichen, bis dahin verwendeten Papyrus als Beschreibstoff ab; Papier kommt erst im Verlauf des 14. Jahrhunderts als untergeordnetes Medium dazu. Für die bislang kaum gestellte Frage nach der öffentlichen Wirkung von handschriftlichen Quellen ist sein kurz thematisierter Hinweis wichtig, dass auch päpstlich-kuriale Urkunden (zumindest zeitweise) öffentlich ausgestellt, durch die Stadt getragen oder auch an Türen befestigt werden konnten. Insgesamt bietet der gut redigierte Sammelband anregende Möglichkeiten, sich dem gelegentlich bereits ausreichend behandelt erscheinenden Thema „Auswertung von Inschriften als historische Quellen“ mit neuen weiterführenden Fragestellungen zu nähern. Sehr erleichtert wird dies durch die öffentliche Verfügbarkeit der vorgelegten Forschungsergebnisse: Daher ist abschließend mit großem Nachdruck auf das nicht hoch genug einzuschätzende Angebot hinzuweisen, dass alle bislang erschienenen Bände der Reihe „Materiale Textkulturen“ (darunter auch der hier besprochene Band 44) online und frei zugänglich genutzt werden können (https://www.degruyter.com/serial/mtk-b/html#volumes).+TABRE+Eberhard J. Nikitsch

Riccardo Santangeli Valenzani (a cura di), Roma altomedievale. Paesaggio urbano, società e cultura (secoli V–X), Roma (Carocci) 2023 (Frecce 370), 324 S., Abb., ISBN 978-88-290-1831-4, € 29.

Seit mehreren Jahrzehnten ist das mittelalterliche Rom wieder verstärkt in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Untersuchungen gerückt. Angesichts der spärlichen Überlieferung textlicher Quellen ist es für die hier im Zentrum stehende Zeit des Früh- und beginnenden Hochmittelalters nicht unwesentlich die Archäologie, die das Forschungsfeld dynamisiert und neue Horizonte eröffnet hat. Der von Riccardo Santangeli Valenzani herausgegebene und in vielen Teilen auch vom ihm selbst als (Co-)Autor geschriebene Band versteht sich als eine aktuelle Bestandsaufnahme und rückt neben ereignis-, sozial-, wirtschafts- und kulturgeschichtlichen Perspektiven besonders Bereiche wie Topografie, Urbanistik, materielle Kultur und Kunst ins Blickfeld. Die jeweils chronologisch aufgebauten Beiträge sind vom Umfang her recht unterschiedlich gewichtet und an mehreren Stellen durch zweiseitige Exkurse zu speziellen Themen ergänzt. Gewissermaßen als Rahmung und Fundament skizziert das erste Kapitel „La storia“ (mit Giulia Facchin) sowohl wichtige forschungsgeschichtliche Etappen als auch den ereignisgeschichtlichen Kontext Roms im 5. bis 10. Jahrhundert als einen Zeitraum signifikanter Transformationen von der antiken kaiserlichen Hauptstadt zur Stadt der Päpste und römischen Aristokratie. Im Kapitel „Il paesaggio urbano“ wird anhand verschiedener Gebäudetypen, städtischer Infrastrukturen und Bautechniken auf zentrale Aspekte des Stadtbilds eingegangen und auch noch einmal Richard Krautheimers einflussreicher Abitato-Disabitato-These das Modell einer „città polinucleata“ (S. 30) entgegengesetzt, das trotz gesunkener Bevölkerungszahlen bis zum Beginn des Hochmittelalters von über weite Gebiete des intramuralen Raums verstreuten bebauten ‚Inseln‘ ausgeht. In „Economia, produzione e commerci“ untermauert Santangeli Valenzani aus archäologischer Perspektive die auch von Historiker*innen vertretene Ansicht, wonach Roms Ökonomie im Frühmittelalter nicht auf reine Subsistenzwirtschaft beschränkt war. Wurde die Versorgung der Bevölkerung in der Antike erheblich durch (Getreide-)Importe, u. a. aus Sizilien, sichergestellt, führten veränderte politische Konstellationen im Mittelmeerraum im Verlauf des 7. Jahrhunderts zunehmend zur Umstellung auf lokale Produktion. Während sich Andrea Antonio Verardi den städtischen Machtstrukturen anhand der sich ändernden (Rolle der) Führungsschichten widmet und in diesem Zusammenhang erneut die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts als eine mit dem Verschwinden des Senatorenstandes einhergehende Zäsur hervorhebt, werden von Serena Ammirati paläografische Aspekte und von Antonella Ballardini/Giulia Bordi kunsthistorische Fragen anhand von Dekorationen in römischen Kirchen, Skulpturen und Marmorarbeiten vertieft. Der Beitrag „Vivere e morire a Roma“ (mit Roberto Meneghini) geht auf die Spuren ein, die Menschen unterschiedlicher Provenienz, darunter Pilger, Reisende, Händler und Inhaber von Ämtern, in den Quellen und in der städtischen Topografie hinterließen. Darüber hinaus betonen die Autoren, dass die sich seit der Spätantike wandelnde Bestattungskultur mit einer Verlagerung der Begräbnisstätten intra moenia einherging (siehe auch die Karte S. 220), und argumentieren in Bezug auf demografische Entwicklungen, dass nach der einschneidenden Krise der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts wohl dennoch über das gesamte Mittelalter hinweg mehrere Zehntausend Einwohner in der Urbs lebten, von denen laut Grabungsfunden allerdings nur wenige ein Alter von mehr als 50 Jahren erreichten. Das letzte Kapitel des Bandes (mit Lucrezia Spera) beschäftigt sich mit den Transformationen des römischen Umlandes, in das neben dem stadtmauernahen suburbium das heute ungefähr vom Autobahnring (GRA) abgesteckte Gebiet innerhalb der III. Meile inbegriffen wird. Hier lässt sich nach dem 7. Jahrhundert ein „radikaler“ Wandeln beobachten, der sich unter anderem äußert in einer systematischen Überführung von Reliquien aus den an Roms Ausfallstraßen gelegenen Katakomben in Kirchen innerhalb der Aurelianischen Mauern, in der Entstehung (bald auch befestigter) Siedlungen in der Nähe wichtiger Orte der Heiligenverehrung und in einer starken Ruralisierung (S. 257). Da es sich bei dem Band im Wesentlichen um eine Synthese handelt, werden vor allem diejenigen von der Lektüre profitieren, die aus interdisziplinärer Perspektive einen raschen und zugleich profunden Einstieg in den aktuellen Stand der Forschungen zur Stadt Rom während des „alto medioevo“ suchen. An vielen Stellen erwähnen der Herausgeber und seine (Mit-)Autor*innen laufende Studien und Projekte und erhellen ihre Beobachtungen durch Vergleiche mit anderen Städten. Dass der Schwerpunkt auf der materiellen Kultur und archäologischen Fragen liegt, ist gerade auch für Mediävist*innen, die sich mit Rom im Frühmittelalter befassen, eine nicht nur willkommene, sondern auch wichtige Erweiterung, um die aus historischer Blickrichtung gewonnenen Erkenntnisse besser einzuordnen.+TABRE+Kordula Wolf

Marco Panato, River and Society in Northern Italy. The Po Valley, 500–1000 AD, Amsterdam (Amsterdam University Press) 2024 (Italy in Late Antiquity and the Early Middle Ages), 382 pp., ill., ISBN 978-90-485-5880-3, € 141.

Il libro di Marco Panato si occupa di un’area della penisola italiana di grande tradizione storiografica e per un arco cronologico che la ricerca batte con attenzione minore rispetto ai secoli finali del medioevo. Si tratta, come è esplicitato nel sottotitolo, della pianura padana, una delle zone a più forte densità insediativa della penisola e non da tempi recenti. L’obiettivo dello studio è quello di mettere in rilievo gli effetti di medio e lungo termine dei fattori naturali e antropogenici del paesaggio fluviale nella valle del Po altomedievale. Lo studio si distingue per nutrire l’ambizione di calarsi nella cornice metodologica dell’ecologia storica, una branca relativamente giovane, almeno per l’Italia, degli studi di storia, sebbene ci siano ormai riferimenti storiografici noti, a livello internazionale, come la monografia di Richard Hoffmann, An Environmental History of Medieval Europe, Cambridge 2014, opportunamente citata fin dall’introduzione. Così come fin dalle prime pagine viene data una definizione utile a mettere a fuoco la prospettiva dell’autore là dove propone, a p. 31, una „Amphibious Culture“, rifacendosi alla proposta di Petra van Dam su un caso danese moderno, per interpretare anche la valle del Po: un modello che vedrebbe tre fattori determinanti e cioè la presenza di politiche di gestione dell’acqua, l’elevazione degli insediamenti e metodi di trasporto basati sull’acqua. Il caso del Po altomedievale, pur con sue specificità, si attaglia bene, per lo studioso, a tale impostazione. Panato rammenta che risulta essenziale procedere secondo un approccio multidisciplinare, così come eterogeneo è il quadro delle fonti per uno studio con una simile impostazione: queste vanno da quelle classiche per uno studio storico, e cioè le fonti scritte, per finire a quelle messe a disposizione dalle metodologie di indagine delle cosiddette scienze dure. Questa impostazione è oggi pressoché unanimemente accettata, pur rimanendo sempre essenziale una correttezza di metodo interpretativo tanto più importante quando, come è appunto il caso, l’insieme delle fonti è caratterizzato da eterogeneità. Non meno importante, pur volendo allargare lo spettro di fonti a dati provenienti da indagini di scienze naturali come la climatologia, è evitare altri problemi di metodo come quello di accettare letture segnate da determinismo per cui certi esiti storici siano da leggere come ineluttabili conseguenze di un dato fatto climatico: è lo stesso autore ad avvertire tale rischio, laddove scrive che „contrasting deterministic interpretations is imperative“ (p. 82). Ciò che interessa a studi con tale taglio è infatti, in ambito eco-storico, registrare le specificità delle risposte che le comunità hanno saputo attuare di fronte a determinate condizioni ambientali. Valutare l’interazione tra uomini e habitat è un’operazione che offre, ovviamente, maggiori spunti di interesse nei casi in cui tali condizioni non siano, per così dire, ordinarie, e stimolino, invece, la ricerca di particolari capacità di adattamento o di modifica delle condizioni naturali. Vivere in prossimità di un fiume come il Po nell’alto medioevo può aver senz’altro richiesto peculiari capacità da parte delle comunità contermini pur offrendo, d’altro canto, delle opportunità altrove assenti. Di ciò Panato è ben cosciente, cercando di determinare quanto più precisamente possibile, il clima, gli ambienti e le risorse della valle del Po (cap. 3: „Climate, Environments, and Resources of the Po Valley“). Un pregio del libro è anche quello di chiarire, prima ancora, che la questione delle relazioni tra uomo e ambiente non è da leggere solo attraverso la lente di una pretesa oggettività scientifica che renda possibile conoscere gli ambienti per come erano; piuttosto, una ricerca di ecologia storica deve muovere passi ben determinati anche nella dimensione culturale, nella mentalità dell’epoca che si intende indagare, di come gli uomini di un dato momento potessero vedere sé stessi in rapporto a un dato ambiente e come vedessero questo stesso. Di ciò si occupa soprattutto il capitolo 2, „The Po River in Early Medieval Mentalities“, con il quale Panato indaga la percezione nell’immaginario e nella cultura degli ambienti umidi e, in particolare, del Po, nell’alto medioevo. L’altro grande tema del libro è quello degli sfruttamenti a fini economici del fiume e delle sue acque: di ciò si occupano i capitoli 4–7, per un’ampiezza di oltre 150 pagine. Il capitolo 4 è relativo al costituirsi di una rete di collegamenti tra strade e fiumi, con evidenziate le modifiche idrogeologiche che hanno luogo nel primo millennio dopo Cristo; il capitolo 5 si sofferma sulle reti di persone e di beni che si vanno a costituire; il sesto del fiume e degli insediamenti e, infine, un settimo capitolo è dedicato a vari usi come quello dei mulini. Come lo stesso Panato rileva alle pp. 80–82, si tratta di una ricerca che si inserisce in un ambito ancora pionieristico delle indagini. Sarebbe, forse, stato preferibile se Panato avesse fatto precedere la monografia da studi più circoscritti sia territorialmente sia tematicamente, per poter pervenire a un risultato più convincente e se il lavoro fosse stato tagliato su un ambito dichiaratamente più circoscritto che l’intero fiume che, peraltro, non è poi il reale oggetto della ricerca che si concentra, inevitabilmente, su alcuni tratti del corso del Po. Tali osservazioni si avanzano proprio perché il libro è una delle prime monografie di taglio eco-storico per l’alto medioevo italiano che abbracci un territorio così importante e vasto e proprio su questo rivela, forse, il maggior limite (si potrebbero aggiungere alcune sbavature come l’assenza negli indici di un nome così citato nel libro come quello di Saggioro). Pur offrendo sia considerazioni generali di interesse sia informazioni su specifiche vicende occorse lungo il fiume più lungo d’Italia nei secoli precedenti il Mille, al termine della lettura si lamenta l’assenza di una convincente chiave di lettura complessiva. Senza voler essere ingenerosi, se si pensa che sono le terre cui Vito Fumagalli aveva prestato tanta attenzione, esse avrebbero forse potuto suggerire a Panato un approccio più graduale.+TABRE+Mario Marrocchi

François Bougard, Justice, culture juridique, pratiques documentaires durant le haut moyen âge (VIe–XIe siècle), Spoleto (Perugia) (Fondazione CISAM. Centro italiano di Studi sull’alto medioevo) 2024 (Collectanea 40), 610 S., ISBN 978-88-6809-419-5, € 60.

Der hier zu besprechende Band versammelt 18 Aufsätze von François Bougard aus den Jahren 1997 bis 2023 sowie einen Beitrag zu einem im Druck befindlichen Sammelband. Aktualisierungen wurden nur dann vorgenommen, wenn inzwischen neue Editionen der zitierten Quellen erschienen sind. Rezente Literatur wurde in Einzelfällen nachgetragen. Ergänzungen und Veränderungen werden durch eckige Klammern kenntlich gemacht. Der größte Gewinn, den der Wiederabdruck der gesammelten Aufsätze bietet, besteht in einem penibel durchgeführten Quellenverzeichnis im Umfang von mehr als 60 Seiten. Dieser Index erleichtert nicht nur die Benutzung der Aufsätze, in denen die erschöpfende Sichtung und gewissenhafte Deutung von Quellen im Vordergrund stehen, sondern er ist auch ein Zeugnis der stupenden Belesenheit des Autors. Der Spürsinn Bougards, dem nichts zu entgehen scheint, beschränkt sich nicht nur auf die urkundliche Überlieferung Italiens zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert, er erfasst auch die Gesamtheit der normativen Quellen der lateinischen Welt des Frühmittelalters sowie in Teilen auch darüber hinaus. Die Aufsätze sind vier Themen zugeordnet: Der erste Teil enthält Aufsätze zum Strafrecht aus gesamteuropäischer Perspektive, wobei neben den Formen des Strafens (Kompositionen, Körperstrafen, Exklusion …) auch der Begriff des iudicium Francorum und das Feuer als Strafe bzw. als Beweismittel zur Sprache kommen. Im zweiten Teil versammelt Bougard Beiträge zur Praxis der Gerichtsbarkeit sowie zu deren Dokumentation in italienischen Quellen der pragmatischen Schriftlichkeit. Eidleistung, Zweikampf, Zeugnis und die Bedeutung von Reliquien werden thematisiert. Der dritte Teil wendet sich der Frage der Rechtskultur zu, wie sie sich in der Ausformung des Notariats und in der unterschiedlich intensiven Verwendung von Normtexten widerspiegelt. Im vierten Teil geht es vornehmlich um das Verhältnis von dokumentarischer Praxis und sozialer Ordnung am Beispiel des Kredits, der Verfluchung in Pönformeln und der Mitgift. Der Sammelband ist trotz der Unterteilung in vier Abschnitte von einer erstaunlichen Kohärenz, da eine Reihe von Leitthemen in verschiedenen Kontexten immer wieder auftauchen. Dazu zählt die Frage nach den Veränderungen der langobardischen Rechtskultur, welche die Eroberung Italiens durch Karl den Großen herbeigeführt hatte. Es überrascht, dass die wichtigsten Umwälzungen wie die Schaffung des Laiennotariats, der Rechtspluralismus, die delegierte Gerichtsbarkeit und die Trennung von verschiedenen Schriftformen erst mit einer zeitlichen Verzögerung von einigen Jahrzehnten auftraten. Häufig nimmt Bougard auch zur Frage der Besonderheit Italiens gegenüber dem Frankenreich nördlich der Alpen und gegenüber anderen christlichen Königreichen in Lateineuropa Stellung. Diese gründet ihm zufolge weniger in einer besonderen Konzeption von Recht als in den hoch spezialisierten Praktiken der Dokumentation. Mehrfach zollt der Autor dem Erfindungsreichtum („ingénierie“) der Rechtspraktiker Tribut, die ganz ohne politische Einflussnahme die dokumentarische Praxis fortbildeten und die seit dem 10. Jahrhundert durch die Verbindung mit dem Amt des Schöffen sozial aufsteigen konnten. Dabei bleiben die regionalen Besonderheiten der Lombardei, der Toskana, der Emilia sowie der mittelitalienischen Territorien nicht außer Acht. Ein weiteres Charakteristikum ist die Kritik an teleologischen Narrativen. Bougard spricht sich beispielsweise gegen eine fortschreitende Rationalisierung der Beweismittel aus, da die Verwendung von inquisitorischen Befragungen im 10. Jahrhundert versiegte, wodurch die Eidleistung wieder in den Vordergrund rückte. Ebenso verwehrt sich Bougard dagegen, die Häufigkeit von Verfluchungen in Pönformeln als ein Resultat fehlender Staatlichkeit zu deuten, und spricht sich für einen Zusammenhang mit der Popularität einer spezifischen Schenkungsform aus. Die gleiche Zurückhaltung prägt auch Bougards Deutung der Konjunktur der frühmittelalterlichen Tauschurkunde. Die Lektüre des Bandes informiert somit nicht nur über einzelne Rechtsinstitute und Praktiken der Dokumentation, man gewinnt auch einen Gesamteindruck von den italienischen und europäischen Rechtskulturen des 6. bis zum 11. Jahrhunderts.+TABRE+Karl Ubl

Benjamin Savill, England and the Papacy in the Early Middle Ages. Papal Privileges in European Perspective, c. 680–1073, Oxford (Oxford University Press) 2023 (Oxford Historical Monographs), XVI, 330 pp., ill., ISBN 978-0-19-888705-8, GBP 83.

Savill’s monograph fills a noticeable gap in the scholarly debate on Early Medieval Anglo-papal relations, demonstrating the author’s outstanding ability at producing an articulate, yet carefully crafted, synthesis. Building on the scholarship on Anglo-Saxon charters and the German tradition of applied diplomatic, Savill’s work redefines Anglo-papal relations in the Early Medieval period. The book focuses on the production of papal privileges addressed to English petitioners between c. 680 and 1073. Somehow more importantly, the book places the production of papal privileges in England in a European perspective and challenges the traditional approach to the study of Anglo-Saxon England as a special case, instead of looking at it in a broader perspective. Before engaging with the highly original examination of the source material and its contents, Savill does not shy away from two important methodological issues. First, he adopts a flexible definition of papal privilege „as any document issued, or purporting to have been issued, in the name of the bishop of Rome, granting or confirming some kind of special treatment to a particular named individual and/or institution, usually in perpetual validity“ (p. 12). Following this definition, in chapter 2 Savill rejects the established canon of diplomatic, strictly distinguishing between letters and diplomas, and interestingly engages with the materiality of Early Medieval papal privileges, looking at how internal and external features of papal privileges fitted into the documentary landscape of the Anglo-Saxon petitioners, who were used to different documentary practices. Secondly, in chapter 3 Savill skilfully discusses the diplomatic features of the surviving Anglo-Saxon papal privileges. Out of a total of 67 surviving documents, Savill identifies a corpus of 23 papal privileges that satisfy his definition of privilege – the latter all survive as copies. This discrete corpus of evidence constitutes the focus of Savill’s investigation in the following chapters, which not only address how the diplomatic of the documents developed chronologically, but more importantly explore how Anglo-papal relations evolved between the late seventh and mid-eleventh centuries. Chapter 4 is dedicated to the „Age of Bede“ (c. 680–730), when the monastic beneficiaries of papal privileges, often visiting Rome on pilgrimage, used the pledge of papal jurisdiction over monastic institutions for practical reasons and to address local conflicts, namely to tie together monastic communities and preserve their autonomy vis-à-vis the Anglo-Saxon episcopate. Equally, in chapter 5 Savill focuses on how petitioners deployed papal jurisdiction to their advantage in the decades of Mercian supremacy (c. 770–830). This was the case for Mercian royal-aristocratic families, who used papal privileges to obtain the endorsement of royal power; to legitimise their dynastic rights (not only thanks to the preservation of papal privileges but also through their destruction); and to secure the confirmation of monastic properties through drafted petitions that provided tailor-made solutions (and are therefore unique to Anglo-Saxon England and not comparable to the privileges surviving for the Carolingian world). In chapter 6 Savill similarly investigates the lack of papal privileges between 830 and 960, which is surprising given the recorded contacts of Anglo-Saxon England with the papacy through embassies, gifts and pilgrimages at that time. Significantly, Savill addresses this issue through comparison with Carolingian and Ottonian realities, where there is clear evidence of the acceptance of papal primacy and jurisdiction in the tenth century. Conversely, Savill argues that in the second half of the tenth century papal authority was accepted in England only when concerning the past (as was the case for canonical collections of ancient papal decretals) or regarding diplomatic affairs, confirmation of properties and penitential matters, while it was excluded from domestic policy. This picture very much evolved between 1049 and 1073, when, as Savill argues in chapter 7, there is evidence of how the flexible documentary landscape reflected the arrival of continental clergy in England by the mid-eleventh century. The latter resulted in the papal approval of new bishoprics, the implementation of papal liturgical traditions, the more conventional protection and confirmation of monastic properties, and the dissemination of canonical procedures for episcopal translations and the reception of the pallium. However, Savill maintains that the impact of papal reform movement faded quickly in England after the 1070s, while from the 1120s the desire for papal support grew as evidenced in the growing number of papal privileges and the creation of forgeries for both monastic institutions and the episcopate. Savill’s work has the merit of moving away from grand narratives on the construction of papal power in the Early Middle Ages and showing that there was no neat line of development in this respect. Equally, Savill argues for the lack of systematic engagement by Anglo-Saxon England with the papacy, maintaining that the supra-regional power of the Early Medieval papacy was mostly symbolic and significantly shaped by petitioners and their local landscape.+TABRE+Barbara Bombi

Éliane Poirot, Les prophètes Élie et Élisée au Moyen Âge Latin. Tome I: VIIIe – IXe siècle. L’époque carolingienne, 560 S., ISBN 978-88-7288-223-8; Tome II: Xe – début XIIe siècle. Des commentaires carolingiens à la Glossa ordinaria, 248 S., ISBN 978-88-7288-226-9; Tome III: La renaissance et le tournant du XIIe siècle, 543 S., Abb., ISBN 978-88-7288-228-3; Tome IV: XIIIe siècle. L’essor des universités, 477 S., ISBN 978-88-7288-229-0, Roma (Edizioni Carmelitane) 2024, 4 Bde., € 130.

Ihr erster Artikel über den „alttestamentarischen“ Propheten Elias erschien 1983 – und seither hat diese mythisch überhöhte Gründungsgestalt des Karmeliterordens Éliane Poirot nicht mehr losgelassen. Frucht ihrer jahrzehntelangen Beschäftigung mit Elias ist das vorliegende monumentale Werk in vier Bänden, insgesamt über 1800 Seiten umfassend. All das, was Poirot in diesem „œuvre monumentale et extraordinaire“ (S. 427) zusammengetragen hat – so der Generalprior der Unbeschuhten Karmeliten in seinem Schlusswort –, trägt dazu bei, die großen Entwicklungslinien besser zu verstehen, die ausgehend von der Rubrica prima der ersten Konstitutionen des 13. Jahrhunderts schließlich in der Anerkennung des Elias und seines Schülers Eliseus als Gründungsgestalten mündeten und dem Orden so ein Alleinstellungsmerkmal im Konzert der regulierten Gemeinschaften im Westen verschafften: kein Orden konnte seine Anfänge in alttestamentarische Zeiten zurückführen. Jeder der vier Bände verfügt über einen identischen Aufbau. Zunächst werden in einem ersten Schritt (1) die für Elias und Eliseus relevanten Bibelstellen, vor allem aber die verwendeten Autoren und Werke mit den jeweiligen Fundstellen, Editionen und etwaigen bereits existierenden Übersetzungen aufgelistet, gefolgt (2) von Auszügen aus Kommentaren über den Römerbrief, (3) über die Erzählung von der Verklärung Christi und (4) über die Apokalypse – Bibelpassagen, denen deshalb einige Prominenz zukommt, weil in ihnen das Handeln der beiden Hauptprotagonisten beschrieben wird. Am Beginn jeder Übersetzung findet sich eine sehr knapp gehaltene Einführung in Leben und Werk des behandelten Autors. Rein liturgische Quellen spielen eine klar untergeordnete Rolle, denn während im Orient den beiden Propheten ein besonderer Platz innerhalb der Liturgie zukam, wurden sie im Westen nicht als Heilige verehrt. Das Beste und Prominenteste, was die breite Bibelkommentar-, Traktat- und Predigtproduktion im Mittelalter hervorgebracht hat, findet sich aneinandergereiht (wenn auch stets nur auszugsweise, weil allein die Passagen berücksichtigend, in denen Elias und Eliseus Erwähnung finden): vom Matthäuskommentar des Hrabanus Maurus oder dem Apokalypsenkommentar des Theodulf von Orléans über einige Predigten von Petrus Damiani, Bernhard von Clairvaux oder Petrus Venerabilis bis hin zum „Rationale divinorum officiorum“ aus der Feder des Guillaume Durand oder der „Catena aurea“ des Thomas von Aquin. Dort, wo kritische Editionen der lateinischen Originalquellen (oder auch nur ein Abdruck in Mignes „Patrologia latina“) vorliegen, findet sich allein die französische Übersetzung. Ein kleineres caveat sei in diesem Zusammenhang angeführt: Die Übersetzungen beruhen in den allermeisten Fällen zwar auf der maßgeblichen kritischen Edition, Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel, so etwa, wenn der „Historia Constantinopolitana“ des Gunther von Pairis der Abdruck bei Migne und nicht die 1994 erschienene Edition von Peter Orth zugrunde gelegt wird. Deutlich wird, wie die monastische Grundierung der beiden Prophetengestalten, die in der Spätantike als Archetypen des beginnenden Klosterwesens noch hohes Ansehen genossen, spätestens seit dem hohen Mittelalter stark in den Hintergrund trat. Eine aus karolingischer Zeit stammende Predigt des hl. Makkarius an seine Mönche kann zwar noch davon sprechen, Elias, Eliseus und weitere Propheten seien in Wahrheit „die Mönche des Alten Testaments“ gewesen, doch wurde die monastische Szenerie bereits zu diesem Zeitpunkt nahezu ausschließlich von der Benediktsregel dominiert – und in ihr wird Elias nicht erwähnt. In karolingischen Bibelkommentaren finden Elias und Eliseus als Präfigurationen Christi Erwähnung (alter Elias / alter Eliseus), so etwa, wenn die Auferweckung des Sohns der Witwe aus Sarepta durch Elias auf die Auferweckung des Lazarus durch Christus verweist. Erst mit den Konstitutionen von Camaldoli und den Karmelitern kommen im 13. Jahrhundert die Propheten des Alten Testaments wieder zu ihrem „monastischen“ Recht. Auffällig aber ist, dass Elias und Eliseus in der vom Jerusalemer Patriarchen verfassten Protoregel vom Beginn des 13. Jahrhunderts keine Rolle spielen, ja noch nicht einmal erwähnt werden. Dieses Faktum ist erklärungsbedürftig und Poirot wägt die Pro- und Contra-Argumente klug gegeneinander ab. Vielleicht ist die Sache aber doch sehr viel einfacher als gedacht: weshalb sollte Albert etwas erwähnen, was allen bekannt und selbstverständlich war? Jede noch so kursorische Durchsicht der Regel zeigt, dass in ihr nicht das Loblied eines vollständig eremitischen Lebens gesungen wird. Propagiert wird ein Leben in (distanzierter) Gemeinschaft, in dem Außenkontakte etwa in Form von Reisen möglich sind. Und so geht Poirot davon aus, dass für Albert und die ersten Karmeliter „le contexte historique n’était guère un moment favorable pour se réclamer des prophètes du Carmel“ (S. 416). Könnten Teil dieses historischen Kontextes diejenigen Gruppen östlicher (orthodoxer) Mönche gewesen sein, die ebenfalls am Berg Karmel lebten und sich ihrerseits auf Elias als Vorbild beriefen? Dieser Aspekt hätte eine Vertiefung verdient gehabt – man denkt an die Vielzahl von Arbeiten deutscher Zunge, die sich mit den Vorurteilen von Lateinern gegenüber Griechen und umgekehrt beschäftigen und hier leider nicht zu Rate gezogen wurden (wie überhaupt eher gilt: Germanica non leguntur). Stichhaltiger scheint der Verweis auf potentiell häretisches joachimitisches Gedankengut: Albert von Vercelli kannte die Lehre Joachims von Fiore, in der Elias eine bedeutende Rolle spielt. Wollte er vermeiden, das neu entstehende eremitische Pflänzlein in die Nähe Joachims zu rücken? Oder wollte man sich von Dominikanern und Franziskanern abgrenzen, die in ihren jeweiligen Gründern einen alter Elias erblickten? Diesen bedenkenswerten Argumenten gilt es in der Zukunft weiter nachzugehen – Argumente, die ausgehend von den nun in Übersetzung bereitgestellten Texten sehr viel profunder als bisher unterfüttert werden können. Ausdrücklich vermerkt sei, dass sich diese Übersetzungen sehr gut lesen. Die Balance zwischen wörtlicher und freier Übertragung wurde jedenfalls gehalten. Einige Indizes („Index biblicus“; „Index manuscriptorum“; „Index operum patrum“; „Index personarum medii aevi“) erleichtern ein gezieltes Suchen und erschließen somit das Werk auch für all diejenigen, die „nur“ nach punktueller Information suchen. Nicht nur Vertreter*innen der Ordensforschung oder der mediävistischen Theologie, sondern grundsätzlich alle, die an der Geistesgeschichte des Abendlandes im Mittelalter interessiert sind, werden von der Lektüre der hier oftmals in Erstübersetzung präsentierten Texte profitieren.+TABRE+Ralf Lützelschwab

Joanna Story, Charlemagne and Rome. Alcuin and the Epitaph of Pope Hadrian I, Oxford (Oxford University Press) 2023 (Medieval History and Archaeology), XXII, 403 pp., ill., ISBN 978-0-19-920634-6, GBP 100.

La ricerca su cui si basa questo volume ha al centro l’iscrizione che Carlo Magno fece inviare a Roma per commemorare la morte di papa Adriano I (795). Si tratta di un oggetto che offre numerosi spunti per entrare nel vivo della storia politica e culturale della seconda metà del secolo VIII e di quella rinascenza carolingia di cui Carlo Magno e la sua corte si fecero promotori. Ciascuno degli otto capitoli di cui si compone il libro analizza infatti l’iscrizione da un punto di vista diverso – politico, materiale, paleografico, filologico, storico-artistico, e più latamente culturale – utilizzando gli strumenti e gli approcci più aggiornati introdotti dalla recente letteratura storica e storico-artistica. In linea generale, il volume si presenta come una sintesi aggiornata, da cui tuttavia rimane esclusa buona parte della ricerca italiana, su alcuni aspetti della cultura carolingia e sulle relazioni tra Roma e il mondo franco. L’autrice dimostra di muoversi in modo disinvolto dalla storia dell’arte e dell’architettura alla paleografia ed epigrafia, passando anche attraverso un excursus di carattere geologico. Uno dei contributi principali del libro è infatti l’analisi del materiale di cui è costituita l’iscrizione, che Story riprende da un articolo già pubblicato nel 2005 per i „Papers of the British School at Rome“. La pietra su cui fu inciso l’epitaffio per Adriano I è stata infatti studiata in comparazione a quella di altri materiali altomedievali e ricondotta in modo convincente alle cave di calcari carboniferi situate non lontano da Aquisgrana, nei pressi del fiume Mosa. Le fonti scritte menzionano che pietre nere, probabilmente provenienti dalle medesime cave, furono richieste a Carlo Magno da Offa, re di Mercia. Si trattava quindi di un materiale particolarmente ricercato, la cui estrazione e circolazione venivano controllate direttamente dal sovrano franco. Story ipotizza che l’attenzione di Carlo Magno verso questa materia prima sia comparabile a quella della Roma imperiale. Nel corso dell’Antichità, pietre colorate provenienti dalle diverse regioni amministrate dall’Impero romano venivano infatti trasportate nella capitale, dove erano utilizzate per magnificare l’autorità imperiale – si pensi, per esempio, al porfido proveniente dall’Egitto o al cosiddetto marmo giallo di Numidia proveniente da Chemtou, in Tunisia. Ciò testimoniava il controllo imperiale sulle risorse naturali e quindi anche il controllo politico sulle regioni da cui queste venivano estratte. Story mette in relazione il monopolio nella circolazione della pietra nera in età carolingia con questo specifico aspetto della tradizione imperiale romana, ma questa suggestione non viene approfondita e rimane da testare in futuro in relazione ad altre risorse. I capitoli più convincenti del libro sono senz’altro quelli relativi all’analisi testuale e paleografica dell’epitaffio, che fu composto per l’occasione da Alcuino da York, a cui è dedicato il terzo capitolo. L’autrice ha qui l’occasione di riproporre alcuni dei temi di ricerca su cui si è maggiormente concentrata nel corso della sua carriera accademica, vale a dire il rapporto tra il mondo anglosassone e quello franco – in alcuni casi, però, esagerando il peso del primo sul secondo: è davvero eccessiva la caratterizzazione di York come città cosmopolita (p. 112). Come messo in evidenza attraverso la ricerca sulle fonti manoscritte, l’epitaffio per Adriano I ebbe un discreto successo, tanto da essere inserito nelle sillogi e negli itinerari che circolarono nel mondo transalpino, delle vere e proprie descrizioni di Roma e delle sue attrazioni con cui i pellegrini si preparavano al viaggio – o con cui chi non poteva viaggiare si faceva un’idea dei principali punti d’interesse religioso della città. L’autrice pone però giustamente l’attenzione anche sulla raffinata qualità dell’iscrizione, che dal punto di vista esecutivo si pone nettamente al di sopra alla coeva produzione romana. Anche dal punto di vista paleografico, e in particolare nella distribuzione del testo all’interno dello specchio epigrafico, l’iscrizione tradisce l’alto livello culturale raggiunto dalla corte carolingia sullo scorcio del secolo VIII. Si tratta di un prodotto maturo, non più frutto dell’ispirazione offerta al mondo franco dalla Roma reale o da quella immaginata, ma espressione di un’elaborazione consapevole della tradizione romana e tardoromana – ne è un esempio, sempre a livello paleografico, l’assimilazione completa della capitale quadrata e, soprattutto, di quella elaborata da Filocalo per le iscrizioni commissionate da papa Damaso nel IV secolo. Come sottolineato a più riprese dall’autrice, quindi, l’iscrizione per Adriano I costituisce l’espressione di una cultura carolingia ormai pienamente matura e originale. La ricostruzione della posizione dell’oggetto all’interno della basilica di San Pietro nel corso della sua movimentata vicenda architettonica è anch’essa di un certo interesse, sia per la chiarezza dell’esposizione sia perché esprime bene la rilevanza dell’oggetto nella rappresentazione delle relazioni tra Papato e Impero per tutto il corso del Medioevo e della prima età moderna. Da una posizione privilegiata, non lontano dagli altari di San Pietro e Santa Petronilla, l’iscrizione fu infatti spostata nel portico della basilica in occasione della sua riedificazione tra Cinque e Seicento, continuando quindi a testimoniare il rapporto che doveva legare l’Impero al Papato anche nell’età della Controriforma.+TABRE+Giulia Zornetta

Sam Ottewill-Soulsby (Ed.), The Emperor and the Elephant. Christians and Muslims in the Age of Charlemagne, Princeton-Oxford (Princeton University Press) 2023, XV, 363 S., Abb., Kt., ISBN 978-0-691-22796-2, GBP 17,50.

Diese monografische Untersuchung zu den diplomatischen Beziehungen zwischen den Karolingern und Herrschern der islamischen ‚Welt‘ fügt sich ein in eine Reihe jüngerer mediävistischer Studien, die sich mit transkulturellen Fragestellungen und dem Mittelmeerraum beschäftigen. Sie geht, anders als der Untertitel suggeriert, über die Amtszeit Karls des Großen hinaus und setzt neue Akzente, indem sie sich unter Einbeziehung (übersetzter) arabischer Quellen von der überwiegend eurozentristisch-lateinischen Perspektive der Karolingerforschung abwendet. Da die mittelalterlichen Texte kaum Details zu christlich-muslimischen Gesandtschaften enthalten, nimmt Ottewill-Soulsby vergleichende Perspektivierungen und vor allem eine umfassende Kontextualisierung des wenigen Überlieferten vor, um zu weiterreichenden Erkenntnissen zu gelangen. Den Fokus legt er dabei auf das ʿabbāsidische Kalifat in Bagdad und das umayyadische Emirat in al-Andalus. Mit großem Bewusstsein für die Quellenproblematik wendet sich der Autor den involvierten Akteuren zu, arbeitet jeweils mögliche Motivlagen und geopolitische Hintergründe für die Gesandtschaften heraus und ordnet seine Befunde in einen breiteren transregionalen Kontext ein. In Abkehr von Francis W. Bucklers Allianzsystem-These, der zufolge der Gesandtenaustausch zwischen Karl dem Großen und Hārūn al-Rašīd aus militärischen Herausforderungen gegenüber dem byzantinischen Reich und den Umayyaden auf der Iberischen Halbinsel resultierte, und in Widerlegung der These, wonach Karls Interessen im Heiligen Land das Movens für die Gesandtschaften an den Kalifen gewesen seien, wird gezeigt, dass die Kontakte während der ʿAbbāsidenzeit für beide Seiten eine legitimierende Funktion hatten. Ottewill-Soulsby spricht hier von „prestige diplomacy“. Sowohl den Kalifen als auch den Karolingerherrschern sei es in erster Linie nicht darum gegangen, drängende Konflikte zu regeln, sondern durch die Performanz von Prestige ihre Herrschaft im Innern zu festigen, weshalb sie bei den über eine weite räumliche Distanz hinweg erfolgten Gesandtschaften keinen materiellen und logistischen Aufwand scheuten. Mit Blick auf den Titel des Buches sei in diesem Zusammenhang nur an den Elefanten Abū al-ʿAbbās erinnert, der 802 am Hof Karls des Großen in Aachen eintraf. Die diplomatischen Kontakte zwischen den Karolingern und Umayyaden waren dagegen wegen der Nachbarschaft ihrer Herrschaftsbereiche stärker von politischen Notwendigkeiten geprägt, weshalb hierfür der Terminus „frontier diplomacy“ verwendet wird. In einer ersten Phase (751–820) lagen die Initiativen für Friedensschlüsse und kriegerische Konfrontationen überwiegend bei den Franken, wohingegen in der zweiten Phase (820–864) die Umayyaden das Geschehen stärker bestimmten. Wie überzeugend dargelegt wird, waren diese Gewichtsverschiebungen Ausdruck sich wandelnder Machtgefüge. Während Rebellionen für die Umayyaden mehrfach eine ernstzunehmende Gefahr darstellten, änderten sich im Laufe des 9. Jahrhunderts für die Karolinger, unter anderem bedingt durch Nachfolgekonflikte, zunehmenden Kontrollverlust im Königreich Aquitanien und in der Spanischen Mark sowie durch Wikingereinfälle, die Prioritäten. Generell, so Ottewill-Soulsby, seien die diplomatischen Beziehungen zwischen christlichen und muslimischen Herrschern im Frühmittelalter von pragmatischen Erwägungen geprägt gewesen. Dass es wiederholten Austausch nur dann gab, wenn sich beide Seiten einen Nutzen davon versprachen, und dass diplomatische Kontakte nicht allein durch Nachbarschaft bedingt waren, verdeutlicht ein Blick Richtung Nordafrika, Sizilien und Unteritalien (wo man über Bari hinaus inzwischen nicht mehr ohne Weiteres von der Existenz mehrerer Festlandsemirate ausgehen sollte): Mit muslimischen Regenten im zentralen Mittelmeerraum scheint ein Gesandtenaustausch für die Karolinger keine nennenswerte Relevanz gehabt zu haben. Das differenzierte und komplexe Bild karolingisch-muslimischer Diplomatie, das in der klar strukturierten und auch sprachlich sehr gut geschriebenen Studie herausgearbeitet wird, entzieht sich simplifizierenden Sichtweisen und binären Interpretationen. Es zeigt einmal mehr das große Potential transkultureller Zugangsweisen – und dass die Karolinger immer auch als mediterrane Player betrachtet werden müssen.+TABRE+Kordula Wolf

Johanna Jebe, Gutes Mönchtum in St. Gallen und Fulda. Diskussion und Correctio im Spiegel karolingischer Klosterbibliotheken, Freiburg i. Br. (Herder) 2024 (Fuldaer Studien 30), XV, 721 pp., ill., ISBN 978-3-451-39830-8, € 82.

I secoli VIII e IX costituirono un momento cruciale per il monachesimo occidentale, che in quei decenni attraversò processi di ridefinizione, riorganizzazione e riforma. Momento culmine di questi sviluppi fu senza dubbio il regno dell’imperatore Ludovico il Pio (814–840), al cui impulso, fin dagli anni Cinquanta del secolo scorso, si è soliti attribuire la svolta decisiva nella riorganizzazione delle istituzioni monastiche dell’intera ecclesia carolingia, attraverso l’espressione „una regula, una consuetudo“. Lo sforzo organizzativo verso l’omogeneità delle esperienze cenobitiche occidentali era solo un tassello del più ampio programma di riforma che gli studiosi definiscono correctio. Sebbene ricerche recenti abbiano decostruito questo assunto e abbiano mostrato la vivace varietà delle esperienze monastiche sparse nell’Europa carolingia, la vulgata storiografica – italiana in particolare – assegna ancora l’impulso organizzativo e dottrinale alla corte imperiale in modo unidirezionale. Il presente volume vuole invece indagare una differente immagine del monachesimo carolingio, che, nell’ipotesi di ricerca dell’autrice, muoveva in senso contrario dalla periferia al centro del potere, vale a dire dai monasteri alla corte di Aquisgrana. Si propone quindi di indagare quale ideale di „buon monachesimo“ fu elaborato nei diversi centri monastici carolingi in dialettica con gli impulsi dottrinali e normativi irradiati dal vertice imperiale. Qual era la concezione di una vita secundum regula sancti padri Benedicti per le diverse comunità monastiche? Come queste idee elaborate entro i monachesimi locali interagivano poi con le concezioni e i principi sviluppati ad Aquisgrana? Per rispondere a questi interrogativi, si esamina la produzione di due dei maggiori centri monastici dell’età carolingia, l’alemanna S. Gallo e l’aristocratica Fulda. Per comprendere come concretamente si applicasse il concetto di correctio, lo studio si rivolge ai manoscritti normativi prodotti nelle due abbazie, nei quali il processo negoziale con il centro imperiale è ben visibile, dato che, nella stesura dei testi, i monaci riflettevano e rielaboravano gli impulsi della corte, proponendo idee di riforma mediate dalle tradizioni e consuetudini della propria istituzione. L’analisi è organizzata in due parti distinte, ognuna suddivisa in cinque capitoli. Nel caso di S. Gallo sono stati esaminati nel dettaglio i due manoscritti della regola di Benedetto (codd. Sang. 914 e Sang. 915) che furono compilati negli anni 820 e 850 per codificare le pratiche di buon monachesimo a beneficio della comunità. Soprattutto il codice 914, il più antico, è un testimone chiave per mettere in luce i processi mentali e i meccanismi di conoscenza attuati dai monaci di S. Gallo nel momento cruciale in cui si distaccarono in maniera definitiva dal controllo dei vescovi di Costanza: tradizionalmente indicato come fedele copia della versione della regola benedettina conservata ad Aquisgrana, Jebe dimostra come il manoscritto nel suo insieme – dunque attribuendo importanza anche agli altri „testi di riforma“, copiati insieme alla regola – rappresenti in realtà un prodotto autonomo dello scriptorium di S. Gallo, portato a termine in momenti differenti e successivi. Obiettivo dei monaci non sarebbe stato, quindi, ottenere e riprodurre una copia standard della regola dotata dell’autorità della figura di Benedetto e rafforzata dall’imprimatur della corte imperiale. Gli estensori si sarebbero invece impegnati a delineare, attraverso un testo guida affidabile, le pratiche di „buon monachesimo“ che potessero meglio compiacere la divinità. Per questo motivo, nella sua redazione si dedicò grande importanza alla qualità e alla forma testuale, che vennero adeguate alla lingua corrente del secolo IX secondo i principi di correctio ed emendatio proposti a corte. Completa l’analisi l’esame del catalogo della biblioteca monastica del secolo IX (cod. Sang. 728), letto come fonte degli schemi di conoscenza messi in pratica dai monaci in quel periodo. Grazie a esso, è possibile determinare più precisamente la collocazione epistemica attraverso cui erano inquadrati la regola di Benedetto e gli altri testi che noi definiamo normativi: piuttosto che raccolte dispositive e di precetti, la comunità di S. Gallo pensava le regole come testi più vicini all’agiografia e alle narrazioni storiche; erano, cioè, intesi, al pari delle interpretazioni della Bibbia e dei racconti delle vite degli uomini santi, quali manifestazioni della volontà di Dio da prendere a modello e riferimento di condotta. Il caso di Fulda permette invece di indagare la tradizione monastica legata alla memoria di Benedetto attraverso una prospettiva differente e autonoma rispetto al fuoco della corte imperiale carolingia. La fondazione promossa dall’anglosassone Wynfrith-Bonifacio nel 744 era stata impostata fin dal principio secondo le disposizioni benedettine che Bonifacio ottenne direttamente da Roma. Fulda è infatti tradizionalmente indicata come prima ‚pura‘ fondazione benedettina al di là delle Alpi, perché l’idea di monachesimo vissuta e applicata dalla sua comunità poggiava sugli instituta insegnati dal fondatore, che erano a loro volta basati sulla tradizione diretta di Benedetto custodita a Roma. Proprio la coscienza di autenticità e l’attaccamento alle tradizioni fondative costituirono l’humus perfetto per lo scontro con le disposizioni elaborate a corte al principio del secolo IX. In questo caso, l’esame dei manoscritti agiografici è stato essenziale nel ricostruire i conflitti scatenatisi entro la comunità. Soprattutto il codice fuldense Basilea F III 15b ben restituisce le diverse fasi del conflitto occorso entro la comunità. I suoi redattori vollero copiarvi tutte le antiche conoscenze che lo scriptorium monastico conservava riguardo il giusto comportamento dei monaci. Una componente rilevante della comunità cercava, dunque, le risposte adeguate alla sfida del „buon monachesimo“ all’interno della medesima tradizione monastica fuldense, opponendola a quanto veniva elaborato a corte. In risposta a questa fazione tradizionalista, l’abate Eigil (818–822) tentò un’operazione di mediazione attraverso la riscrittura della vita del fondatore Sturmi con l’intento di proporre una soluzione ai conflitti interni grazie a un modello flessibile di negoziazione. Il manoscritto F III 15b e la vita del fondatore mostrano entrambi esperienze di monachesimo caratterizzate dal conflitto tra i contenuti normativi e la ricerca pragmatica di un comportamento adeguato. Quella di Fulda fu, certo, un’esperienza diversa da quella di S. Gallo, ma sempre inserita nell’ambito della correctio carolingia, entro cui la comunità fuldense seppe sviluppare e perseguire con consapevole sicurezza una risposta autonoma alle sfide che si presentarono al proprio monastero. Il quadro che il volume presenta restituisce dunque un’immagine innovativa del monachesimo carolingio, in cui trovano spazio sia la policroma comprensione dei buoni principi, a seconda dei contesti monastici, sia la preoccupazione per la loro realizzazione pratica, ben presente nelle coscienze del vertice carolingio, ma partecipata anche dalle singole comunità sparse per l’impero. A fronte dei dibattiti e dei conflitti affrontati a partire dai casi di S. Gallo e Fulda, Jebe invita a prendere atto del fatto che si venne delineando una forma di monachesimo nuova, che non è più coerente inquadrare con l’etichetta tradizionale di monachesimo benedettino, dato che assunse caratteri e pratiche difficilmente sovrapponibili con l’originario progetto cenobitico del secolo VI. Senz’altro dirompente nei confronti della tradizionale prospettiva storiografica, questo è un punto che necessita ancora di una appropriata e ponderata riflessione, che – auspicabilmente – possa prendere in considerazione anche le elaborazioni provenienti dai contesti più periferici rispetto al cuore franco dell’impero, come nel caso dei monasteri italiani.+TABRE+Edoardo Manarini

Bibliotheca Gregorii Magni Manuscripta. Censimento dei manoscritti di Gregorio Magno e della sua fortuna (epitomi, florilegi, agiografie, liturgia). Census of Manuscripts of Gregory the Great and His Fortune (Epitomes, Anthologies, Hagiographies, Liturgy), vol. 5: Paris-Roma, a cura di Francesca Sara D’Imperio. Avviso al lettore di Agostino Paravicini Bagliani, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2023 (Biblioteche e archivi 41), XXI, 196 S., ISBN 978-88-9290-231-2, € 155.

Nur zwei Jahre nach dem vierten Band der Bibliotheca Gregorii Magni Manuscripta (dazu QFIAB 102 [2022], S. 597–599) liegt nun bereits der fünfte vor. Er schließt die Bestände in Paris ab, die mehr als die Hälfte des Bandes füllen (S. 3–126), und beginnt am Ende bereits mit den römischen Bibliotheken. Es handelt sich um eine akribische Arbeit, wie etwa die Nachweise zu vielen kleineren Bibliotheken zeigen, die nur über ein Manuskript bzw. Fragmente verfügen. Bemerkenswert viele Gregor-Manuskripte weisen die Prager Bibliotheken auf. Unbefriedigend ist der Umgang mit Bernhard Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil III: Padua–Zwickau, Wiesbaden 2014. Dieser Band ist nicht einmal in das Literaturverzeichnis aufgenommen (s. S. IX). In Band 4 waren zumindest die Fundstellen bei Bischoff vermerkt, wenngleich die gebotenen Datierungen selbst damit nicht immer korrelierten (s. QFIAB 102, S. 597). Vorliegend stimmen die Datierungen für Handschriften des neunten Jahrhunderts häufig exakt mit denjenigen bei Bischoff überein (der aber nicht zitiert ist), in anderen Fällen aber nicht, s. nur S. 5 für die Hs. Paris, BN, lat. 1012: sec. VIII–IX und Bischoff III, S. 30, Nr. 4001: Südfrankreich (?), IX. Jh., 1. Viertel; S. 12 für die Hs. Paris, BN, lat. 2036: sec. IX und Bischoff III, S. 59, Nr. 4124: wohl mittleres Frankreich, IX. Jh., ca. Mitte, sowie S. 9 für die Hs. Paris, BN, lat. 1764, foll. 28–98: sec. IX terzo quarto und Bischoff III, S. 45, Nr. 4068: wohl Nordostfrankreich, IX. Jh., 2. Drittel. Diese inkonsistente Vorgehensweise ist unbefriedigend. Gelegentlich ist der Kontext verkannt, in dem ein Gregor-Exzerpt steht, sodass weitere relevante Textzeugen übersehen wurden. So ist S. 7 für die Hs. Paris, BN, lat. 1454 (datiert sec. IX–X, nach Bischoff III, S. 33, Nr. 4014: mittleres Frankreich [?], IX. Jh., ca. 2. Viertel; nach Hubert Mordek, Bibliotheca capitularium, München 1995, S. 409: 9. Jh., 3. Viertel, etwa Gegend von Paris) angegeben: Reg. epp. IX 214 (Schreiben Gregors an Brunhilde), ff. 240v–241r (?) [richtig: foll. 240v–241v]. Die Hs. Paris, BN, lat. 1454 enthält die „Collectio Quesnelliana“, an die sich ein umfangreicher Appendix anschließt, in dem sich Reg. epp. IX 214 findet. Derselben Überlieferung gehört auch die Hs. Paris, BN, lat. 1458, foll. 64–87 an (Anfang verloren; S. 8: sec. IX, ca. terzo quarto; Bischoff III, S. 34, Nr. 4019: nördliches Frankreich (?), IX. Jh., ca. 3. Viertel; Mordek, Bibliotheca, S. 412: 9. Jh., 1. Hälfte, Nordfrankreich). Dort steht Reg. epp. IX 214 auf foll. 83vb–84rb (ungenau S. 8: f. 83v). Der dritte Zeuge dieser um den Appendix erweiterten „Collectio Quesnelliana“, die Hs. Paris, BN, lat. 3842A (Bischoff III, S. 90, Nr. 4281: wohl Nordfrankreich, IX. Jh., 2. Viertel; Mordek, S. 438: 9. Jh., Mitte oder 3. Viertel, vielleicht Paris), ist übersehen (Reg. epp. IX 214: foll. 187v–188r). Entsprechendes gilt für die „Collectio Sancti Amandi“. Auf S. 7 ist eine der drei Handschriften der „Collectio Sancti Amandi“ aufgeführt, die Hs. Paris, BN, lat. 1455 (S. 7: sec. IX; Bischoff III, S. 33, Nr. 4015: Reims-Nähe: Sens [?], IX. Jh., 3./4. Viertel; Mordek, S. 410: 9. Jh., 3.–4. Viertel, etwa Gegend von Reims). Dort überliefern die foll. 188vb–191va den „Libellus responsionum“ Gregors (ungenau S. 7: ff. 189r–191r(?)), die foll. 194ra–195ra das Concilium Romanum a. 595 (ungenau S. 7: ff. 194r–v?). Nicht aufgenommen ist die zweite Handschrift der „Collectio Sancti Amandi“, die Hs. Paris, BN, lat. 3846 mit dem „Libellus responsionum“ auf den foll. 294ra–298va und dem Concilium Romanum a. 595 auf den foll. 262vb–269r. Unvollständig sind die Angaben für den dritten Textzeugen der Sammlung, die Hs. Berlin, Staatsbibl., Hamilton 132 im ersten Band der „Bibliotheca Gregorii Magni Manuscripta“ (dazu QFIAB 96 [2016], S. 598 f.). Dort wird auf S. 82 nur der „Libellus responsionum“ genannt (foll. 239ra–244ra), es fehlt aber das Concilium. Romanum a. 595 (foll. 247ra–248vb). Nur unvollständig erfasst ist die Hs. Paris, BN, lat. 12448 (Beschreibung der Handschrift bei Wolfgang Kaiser, Die Epitome Iuliani, Frankfurt a. M. 2004, S. 494–501). Genannt ist nur die „Regula pastoralis“ auf den foll. 139ra–164va, nicht jedoch die umfangreiche Zusammenstellung von Exzerpten aus dem „Registrum epistularum“ auf den foll. 131va–138ra, 138va–139ra (dazu Kaiser, S. 514–521 sowie ders., Nachvergleichungen von Novellen- und Codexzitaten in einer frühmittelalterlichen Sammlung mit Exzerpten aus dem Register Gregors d. Gr. (Reg. 13, 49 [50]), ZRG RA 125 [2008], S. 603–644). Von der sonstigen kanonistischen Überlieferung fehlt die Hs. Paris, BN, lat. 15392 mit der „Collectio Anselmo dedicata“, an deren Konzilsteil sich für alle zwölf partes Exzerpte aus dem „Registrum epistularum“ anschließen (dazu schon QFIAB 102 [2022], S. 598). Auch nicht verzeichnet ist die Hs. Paris, BN, lat. 4280 (12. Jh.; dazu jetzt Till Stüber, Der Parisinus latinus 4280 [saec. XII]. Eine kanonistische Handschrift aus der Zeit der Kirchenreform, Deutsches Archiv 78 [2022], S. 75–126). Sie bietet auf den foll. 1ra–6ra ein patristisch-kanonistisches Florilegium, das auch Exzerpte aus Werken Gregors umfasst, so aus der „Regula pastoralis“, dem „Registrum epistularum“, den „Homiliae in Hiezechilem prophetam“ und den „Homiliae in evangelia“. Auf fol. 116va steht ein Auszug aus einem pseudogregorischen Brief an den Bischof Marianus von Ravenna und auf den foll. 116vb–117r eine stark gekürzte Fassung des „Libellus responsionum“.+TABRE+Wolfgang Kaiser

Massimiliano Bassetti, Un codice e una lista. I codici di leggi e il loro uso in età carolingia. Note intorno al Kruftische Codex (Sankt Paul im Lavanttal, Stiftsbibliothek 4/1), Spoleto (Fondazione CISAM. Centro italiano di Studi sull’alto medioevo) 2023 (Studi / Fondazione CISAM 24), pp. X, 178, ill., ISBN 978-88-6809-390-7, € 28.

Il volume affronta lo studio del codice manoscritto Sankt Paul im Lavanttal, Stiftsbibliothek, 4/1 (Sp4/1), una raccolta giuridica realizzata nella prima metà del secolo IX, che in calce all’ultima unità codicologica reca una lista di 174 nomi. La lista e il codice che la conserva sono stati oggetto della ricerca „Verwaltete Treue. Ein oberitalienisches Originalverzeichnis mit den Namen von 174 vereidigten Personen aus der Zeit Lothars I. und Ludwigs II.“, condotta in sinergia dall’autore, Stefan Esders e Wolfgang Haubrichs. I risultati sono stati pubblicati in un volume dal medesimo titolo, nella collana „Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom“ nel 2024. I capitoli qui dedicati allo studio codicologico del manoscritto sono stati riuniti nel presente contributo. Il focus della ricerca origina dall’elenco di nomi trascritto nel foglio finale del codice Sp4/1, una lista che è possibile identificare come la registrazione di un giuramento di fedeltà (Sp4/1, fol. 184r: „Ortgrimo gastaldo iuravit“). L’autore si è quindi occupato del suo contesto materiale di conservazione, ha esaminato cioè il codice Sp4/1 dal punto di vista codicologico e paleografico. Privo di ogni riferimento datante interno, il manoscritto era stato finora attribuito all’area italiana settentrionale nella prima metà del secolo IX, essenzialmente sulla base dei contenuti: la sezione più corposa e risalente del codice (Sp4/1(0)) raccoglie capitolari carolingi emanati per l’Italia, alcune leges germaniche e anche un’epitome di diritto romano. Dopo la rassegna sullo stato degli studi, utile a delineare „il sostanziale disorientamento della critica di ogni professione disciplinare dinnanzi a Sp4/1“ (p. 27), l’autore propone l’analisi del manoscritto e delle sue stratificazioni. L’esame della fascicolazione restituisce uno sviluppo lineare e progressivo, composto da quattro distinti interventi esecutivi: in coda al nucleo iniziale (Sp4/1(0)), in due momenti successivi sono stati aggiunti due additamenta (Sp4/1(1)+(2)) con l’evidente scopo di aggiornare la raccolta legislativa; l’ultima aggiunta (Sp4/1(3)) reca poi la lista di nomi, „priva di un perspicuo, diretto e funzionale legame con il contenitore che la ospita in una logica … preminentemente archivistica“ (p. 30). Tutte queste unità codicologiche sono ascrivibili a mani diverse. La prima e più corposa sezione fu realizzata da due copisti distinti: uno scrivente principale (A) e un aiuto (B), probabilmente dictator e scriptor. L’inedita attribuzione ha permesso finalmente di isolare la scrittura principale di Sp4/1(0), riconoscendola come una semicorsiva – vale a dire una scrittura corsiva nella morfologia, ma posata nel ductus – propria di un professionista della documentazione, forse un notaio di palazzo, formatosi a nord delle Alpi, tra Rezia e Alamannia sul finire del secolo VIII – di qui la „patina libraria“ che connota la sua scrittura (p. 55) – e poi maturato professionalmente in Italia, dove la sua corsiva nuova si consolidò e tipizzò, molto probabilmente presso una località dove esisteva una curia o un Palazzo, vale a dire Milano, Pavia o Lucca. A questa stessa mano l’autore attribuisce ora, grazie a una dettagliata analisi paleografica, anche un secondo codice, il Barb. lat. 679, che raccoglie la silloge di decreti sinodali nota come „Collectio Vaticana“. L’attribuzione permette così di delineare i contorni dell’azione intellettuale di un „ufficiale di cancelleria [che] avrebbe messo in cantiere e realizzato con le sue avventizie competenze librarie per il funzionario con il quale si muoveva e per cui prestava il proprio servizio … due libri d’apparato“ (pp. 56 sg.), utili all’espletamento delle funzioni pubbliche negli ambiti giuridici laico ed ecclesiastico. Probabilmente con l’intento di aggiornare la raccolta giuridica, a breve distanza dalla realizzazione di Sp4/1(0), un altro scrivente (C) aggiunse il fascicolo Sp4/1(1) che contiene i capitoli emanati da Ludovico il Pio tra 818 e 819. La scrittura, una minuscola di classe carolina, colloca lo scriba e la realizzazione dell’aggiunta nell’area di influenza del monastero di Bobbio, che copriva, con patrimonio e dipendenze, l’intero quadrante occidentale del regno. La seconda aggiunta, il fascicolo Sp4/1(2), aggiorna la collezione con i capitoli lotariani dati da Corte Olona nell’823 e nell’825, fu realizzata a breve distanza dalla loro emanazione da due scriventi diversi, D ed E, e mostra caratteristiche del tutto compatibili con la realizzazione in ambito bobbiese. Forse, la stessa abbazia prestò gli scaffali della propria biblioteca all’autorità secolare proprietaria del codice per assicurarne una più competente e garantita conservazione. Grazie a questa prospettiva innovativa, l’interpretazione della lista (Sp4/1(3)) può poggiare su nuovi elementi di riflessione: la lista è in realtà un breve, cioè una scrittura ad uso interno e pratico da parte dell’amministrazione pubblica, non costitutiva di diritti e, per questo, particolarmente soggetta a dispersione. Vergata da una mano effettivamente libraria, essa raccoglie la registrazione di un giuramento di fedeltà da parte di una specifica comunità dell’Emilia orientale, ottenuta dal competente ufficiale pubblico e affidata per motivi conservativi a un suo libro privato, detenuto in custodia presso un’abbazia o un altro ente religioso. Questa ricostruzione ben si sposa con la proposta di Stefan Esders che associa il documento a un crocevia puntuale e significativo nelle vicende del regno italico della metà del secolo IX: la lista sarebbe testimonianza del reclutamento militare che i conti di Modena e Piacenza, Autram e Wilfrid/Wi(c)fred, condussero nell’847 in preparazione alla spedizione meridionale di Ludovico II. A completamento dell’analisi codicologica, il volume si chiude con una ricca appendice, che comprende lo schema complessivo dei fascicoli del codice con i riferimenti ai singoli testi contenuti e un’ampia sezione illustrativa che dà conto dell’esame paleografico condotto sulle diverse scritture che compongono il manoscritto.+TABRE+Edoardo Manarini

David Pratt (a cura di), English Coronation Ordines in the Ninth and Early Tenth Centuries, Suffolk (Boydell & Brewer) 2023 (Henry Bradshaw Society 125), 264 pp., ISBN 978-1-907497-37-7, GBP 60.

Il volume curato da David Pratt presenta delle nuove edizioni (e traduzioni) per i due più antichi testi di unzione regia dell’Inghilterra anglosassone e cioè il „First English Coronation Ordo“ (inizio IX secolo, forse anche fine VIII) e la versione A del „Second English Ordo“ (tardo IX e primo X secolo). Il lavoro dell’editore si pone in linea con l’intuizione di Janet Nelson di studiare gli ordines di incoronazione partendo dall’analisi comparata dei vari testimoni manoscritti e della loro tradizione. Con questo fine, e per sua stessa ammissione, egli punta a emulare, per gli ordines del primo regno inglese, il lavoro portato a termine da Richard Jackson con gli ordines franchi e francesi altomedievali. Le edizioni precedenti (L. G. Wickham Legg 1901 e P. E. Schramm 1934) datano ormai un secolo e risentono di una impostazione di studi che trascura l’importanza della tradizione manoscritta. Tuttavia l’apporto realmente rilevante di questa edizione, oltre a offrire un’analisi rigorosa e completa dei vari monoscritti, sta nel mettere in luce la relazione testuale tra il primo „Ordo“ e la versione A del secondo, senza tralasciare le influenze continentali. Il volume si apre con un’esaustiva introduzione in cui si spiega la necessità della nuova edizione, si presentano le fonti e si delineano alcune grandi questioni (soprattutto relativamente al secondo „Ordo“): la complessa ricostruzione della versione A, la sua datazione e le sue fonti principali. L’edizione è poi divisa in maniera simmetrica tra i due ordines per ognuno dei quali viene presentato un capitolo sulle rispettive fonti manoscritte, una lista delle precedenti edizioni, delle norme editoriali specifiche che aiutano il lettore ad approcciarsi facilmente al testo e, infine, i testi affiancati dal commento di Pratt. Il primo „Ordo“ è presentato in veste di edizione diplomatica (che mancava), con i testi dei vari manoscritti oggi conservati, con minima ricostruzione testuale ed evidenziando le sottili differenze tra i due. Mentre per il secondo „Ordo“ (nella sua versione A) l’autore parte dall’edizione di Nicholas Orchard del Sacramentario di Ratold (2005) e lo compara, su lato sinistro della pagina, con le sue possibili fonti, tanto quelle continentali come lo stesso primo „Ordo“. In conclusione, si tratta di un lavoro realmente necessario per tutti coloro che vogliano dedicarsi allo studio della regalità nell’Alto Medioevo. Si sottolinei infine l’inaspettata, ma alquanto interessante, ultima epigrafe dell’introduzione, in cui si offre una rapida storia dello sviluppo del rituale di incoronazione nei secoli successivi. L’autore mette in risalto l’influenza che ancora oggi ha, nel rito attuale, l’antecedente anglosassone, una chiosa quantomai opportuna se si considera che il volume ha visto la luce nel febbraio 2023, cioè appena tre mesi prima dell’incoronazione di Carlo III del Regno Unito.+TABRE+Giovanni Collamati

Steven Vanderputten (Ed.), Rethinking Reform in the Latin West 10th to Early 12th Century, Leiden-Boston (Brill) 2023, XII, 340 pp., ill., ISBN 978-90-04-54642-4, € 190.

Il volume, a cura di Steven Vanderputten, rappresenta un interessante esercizio di riflessione critica sul costrutto storiografico di „riforma“ nel contesto dell’Occidente latino fra X e inizio XII secolo. Rispondendo alle sollecitazioni di una storiografia profondamente impegnata a rinnovare sé stessa, gli studiosi coinvolti si pongono (e raggiungono) un duplice obiettivo: problematizzare l’uso che del termine „riforma“ è stato fatto in epoca moderna e ridiscutere l’interpretazione data ai processi così definiti, restituendo ad essi complessità e tridimensionalità. La miscellanea – undici capitoli tematici, organizzati in tre sezioni – raccoglie gli sforzi compiuti in questa direzione da alcuni dei più autorevoli studiosi del tema, riunitisi in occasione della conferenza internazionale „Rethinking Reform. Towards a New Understanding of Religious Change, 900–1150“, organizzata presso l’Università di Ghent il 24 e 25 maggio 2019, con il sostegno della Leverhulme Trust. Nell’introduzione Vanderputten chiarisce le prospettive di ricerca alla base del volume: indagare come gli uomini di X, XI e XII secolo hanno vissuto, raccontato e rappresentato gli „intentional changes“ della Chiesa (p. 14); interrogarsi sull’impatto che l’idea di „riforma“ plasmata dagli studiosi del XIX e XX secolo ha avuto sulla nostra comprensione delle trasformazioni che hanno caratterizzato l’epoca medievale; superare una visione monolitica e teleologica del mutamento. La prima sezione, „Deconstructing/Reconstructing Reform“, offre una revisione critica delle tradizionali interpretazioni dei processi di riforma (carolingia, monastica, clericale e papale). Nel capitolo „The Problem(s) with the Carolingian Reform(s)“ Rutger Kramer „umanizza“ le riforme carolingie (p. 27), riconoscendo in esse una tensione costante fra speranza e incertezza. Nel secondo capitolo Vanderputten supera le narrazioni tradizionali sulle riforme monastiche, proponendo una visione più sfumata dei cambiamenti religiosi del periodo. Nel terzo capitolo Brigitte Meijns analizza le riforme clericali e la loro duplice dimensione – personale ed istituzionale – suggerendo l’applicazione di un approccio integrato, capace di far emergere la molteplicità di fattori che hanno influito su di esse (p. 92). Il capitolo sulle riforme papali, a cura di Nicolangelo D’Acunto, oltre ad offrire un utile bilancio storiografico, mostra la complessità di un fenomeno che risulta plurale, decentrato e meno programmatico di quanto la retorica pontificia del tempo abbia lasciato intendere. La seconda sezione („The Societal Dimensions of Reform“) analizza l’impatto delle riforme sulle strutture sociali e sui modelli di comportamento. Robert F. Berkhofer sceglie di concentrarsi sull’influenza delle riforme religiose sui cambiamenti economici e materiali, sulle relazioni sociali fra clero e laicato e sulle pratiche relative a genere e sessualità. Nel sesto capitolo Rachel Stone affronta invece il tema della mascolinità laica e clericale, illustrando come le riforme religiose abbiano modificato le aspettative nei confronti della virilità del clero, enfatizzando purezza e autodisciplina, ma anche le richieste nei confronti del laicato, influenzandone le dinamiche di affermazione sociale. A conclusione della seconda sezione, Catherine Cubitt indaga le trasformazioni della devozione laica nell’Inghilterra di X e XI secolo, utilizzando le fonti documentarie per illustrare l’impatto delle riforme monastiche sulla promozione di un ruolo attivo dei laici nella vita della Chiesa. La terza e ultima sezione del volume („Continuities and Transformations in Texts, Artistic Expressions, and Terminologies“) esamina le modalità di narrazione e di trasmissione delle riforme. Ludger Körntgen cerca di ricostruire le dinamiche riformatrici attraversi l’analisi dei testi e delle pratiche penitenziali, mentre il capitolo scritto a quattro mani da Gordon Blennemann ed Anne-Marie Helvétius, nell’evidenziare la natura funzionale delle agiografie – veri e propri strumenti di promozione degli ideali di riforma – richiama le sfide metodologiche che l’analisi di questa tipologia testuale implica. Dal canto suo, Diane Reilly problematizza il rapporto fra arte, architettura, cultura manoscritta e riforme, mostrando come tali manifestazioni fossero il risultato di una complessa interazione fra tradizioni antiche, esigenze liturgiche, influenze locali. Nell’ultimo capitolo Julia Barrow evidenzia la complessità della retorica riformatrice in un esemplare studio sul linguaggio della riforma: attraverso l’analisi di un’ampia varietà di fonti, l’autrice presenta una panoramica dell’evoluzione diacronica del lessico usato per descrivere il cambiamento, prestando particolare attenzione all’influenza esercitata dai contesti e dai gruppi sociali che di tale linguaggio si servono. Infine, non deve sorprendere l’assenza di conclusioni generali: si tratta di una scelta coerente con gli obiettivi dichiarati del volume, il quale non intende fornire risposte definitive, ma contribuire a una discussione in fieri, fissando in maniera autorevole una serie di punti di partenza per approfondimenti futuri. Da questo punto di vista, la pluralità di prospettive offerte da „Rethinking Reform“ e l’efficacia degli sforzi condotti dai suoi autori in direzione di un superamento delle narrazioni tradizionali rappresentano una felice conferma della ricchezza di un filone di studi che risulta, ancora oggi, tutt’altro che esausto.+TABRE+Maria Vezzoni

Marta Camellini, L’identità normanna. Narrazione e politica tra X e XII secolo, Roma (Viella) 2024 (I libri di Viella 475), 312 pp., ISBN 979-12-5469-533-3, € 34.

Negli ultimi decenni il tema dell’etnogenesi, il processo di costruzione ed evoluzione dell’identità etnica all’interno di una data comunità, ha assunto rilevanza crescente nell’ambito degli studi sulla cosiddetta „diaspora vichinga“, espressione con cui si è soliti riferirsi alla migrazione e all’insediamento, tra VIII e XI secolo, di gruppi di scandinavi in varie regioni d’Europa. Scopo di tali ricerche, in particolare, è quello di indagare se e in quale misura, e sotto la spinta di quali motivazioni, l’integrazione con le popolazioni native avesse comportato, per gli scandinavi, l’abbandono della propria identità etnica di origine in favore di una nuova. In questo filone si colloca il volume di Marta Camellini dedicato alla questione dell’identità normanna, nel quale l’autrice – attraverso un’attenta disamina delle fonti – esplora i legami esistenti tra memoria del passato, identità di gruppo ed esigenze politiche delle élite, con queste ultime rappresentate, nello specifico, dal desiderio di legittimazione della dinastia ducale di Normandia. Sin dall’introduzione vengono esposti in modo chiaro gli obiettivi e la metodologia seguita, così come le fonti primarie consultate. Nei capitoli successivi, dodici in tutto, l’autrice passa in rassegna i singoli aspetti che concorsero alla costruzione dell’identità normanna, verificando di volta in volta le modalità con cui essi compaiono o meno nelle diverse fonti. Più nel dettaglio, i capitoli affrontano in sequenza: la questione delle origini nordiche dei Normanni, in una prima fase „nascoste“ da Dudone di S. Quintino, ma riemerse in epoca più tarda; la figura del capo scandinavo Hasting, che in alcune narrazioni assolve la funzione di incarnare il prototipo del „vichingo cattivo“ in contrapposizione a Rollone, „vichingo buono“; gli etnonimi e gli appellativi utilizzati dai vari autori per definire i Normanni; l’immagine dei primi duchi di Normandia (Rollone, Guglielmo Lungaspada, Riccardo I), quella degli altri duchi fino a Guglielmo il Conquistatore e delle donne della dinastia ducale; i rapporti tra i Rollonidi e gli altri gruppi di vichinghi stanziatisi in Normandia, nonché i rapporti con la Scandinavia e l’Inghilterra; la messa in atto di strategie di legittimazione alternative a quella ufficiale, che mirava a legittimare i duchi, e i Normanni in generale, mediante il nascondimento delle loro origini nordiche; i rapporti tra i Rollonidi e i Franchi, e la rappresentazione di questi ultimi nelle fonti normanne; le differenze di stile, e quindi di pubblico cui le suddette fonti erano destinate; il confronto con le altre „identità normanne“ delineatesi in Inghilterra e in Italia meridionale. Chiude il volume un’ampia e articolata conclusione, in cui il punto di vista e l’impostazione ideologica delle singole fonti sono presentati sullo sfondo del loro contesto storico. In sintesi, lo studio di Camellini evidenzia in modo convincente le varie tappe della costruzione dell’identità normanna, e soprattutto i diversi atteggiamenti assunti dagli autori medievali nei confronti della questione delle origini. Se per Dudone, tra X e XI secolo, era importante ridimensionare – quasi nascondere – l’origine vichinga dei duchi, per gli autori successivi tale argomento perse la sua problematicità, aprendo le porte a un recupero di dettagli e particolari in precedenza considerati scomodi, una evoluzione simile – forse non a caso – a quella che si riscontra nella storiografia scandinava (in particolare danese e norvegese) nel medioevo. Di estremo interesse è poi il capitolo ottavo, che dimostra come il processo di edificazione del ducato sia stato tutt’altro che lineare o immediato, e come la Neustria (futura Normandia) si presentasse frammentata tra i Rollonidi e altri gruppi di vichinghi, stabilitisi nelle zone occidentali e costiere e sottomessi dai primi solo dalla seconda metà del X secolo. A proposito degli appellativi dei Normanni, meno convincente è invece l’ipotesi secondo cui Dudone, nel paragonare gli uomini del Nord ai lupi per l’indole violenta e la ferocia ferina, avesse in mente – oltre alla nota metafora dei lupi e degli agnelli – la tradizione scandinava relativa ai berserkir („guerrieri orso“) e agli úlfheðnar („guerrieri lupo“), entrambi legati al paganesimo e al culto del dio Odino e per questo esplicitamente biasimati e avversati dagli autori cristiani; di contro, poteva forse essere esplorata la possibilità che, dietro l’immaginario lupesco, si celasse anche un riferimento alla figura del vargr („bandito“, ma lett. „lupo“), termine che nella letteratura norrena indica chi era messo al bando per i suoi crimini ed era pertanto costretto a vivere al di fuori della comunità, vagando nei boschi come un lupo. Nel complesso, comunque, la monografia di Camellini, sostenuta da una bibliografia esauriente e aggiornata, presenta un impianto solido e discute con competenza e padronanza un tema, quello dell’identità normanna, tanto centrale nel dibattito storiografico attuale quanto di grande richiamo per il pubblico non specialista (in tal senso si poteva forse offrire al lettore la traduzione dei brani latini più lunghi), proponendosi come sintesi e al tempo stesso punto di partenza imprescindibile per le future ricerche sul tema.+TABRE+Francesco D’Angelo

Stefano Manganaro, Roma e gli Ottoni. Strategie politiche e linguaggi simbolici (951–1002), Spoleto (Fondazione CISAM. Centro italiano di Studi sull’alto medioevo) 2024 (Istituzioni e società 28), VI, 382 pp., ISBN 978-88-6809-412-6, € 52.

Da qualche anno Stefano Manganaro ha operato per rompere un tabù che persisteva tenacemente nella storiografia medievistica italiana: occuparsi della descrizione e dell’analisi dell’età ottoniana, considerata nel senso più letterale del termine, ossia del X secolo visto attraverso la prospettiva delle vicende, dell’ideologia e dei programmi politici che animarono l’azione della dinastia sassone. La storiografia italiana si è poco inoltrata entro un terreno che è stato vigorosamente presidiato – sin dal XIX secolo – da quella tedesca che ha percepito questo segmento della storia altomedievale, anche nelle sue estensioni prettamente riguardanti l’Italia, come parte precipua di quella della preistoria della propria nazione. Se guardiamo ad esempio gli atti della settimana spoletina sul X secolo, risalente al 1990, noteremo che i temi generali più rilevanti riguardanti l’identità del potere imperiale ottoniano (e non solo relativi a come esso si sia espresso entro l’areale geografico tedesco) furono svolti da grandi nomi della storiografia tedesca del secondo Novecento, come Brühl, Keller e Hofmann. Non credo che ciò sia avvenuto per caso, ma derivasse piuttosto dall’idea che trattare certi argomenti spettasse quasi di diritto ai colleghi tedeschi. Manganaro con il suo lavoro ha rotto questo incantesimo, perché i suoi libri parlano degli interna corporis dell’impero ottoniano, senza patire sensi preconcetti di reverenza verso tradizioni che vanno sì debitamente rispettate, ma anche messe alla prova nel confronto delle visuali e delle letture interpretative. Se nel suo primo bellissimo libro, apparso nel 2018, Manganaro aveva affrontato i meccanismi della gestione del potere imperiale soprattutto all’interno del territorio tedesco, in questo secondo volume si parla invece di Italia, ed in particolare di Roma, ma dall’inedito punto di vista (per uno studioso italiano) di come i sovrani „tedeschi“ ed il loro entourage abbiano gestito il rapporto con la città da un punto di vista sia politico sia ideologico. Il lavoro di Manganaro ribalta quindi contemporaneamente due prospettive consolidate e di lunga risalenza nell’analisi di questo periodo e in particolare di come in esso si presentò la „questione romana“, parlandone da italiano che la esamina da una prospettiva tedesca e non romana. Questo approccio, leggendo le pagine del libro, gli ha apparentemente evitato di rimanere prigioniero di una serie di autorevoli luoghi comuni e riflessi condizionati, consentendogli di offrire una visione originale del tema trattato. Il volume si articola in tre capitoli che esaminano ciascuno l’azione verso, o in rapporto a, Roma di ciascuno dei tre sovrani che portarono il nome di Ottone e che, per un cinquantennio (tra il 950 e il 1000 circa), egemonizzarono il potere imperiale. Da questo libro, diversamente che dal precedente, è escluso l’esame del regno di Enrico II: una decisione comprensibile, dato l’assai minor coinvolgimento di questo sovrano con l’Urbe, ma che forse – proprio per questa sua politica che marca una forte distinzione con i tre regni precedenti – avrebbe permesso di approfondire le ragioni, dalla prospettiva sassone, del cambiamento di rotta che avvenne dopo la morte di Ottone III nel 1002. Fatto questo rilievo – che onestamente non mi sento di considerare come una critica ad un lavoro in sé ottimamente compiuto –, si può dire che i tre capitoli rappresentino ognuno quasi tre libri autonomi inseriti entro un unico contenitore. E ciò perché se lo scopo dell’opera è chiaramente unitario ed è quello di descrivere come Roma, in quanto „oggetto del desiderio“ della strategia politica della dinastia sassone, sia stata gestita dai suoi tre rappresentanti, molto diversa è la lente utilizzata per narrare come ciò sia avvenuto nell’azione di ciascuno di essi. Di Ottone I, infatti, è stato scelto di raccontare il lungo cammino di avvicinamento a Roma, collegandone le tappe al più vasto scacchiere geopolitico europeo (ma fortemente ancorato allo scenario tedesco) entro il quale egli si muoveva. In tal senso Manganaro evidenzia opportunamente non solo come Ottone non avesse programmato ab origine la „conquista“ di Roma, ma che essa si è piuttosto delineata nel corso di un ventennio di vicende politico-militari, che hanno reso l’approdo all’incoronazione nell’Urbe come compimento di un progetto egemonico di cui la città eterna fu uno dei vertici, ma non il centro di gravità, dato che la visione del sovrano era principalmente rivolta al consolidamento dell’egemonia sulla Germania e sulle aree ad essa prossime. Ottone II, invece, secondo Manganaro, interpreta Roma come perno di un’azione politica che, per la prima volta dopo le fallimentari esperienze di Ludovico II, intese riaprire all’Impero d’Occidente una prospettiva mediterranea che lo ricollegasse alla visione che di esso aveva avuto Costantino. E in tale ottica il libro esamina – in modo assai affascinante – la vicenda della sepoltura del sovrano nel paradisus di San Pietro in Vaticano. Infine, trattando del breve ma intenso regno di Ottone III, Manganaro sembra prendere posizione in merito all’idea che il sovrano volesse strutturare in modo più profondo la presenza imperiale nell’Urbe per dare maggiore continuità alla visione strategica tracciata dal padre, attribuendo all’azione politica di Ottone III e del suo entourage una capacità di analisi della realtà romana e delle sue componenti aristocratico-clericali che la storiografia in passato ha poco posto in evidenza. Gli esperimenti di costruzione di una nuova „geografia palaziale“ imperiale dentro il perimetro della Città Eterna, che infransero una regola non scritta che risaliva all’età carolingia, è un altro dei nodi più appassionanti che il libro affronta e risolve, e che purtroppo il ridotto spazio di una recensione non permette di commentare adeguatamente. Tuttavia, l’esame di questo aspetto merita davvero un plauso, anche perché rivela in Manganaro una capacità di misurarsi con lo spazio e la topografia dei luoghi che lo ricollega ad una illustre tradizione di confronto con l’archeologia che la più recente storiografia italiana sull’Alto Medioevo sembra francamente se non aver perso del tutto, quanto meno aver molto messo a margine dei propri interessi.+TABRE+Federico Marazzi

Chris Wickham, L’asino e il Battello. Ripensare l’economia del Mediterraneo medievale, 950–1180, traduzione e cura di Dario Internullo, Roma (Viella) 2024 (La storia. Saggi 12), 884 pp., ill., ISBN 979-12-5469-498-5, € 76.

Uscito nel 2023 per Oxford University Press, „The Donkey and the Boat“ propone una disamina critica della storia economica del Mediterraneo capace di intrecciare l’analisi combinata di fonti scritte e fonti materiali a nuove ipotesi sulla crescente complessità che, nei secoli centrali del Medioevo, si osserva in tutte le regioni che si affacciano su questo mare. Si tratta di un libro che ha già sollecitato ampie discussioni tra i medievisti, rintracciabili nelle numerose presentazioni e recensioni apparse nell’ultimo anno sia in Italia che all’estero. Da qui anche l’esigenza di predisporre quanto prima una traduzione in italiano, che è stata curata per Viella da Dario Internullo (Università Roma Tre). Si tratta di un testo scorrevole, che offre a chiunque l’opportunità di immergersi agilmente nella lettura di una stimolante ricerca comparativa. Chris Wickham, professore emerito a Oxford, parte da un implicito benché ovvio presupposto, cioè che la cornice interpretativa della „rivoluzione commerciale“ non aderisca più ai dati che la ricerca storica e soprattutto quella archeologica hanno portato all’attenzione degli studiosi negli ultimi quarant’anni. Al contempo, non è stata proposta alcuna narrazione alternativa e complessiva che sia veramente soddisfacente. Quello della „rivoluzione commerciale“ è un paradigma che è stato dato a lungo per scontato, in particolare dalla storiografia italiana, che ha individuato volentieri nel commercio internazionale un volano per lo sviluppo delle economie cittadine della penisola. L’idea che una „rivoluzione commerciale“ fosse già in atto a partire dal XII secolo nasceva dall’analisi delle fonti accessibili alla metà del XX secolo, quando questo paradigma venne proposto, cioè un numero limitato di documenti provenienti perlopiù dagli archivi di Genova e Venezia. Ciò lasciava fuori sia le fonti in arabo e in ebraico, tra cui le lettere della ricchissima Geniza del Cairo, sia il contributo, allora pressoché inesistente, dell’archeologia. Oltre ad attingere ampiamente ai documenti provenienti dall’Egitto, che sono oggi fruibili in formato digitale nel sito del „Princeton Geniza Project“, l’autore ha fatto per questo volume un uso ampissimo dei dati archeologici, specialmente di quelli riguardanti la produzione e la circolazione delle ceramiche. Queste ultime permettono infatti di ricostruire le reti di scambio regionali e mediterranee, che riguardavano sia le suppellettili in quanto tali, spesso ceramiche invetriate, sia le merci che in esse potevano essere contenute, principalmente grano, vino, e olio. Come sottolineato a più riprese nel corso dei singoli capitoli, le ceramiche costituiscono quasi sempre un proxy per la circolazione di altre tipologie di merci, quelle di cui l’archeologia non riesce a tenere traccia, come per esempio i tessuti. Del commercio di questi ultimi sono le fonti scritte a offrire maggiori informazioni, benché per questa cronologia esse si facciano puntiformi quando non trattano beni di lusso. La mole di nuovi dati provenienti dall’archeologia viene presentata dall’autore in modo chiaro, separato dalla discussione sulle fonti scritte, quindi evitando le argomentazioni circolari che solitamente finiscono per confermare le informazioni provenienti dai documenti con il dato materiale. Si tratta di un importante nodo metodologico, ben noto a coloro che si cimentano in ricerche interdisciplinari, e che l’autore ha tenuto giustamente a esplicitare. È infatti solo dopo aver affrontato singolarmente le fonti scritte e quelle materiali che egli offre un’interpretazione complessiva, accettando che fonti di tipo diverso si prestino a rispondere a domande diverse, non sempre in relazione tra loro. Il volume prende in esame cinque casi di studio e si conclude con una discussione finale, che non manca di dialogare con la teoria economica e di suggerire future piste di ricerca. Le regioni affacciate sul mare Mediterraneo selezionate per lo studio – Egitto, Ifriqyia (Maghreb orientale) e Sicilia, Egeo bizantino, al-Andalus (Spagna e Portogallo islamici), e Italia centro-settentrionale – sono quelle per cui la ricerca storica e quella archeologica hanno raggiunto i risultati più significativi, rendendo quindi applicabile un approccio comparativo. Per ognuna di esse viene fornito un sintetico ma efficace stato dell’arte, che sottolinea l’originalità dell’analisi proposta. Esso mette inoltre in evidenza come le singole storiografie si siano spesso concentrate su problemi diversi, che nel caso italiano e spagnolo appaiono sovente legate a discorsi nazionali/nazionalistici. Si tratta di aree che nel periodo in esame presentano modelli politici diversi, in alcuni casi statuali e in altri, come in quello del Regno italico e della penisola iberica, nel pieno della frammentazione politica, ma che risultano per molti versi disomogenee anche dal punto di vista economico. Se l’Egitto presenta senz’altro l’economia più complessa e interconnessa, le altre regioni si caratterizzano ciascuna per livelli di produzione, connettività e integrazione dei traffici dissimili, all’interno dei quali il commercio mediterraneo non rappresenta mai l’elemento più rilevante. La tesi che attraversa tutto il libro riguarda infatti la necessità di guardare dall’interno al processo di crescente complessità attraversato dalle singole economie regionali, processo che non viene peraltro quasi mai inficiato da scontri e mutamenti politici. L’autore individua nella domanda interna di beni di largo consumo il volano per la formazione di economie regionali complesse, le quali, una volta consolidatesi, interagivano in modo crescente anche con le altre regioni del Mediterraneo. Non fu quindi il commercio di beni di lusso trasportati via nave e acquistati dalle élite a provocare un’accelerazione nell’economia mediterranea. Furono invece i „consumi di massa“ a muoverla verso un’integrazione crescente, cioè la domanda di quei prodotti – trasportati via nave, ma più spesso a dorso d’asino – che i gruppi sociali più umili iniziarono ad acquistare in misura crescente. Ciò fu possibile grazie al loro arricchimento, che derivava, come sovente accade nelle economie pre-capitaliste e senz’altro in quella dell’Europa medievale, dalla terra. Sebbene non sia qui possibile entrare nel dettaglio, l’autore pone infatti attenzione anche ad aspetti quali l’estrazione di affitti e la tassazione, aspetti che gli permettono infine di ipotizzare una diminuzione dei pagamenti imposti ai contadini in questa specifica cronologia, quindi anche un aumento della loro domanda. In conclusione, quindi, il volume si presenta come uno scrigno di stimoli nuovi per la storiografia, sia dal punto di vista metodologico sia da quello della storia e della teoria economica, stimoli che non mancheranno di essere discussi e sviluppati nell’immediato e nel prossimo futuro.+TABRE+Giulia Zornetta

Borders and the Norman World. Frontiers and Boundaries in Medieval Europe, ed. by Dan Armstrong/Áron Kecskés/Charles C. Rozier/Leonie V. Hicks, Woodbridge (Boydell & Brewer Ltd) 2023, 416 pp., ill., ISBN 978-1-78327-785-8, GBP 85.

Il volume raccoglie 13 contributi di diversi giovani ricercatori e professori che si sono interrogati riguardo ai confini nel mondo normanno. Fin dall’introduzione, curata da due dei quattro editori, Dan Armstrong e Áron Kecskés, si sottolinea come l’intento dell’opera sia duplice: da una parte „to provide a study of the borders of the Norman World, and on the other, to show how perceiving borders as instruments opens up new vistas of research for the historian“ (p. 1). L’opera si inserisce all’interno di un vasto dibattito relativamente al ruolo dei „confini“, delle „frontiere“ e dei „limiti“. Un dibattito che viene analizzato sempre nell’introduzione, dimostrando una padronanza da parte dei curatori della storiografia sia generale che specialistica riguardante questi temi ma anche del carattere di novità che il volume possiede, come dimostra l’avvertenza della necessità di ridefinire per ogni singolo contributo il significato di questi termini (pp. 2–6). Di particolare importanza è stato il progetto „The Norman Edge: Identity and State-Formation on the Frontiers of Europe“ e le due miscellanee che da esso sono scaturite, pubblicate nel 2013 e nel 2019. I curatori infatti vedono il presente volume quale continuatore e successore di questo progetto, anche se la presente opera è contraddistinta da un focus „much tighter, on the borders of a set of places located within the Norman World“ (p. 8). In effetti la seconda parte dell’introduzione è proprio dedicata alla definizione del lessema „mondo normanno“, „a conceptual category encompassing the spatial, socio-political, and intellectual spheres relating to the Normans as a gens“ (p. 10), il tutto nell’arco temporale che va dalla fine del X al XII secolo, un periodo fondamentale per l’emergere dell’Europa medievale, e analizzando soprattutto il regno d’Inghilterra, il ducato di Normandia ed i vari potentati che verranno a formare dal 1130 il regno di Sicilia. I confini di ogni sorta diventano quindi dei tools, degli strumenti che vengono riadattati dai diversi protagonisti in ognuno dei tredici contributi qui raccolti. Il volume è diviso in tre sezioni: 1) „Borders In and Around the Norman World“, che si concentra soprattutto sui physical features, le frontiere fisiche, che includono elementi naturali come può essere il Mar d’Irlanda (come nel saggio di Caitlin Ellis, in realtà un confine poroso, pp. 17–42), confini di regioni come nel caso dello stesso Ducato di Normandia o della Northumbria o anche elementi costruiti dall’uomo, come nel caso del saggio di Áron Kecskés (pp. 99–121), dove si prendono in esame le mura della enclave papale di Benevento nel regno normanno dell’Italia meridionale che servono a separare fisicamente la città dall’entroterra dominato dai Normanni, oppure i suoi ponti, luogo spesso scelto da parti in conflitto per negoziare una pace. 2) „Ecclesiastical Borders“ prende invece in considerazione le relazioni tra il papato ed i signori laici ed ecclesiastici e come ad esse possa essere applicato metaforicamente il concetto di confini e frontiere. Di particolare importanza i saggi di Maria Vezzoni (pp. 125–148) e di Dan Armstrong (pp. 149–170). Se la prima si sofferma sulle relazioni di papa Alessandro II con i Normanni del Sud Italia, della Normandia e del regno d’Inghilterra e sulle continue negoziazioni che la definizione di questi che sono visti come „confini“ ogni volta richiedono al fine di espandere le rispettive autorità, introducendo il concetto di coopetizione, ossia di competizione ed allo stesso tempo cooperazione, Dan Armstrong prende invece in esame i rapporti tra il papato di Gregorio VII, l’arcivescovo di Canterbury Lanfranco e l’Irlanda, sottolineando l’importanza per Roma di ricorrere a degli hubs, a dei centri da cui si dipanavano dei networks di amicizie per poter raggiungere le zone più periferiche della Christianitas. 3) „Conceptual Boundaries“ che prende in esame l’importanza di ricorrere a limiti concettuali sia per quanto riguarda le fonti medievali che per quanto riguarda la storiografia a noi contemporanea. Mark Hagger (pp. 273–300) analizza il ruolo dei confini in Guglielmo di Jumièges, fonte che narra le vicende dei primi sette duchi di Normandia ed in cui i confini stessi servono da misura del prestigio, della potenza militare e dell’autorità dei duchi, e nell’„Historia Ecclesiastica“ di Orderico Vitale in cui, oltre ai confini del ducato di Normandia (che variano a seconda della forza del duca), viene dato particolare risalto anche a quelli della sua abbazia, Saint-Evroult, e dei suoi possedimenti. Marie-Agnès Lucas-Avenel (pp. 301–330) si concentra invece sulle fonti che sono state genericamente raggruppate sotto l’etichetta di „storiografia normanna“, proponendo una divisione invece tra quelle dell’Italia meridionale e quelle prodotte invece nel ducato di Normandia e nel regno d’Inghilterra attraverso tre possibili soluzioni: eliminando l’aggettivo etnico che accompagna il termine „storiografia“, mantenendolo oppure chiamandola „storiografia italo-normanna“ (la soluzione preferita dall’autrice). Chiudono il volume le „Afterwords“, affidate alla penna di Leonie V. Hicks (pp. 359–366), soffermandosi in particolare sull’importanza dei landscapes e dei seascapes. Per concludere, questa miscellanea è un ottimo lavoro che si distingue per le novità sia in termini di approccio che di contenuto dei saggi. Entrambi gli aspetti sono da sottolineare perché non scontati, viste le numerose opere che si sono occupate del „mondo normanno“ anche dal punto di vista dei confini. Proprio il focus sui borders visti come tools che devono essere ridefiniti ogni volta si rivela invece una strategia vincente nell’economia dell’opera. Da sottolineare un’attenzione alla storiografia internazionale anche più recente (vengono citate opere in inglese, tedesco, francese, italiano che si ritrovano anche in un’utile bibliografia finale). Buono il bilanciamento dei contributi che toccano tutte le principali aree geografiche di stanziamento dei Normanni. Un volume quindi sicuramente utile sia per gli specialisti del Norman world ma anche per tutti i medievisti, che potranno trovare spunti interessanti nell’approccio metodologico qui adottato e che può essere replicato vantaggiosamente in altri ambiti di ricerca.+TABRE+Enrico Veneziani

Vincenzo Roberto Imperia, I vescovati nella Sicilia normanna (secc. XI–XII). Potestà normative e competenze giurisdizionali in un territorio multiculturale, Palermo (Palermo University Press) 2022 (History, Law & Legal History 7), X, 345 pp., ISBN 978-88-5509-469-6, € 25.

Despite the extent of scholarly writing about various aspects of the Church on the island of Sicily in the Norman period, we still lack a comprehensive monograph on this subject. Unfortunately, for all its virtues – and there are some – this book by Vincenzo Roberto Imperia does not fill that gap. This is largely due to the approach and structure, which are curiously old-fashioned. Most of the book is devoted to a diocese by diocese discussion, in which the author follows the episcopal succession, bishop by bishop, and discusses all the known evidence, charter by charter. There follow four brief thematic chapters, concerning multiculturism, the non-Christian inhabitants of the island, the Greek Church and episcopal lordship. Only the last of these chapters has much connection with what has come earlier, and that chapter, the briefest of these four, is limited to discussion of a small number of agreements between bishops and the Latin inhabitants of their dioceses or episcopal seats concerning dues owed to the bishop as their lord. The diocese by diocese / document by document approach is thus very similar to that adopted in the well-known monograph by Lyn White, „Latin Monasticism in Norman Sicily“, published as long ago as 1938. That was a genuinely pioneering work, but more than eighty years later, and with much more of the source material available in print, such an approach is much less justifiable. Furthermore, the author’s coverage of the Sicilian bishoprics is incomplete, for he only discusses in detail seven of the ten Sicilian dioceses, including Malta, which in the twelfth-century was a suffragan of the archbishopric of Palermo, but omitting the archbishopric of Messina and its two suffragan sees at Cefalù and Lipari-Patti. The justification for this omission is first that some of the relevant documentation is as yet unpublished amid the largely Greek charters from Messina in the Archivo Medinaceli at Seville/Toledo, and secondly that a recent monograph has been published about the bishopric of Lipari. Such reasoning is to say the least perverse. If the intention with the coverage of the other sees is completeness, then why only leave out a substantial part of the island? This is all the less justifiable because, whereas the surviving documentation for the dioceses of Malta, Mazara and Syracuse is very limited, and that for Catania only a little fuller (and some of it only surviving in the work of a seventeenth-century antiquary), both Cefalù and Lipari-Patti are much better documented. There is also a substantial documentation about the see of Messina in print. Furthermore, it should surely have been possible to have given some indication of what documentation relevant to the archbishops and their diocese there is in the Medinaceli archive, which has after all been explored by several scholars in recent years. What has been said so far might imply a very negative verdict about this book. Notwithstanding the strictures above, that is not entirely the case. While a really penetrating book on this subject requires a more strictly analytical approach, Imperia’s book will still prove useful to other scholars. The diocese by diocese discussion is scholarly, and those in search of research material for study of the Sicilian Church during the twelfth century will find this an invaluable guide. The thematic chapters at the end are sensible enough, even if they do not contribute a great deal new. Occasionally the discussion might be taken further. For example, when discussing the brief period when Stephen of Perche was archbishop-elect of Palermo, Imperia limits himself to the account of the so-called Hugo Falcandus, without much critique. One might note that the reason why Stephen was never consecrated was because he was below the canonical age, and also that it appears that Alexander III only recognised his successor Walter as archbishop after Stephen had died. But the discussion of the charters is helpful, and will in particular guide the researcher through the scattered publications of early modern antiquaries such as Rocco Pirri, Gian Battista de Grossis and Antonio Mongitore, on which we perforce often have to rely. So while this is not the comprehensive work on the Church in the island of Sicily that we might have hoped, it will still prove a useful resource for other scholars.+TABRE+Graham A. Loud

Nicola Naccari, La città del sole. Primato romano ed ecclesiologia nella corrispondenza papale verso l’Oriente greco (XI–XIII sec.), Bologna (Bologna University Press) 2024 (alphabet 27), 246 S., ISBN 979-12-5477-409-3, € 25 (URL: https://buponline.com/prodotto/la-citta-del-sole/ ISBN online 979-12-5477-409-0, open access).

Die vorliegende Arbeit wurde 2017 als Dissertation (dottorato di ricerca) an der Università degli studi di Bologna in der Fachrichtung Byzantinistik (Prof. Salvatore Cosentino) eingereicht und ist auf dem Publikationenserver der Universität Bologna open access zugänglich (URL: https://amsdottorato.unibo.it/8229/1/Nicola_Naccari_Tesi.pdf; 27.2.2025). Für die verbesserte wissenschaftliche „Sichtbarkeit“ ist es aber zu begrüßen, dass eine weitgehend unveränderte Version bei Bologna University Press nun auch als Verlagspublikation erschienen ist. Der Verfasser geht darin der viel diskutierten Frage nach, wie sich vor dem Hintergrund des päpstlichen Anspruchs des primatus ecclesiae Romanae die theoretische Argumentation und die praktische Umsetzung in den Kontakten zwischen römischer und griechischer Kirche im Zeitraum vom sogenannten Schisma von 1054 bis zum Vierten Lateranum 1215 entwickelt haben. Die Untersuchungsbasis bilden päpstliche Schreiben an byzantinische Kaiser oder Patriarchen von Konstantinopel, aber auch die Korrespondenz der griechischen Seite wird gebührend einbezogen. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt entsprechend der Fragestellung auf dem Problemkreis des Primats, weitere dogmatische (filioque), liturgische (z. B. die Verwendung von Azymen oder gesäuerter Brote) und administrative Streitpunkte auf Bistumsebene (vor allem in Diözesen mit gemischtem Ritus) treten dabei zurück. Nach einer ausführlichen Einleitung (S. 9–16), in der der Autor zunächst seinen methodologischen Ansatz präsentiert, nämlich die Berücksichtigung der Interdependenz zwischen Ekklesiologie und Politik mit dem Ziel aufzuzeigen „… che valenza reale poteva avere per Roma un dialogo e un confronto dottrinale con l’Oriente greco“ (S. 11), dann als Ausgangspunkt das sogenannte Schisma von 1054 analysiert, bieten die folgenden Kapitel (Kapitel 1 bis 5, S. 17–159) im chronologischen Ablauf wichtige Beispiele der Korrespondenz zwischen verschiedenen Päpsten und Entscheidungsträgern im christlichen Osten. Der zeitliche Rahmen erstreckt sich vom Briefwechsel zwischen Gregor VII. und dem Kaiser Michael VII. Dukas (1073) bis zur Korrespondenz zwischen Innozenz III. und Kaiser Alexios III. Angelos bzw. dem Patriarchen Johannes X. Kamateros (1198–1202). Die Kapitel 6 und 7 (S. 161–201) behandeln die päpstliche „Ostpolitik“ vom Vierten Kreuzzug (1204) bis zum Vierten Laterankonzil (1215). In Umsetzung seiner methodologischen Vorgabe analysiert der Verfasser ausgewählte Quellen vor dem Hintergrund der jeweils aktuellen politischen Lage. Während das Axiom des Primats Roms in diesem Zeitraum nie in Frage gestellt wurde, sind Wortwahl und Schwerpunkt der Argumentation den unterschiedlichen Kontexten entsprechend durchaus variabel. So betont z. B. Gregor VII. in der schwierigen Phase des Investiturstreits das gegenseitige Verhältnis von mater und filia sowie den Gedanken der utilitas für beide Seiten. In der Korrespondenz zwischen Urban II. bzw. Paschalis II. und Alexios I. Komnenos standen Fragen der commemoratio und dogmatischer Natur im Vordergrund. Relativ eindeutig Stellung bezog Hadrian IV.: Auf der Basis einer strengen Auslegung von Mt. 16,18 wurde Rom als caput mater et magistra in der direkten Petrusnachfolge definiert. Diese rigorose Haltung verstärkte sich unter Innozenz III. in den Jahren vor dem Vierten Kreuzzug: Rom ist die sponsa Christi, der Papst verfügt über die plenitudo potestatis. Gleichzeitig verstärkten sich auch antilateinische Tendenzen in Byzanz. Mit dem Kreuzzug von 1204 wurde diese Idee gleichsam in die Praxis umgesetzt, die Lehre der Universalkirche unter der unumstrittenen Führung des Papstes wurde durch das Vierte Lateranum auch kirchenrechtlich verbindlich. Bei der umfangreichen Forschungslage, die in einer ausführlichen Bibliographie (S. 227–246) und zahlreichen instruktiven Fußnoten deutlich wird, und der begrenzten Quellenlage sind im Detail keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse zu erwarten. Durchaus überzeugend ist freilich die innovative Gesamtbewertung durch den Verfasser (S. 203–224). Er unterscheidet zwischen drei Interpretationsebenen, einer „analytischen“, die die Entwicklung des Primatsgedankens (in der Betonung der Petrusnachfolge, der Definition Roms als caput et mater omnium ecclesiarum und schließlich der plenitudo potestatis als vicarius Christi) nachzeichnet, einer „historischen“, die diese Entwicklung völlig zurecht (vielleicht an einigen Stellen zu ausschließlich) in den historischen Kontext und somit gewissermaßen in die „Staatsräson“ einbettet, und einer „ontologischen“, die die Frage stellt, ob bei allen Kontakten eine echte Kirchenunion überhaupt von beiden Seiten als möglich angesehen wurde. Auf der Basis der „Unionsbemühungen“ nach 1215 muss diese Frage in der Tat verneint werden. Allerdings war mit den Ereignissen von 1204 das Schisma wohl unwiederbringlich Realität geworden. Die vorliegende Veröffentlichung zeigt exemplarisch, dass sich auch die Beschäftigung mit einem gut erforschten Forschungsthema lohnt und interessante Ergebnisse bringen kann. Die Lektüre kann folglich unbedingt empfohlen werden, zumal die Veröffentlichung parallel in elektronischer und gedruckter Form erfolgte. Aufgrund des nicht unbedingt idealen Druckbildes (mit fast fehlendem Bundsteg und Seitenrändern) ist in diesem Fall eventuell die Online-Version vorzuziehen.+TABRE+Thomas Hofmann

Albert Dietl/Harald Buchinger/Elisa Di Natale (Hg.), Zwischen Rom und Mailand – Liturgische Kircheneinrichtungen des Mittelalters in Italien. Historische Kontexte und interdisziplinäre Perspektiven, Regensburg (Schnell & Steiner) 2024 (Forum Mittelalter. Studien 21), 253 pp., ill., ISBN 978-3-7954-3886-9, € 39,95.

Nell’affascinante lingua tedesca la parola Einrichtung può assumere diversi significati: essa si può riferire sia all’insieme degli arredi di uno spazio sia a un ordinamento istituzionale, nella fattispecie ecclesiastico. Tale polisemia si riflette nei contributi del volume che raccoglie gli atti del convegno celebrato a Regensburg nel gennaio 2019 nell’ambito delle iniziative del „Forum Mittelalter“ e del DFG Graduiertenkolleg 2337 „Metropolität in der Vormoderne“, attivi presso l’università della suddetta città. Dopo una lunga attesa è ora possibile fruire dei risultati di quell’incontro di studi: le ragioni di tale ritardo (motivate da vicissitudini organizzative) sono enunciate da Albert Dietl nel „Vorwort“, dove si offre una concisa panoramica del volume suddiviso in quattro sezioni secondo un criterio sia geografico (I. Rom; II. Mailand; III. Toskana und Süditalien) sia tematico (IV. Von Löwen, Vögeln und Kanzeln: Tiersymbolik). Circa le ragioni scientifiche sottese a questa partizione non è dato sapere, sicché l’impressione è che manchi un filo conduttore in grado di unire i contributi proposti nel volume. Nondimeno, ogni autore dimostra senza dubbio la propria competenza relativamente al singolo tema. I contributi della prima sezione riguardano la città di Roma, naturale punto di partenza per quel che riguarda le tematiche liturgiche ed ecclesiastiche nell’Occidente latino. Sible de Blauuw dipinge un ampio affresco sul ruolo delle principali chiese nell’Urbe durante i secoli centrali del Medioevo: un tema tanto affascinante quanto complesso, ma che trova una sua mens espositiva nell’enfasi sull’importanza della liturgia stazionale in rapporto alla fioritura delle cerimonie papali a partire dal secolo XI. Di carattere più mirato sono le osservazioni di Jochen Johrendt circa la processione condotta dai canonici di S. Pietro alla Chiesa di S. Spirito in Saxia, un rito che, come convincentemente proposto dall’autore, va compreso nell’annosa rivalità tra i capitoli vaticano e lateranense. Non è certo un caso se a promuovere la celebrazione di tale processione nella domenica dopo l’Ottava dell’Epifania furono papi provenienti dal clero di S. Pietro (Innocenzo III in primis), intenzionati a creare un contrappeso rituale all’antica processione dell’Acheropita custodita nella Sancta Sanctorum del palazzo lateranense verso l’icona della Salus populi Romani in S. Maria Maggiore nella notte del 15 agosto. Di segno prettamente storico-artistico è l’intervento di Valentino Pace, il quale fornisce una chiave interpretativa per l’austera assenza di ricche decorazioni tipicamente romaniche negli amboni del XI e XII secolo sopravvissuti e ancora oggi apprezzabili presso basiliche come S. Clemente, S. Lorenzo fuori le mura e S. Maria in Cosmedin. Secondo l’autore tale austerità forse serviva, almeno dal punto di vista estetico, quale contrappeso alla magnificenza delle decorazioni absidali. I due saggi della seconda sezione hanno come oggetto la provincia ecclesiastica di Milano: se Maria Pia Alberzoni ricostruisce il lungo percorso della Chiesa di Ambrogio (dalle origini fino al XIII secolo inoltrato), evidenziandone il valore identitario per l’autocoscienza cittadina di Milano, Michele Baitieri si concentra sul sinodo tenuto nella cattedrale di S. Tecla nel 969 per quel che riguardava l’unione delle due sedi suffraganee di Alba e di Asti e dei relativi sforzi profusi dai metropoliti ambrosiani a cavallo del Mille per tutelare la proprie prerogative di carattere giurisdizionale sulla propria provincia ecclesiastica. La terza sezione si apre con due saggi relativi all’area lucchese. Segnatamente, Benjamin Brand rilegge la scelta architettonica dell’antica cripta dedicata a S. Senesio, un tempo presente nella chiesa di S. Pietro: trattandosi di un martire romano, si dovette procedere – nella temperie culturale della Riforma – a sottolineare il legame con l’Urbe attraverso l’impiego di una cripta circolare, allorché essa era ormai divenuta una scelta stilisticamente obsoleta. L’approfondita analisi di Paolo Tomei permette di collocare la realizzazione di decorazioni liturgiche in area lucchese con lo sviluppo sociale attestato tra XII e XIII secolo: tale fenomeno rese possibile la committenza di opere artistiche connotate da forti influenze provenienti da maestranze alloctone, come dimostra – per esempio – la decorazione del presbiterio di S. Giacomo e Cristoforo in Barga nella Valle del Serchio. Il celebre battistero di Firenze è al centro dell’ampio contributo di Albert Dietl, nella fattispecie un’epigrafe proveniente dall’antica costruzione romanica che reca lacerti dell’inno „Audite vocem hymno“ („Analecta Hymnica Medii Aevi“ 23/31), individuato grazie a una collazione con i testimoni manoscritti che tramandano il testo e contestualizzato nelle antiche pratiche liturgiche battesimali. Andrew J. M. Irving si cimenta con un tipo di medium assai celebre: i rotoli dell’Exultet. Nel contributo l’autore offre una disamina sulla raffigurazione del pulpito nell’apparato decorativo, mettendo in risalto il ruolo centrale del chierico tradizionalmente incaricato del canto del preconio pasquale: il diacono. La quarta e ultima sezione del volume, di taglio squisitamente storico-artistico, si compone di tre saggi che hanno comune denominatore il significato delle figure zoomorfe in alcuni luoghi liturgici (Elisa Di Natale), manoscritti (Stefano Resconi) e arredi sacri (Fabio Scirea). In essi si tenta un’interpretazione simbolica (e/o narrativa) di tali immagini sulla base dell’esegesi biblica coeva o più antica, nonché sulla letteratura relativa consegnataci dai bestiari tardo-antichi e medievali. In ultima analisi il presente libro offre certamente numerosi dati e ipotesi; tuttavia, avrebbe senz’altro giovato qualche parola conclusiva o un inquadramento più articolato dei contenuti, che nel loro insieme appaiono forse poco coesi.+TABRE+Alberto Spataro

Sofia Orsino, La biblioteca della Badia Fiorentina. Storia della collezione manoscritta e catalogo dei codici latini (secoli XI–XVI), Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2023 (RICABIM, Texts and Studies 5. Biblioteche e archivi 42), X, 356 S., Abb., ISBN 978-88-9290-272-5, € 160.

Gegründet wurde die Badia Fiorentina 978 von Willa, der Markgräfin von Tuszien. Ihr Sohn Hugo sorgte für die wirtschaftliche Absicherung der benediktinischen Familiengründung und schrieb sich als zweiter Wohltäter in die memoria der Abtei ein. In der Klosterkirche liegt er begraben. Das Kloster wurde reich beschenkt und privilegiert. Päpste und Kaiser gehörten zu den Gönnern, vor allem aber einige florentinische Adelsfamilien, die „ihrer“ Kirche über lange Jahrhunderte hinweg die Treue hielten. Blütezeiten und Schwächephasen wechselten sich ab. Nach einer Zeit des moralischen und wirtschaftlichen Verfalls im 14. Jahrhundert stieg die Badia im 15. Jahrhundert zu einem der Zentren des florentinischen Humanismus auf. Dieser Aufstieg ist mit dem Namen einer Person verbunden, dem aus Portugal stammenden Reformabt Gomes Eanes. Als Newcomer und unbelastet von Verbindungen zu den lokalen Entscheidungsträgern konnte Eanes sein Reformprogramm ab 1420 rasch und umfassend verwirklichen. Die Erfolge sprachen für sich. Sofia Orsoni beschreibt die turbulente Geschichte der Abtei in den ersten beiden Kapiteln ihrer nun im Druck vorliegenden, an der Università degli Studi di Firenze entstandenen Dissertation, deren eigentlicher Fokus auf den Beständen der Klosterbibliothek liegt. Ist ein erster Teil der Arbeit der historischen Kontextualisierung gewidmet (S. 3–100), enthält ein zweiter Teil den Katalog der lateinischen Handschriften (S. 103–205), ergänzt im dritten Teil durch einige Anhänge (S. 207–303). Dazu gehören der Abdruck von zwei Bibliotheksinventaren des 16. bzw. 18. Jahrhunderts ebenso wie die in Form von Regesten erschlossenen Informationen zur Bibliothek mit ihren Handschriften bis ins Jahr 1550 und eine Handschriftenkonkordanz (die den Vergleich mit den Angaben in der älteren Literatur erleichtert). 16 hochwertige Farbtafeln vermitteln einen Eindruck von der Gestalt der beschriebenen Kodizes. Der Großteil der mittelalterlichen Buchbestände stammt aus dem 15. Jahrhundert – lediglich zwölf Handschriften sind zweifelsfrei auf die Zeit zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert zu datieren. Das schnelle Anwachsen der Bibliothek ab 1420 ist zum einen der generell stark wachsenden Buchproduktion bzw. Kopiertätigkeit in Florenz, zum anderen aber auch der Freigiebigkeit eines Mannes geschuldet: Antonio Corbinelli (1376–1425), der etwas untertreibend als „collezionista di manoscritti e studioso dei classici“ (S. 19), mit einer besonderen Vorliebe für die griechisch-lateinische Antike beschrieben wird. Corbinelli sammelte mit großem Eifer, durchforstete den Buchmarkt, beschäftigte Kopisten – und hatte am Ende eine Bibliothek zusammengetragen, auf die selbst Poggio Bracciolini neidisch war. Den testamentarischen Zuschlag erhielt die Badia. Die Schenkung selbst stellt ohne jeden Zweifel den „primo nucleo significativo della biblioteca“ (S. 22) dar. Über Quantität und Qualität des Transfers informiert ein wohl zeitgleich mit diesem entstandenes und im Anhang abgedrucktes Inventar. Der Frage, welche Personen sich hinter den in den Handschriften erkennbaren unterschiedlichen Händen verbergen, wird detailliert nachgegangen, und über genaue Schriftvergleiche werden Hypothesen zu humanistischen Netzwerken formuliert, in die Corbinelli eingebunden gewesen sein könnte. Dem gilt es in Zukunft noch weiter nachzugehen. Fest steht, dass sich in Corbinellis Besitz Handschriften befanden, die „alcune delle prime realizzazioni in assoluto della littera antiqua umanistica“ (S. 34) darstellen. Nachgespürt wird in diesem Zusammenhang auch der Frage, in welchem Umfang sich die Badia auf dem Florentiner Buchmarkt engagierte. Die Sammlung wuchs und zählte zu Beginn des 16. Jahrhunderts über 700 griechische und lateinische Handschriften. Die Herkunft der Kodizes war dabei ebenso breitgefächert wie ihr Inhalt – Einzelpersonen treten ebenso wie monastische Institutionen als Donatoren in Erscheinung. Auf umfangreiche Vorarbeiten konnte die Autorin bei der Beschreibung des Umgangs mit bzw. der Erfassung und Verwaltung von im Kloster vorhandenen Buchbeständen zurückgreifen. Dort, wo keine Vorarbeiten vorlagen, durchforstete sie vorhandene Inventarlisten und Buchkataloge, die insbesondere seit dem 17. Jahrhundert von dem Bemühen zeugen, Ordnung in die Masse der Bücher zu bringen. Hervorragendes leistet sie bei der Identifizierung vieler Kodizes, die aus der Bibliothek der Badia ab dem 17. Jahrhundert verschwanden, in den Bibliotheken privater Sammler landeten, um schließlich auf Auktionen versteigert und den Beständen von so großen Bibliotheken wie der Bodleian Library in Oxford einverleibt zu werden. Das endgültige Aus für die Badia kam mit der französischen Besetzung von Florenz. 1808 wurde von den Besatzern die Schließung aller Klöster verfügt. Orsino beschreibt das bürokratische Procedere bei der Erfassung der Buch- und weiterer Kunstbestände und den Transfer in zentrale Depots mit den nahezu unvermeidlichen (kriminell motivierten) Abgängen ausgesprochen anschaulich. Der Großteil des Handschriftenbestands landete in zwei Florentiner Bibliotheken: der Biblioteca Laurenziana und der Biblioteca Magliabechiana. Eine tabellarische Auflistung mit der (aus Inventaren und Katalogen erschlossenen) konkreten Anzahl der Handschriften und gedruckten Bücher in unterschiedlichen Jahren, d. h. von der Liste eines Corbinelli über den im 15. Jahrhundert entstandenen Katalog (mit 775 gelisteten griechischen und lateinischen Kodizes) bis hin zu den kurz vor der Auflösung zu Beginn des 19. Jahrhunderts erstellten Inventaren, wäre sicherlich hilfreich gewesen. So muss man sich die diesbezüglichen Angaben vergleichsweise mühsam auf den 100 Seiten der Einleitung zusammensuchen. Der Katalog präsentiert die lateinischen Handschriften in alphabetischer Ordnung nach dem derzeitigen Aufbewahrungsort. Auf die aktuelle Signatur folgt ein Verzeichnis aller älteren Signaturen, die Datierung, die mögliche Verzeichnung in einem Inventar und schließlich die eigentliche Beschreibung der Handschrift samt ihrer Wandergeschichte. Jeder Eintrag endet mit Verweisen auf die einschlägige Forschungsliteratur. Orsino ist es gelungen, das Schicksal von 210 lateinischen, einst in der Badia verwahrten Handschriften zu rekonstruieren – eine hervorragende Arbeit, die nur auf der Grundlage einer tiefgreifenden Kenntnis des einschlägigen umfangreichen Quellenmaterials geleistet werden konnte.+TABRE+Ralf Lützelschwab

Maximilian Nix, Widerständiges Wissen. Widerstandskonzeption und Wissensproduktion in den theoretischen Kontroversschriften um 1100, Husum (Matthiesen Verlag) 2023 (Historische Studien 517), 339 S., ISBN 978-3-7868-1517-4, € 49.

Mit der vorliegenden Untersuchung wurde der Autor 2020 an der Eberhard Karls Universität Tübingen promoviert. Sie entstand im Rahmen eines von der DFB geförderten Graduiertenkollegs „Religiöses Wissen im vormodernen Europa (800–1800)“. Im Grunde ist die Beschäftigung mit der Zeit um 1100 schon seit mehreren hundert Jahren immer wieder in den Fokus der Forschung geraten, die Beiträge sind kaum noch zu überblicken. Selbst die hier im Mittelpunkt stehenden Kontroversschriften wurden schon häufig monographisch oder in Aufsatzform behandelt, wenngleich in den letzten Jahren eher seltener (S. 17). Jedoch die Frage der Schilderung von Widerstand in diesen Schriften ist bislang noch wenig behandelt worden. Nix fragt nach den „institutionellen Bedingungen, welche die Produktion der Texte und Handschriften beeinflusst haben“ (S. 27). Darüber hinaus stehen die (vor allem religiös-biblische) Vorlage und der Umgang damit sowie die Selbstdarstellung des Autors in der Quelle im Mittelpunkt. In einem zweiten Schritt wird dann die Behandlung von Widerstand untersucht, beispielsweise indem gefragt wird, auf welche Autoritäten sich in welchem Kontext gestützt wird. Leider ohne Begründung in der Einleitung, in der auch die methodischen und theoretischen Grundlagen präsentiert werden (S. 11–33), ist die Auswahl der Quellen. Gewählt wurden der „Liber de unitate ecclesiae conservanda“ (S. 34–99) des Anonymus aus Hersfeld, der „Tractatus de regia potestate et sacerdotali dignitate“ (S. 100–150) aus der Feder von Hugo von Fleury, die „Normannischen Traktate“ (S. 151–220) sowie die „Summa Gloria“ des Honorius Augustodunensis (S. 221–274). Die Schriften werden nacheinander in chronologischer Reihenfolge analysiert. Die Interpretation mit dem „Liber de unitate“ befasst sich vor allem mit dem Brief Papst Gregors VII. an den Bischof Hermann von Metz aus dem Jahr 1081, in dem der Papst die Rechtmäßigkeit der Bannung von König Heinrich IV. im Jahr 1080 zusammenstellt. Der Anonymus stellt eine Replik auf die Ausführungen dar, dass die Treueide gegenüber dem Salier nicht auflösbar wären. Er stützte sich dabei auf kanonistische Sammlungen und Florilegien, dagegen jedoch erstaunlich selten nur auf Bibelzitate. Geschickt konstruiert der Anonymus seine Argumentation dahingehend, dass Widerstand gegen den Papst grundsätzlich nicht möglich, jedoch wenn dieser einer Fehleinschätzung bei der Lösung der Treueide obliegt hätte, zulässig sei. Dagegen lehnt Hugo von Fleury grundsätzlich jede Form des aktiven Widerstands ab, lediglich in Form von Gebeten sei passiver Widerstand möglich. Wann „Widerstand legitim oder verwerflich ist“, das liege immer bei Gott (S. 148). Die „Normannischen Trakte“ weist Nix mehreren Autoren zu, die teilweise zusammenhängen und sogar eine „gemeinsame Zielrichtung“ (S. 181) hätten. Plausibel macht der Verfasser deutlich, dass es sich um eine Art „diskursive Erarbeitung der Thematik“ (S. 220) handelt. Problematisch erscheinen immer die Kontextualisierung der einzelnen Textabschnitte und vor allem die Anlässe für die Abfassung, um eine genauere Ausarbeitung der Thematik Widerstand zu vollziehen. Eine Ausnahme stellt die „Summa Gloria“ dar, in der fast vollständig auf Zitate und auch ansonsten auf den Nachweis der Herkunft von Informationen verzichtet wird. Darüber hinaus ist in dieser Schrift einzig nachweisbar, dass zum aktiven Widerstand bewusst aufgefordert wird, den der Autor biblisch legitimiert. In einem ausführlichen Fazit (S. 275–296) fasst Nix die Beobachtungen zusammen. Ein Appendix mit der Übersicht über die „Normannischen Traktate“, ein Abkürzungs-, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Register runden die insgesamt interessante Studie ab. Sie ist zweifellos inhaltlich und manchmal auch sprachlich (viele Schachtelsätze) keine leichte Lektüre, besticht aber durch die klare Gliederung, leider nicht immer durch die Fähigkeit des Verfassers, sehr komplexe Sachverhalte eindeutig und verständlich zu interpretieren. Zweifellos wird die Arbeit in der Forschung rezipiert werden und gibt hoffentlich auch Anlass zur vertiefenden Erforschung von weiteren Werken aus dem Bereich der Kontroversschriften.+TABRE+Timo Bollen

Alberto Cotza/Markus Krumm (a cura di), Storiografie italiane del XII secolo. Contesti di scrittura, elaborazione e uso in una prospettiva comparata, Firenze (Firenze University Press) 2024 (Reti Medievali E-Book 47), 354 S., ISBN 979-12-215-0402-6, € 32.

Die Herausgeber des Tagungsbandes verfolgen, wie sie in ihrer prägnanten Einleitung formulieren, ein doppeltes Anliegen (S. 1–20): Zum einen der pragmatischen Dimension der italienischen Geschichtsschreibung des 12. Jahrhunderts nachzuspüren, also Entstehungskontexte, causae scribendi und Darstellungsabsichten zu erhellen; zum anderen die Meistererzählung von den „zwei Italien“ zu durchbrechen. Zunächst widmen sich Eugenio Riversi und Sebastian Brenninger der Historiographie als Gabe. Riversi zieht zur Auswertung der „Vita Mathildis“ Genettes strukturalistische Erzähltheorie heran. Er kann intertextuelle Bezüge zu Klosterschriftgut aufzeigen. Die „Vita“ sei an den Hof gerichtet, aber vorwiegend im Kloster rezipiert worden (S. 23–46). Brenninger bietet eine Neubewertung des „Liber ad honorem Augusti“ des Petrus de Ebulo, bei dem es sich nicht um Hofhistoriographie, sondern um das Buchgeschenk einer Gruppe kaisertreuer Salernitaner handele, mit dem sie Kaiser Heinrich VI. von ihrem Bischofselekten überzeugen wollte (S. 47–76). Die zweite Sektion behandelt Geschichtsschreibung als juristisches Plädoyer. Alberto Cotza arbeitet nicht nur für die „Gesta triumphalia per Pisanos facta“, die im Umfeld der Kathedrale entstanden sind, anschaulich den Einfluss von Richtern und Rechtsgelehrten auf Textgenese, -gestalt, -vermittlung und -nutzung heraus (S. 79–106). Vera von Falkenhausen erkennt in der Chronik von „Tres Tabernae“, die nach dem Tod des Grafen Gaufredus von Loritello (1145) zu datieren sei, den Versuch, mithilfe von echten und gefälschten Papstprivilegien die Einrichtung und Grenzen der Diözese von Catanzaro zu legitimieren (S. 107–127). Sodann steht Historiographie im Kontext von Parteienstreitigkeiten im Fokus. Nicolò Galluzzo verdeutlicht, dass die beiden Translationsberichte zu den 1087 nach Bari gelangten Reliquien des hl. Nikolaus von Myra das Produkt zweier städtischer Gruppierungen im Ringen um ebenjene Reliquien und den Episkopat darstellten. Der eine Autor, Nicephorus, sei ein im Umfeld der Bischofskurie tätiger Protonotar gewesen, der seinen Bericht 1089 im Rahmen der päpstlichen Weihe von neuer Kultstätte und gewähltem Erzbischof abgefasst habe (S. 131–150). Gianmarco De Angelis verortet den „Liber Pergaminus“ des Moses de Brolo anders als bisher in die frühen 1130er Jahre und im Zusammenhang der verworrenen Beziehungen zwischen politischen Parteiungen und Stadtkirche (S. 151–164). Graham Loud macht für die bis 1138 reichenden Fortsetzungen der Klosterchronik von Montecassino, die auf Guido und Petrus Diaconus zurückgehen, die bedrohten Besitzrechte, die verschlechterten Beziehungen zum Papsttum sowie den Dissens innerhalb der Klostergemeinschaft als Themenschwerpunkte aus (S. 165–184). Die Geschichte von Siegern und Besiegten fokussiert die vierte Sektion. Enrico Faini nimmt mit dem „Liber Cumanus“ ein episches Opus in den Blick, das aus Comasker Sicht den verlorenen Konflikt mit Mailand 1118–1127 behandelt. Er spricht sich für die Authentizität des Werks aus, ermittelt überzeugend die „Ilias Latina“ als literarisches Modell, postuliert einen extralokalen Verwendungszusammenhang und vermutet weitere verlorene Geschichtsdichtungen (S. 187–206). Stephan Pongratz veranschaulicht, wie unterschiedlich Pandulf und Boso im Abstand von nur 30 Jahren mit ihren Fortsetzungen des „Liber pontificalis“, jeweils vor dem Hintergrund von Schismen, über Sieg und Niederlage schrieben (S. 207–223). Die fünfte Sektion gilt Geschichtswerken lokalpolitisch aktiver Laien. Markus Krumm macht das „Chronicon“ Falcos von Benevent als parteiisches Wissensangebot eines profilierten lokalen Notars und Richters für die päpstlichen Rektoren aus, mit dem jener auf deren Wissensdefizit und die veränderte politische Situation reagierte (S. 227–252). Knut Görich betont die identitätsstiftende und wertevermittelnde Funktion der Chronik der iudices Otto und Acerbo Morena für die junge Kommune Lodi und unterscheidet zwischen Zeitgeschichtsschreibung des Ersten und Gegenwartsgeschichtsschreibung des Zweiten (S. 253–278). Richard Engl wertet die Randzeichnungen der „Annales Ianuenses“ (BnF, Lat. 10136) aus, datiert jene zu Caffaros Teil nach 1166 und jene zu Obertos Abschnitt in die Jahre 1169–1173. Er deutet sie als visuelles Verweissystem und – wie den Text – als einheits- und identitätsstiftend (S. 279–307). Zwei Aufsätze stehen separat: Fulvio Delle Donne demonstriert am Anonymus Vaticanus das kontinuierliche Umschreiben einiger historiographischer Aufzeichnungen, weshalb Textbausteine wie Kompilatoren schwer auszumachen seien und ein pragmatischer Nutzen anzuzweifeln sei (S. 311–323). Christoph Dartmann beleuchtet die Gewaltnarrative bei Landulf von St. Paul und in der „Narratio de Longobardie obpressione et subiectione“, die historiographisch auf persönliches Scheitern antworteten, um ihre Positionen zu rechtfertigen (S. 325–341). Der akkurat redigierte Sammelband besticht durch eine kohärente Ausrichtung und zahlreiche überzeugende Neubewertungen. Das kostenlose E-Book vereinfacht hoffentlich, dass diese wichtige Publikation gebührend rezipiert wird.+TABRE+Giuseppe Cusa

Guido Cariboni/Caterina Ciccopiedi/Nicolangelo D’Acunto (a cura di), L’abbazia di Morimondo nei secoli XII e XIII. Prospettive interdisciplinari, Spoleto (Fondazione CISAM. Centro italiano di Studi sull’alto medioevo) 2023 (Incontri di studio 19), XXII, 414 S., ISBN 978-88-6809-400-3, € 52.

Die zwischen Mailand und Pavia gelegene Zisterzienserabtei Morimondo wurde 1134 vom burgundischen Mutterkloster Morimond aus gegründet. Nach nur zwei Jahren wurde das Kloster um wenige Kilometer verlegt. Reiche Schenkungen flossen ihm zu. In Spitzenzeiten gehörten rund 50 Mönche und 200 Konversen zu Morimondo. In die politischen Auseinandersetzungen zwischen Mailand und Pavia wurde die Abtei immer wieder mit hineingezogen. Ergebnis waren in den Jahren 1237, 1245, 1266 und 1314 Plünderungen und Brandschatzungen. Die 1798 erfolgte Aufhebung des Klosters infolge der napoleonischen Umwälzungen beendete ein jahrhundertelanges Dahindämmern. Mit der Glanzzeit des Klosters im 12. und 13. Jahrhundert beschäftigt sich ein Sammelband, der vieles von dem, was bisher über Morimondo bekannt war, zusammenfasst und bestätigt, in dem sich aber auch viel Neues finden lässt. Guido Cariboni eröffnet den Band mit einer luziden Analyse des sozialen, politischen und kirchlichen Kontextes, der die Gründungsphase der Abtei begleitete („La fondazione. Contesti sociali, politici ed ecclesiastici milanesi negli anni trenta del XII secolo“, S. 1–11), während Giacomo Campagna sich der aufgrund der Quellenlage nicht einfachen Aufgabe stellt, die Besitz- und Rechteakkumulation während der ersten Jahrzehnte der Existenz zu rekonstruieren und dabei auch der Rolle dreier lokaler Adelsfamilien (de Ozeno, de Alliate, de Mairola) nachzuspüren („La società e la costruzione del territorio monastico a Morimondo nel XII secolo“, S. 13–51). Mit der Ausbildung des patrimonium monasterii beschäftigt sich auch Laura Bertoni und weist dabei eine „precisa intentionalità nel dirigere la propria espansione“ (S. 207) nach, die zur Ausbildung einer Art territorialen Schutzgürtels um die Abtei führte („La gestione patrimoniale“, S. 183–209). Hier wie in vielen weiteren Beiträgen dient die nahezu zeitgleich gegründete Zisterzienserabtei von Chiaravalle – noch etwas näher an Mailand gelegen – als überzeugendes Vergleichsbeispiel. Morimondo und Chiaravalle werden dabei als „una coppia di abbazie che potremmo definire quasi ‚anomala‘“ begriffen (S. 4). Gute Beziehungen unterhielt die Abtei auch zum Reich, was von Stefano Manganaro im Rahmen einer kleinteiligen Auswertung von nur sieben überlieferten Diplomen der Jahre 1174 bis 1236 gezeigt wird – völlig zu Recht wird dabei auf die „frammentarietà del panorama documentario“ (S. 55) hingewiesen. Der höchste Grad an Königsnähe wurde dabei während der Herrschaft Ottos IV. und in den ersten Jahren der Regierungszeit Friedrichs II. erreicht („I rapporti dell’abbazia di S. Maria di Morimondo con l’Impero nel riflesso della tradizione documentaria“, S. 53–97). Herausragend nicht zuletzt aufgrund seiner methodischen Durchdringung ist der Beitrag von Luca Fois, in dem nicht nur Listen der Äbte und Prioren von Morimondo in den ersten beiden Jahrhunderten des Bestehens erstellt, sondern die Amtsträger, ihre Herkunft, Karrieren und Aktivitäten auch detailliert präsentiert werden. Ergebnis ist eine Art Abteigeschichte im Kleinen („Cronotassi degli abati tra XII e XIII secolo e note per una storia della comunità monastica di Morimondo“, S. 99–180). Unbedingt lesenswert sind auch die Ausführungen von Simona Gavinelli zur Bibliotheksgeschichte von Morimondo unter besonderer Berücksichtigung des Wirkens von Beltramo de Reoldis, der im Übergang vom 13. zum 14. Jahrhundert in der Abtei als Schreiber, Bibliothekar und Thesaurar wirkte („Tradizione grafica e culturale a Morimondo“, S. 211–280). In einem Appendix wird der Inhalt zweier aus Morimondo stammender, heute in Como (Biblioteca del Seminario Vescovile, Morimondo 5, 6) verwahrter Passionale beschrieben. Am selben Ort ist heute eine Gruppe von Handschriften zu finden, deren um 1170–1180 entstandene Miniaturen eine große Nähe zu den von Algisio da Pirovano für die Mailänder Kathedrale in Auftrag gegebenen Codices aufweisen. Möglichen Kontakten zwischen den beiden Skriptorien in Mailand und Morimondo spürt Milvia Bollati nach („Manoscritti miniati per l’abbazia di Morimondo nel XII secolo“, S. 281–290). Bau- und kunstgeschichtliche Erkenntnisse liefern die mit zahlreichen Abbildungen in schwarz-weiß versehenen Aufsätze von Silvia Beltramo („L’architettura della Chiesa. I cantieri e i temi costruttivi“, S. 291–332), Paolo Mira („Riflessioni e scoperte recenti sull’architettura e l’arte dell’abbazia di Morimondo“, S. 313–352) und Luigi C. Schiavi („Finiture e sistemi decorativi in contesti cisterciensi lombardi“, S. 353–373). Die sorgfältig lektorierte, durch einen Namensindex erschlossene Aufsatzsammlung bildet den status quo der Forschungen zu Morimondo, einer Zisterzienserabtei „tipicamente atipica“ (S. 375), zuverlässig ab. Zu wünschen wäre eine Weiterführung der Arbeiten hinein in das innerhalb der Ordensforschung nach wie vor stiefmütterlich behandelte späte Mittelalter.+TABRE+Ralf Lützelschwab

Rowan Dorin, No Return. Jews, Christian Usurers, and the Spread of Mass Exclusion in Medieval Europe, Princeton-Oxford (Princeton University Press) 2023 (Histories of Economic Life), 392 pp., ISBN 978-0-691-24092-3, USD 49,95.

Il bel libro di Rowan Dorin, non lunghissimo (circa 230 pagine di testo), ma molto denso e fondato su un’ampia erudizione e un attento spoglio documentario, è intitolato „No Return“ in maniera forse alquanto sorprendente: „Nessun ritorno“. Davvero nessun ritorno? Come sa perfettamente l’autore, nel Medioevo talvolta gli ebrei e gli usurai espulsi potevano tornare. Anzi, nel caso delle espulsioni con uno scopo prevalentemente economico, la possibilità di un loro ritorno, seguito poi da una nuova espulsione, era pienamente presa in considerazione da chi era al potere. Sicché la Francia dei secoli XII–XIV sembra conoscere un vero e proprio via vai di ebrei accettati, cacciati (e derubati) o minacciati di espulsione, ri-accolti, espulsi ancora, e così via. Del resto, la possibilità di questo ritorno è presente già nel primo paragrafo del libro, che racconta come a Liegi, nel 1302, dopo un’espulsione decretata dal vescovo, i prestatori tornarono presto in città e ripresero la loro attività. Il vero oggetto del libro non è quindi la questione dell’impossibilità del ritorno, bensì la storia della diffusione dell’esclusione di massa (ossia l’allontanamento forzato da parte dell’autorità di intere categorie di persone dai confini che li espelle), che poteva colpire sia usurai cristiani che ebrei nell’Europa medievale, dal XII al XV secolo. Uno dei grandi, numerosi meriti di „No Return“ è la considerazione dell’espulsione come fenomeno unitario, riunendo in una sola analisi storica l’espulsione di ebrei e quella di prestatori non ebrei. Perché, se è certamente legittimo inserire le espulsioni di ebrei nel contesto delle altre azioni repressive antiebraiche dello stesso periodo, è altrettanto legittimo esaminarle nella prospettiva delle espulsioni contemporanee di altri gruppi. Ora, l’espulsione di prestatori non ebrei è stata meno studiata: di conseguenza, nella bibliografia si è spesso sopravvalutato il criterio religioso, effettivamente forte nel caso francese, ma meno in quello inglese. Si legge, infatti, a p. 102 che, mentre in Inghilterra la storia dell’espulsione era guidata dalle ansie nei confronti degli stranieri, in Francia era piuttosto definita da preoccupazioni spirituali. Questo legame tra usura ed espulsione è l’intuizione fondamentale del libro: le numerose espulsioni di ebrei avvenute nel Medioevo non possono essere comprese appieno senza tenere conto di questa associazione, sia nella retorica che nella prassi. Gli stati europei che decisero l’espulsione degli ebrei, decisero anche l’espulsione degli usurai stranieri cristiani. Fortunatamente, questa intuizione fondamentale non porta l’autore a una eccessiva generalizzazione del concetto di espulsione. Al contrario, egli sottolinea con forza le molte sfumature e diversità dei casi che tale concetto ricopre: i due gruppi erano espulsi con decreti differenti, talvolta in maniera contemporanea, ma più spesso in momenti distinti (e frequentemente prima i „lombardi“, poi gli ebrei). Anche le motivazioni variavano parecchio: potevano essere economiche (riempire le casse) o politiche (affermare il potere), come ritengono spesso gli storici. Tuttavia, queste non erano né potevano essere le motivazioni ufficiali addotte dalle autorità: l’autore ricorda infatti che non si potevano espellere gli ebrei solo perché tali, ossia con la sola giustificazione della fede cristiana. Non sempre, ma il più delle volte, era necessario un motivo legale per cacciarli. L’autore si interessa dunque anche delle motivazioni manifeste e non solo, come si fa di solito, dei „veri“ motivi dell’espulsione, quelli non detti. Un’altra distinzione importante, spesso dimenticata, è quella tra espulsione (verso l’esterno) e allontanamento o reinsediamento all’interno dei domini del potere che espelle (in inglese relocation), ossia verso località più grandi dello stato, che non è la stessa cosa di un’espulsione. Abbiamo finora parlato dell’espulsione, ma anche l’usura è un concetto dai contorni complessi e dalle accezioni variabili: si passa dalla visione rigoristica secondo cui qualsiasi guadagno ottenuto grazie a un prestito è peccaminoso, a concezioni più flessibili che definiscono usuraio solo chi applica un tasso superiore a un certo limite, fino all’estremizzazione secondo la quale tutta la ricchezza degli ebrei provenga dall’usura e che, dunque, tutti gli ebrei siano usurai. Senza dimenticare l’accezione metaforica della parola „usuraio“, che permette di accusare di „giudaizzante“ chiunque si dedichi ad attività economiche contestate, aprendo la possibilità di identificare come ebrei tutti i prestatori. La storia che il libro espone in maniera magistrale è quella della diffusione, osservata tra il XII e il XIII secolo, dell’espulsione collettiva, definita „strumento ricorrente del governo reale sia in Inghilterra che in Francia“ (p. 27). La ricostruzione, sostanzialmente cronologica, delle vicende antiebraiche e antiusuraie in Inghilterra e poi in Francia è condotta con grande cura e si basa su una straordinaria sintesi della vasta letteratura esistente in merito. Ma ancora più straordinario è l’uso estensivo delle fonti ecclesiastiche nelle parti 2 e 3 del libro, che permette una riflessione nuova e approfondita sulla circolazione e sulla cosiddetta „disseminazione“ dei testi e delle idee. Un approccio raffinato e prudente, perché, come si sa, la diffusione di un’idea non ne implica automaticamente l’attuazione: ancora in pieno Medioevo esistevano prestatori in Occidente e contro l’espulsione si osservava spesso una „diffusa riluttanza episcopale“. Emblematico è lo studio del canone conciliare Usurarum voraginem del Concilio di Lione II (1274), considerato dall’autore più rilevante per la sua ricerca del più noto Concilio Lateranense IV (1215). Usurarum voraginem stabilisce infatti un legame tra usura ed espulsione, in seguito normalizzato e diffuso in tutta la Cristianità, un fenomeno studiato dall’autore attraverso un’ampia documentazione, che forse gli permette di proporre la parte più innovativa del libro. Non possiamo che raccomandarne la lettura: un’opera chiara e densa, che offre una sintesi della vicenda delle espulsioni di questi due gruppi nell’Occidente medievale e permette di comprendere meglio la storia religiosa, politica ed economica della costruzione delle categorie di usurai, prestatori, ebrei e stranieri. A chi, come i lettori delle QFIAB, si interessa di storia italiana, segnaliamo che l’autore osserva, in nota a p. 265, che su questo tema „la letteratura in materia per l’Italia è vasta, ma attende una sintesi generale“.+TABRE+Pierre Savy

Elena Maccioni, I tribunali mercantili nei comuni italiani. Giustizia, politica, economia (secoli XII–XV), Roma (Viella) 2024 (I libri di Viella 479), 300 S., ISBN 979-12-5469-559-3, € 30.

Mit „I tribunali mercantili“ legt Elena Maccioni einen breit gefächerten und profunden Forschungsbericht über Entstehung, Entwicklung und Bedeutung von Handelsgerichten im Italien des 12. bis 15. Jahrhunderts vor. Es besteht kein Zweifel daran, dass die rechtliche und institutionelle Regulierung von lokalen, regionalen und überregionalen Märkten sowie der ihnen vorgelagerten Produktion ein epochenübergreifendes Thema mit aktueller Reichweite ist. Maccioni begibt sich auf die Erkundung der mittelalterlichen Handelsgerichtsbarkeit in drei Schritten: Zuerst entwirft sie eine ausführliche Skizze zu den beiden Seerepubliken Genua und Venedig, unternimmt dann einen kleinschrittigen Streifzug durch das Italien der Po-Ebene und schließt mit der Darstellung der eher gut erforschten Situation in der Toskana. Da im Königreich Neapel-Sizilien der Herrschaftsausbau tendenziell von oben nach unten erfolgte und somit wesentlich anderen Prinzipien unterlag, als dies auf der nördlicheren Apenninenhalbinsel der Fall war, integriert die Autorin diesen geographisch-typologischen Bereich nicht in ihre Untersuchungslinie. Ihr Ausgangspunkt ist die bereits klassische Forschung zur Handelsrechtsgeschichte und zu den Zünften von der zweiten Hälfte des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts. Breite Aufmerksamkeit widmet sie den Studien, die besonders seit den späten 1980er Jahren, wie etwa durch Stephan R. Epstein in Anlehnung an die New Institutional Economy, wieder aufgenommen wurde und die in den letzten Jahren reichhaltige Züge angenommen hat. Damit schiebt sich der hier vorliegende synthetische Überblick in den Zusammenhang von ökonomischer Expansion des Handwerks bzw. Handels seit dem 12. Jahrhundert und sich zeitgleich entwickelnder Herrschaftsstrukturen. Das Ergebnis ihres Vergleiches ist die hochgradige Differenzierung der beiden als kategorisch verschieden angenommenen Grundtypen von Handelsgerichtsbarkeit: Hier die Hafenstädte Genua und Venedig mit der spezifischen Schwäche der korporativen Elemente und der eher weniger erforschten Rolle der mercanzie für die Herrschaft, dort die Binnenstädte mit ihren starken Zünften und ihrem ausgeprägten Bezug auf korporative Momente in ihrer Verfassung. Im ersten und längsten Teil des Buches nimmt sich Elena Maccioni die beiden Seerepubliken Genua und Venedig als Sonderfälle vor. In den zwei Hafenstädten spielte der gesamte handwerklich-produktive Bereich keine Rolle im herrschaftlichen Gefüge. In Genua liefen politische Formation und Expansion des Textilsektors weitgehend synchron, aber unverkoppelt ab. Mit dem Banco di San Giorgio entstand eine Art Parallelstaat, welcher die ökonomische Führungsschicht mit der kolonialen Ausweitung der Herrschaft verknüpfte. Während das Officium Robarie für den Schutz der auswärtigen Handelsleute vor genuesischer Piraterie und das Officium Gazarie für die eigenen Fernhandelskaufleute verantwortlich zeichneten, wachte die mercanzia über die Banktransfers. Seit 1403 hatten offiziell beauftragte Vertrauensleute, sensali, jede Transaktion zu registrieren. In Venedig demgegenüber schlossen die Reformen von 1270/1271 praktisch jede Form handwerklicher Selbstorganisation aus. Seit 1244 bereits übernahm die vom Maggior Consiglio eingesetzte Curia di Petizion die Aufgaben der Handelsgerichtsbarkeit. Auch am Rialto konnten zünftische Institutionen keine tragende Funktion erwirken, weil die adelig-patrizische Seehandelselite mit der Staatsführung identisch war. Bei der Einbettung der Handelsgerichtsbarkeit in die Institutionalisierungsprozesse in den Städten der Po-Ebene verfügen wir über weitaus weniger Forschungsdaten als im Fall der Toskana. In diesem Zusammenhang erscheint es Elena Maccioni notwendig, hinsichtlich des Bedeutungsgewinns der universitas mercatorum, bis ins 12. Jahrhundert zurückzugreifen. In den Zentren der Tuchproduktion und des Textilhandels wie in Mailand, Pavia, Verona, Piacenza und Cremona lässt sich ein erheblicher Einfluss der handwerklichen Gewerke und der Kaufmannschaften auf die politische Verfasstheit erkennen. In Verona etwa regulierte die Domus Mercatorum die überregionalen Handelsverbindungen. Dabei formierten sich die Herrschaftsinstitutionen im Spannungsfeld zwischen Kaufleuten und zumeist adeligen Stadtherrn. Während des wirtschaftlich und sozial äußerst dynamischen 13. Jahrhunderts prägten die mercanzie die Verfassung der stadtherrschaftlichen Ämter wie den podestà del comune oder den capitano del Popolo. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts und im frühen 15. Jahrhundert gewannen allerdings die Adelsherrschaften unter den Signori aus dem zunehmend mächtigen Hause der Visconti, besonders unter Giangaleazzo Visconti († 1402) sowie dessen Sohn Filippo Maria, an Einfluss über die korporativen Strukturen der produzierenden Gewerbe und der Kaufmannbankiers. In der Toskana bildeten sich die Handelsgerichtsbarkeiten erst im 14. Jahrhundert heraus und bauten auf gut eingespielten und effektiv institutionell verfassten Zunftorganisationen auf. Dies müsste nach Mario Ascheri auch der entscheidende Grund dafür sein, dass neben einer spezifischen Neigung zur Verschriftlichung und zur Archivierung die im Jahre 1308 gegründete Florentiner Mercanzia über einen außergewöhnlichen Aktenschatz verfügt. In Florenz erscheint die Handelsgerichtsbarkeit als Instrument der elitären Herrschaftssicherung der in den großen Zünften – Calimala, Lana, Cambio, Por Santa Maria und Medici e Speziali – organisierten Kaufmannbankiers, wohingegen in Siena und Pisa jeweils mehrere mercanzie als Handelsgerichtsbarkeiten in verschiedenen Zusammenhängen fungierten. Elena Maccioni schließt ihre drei typologisch-geographisch angeordneten Kapitel mit einer kurzen Zusammenfassung. Dabei unterstreicht sie, dass beim Prozess der Herrschaftsbildung das kritische Moment in der Koinzidenz von Entwicklung der Stadtregierung und von merkantilen Korporationen bestand. In den Hafenstädten Genua und Venedig war die Handelsgerichtsbarkeit nicht Teil des Machtkampfes um die Herrschaft, während sich in den Städten zunächst der Po-Ebene und phasenversetzt der Toskana das korporative Element zünftischer Prägung jeweils in den governo del Popolo einschrieb. Elena Maccioni liefert durch ihre präzise und anregend argumentierende Vorgehensweise einen grundlegenden Beitrag zur Entwicklung von Herrschaft der mittel-norditalienischen Städte in einem langen Institutionalisierungsprozess zwischen Hoch- und Spätmittelalter sowie allgemein einen wichtigen Baustein zur Stadtgeschichte.+TABRE+Heinrich Lang

Urkundenbuch des Stifts Bardowick. Lüneburger Urkundenbuch, 2. Abteilung, bearb. von Ingo Schwab unter Mitwirkung von Dieter Brosius/Thomas Stürmer/Jörg Voigt, Göttingen (Wallstein Verlag) 2024 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 311), 955 S., ISBN 978-3-8353-3738-1, € 64.

Das Urkundenbuch (UB) des Kanonikerstifts St. Peter und Paul in Bardowick nahe Lüneburg setzt die Tradition der Fondseditionen für Niedersachsen fort, die bei den welfischen Fürstentümern Lüneburg und Calenberg bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht und nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen wurde, mit der Folge, dass Niedersachsen unter den Bundesländern in dieser Hinsicht heute als Spitzenreiter gelten kann. Derartige Fondspublikationen durchdringen die Überlieferung in einer Weise, die weit über das hinausgeht, was in Datenportalen auffindbare Regesten aus Archivrepertorien bieten, ganz abgesehen davon, dass Archivregesten in der Regel Abschriften von erhaltenen oder verlorenen Originalen nicht erfassen. Im vorliegenden Fall hat sich der Bearbeiter, in jungen Jahren im niedersächsischen Landesarchivdienst stehend, die Edition des Bardowicker Bestandes vorgenommen, konnte sie aber wegen seines Ausscheidens aus dem Landesdienst nicht in einem Zug bewältigen. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er sein Vorhaben mit Leidenschaft und Zähigkeit über Jahre nebenbei weiterverfolgt und als Pensionär zu Ende geführt hat, wobei ihm stete Unterstützung aus Niedersachsen (durch Dieter Brosius) sicher war. Erschwerend kam hinzu, dass viele Stücke des im Landesarchiv Abt. Hannover aufbewahrten Bestandes vom Hochwasser der Leine von 1946 geschädigt sind, einem Umstand, dem im Einzelfall nur durch akribische Arbeit mit sekundärer Überlieferung zu begegnen ist. Während die bisherigen Bestandseditionen für Niedersachsen ganz überwiegend Klöster und Augustinerchorfrauenstifte betreffen, haben wir es bei Bardowick mit einem weltlichen Kollegiatstift zu tun. Da sind nicht nur Grundstückstransaktionen, Abtretung von Nutzungsrechten und dergleichen zu erwarten, sondern Quellen über statutarische Bestimmungen, über Pfründenangelegenheiten, geistliche Stiftungen bis hin zu testamentarischen Verfügungen und Nachlassinventaren. Das Bardowicker UB vereint von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zum Schlussjahr 1543 nicht weniger als 844 rechtserhebliche Texte (mit Schwerpunkt auf dem 14. und 15. Jahrhundert), die von einer Vielzahl von Ausstellern stammen wie den Bischöfen von Verden, den welfischen Landesherren, den Ratsherren der Stadt Lüneburg und den Landadeligen des Fürstentums. Auch die römische Kurie ist mit Urkunden vertreten, und so findet man Urkunden aus der päpstlichen Kanzlei und von Rotarichtern in extenso ediert, Stücke, die im Index der Orte unter dem Stichwort Rom aufgefunden werden können (Rotaurkunden z. B. UB Nr. 439, 448, 557). Bislang unbekannt waren zwei Expektativenbriefe der Kanzlei, die zum Massenexpektanzdatum des 1. April 1465 unter Paul II. ausgestellt sind (UB Nr. 548). In den päpstlichen Registern fehlt zu den beiden Urkunden eine Spur, dafür liefern die Register in diesem Fall aber ergänzende Angaben zum Begünstigten (Theodericus Sartoris in Repertorium Germanicum Bd. 9 Nr. 5790). Bei zwei als Inserte örtlich überkommener, aber unlesbarer Papsturkunden vom 20. Februar 1486 wären Abschriften in den Kanzleiregistern für die Rekonstruktion des Textes hilfreich gewesen (UB Nr. 694); solche Abschriften sind aber nicht überliefert, was dem Regestenkontingent von Sven Mahmens zu künftig „Repertorium Germanicum“ Bd. 11 zu entnehmen ist. Das Stift umfasste 23 Kanonikerstellen, die bis auf zwei Stellen bischöflicher Kollation aufgrund von Zuwahl besetzt wurden und abgestuft zwölf Großpräbenden, fünf mittlere und sechs kleine Präbenden zur Grundlage hatten (1379, UB Nr. 371). Die Bardowicker Institution überragt damit an Kanonikaten deutlich das Verdener Domkapitel, das nur 15 Domherren zählte. Der Reichtum des Kapitels in Bardowick gründete sich auf Grundbesitz und Anteilen an der Lüneburger Saline. So konnten die Inhaber der großen Präbenden 1381 dazu verpflichtet werden, aus den Erträgen der Salzpfannen befristet Summen abzuzweigen (UB Nr. 374), die dazu beitrugen, die große Hallenkirche des 15. Jahrhunderts entstehen zu lassen, welche sich bis in die heutigen Tage samt dem Chorgestühl vom Ende des 15. Jahrhunderts erhalten hat. Die von Thomas Stürmer erarbeiteten Indizes der Eigennamen machen den reichen personengeschichtlichen Ertrag der Publikation deutlich. Künftige Forschungen werden dieses Material über die Institution hinaus in regionale Zusammenhänge einbetten können. Flicht man auch noch die im „Repertorium Germanicum“ nach Personen aufbereitete Kurienüberlieferung ein, so hat man beste Chancen, den regionalen Weltklerus und sein Ausgreifen in die Nachbarzonen in den Griff zu bekommen. Einer Pilotstudie in dieser Hinsicht steht nichts mehr im Wege. Gleichermaßen von Interesse ist, dass aufgrund des reichen Materials von Bardowick das Funktionieren eines Kollegiatstifts in vielen Facetten wird sichtbar gemacht werden können, wovon Untersuchungen zu Stiften gleichen Typs in hohem Maße profitieren werden.+TABRE+Ulrich Schwarz

Innocenz III., Honorius III. und ihre Briefe. Die Edition der päpstlichen Kanzleiregister im Kontext der Geschichtsforschung, hg. von Andrea Sommerlechner/Herwig Weigl, Wien (Böhlau) 2023 (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 79), 272 pp., ISBN 978-3-205-21769-5, € 50.

Il volume curato da Andrea Sommerlechner e Herwig Weigl riprende e raccoglie i risultati del convegno annuale dell’Institut für Österreichische Geschichtsforschung tenutosi a Vienna nel 2021. A tema del convegno e così anche del volume sono le sfide e i principali risultati che emergono dall’impiego dei registri innocenziani come fonte fondamentale per la storia del papato del XIII secolo nonché alcune prime prospettive legate all’edizione dei registri di Onorio III. L’introduzione di Andrea Sommerlechner riprende con attenzione la lunga storia editoriale dei registri di Innocenzo III (ora completamente editi) e l’apertura all’edizione dei registri di Onorio III, ponendo un particolare accento sulle sfide e le opportunità emerse dall’edizione dei registri del pontificato precedente. David D’Avray realizza un profilo di storia della storiografia, concentrato sugli studi di diplomatica applicata di Heinrich Fichtenau e messa a confronto con lo studio delle formule diplomatiche approfondito da Othmar Hageneder, il principale responsabile dell’edizione dei registri di Innocenzo III. Il contributo di Patrick Zutshi indaga il ruolo dei procuratori nel corso del pontificato di Innocenzo III, sia sulla base degli ordini di cancelleria, sia dei registri papali, e infine di documenti originali, offrendo così un importante approfondimento su un aspetto del funzionamento della curia romana finora rimasto sfuggente a livello storiografico. Christoph Egger si concentra sullo stile delle epistole tradite nei registri innocenziani, nonché sulle loro possibili fonti e autori. La ripresa di alcune epistole di Innocenzo III e di Onorio III nella raccolta di lettere curiali del XIII secolo curata da Tommaso da Capua è trattata da Andreas Fischer, che analizza quindi la tradizione e ricezione delle lettere papali nelle compilazioni curiali. Lo sviluppo del diritto canonico nel corso del pontificato di Innocenzo III è ripreso secondo diverse prospettive da Stefan Schima, con un contributo sulla figura di Innocenzo III come „papa giurista“ e sul suo ruolo durante il Concilio Lateranense IV, e da Anne Duggan, la quale si concentra su due casi legati alla giurisdizione papale, sfruttandoli per illuminare il rapporto di Innocenzo III con il suo diretto predecessore Celestino III: si tratta delle controversie a Maguelone e la lite tra Huesca e Lleida, in occasione delle quali Innocenzo III riprese e modificò quanto stabilito dal suo predecessore. La prospettiva giuridica è al centro del contributo anche di Rainer Murauer, il quale presenta una panoramica nei cambiamenti del diritto per la concessione delle prebende da Alessandro III a Innocenzo III, e di Lotte Kéry, che si sofferma sulle innovazioni giuridiche presenti nelle decretali innocenziane. Il rapporto tra centro e chiese locali è tema vivo dei dibattiti storiografici dagli inizi del XXI secolo. La prospettiva delle relazioni centro-periferia appare quindi a ragione anche nel volume qui presentato, e viene ripresa a partire dalle informazioni dei registri papali, nei contributi di Chris Schabel, Kristjan Toomaspoeg e Damian Smith, con diversi focus geografici legati però tutti all’area del mediterraneo medievale. Schabel si sofferma sul rapporto con l’oriente latino, Toomaspoeg sulle relazioni di Innocenzo III con il sud Italia, aprendo anche a prospettive e studi futuri, mentre Damian Smith considera il rapporto di Innocenzo III e Onorio III con la penisola iberica. L’apertura al pontificato di Onorio III è propria anche del contributo di Thomas W. Smith, il quale presenta una panoramica quantitativa sui registri di Onorio III. Una panoramica sull’impiego delle Digital Humanities nell’edizione dei documenti papali è offerta da Georg Vogeler nel suo contributo; più nel dettaglio, Serena Ammirati, Paolo Merialdo, Marco Maiorino presentano il progetto di ricerca „In Codice Ratio“ (ICR), che intende sviluppare un software per la trascrizione di documenti (vaticani) applicato ai registri di Onorio III, grazie alla collaborazione tra diplomatici, archivisti e informatici. Jörg Voigt conclude questa sezione dedicata ai progetti attualmente in corso con un approfondimento sui pontificati del tardo Medioevo e in particolare sul „Repertorium Germanicum“. In sintesi i contributi raccolti presentano un costante e adeguato riferimento e confronto al tema e ai risultati emersi dall’edizione dei registri papali, mettendo in rilievo l’inestimabile ricchezza dei registri come fonti per la storia papale attraverso l’analisi di diversi aspetti, tra i quali la diplomatica pontificia, gli attori della cancelleria apostolica, le relazioni tra il centro e le chiese locali e la canonistica senza tralasciare i progetti attualmente in corso e le opportunità connesse con le Digital Humanities.+TABRE+Caterina Cappuccio

Lukas Clemens/Janina Krüger (Hg.), Beharrung und Innovation in Süditalien unter den frühen angiovinischen Herrschern im 13. und 14. Jahrhundert. Persistenza e innovazione nell’Italia meridionale sotto le dinastie angioine del Duecento e del Trecento, Trier (Kliomedia Verlagsbuchhandlung) 2023 (Trierer historische Forschungen 77), 317 S., ill., ISBN 978-3-89890-221-2, € 66.

„Persistenza e innovazione nell’Italia meridionale sotto le dinastie angioine del Duecento e del Trecento“ di Lukas Clemens e Janina Krüger, pubblicato il 15 giugno 2023 dalla casa editrice Kliomedia, è un volume unico di 317 pagine che raccoglie una preziosa selezione di saggi in lingua tedesca e italiana. Grazie al contributo di 13 autorevoli studiosi, l’opera esplora tematiche storiche con un approccio rigoroso e multidisciplinare, costituendo una risorsa inestimabile per chi desidera approfondire la storia e la politica medievale. Il volume raccoglie gli atti di un convegno tenutosi a Treviri nel novembre 2018 e si focalizza sul tema della resilienza, intesa come attività di adattamento e di riorganizzazione, offrendo una chiave interpretativa per comprendere le trasformazioni e le tensioni che hanno caratterizzato il Mezzogiorno d’Italia sotto i primi sovrani angioini (1266–1309). Il testo, attraverso il modello dell’Adaptive Cycle, evidenzia le strategie e le misure adottate da parte delle istituzioni, della nobiltà e del clero per ripristinare l’ordine e consolidare il potere, di fronte alle crisi politiche, sociali ed economiche. La persistenza e l’innovazione sono due concetti chiave che riflettono le strategie adottate dalla dinastia angioina per risollevare il Regno dopo un periodo turbolento, come evidenziato da Cristina Andenna nel suo studio sul vicariato generale. L’autrice analizza in particolare la figura di Carlo II, che, al ritorno dal suo esilio in Francia a seguito degli eventi dei Vespri Siciliani, si trovò a dover sostituire temporaneamente il padre. Tra le azioni di resilienza messe in atto dal vicario, si distinguono numerose riforme amministrative, attuate durante il Parlamento di San Martino, e la sua abilità nel gestire questioni decisive, come il conflitto con gli Aragonesi in Sicilia. Questo approccio ha permesso al vicariato di evolversi da una semplice „soluzione di emergenza“ a una vera e propria strategia di resilienza strutturata. La parte del libro che riguarda le politiche fiscali, agricole e minerarie del regno di Napoli sotto Carlo I è altrettanto interessante. Gli autori, infatti, delineano un sistema fiscale innovativo che si fondava principalmente sulle imposte dirette e sul monopolio di grano e sale. La perdita della Sicilia spinse la Corona ad ampliare la produzione agricola in Puglia e a migliorare la riscossione fiscale, con un potenziamento del sistema delle masserie e un focus sulla produzione di cereali, allevamento e tessuti. Tale orientamento si inserisce in una visione di resilienza economica che, purtroppo, venne rallentata dalla guerra e dalle tensioni derivanti dai Vespri Siciliani. Richard Engl, invece, evidenzia come, dopo il crollo del dominio svevo e l’ascesa degli Angioini, la comunità musulmana in Puglia abbia affrontato serie difficoltà. Alleata di Manfredi di Svevia, si rifugiò a Lucera dopo la sconfitta di Tagliacozzo nel 1268 e vi resistette fino ad agosto 1269, quando la carestia la costrinse alla resa. Carlo I d’Angiò punì severamente i vinti, esecutando i capi musulmani e distruggendo le difese della città. Nonostante i tentativi di negoziazione e sottomissione per garantire la propria sopravvivenza, la loro condizione peggiorò progressivamente fino a essere, nel 1289, formalmente ridotti a „servi della Corona“. Questo evento segnò l’inizio del declino irreversibile della comunità, che fu definitivamente annientata dal potere angioino circa dieci anni dopo. La solidità del libro emerge da una ricerca accurata, dall’ampiezza di prospettiva e dalla capacità di intrecciare analisi storica e contesto sociale. Vengono affrontate, infatti, diverse tematiche (politiche, economiche, sociali) e delineate varie aree geografiche (dalla Provenza alla Sicilia), offrendo con un approccio multidisciplinare una visione complessiva delle dinamiche storiche. Inoltre, per rendere l’analisi più concreta e permettere di capire come le politiche angioine si siano tradotte nella pratica vengono presentati casi esemplificativi, attraverso il richiamo di episodi specifici, come la gestione di Lucera o lo sfruttamento minerario a Longobucco. Uno degli aspetti più notevoli è sicuramente la pluralità di voci accademiche coinvolte: la presenza di più studiosi, ognuno specializzato in un ambito differente, arricchisce il quadro d’insieme, estendendo l’analisi e favorendo un confronto critico.+TABRE+Riccardo Berardi

Identità e autocoscienza dei frati Minori (secc. XIII–XIV), Spoleto (Fondazione CISAM. Centro italiano di Studi sull’alto medioevo) 2023 (Atti dei Convegni della Società internazionale di studi francescani e del Centro interuniversitario di studi francescani. Nuova serie 33), X, 393 S., Abb., ISBN 978-88-6809-402-7, € 45.

Sich selbst beschrieb er als „novus pazzus in mundo“. Mit seinem Verhalten stieß er viele vor den Kopf. Sein Lebensentwurf war radikal: Barmherzigkeit, Mitleid, Engagement für den Nächsten und absolute Armut standen im Zentrum. Aus einem Einzelkämpfer wurde bald einer, der die Massen begeisterte und anzog. Franz von Assisi wurde ebenso bewundert wie verachtet. Doch selbst seine schärfsten Kritiker sprachen ihm die Aufrichtigkeit seiner Überzeugungen kaum einmal ab. Die Spannung zwischen der persönlichen Intuition des Gründers und der institutionellen Entwicklung dessen, was als Ordo Fratrum Minorum die Geschicke Europas bis weit über das Mittelalter hinaus beeinflussen sollte, war groß – so groß, dass wohl nicht alle in den 1220er Jahren auf ein Überleben des Ordens gewettet hätten. Zentral war die Frage nach der Identität: Was machte franziskanische Existenz aus? Auf welchen Grundlagen beruhte sie? Diesem Themenkomplex spürt eine Aufsatzsammlung nach, in der sich elf Vorträge dokumentiert finden, die im Oktober 2022 auf dem 50. Kongress der Società internazionale di studi francescani in Assisi gehalten wurden. Eröffnet wird der Band mit einer luziden Analyse der für die Fragestellung wohl einschlägigsten Quelle überhaupt, dem 1226 kurz vor Franzʼ Tod verfassten Testament (Grado Giovanni Merlo, „Et ego, frater Franciscus“, S. 1–22), auf das auch in den folgenden Beiträgen immer wieder Bezug genommen wird. In einem Durchgang durch die einschlägige Forschung zeigt der Autor, wie aus vielen unterschiedlichen Facetten die Persönlichkeit des bereits 1228 kanonisierten Minderbruders zusammengesetzt wurde – ein Phänomen, das unter der Rubrik eines „Francesco plurale“ (S. 6) subsumiert wird. Die Warnung davor, das Testament ausschließlich autobiographisch deuten zu wollen, ist verständlich. Franzʼ Überzeugungen stellten eine „eredità difficile“ (S. 20) dar, auf die bereits die Zeitgenossen zu reagieren hatten. Maria Pia Alberzoni demonstriert dies am Beispiel Klaras von Assisi und ihren kräfte- und zeitraubenden Bemühungen, einen weiblichen Ordenszweig zu begründen und anerkennen zu lassen, der den von Franziskus propagierten Ideen möglichst nahestand („Il ‚francescanesimo‘ di madonna Chiara“, S. 23–66). Luciano Bertazzo hingegen richtet den Blick auf den zweiten Heiligen des Ordens, Antonio von Padua, und spürt den Verbindungslinien nach, die den pazzo aus Assisi und den hochgebildeten Kanoniker aus Portugal miteinander verbanden („Frate Francesco e frate Antonio: due identità?“, S. 67–98). Interessant ist es dabei zu sehen, wie zeitgenössische Quellen des 13. Jahrhunderts Antonius „franzisierten“, während ein Jahrhundert später im Umfeld der Pariser Universität eine Entwicklung zu beobachten ist, in deren Gefolge Franz „antonisiert“ wurde. 1220 findet sich in einem päpstlichen Dokument zum ersten Mal die Begrifflichkeit Ordo Fratrum Minorum. Aus einer Bruderschaft (fraternitas) war ein Orden (ordo) geworden. Jean-François Godet-Calogeras spürt den rechtlichen Implikationen dieses Prozesses nach, denn klar ist: „In their very essence, fraternitas and ordo are incompatible“ (S. 115) („The morphing of the Franciscan movement between fraternitas and ordo“, S. 99–122). Während sich Andrea Bartocci mit dem zentralen Pfeiler minoritischer Identität, dem absoluten Armutsgebot, beschäftigt und dazu vor allem die einschlägigen päpstlichen Verlautbarungen einer detaillierten Analyse unterzieht („Abdicatio proprietatis. Le dichiarazioni pontificie della Regola dei Minori: da Gregorio IX a Clemente V“, S. 123–148), spürt Paolo Evangelisti dem minoritischen Verständnis des Wertes von Geld sowohl in lebenspraktischen als auch in spirituell-symbolischen Bezügen, d. h. einer „tassonomia della povertà volontaria“ (S. 195), nach („Vilitas attenditur in pretio pariter et colore. La stima del valore come habitus dei Minori“, S. 181–232). Caroline Bruzelius sucht nach Identitätskernen in den von Franziskanern in der Mitte des 13. Jahrhunderts verwendeten Architekturformen („Avere chiese. Identity in the Mid-Thirteenth Century Architecture of the Friars Minor“, S. 149–180) und Michele Pellegrini widmet sich der hochinteressanten Frage nach dem Einfluss lokaler Gegebenheiten auf das Selbstverständnis der Franziskaner („Identità minoritica e identità locali“, S. 233–276), die insofern positiv beantwortet wird, als der Autor eine deutliche „identità locale del minoritismo“ (S. 275) identifizieren kann. Das minoritische Konfliktpotential, das sich an den Themenbereichen Armut, Bildung und Pastoral entzündete und auf das bereits zu Beginn Grado Giovanni Merlo hinwies, lotet Felice Accrocca weiter aus („Vocarentur fratres Minores. La costante conflittualità identitaria“, S. 277–314). Herausragend ist der Beitrag von Patrick Nold, der die autographen Anmerkungen in den Blick nimmt, mit denen Papst Johannes XXII. eine Handschrift rechtlichen Inhalts versah („An Identity Denied. John XXII and the Franciscan Order [The Evidence of Vatican BAV Borgh. 280]“, S. 315–358). Formuliert wird dabei die (noch weiter auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfende) These, der von Johannes XXII. opulent annotierte Codex Borghesianus 280 sei als Korrektur einer von ihm selbst verfassten Schrift, eines „Summarium super Decretum“, aus seiner Zeit als Rechtsprofessor in Toulouse zu verstehen, in der sich auch die Beschäftigung mit der Gültigkeit des Testaments von Franziskus niedergeschlagen hätte. Eine diesbezügliche Quaestio (mit der die Handschrift schließt) wird ediert und übersetzt. Die Aufsatzsammlung ist als gelungene Fortsetzung eines 2018 in derselben Reihe erschienenen Vorgängerbandes zu verstehen, in dem den „Identità francescane“ zu Beginn des 15. Jahrhunderts nachgespürt worden war. Sie ist nicht nur für Ordensforscher*innen, sondern grundsätzlich für all diejenigen von Interesse, die sich mit der Geschichte von Identitätskonstruktionen im Mittelalter befassen.+TABRE+Ralf Lützelschwab

Ermanno Orlando, Matrimoni medievali. Sposarsi in Italia nei secoli XIII–XVI, Roma (Viella) 2023 (La storia. Temi 107), 308 S., ISBN 979-12-5469-233-2, € 27.

Mit der eingehenden Überarbeitung seines Buches „Sposarsi nel medioevo“ aus dem Jahr 2010 legt Ermanno Orlando das Ergebnis langjähriger Forschungstätigkeit in kompakter Form vor und öffnet dabei einen Kosmos in die menschlichen Beziehungswelten, die sich vor allem zwischen Mann und Frau im italienischen Mittelalter entfalteten. Das Thema ist in erster Linie die Eheschließung, wie sie zwischen dem Vierten Laterankonzil (1215) und dem Konzil von Trient (1545–1563) kirchenrechtlich definiert wurde. Orlando argumentiert in jedem Kapitel des umfassenden Überblicks in einem ersten Schritt mit der rechtlichen Situation nach Schriften von Gratian („Decretum“), Pietro Lombardo (ca. 1100–1160), Bernardo da Pavia († 1213), Uguccione da Pisa († 1210) sowie des Predigers Bernardino von Siena († 1444) und vergleichbaren Moraltheologen und Kirchenlehrern, um dann mit einer Fülle von Fallbeispielen vorwiegend aus dem venezianischen bzw. venezischen Kontext die normativen Linien an der lokalen und individuellen Wirklichkeit zu brechen. Auf diese Weise schafft er ein tiefgreifendes Verständnis für die unterschiedlichen und weit aufgefächerten Aspekte mittelalterlichen Ehelebens. Grundsätzlich war die mittelalterliche Eheschließung in zwei Motivationsebenen eingelassen: Zum einen sollten aus einer Ehe (im besten Fall männliche) Nachkommen erwachsen und vor allem mit Blick auf die städtischen oder adeligen Oberschichten der Fortbestand der Familie gewährleistet werden, zum anderen sollten die Verbindungen verwandtschaftlicher Netzwerke und das Gemeinschaftsleben entwickelt werden. Die Ehe sollte ihrer Aufgabe als sozial wohl eingebettetes Gehäuse der Produktion von Nachkommen gerecht werden können. Die Praktiken der Eheschließung betrafen insbesondere die Anbahnung der Heirat durch einen Vermittler, der zunächst einen Interaktionskontext für beide Parteien schuf und dann die Verantwortung für die Eheschließung übernahm. An die erfolgreiche Vermittlung schlossen sich die Verhandlungen über finanzielle Regelungen an, die die künftige Ehe als Verbindungsstück zwischen verwandtschaftlichen Strukturen charakterisierten. Durch das Vierte Laterankonzil wurde die Eheschließung maßgeblich formalisiert und als unbedingt kirchlicher Vorgang (Sakralisierung des Ritus) definiert. Auf diese Weise gerieten die einzelnen Elemente der anerkannten Form der Eheschließung in den Blick: Die valide Ehe durchlief demnach mehrere Schritte, die sich im Kräftefeld weltlicher Herrschaft, der Kirche und der beteiligten Familien vollzogen. Die erste kritische Bedingung bestand im Eheversprechen (promessa) mit dem Heiratsvertrag (auch Regelung der Mitgift), die zweite in der gemeinsamen Übereinkunft zugunsten der Eheschließung (consensus facit nuptias) mit dem liturgischen Zeremoniell der kirchlichen Trauung sowie drittens die Übertragung der rechtlichen Stellung des männlichen Familienoberhauptes vom Brautvater auf den Bräutigam (traductio), was die Übersiedlung der Braut in den Haushalt des Ehemannes einschloss. Diese drei Schritte, die jeweils eine formaljuristische und eine zeremoniell visualisierte Seite aufwiesen, zeigten sich im gesellschaftlichen Übergangsritus und mussten daher öffentlich zur Schau gestellt werden. Eine der Stärken des vorliegenden Buches ist, dass der Autor sich nicht auf die besonders gut dokumentierte Oberschicht beschränkt. Die angesprochenen Elemente der Eheschließung sind im Zusammenhang mit der sozialen Elite italienischer Stadtgesellschaften gewiss am besten dokumentiert. Für die verschiedenen Aspekte der Eheschließung, die in pragmatischen Modifikationen der kanonischen Regelungen bestehen und sich besonders um die Frage des Ausschlusses von städtischer Öffentlichkeit bewegen, stützt Orlando seine Fallbeispiele auf Prozessakten von Kirchengerichten. Vor dem Hintergrund des kanonischen Rechts werden durch dieses Vorgehen unterschiedliche Devianzen erkennbar, die sich um das Dreieck von richtigen, falschen und wahrscheinlichen Eheschließungen drehen. An der venezianischen Gesellschaft, die mindestens seit dem Vorrücken der Osmantürken auf dem Balkan, in den südslawischen Raum sowie dem Fall Konstantinopels 1453 zu erheblichem Maße aus migrantischen Gemeinschaften bestand, lassen sich die Aspekte abweichenden Verhaltens eindrucksvoll illustrieren. Nicht zuletzt sorgte die hohe Einwanderungsrate auch für die Herausforderungen an die kanonische Definition von Eheschließungen, welche um den Ausschluss aller zum Modell der regulären Eheschließung querlaufenden Formen bemüht war. Aus den Prozessakten resultieren höchst unterschiedliche Spielarten des Zusammenlebens, die zum Teil schlicht geduldet wurden, zum Teil allerdings auch die gesellschaftliche Ordnung gefährdeten: Dazu zählten klandestine Eheschließungen, Promiskuität, Ehebruch, Ehen von Minderjährigen (das kanonische Recht sah als Mindestalter zwölf Jahre vor), Fälle häuslicher Gewalt und heterodoxe Eheschließungen. Weil es sich um Gerichtsakten handelt, zeigt sich eben auch die Scheidung von Ehen als Auswegoption. Zumindest unter den Bekenntnissen christlichen Glaubens entstand zwischen dem Abschluss der Kirchenunion in Florenz 1439 und dem Konzil von Trient, welches dogmatische Klarheit auch im Bereich des Ehelebens stiften wollte, ein Zeitfenster von rund einhundert Jahren für pragmatisch angelegte Eheschließungen zwischen Angehörigen der gut integrierten griechischen Gemeinschaft und der übrigen venezianischen Stadtgesellschaft, während die römische Kirche ansonsten gesteigerte Angst vor häretischer oder heterodoxer Kontamination hegte. In jüdischen, muslimischen und heidnischen Zusammenhängen fällt die Tendenz der Konvertierung vorwiegend der fraglichen Ehemänner auf, wobei Sexualität allerdings einen Grenzbereich markierte: Sie wurde vor allem im Zusammenhang mit Gewalt oder tabuisierter Sexualität mit Ungläubigen thematisiert. Die Monographie „Matrimoni medievali“ spannt einen großen Bogen über das Thema der Eheschließung im italienischen Mittelalter zwischen den beiden kirchenrechtlichen Zäsuren, dem Vierten Laterankonzil und dem Konzil von Trient. Es lässt sich als Einführung in die Alltagsgeschichte lesen und als Sozialgeschichte des Heiratens vor dem Hintergrund der moraltheologischen und rechtlichen Leitlinien. Weniger im Blickfeld des Autors stehen Fragen der Bedeutung der Eheschließungen für die Vermögensbildung oder die Weitergabe von Besitz an die Nachfahren. Auch geschlechtergeschichtliche Ansätze oder der Verlauf bzw. das Ende von Ehen spielen keine Rolle.+TABRE+Heinrich Lang

Claudia Bolgia, Gregorio IX e Roma. Arte, processioni e spazio sacro tra Costantinopoli e la Terra Santa, Roma (Campisano) 2024 (Medioevo mediterraneo 8), 159 pp., ill., ISBN 979-12-80956-60-6, € 40.

Tra le molteplici declinazioni del potere papale nel corso del Duecento la committenza artistica da parte della Sede apostolica e delle élites curiali ricopre un ruolo nient’affatto secondario. Ben nota è l’importanza delle committenze di papi come Innocenzo III, Niccolò IV e, soprattutto, Bonifacio VIII. D’altra parte stupisce il silenzio apparente delle fonti e, soprattutto, della letteratura scientifica sul pontificato di Gregorio IX (1227–1241): il volume di Claudia Bolgia, corredato da 21 tavole a colori e 43 in bianco e nero, si propone di offrire una lettura diversa. Attraverso l’indagine di tre diversi ambiti d’azione della committenza gregoriana (il mosaico della facciata di S. Pietro in Vaticano; gli edifici gravitanti all’Ospedale lateranense e la diffusione di reliquie e suppellettili liturgiche nell’Urbe), l’autrice non solo riesce efficacemente a ribaltare l’immagine di un papato – quello del secondo papa dei Conti dei Segni – pressoché ininfluente sul piano artistico, ma fornisce chiavi di lettura per accostarne con più profondità l’ecclesiologia e a lambirne la dimensione della pietà personale. Il primo, ampio, capitolo si concentra sul rifacimento mosaicale della facciata della basilica vaticana. L’analisi proposta si fonda sulle informazioni sia coeve a Gregorio IX, tradite in buona misura dalla sua „Vita“ (una fonte centrale per lo sviluppo di tutta la trattazione), sia sui disegni e le annotazioni di XV secolo. Tra quest’ultime, un ruolo particolare è attribuito all’erudito quattrocentesco Nikolaus Muffel di Norimberga, che apre uno squarcio interpretativo sull’enigmatica moneta aurea offerta da Gregorio IX, genuflesso e orante, al Cristo: secondo l’autrice essa rappresenterebbe uno dei trenta denari ricevuti da Giuda per la consegna del Nazareno. Tale lettura s’inscrive nell’accoglimento all’interno di S. Pietro di diverse reliquie legate alla Passione, come il catino nel quale Pilato si lavò le mani, e riferite ora all’Iscariota (il cappio della sua impiccagione suicida) ora al principe degli Apostoli (la pietra candeggiata dalle lacrime di contrizione dovute al triplice rinnegamento). L’enfasi sulla Passione del Cristo era funzionale a diversi fini comunicativi: l’aumento del prestigio rituale della basilica vaticana (di cui l’allora Ugo dei Conti di Segna era stato arciprete) e, contestualmente, il richiamo di numerosi pellegrini attraverso un’intensa politica indulgenziale (a integrazione delle fonti proposte dall’autrice è da segnalare il documento, edito da Jochen Johrendt in QFIAB 89 (2009) con cui Gregorio IX a Rieti il 5 maggio 1228 riservò al capitolo di S. Pietro la confezione e la distribuzione „de signis plumbeis sive stagneis apostolorum Petri et Pauli imaginem preferentibus“). Non meno significativa è la promozione di un tipo di spiritualità penitenziale e improntata alla contemplazione della Passione che dovette essere propria sia di Gregorio IX sia delle nuove compagini religiose – non a caso da lui sostenute – tra cui spiccano i frati Minori. Pertanto non sembra azzardato sottoscrivere l’affermazione dell’autrice secondo cui: „anche Gregorio IX potrebbe essere stato responsabile della scrittura del primo capitolo nella storia delle trasformazioni della narrazione della Passione e della devozione per la Passione“ (p. 59). Se le attenzioni del pontefice erano maggiormente convogliate nell’esaltazione della basilica vaticana, non per questo mancarono interventi in altri contesti dell’Urbe, nel circondario lateranense in primis. Il secondo capitolo è, infatti, dedicato all’identificazione di quel „palatium nobile pauperum usibus deputatum“ menzionato nella „Vita Gregorii IX“ fatto costruire dal pontefice durante il terzo anno del suo pontificato (1230). L’autrice riconduce a tale iniziativa l’origine degli ambienti più antichi dell’Ospedale dell’Angelo databili genericamente al Duecento. È certamente un’ipotesi suggestiva, tantopiù se si considera il „piano urbanistico“ pensato dal papa per il Laterano: esso consistette dapprima nella demolizione delle abitazioni baronali che ostacolavano la visuale della basilica del Salvatore e, in seguito, alla realizzazione di questo palatium nobile che – accogliendo l’ipotesi dell’autrice – avrebbe contribuito all’incremento dell’auctoritas papale in quanto sita su una delle arterie chiave della macchina processionale pontificia, detta appunto via maior. L’autrice, nel sostenere questa ipotesi, scarta l’identificazione proposta da chi scrive nel commento all’edizione della „Vita Gregorii IX“ (Milano 2018), dove a p. 168 si propone (senza pretesa di definitività) di collocare il nobile palatium presso l’unica istituzione ospedaliera fino ad allora attestata documentariamente presso il Patriarchìo e dipendente dal clero lateranense: la costruzione conosciuta come S. Nicolao de hospitale, sita tra la basilica del Salvatore e porta S. Giovanni. Se certamente, ambedue le ipotesi identificative sono – allo stato attuale delle ricerche – destinate a rimanere tali, è forse da attenuare l’affermazione dell’autrice secondo cui l’ospedale di S. Nicolao sarebbe: „chiaramente distinto e distante dal Palazzo Lateranense“ (p. 86), un’obiezione che potrebbe essere parimenti riferita al nucleo più antico dell’Ospedale Lateranense. Il terzo e ultimo capitolo è dedicato alla committenza e alla distribuzione di reliquiari e di suppellettili liturgiche. Oltre alla già menzionata „Vita Gregorii IX“ l’autrice pone l’attenzione su interessanti fonti epigrafiche finora pressoché dimenticate e concernenti la consacrazione della basilica di S. Adriano (19 marzo 1228), della chiesa dei SS. Eusebio e Vincenzo (31 marzo 1238) e, infine, di S. Lorenzo de Nicolanaso (1241). L’analisi di questi testi permette di cogliere non appena un interesse per il culto delle reliquie o per il decoro liturgico, ma anche un vero e proprio network di personalità coinvolte nella progettualità gregoriana: tra esse spicca Simone di Maugastel patriarca di Costantinopoli (decisivo per la traslazione delle reliquie della Passione in Vaticano) e, addirittura ‘Alā al-Dīn Kay-Qubād I (1220–1237), sultano d’Iconio, che tramite degli emissari fece dono di preziosi tappeti che, teste l’anonimo biografo di Gregorio IX, il pontefice donò alle chiese patriarcali dell’Urbe. Come ribadito dall’autrice nelle conclusioni, le evidenze emerse dimostrano l’importanza del pontificato di Gregorio IX per lo sviluppo artistico della città di Roma; ciò apre inoltre delle prospettive di ricerca su di un papa che ancora merita ampie indagini. Questo volume costituirà certamente un valido aiuto.+TABRE+Alberto Spataro

Damian J. Smith (Ed.), Pope Gregory IX (1227–1241). Power and Authority, Amsterdam (Amsterdam University Press) 2023 (Church, Faith and Culture in the Medieval West), 368 pp., ill., ISBN 978-94-6372-436-4, € 136.

Il papato duecentesco è oggetto di costante attenzione da parte della storiografia internazionale: il pontificato di Gregorio IX, in particolare, è stato recentemente messo nuovamente a tema dalla storiografia anche per via dell’edizione, traduzione e commento della „Vita Gregori IX“ da parte di Alberto Spataro (Alberto Spataro, Velud fulgor meridianus. La „vita“ di papa Gregorio IX. Edizione, traduzione e commento, Milano 2018), e della monografia di Wendan Li, che proprio a partire dalla „Vita“ di Gregorio IX, ricostruisce e commenta il valore di Gregorio IX all’interno della storia del papato duecentesco e sottolinea in particolare il ruolo della „Vita“ nella costruzione ideale del papato medievale (Wendan Li, Die Vita Papst Gregors IX. [1227–1241]. Papst und päpstliches Amt in kurialer Sicht, Köln 2021, nel 2023 tradotto in inglese). Il volume „Pope Gregory IX (1227–1241). Power and Authority“, curato da Damian Smith, si inserisce pienamente in questa tendenza di studi legati alla figura di Ugo dei Conti di Segni con l’indubbio merito di mettere a fuoco alcuni importanti aspetti del pontificato di Gregorio IX finora rimasti tralasciati dalla storiografia internazionale, quali il rapporto con alcune zone periferiche della cristianità e l’apporto missionario del pontificato. Tuttavia, sebbene molti contributi del volume considerino a ragione la „Vita“ di Gregorio IX tra le fonti principali per ricostruirne il pontificato e l’operato da pontefice, e riprendano le riflessioni di Spataro, nessuno sembra considerare i risultati proposti da Li, i quali sono invece meritevoli di attenzione. Le note introduttive al volume di Damian Smith e Brenda Bolton offrono una panoramica e una valutazione complessiva sul pontificato di Gregorio IX; Bolton poi nel suo contributo ricostruisce la carriera di Gregorio IX prima di ascendere al soglio petrino e si sofferma quindi sugli anni del cardinalato, in particolare sui suoi incarichi prima presso la curia e in un secondo momento come legato papale. Gianluca Raccagni torna ad occuparsi di un tema cui già ha dedicato importanti ricerche, la Lega lombarda: tuttavia lo fa questa volta da una nuova prospettiva, evidenziando il ruolo di Gregorio IX nello scontro tra Federico II e le città. Il ruolo politico di Gregorio IX nel facilitare la pace tra Francia (Luigi IX) e Inghilterra (Enrico III) negli anni Trenta del secolo XIII è analizzato da Nicholas Vincent nel suo saggio. Michael Lower presenta le iniziative in ambito crociato di Gregorio IX, evidenziando come in alcuni casi egli si trovò a reagire ad alcune richieste di intervento da parte dei cristiani locali, mentre in altre perseguì una sua politica, anche grazie all’apporto degli ordini mendicanti nella propaganda. Queste considerazioni sono seguite da tre articoli riguardanti tutti le relazioni tra il papato e alcune province ecclesiastiche, in particolare l’oriente greco (Nikolaos Chrissis), la Danimarca (Torben Nielsen) e la Spagna (Damian J. Smith). In questa direzione il volume si colloca all’interno di una tendenza storiografica che prende in esame il rapporto tra il centro della cristianità e le periferie. Il tema delle periferie, e in particolare dell’evangelizzazione dei non cristiani, così come del rafforzamento della fede in zone di recente evangelizzazione è al centro del contributo di Iben Fonnesberg-Schmidt; la ripresa della missione universale della Chiesa appare evidente dall’analisi proposta dell’epistola Cum hora undecima. Andrea Sommerlechner tratta nel suo saggio il ruolo di Gregorio IX nella definizione dell’ortodossia e nella lotta alle sue deviazioni, come recepito nelle fonti narrative a lui contemporanee. Il rapporto tra Gregorio IX e l’ordine florense è affrontato da Julia Eva Wannenmacher, la quale ripercorre prima l’influenza delle teorie di Gioacchino da Fiore all’interno della curia papale quando Ugo era cardinale, per poi soffermarsi sul ruolo affidato proprio all’ordine gioachimita da Gregorio IX nella bolla di canonizzazione di Domenico di Calaruega. Il contributo di Edward Reno si concentra sul „Liber Extra“ e sul suo contributo nella sistematizzazione del diritto canonico medievale. Infine, Claudia Bolgia propone una riconsiderazione del legame tra Gregorio IX e Roma sulla base dell’analisi di fonti epigrafiche e documentarie; inoltre si sofferma sul ruolo performativo delle processioni papali all’interno della città. In sintesi, il volume presentato riesce indubbiamente nell’intento di gettare ulteriore luce su una figura decisiva del papato duecentesco, attraverso l’analisi di diversi aspetti del suo pontificato, senza limitarsi agli scontri con Federico II e le città che a più riprese impegnarono il pontefice, e aprendo così la strada a ulteriori nuove ricerche che permettano una comprensione più profonda del papato duecentesco e della sua costruzione ed evoluzione in senso monarchico.+TABRE+Caterina Cappuccio

San Gimignano. Fonti e documenti per la storia del Comune. Parte II: I verbali dei Consigli del Podestà (1232–1240). Vol. II (1238–1240), a cura di Oretta Muzzi/Lorenzo Tanzini, Firenze (Olschki) 2024 (Documenti di storia italiana. Serie II 19), XII, 624 S., Abb., ISBN 978-88-222-6907-2, € 90.

Inmitten der toskanischen Val d’Elsa liegt die kleine Stadt San Gimignano. Bekannt ist sie v. a. für ihre pittoreske, von mittelalterlichen Geschlechtertürmen dominierte Altstadt, die seit dem Jahr 1990 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Hier finden die täglich nach San Gimignano strömenden Touristenscharen Kunst, Kultur und Kulinarik. Darüber hinaus birgt der Ort einen wahren Quellenschatz, der in den vergangenen Jahren Stück für Stück gehoben wurde. Den Anfang machte 1996 Donatella Ciampoli mit der Edition des „Libro Bianco“ der Kommune. Es folgten 2008 das von Oretta Muzzi aufgearbeitete Verzeichnis der kommunalen Einnahmen und Ausgaben für die Jahre 1228 bis 1233 sowie acht Jahre später die 1255 erlassenen Statuten mitsamt ihrer 1292 vorgenommenen Ergänzungen, welche von Silvia Diacciati und Lorenzo Tanzini herausgegeben wurden. Der Arbeit Oretta Muzzis und Lorenzo Tanzinis ist es abermals zu verdanken, dass dieser Liste jetzt ein weiteres Quellenwerk hinzugefügt werden kann. Die Rede ist von den ältesten Registern der sangimignanesischen Ratsprotokolle. Sie enthalten die Mitschriften der kommunalen Ratssitzungen, in denen die Ratsherren über aktuelle Themen wie Steuern, Handel, Diplomatie oder Militär diskutierten und per Abstimmung gemeinsame Beschlüsse fassten. Nachdem Oretta Muzzi 2010 bereits den ersten Teil der Edition für die Jahre 1232 bis 1237 vorgelegt hat, folgt nun der zweite Band. Eingeleitet wird das über 600 Seiten starke Werk von Lorenzo Tanzini (S. V–XI), der nach einer kurzen Rückschau auf die bisherige Forschung zum sangimignanesischen Quellenerbe den großen Wert der Ratsprotokolle für die Beleuchtung der strukturellen Verfasstheit und der praktischen Funktionsweise der Kommune von San Gimignano unterstreicht und den wissenschaftlichen Wert der Edition aufzeigt. Anhand des Materials lasse sich „la domanda sulla natura del confronto politico in una città comunale“ mit einer echten Aussicht auf Erfolg stellen (S. IX). Dem darauffolgenden Editionsteil ist ein knapper Hinweis bezüglich Umfang, Größe, Lagen, Paginierung, Schreibern und Zusammensetzung der beiden Register, in denen die Protokolle der Jahre 1238 und 1240 überliefert wurden und die bis heute im Archivio di Stato di Firenze liegen, vorangestellt (S. 1 f.). Hieran schließen sich die insgesamt 156 Protokolle der Ratsversammlungen vom 29. Dezember 1237 bis zum 31. Dezember 1238 an (S. 3–212). Jedes Protokoll ist mit einer eigenen Nummer, einer Überschrift mit Datum, Wochentag, Ort der Zusammenkunft und Art des Gremiums sowie einer kurzen inhaltlichen Zusammenfassung im Stile eines Kurzregestes versehen. Der transkribierte Text wird von einem Fußnotenapparat begleitet, der an den entsprechenden Stellen auf Besonderheiten der Originale – etwa in Form von Streichungen oder Handwechseln – hinweist, und es den Lesenden auf diese Weise ermöglicht, sich ein Bild von den Dokumenten zu machen, ohne sie tatsächlich vorliegen zu haben. Unterstützt wird dieser Effekt auch durch das an den historischen Zeugnissen orientierte Layout, welches den formalisierten Aufbau der Protokolle aufgreift und z. B. die namentlichen Abstimmungslisten als solche wiedergibt. Neben den Protokollen des Jahres 1238 wurden auch die auf dem Umschlag des Registers befindlichen Anmerkungen (S. 213–216) sowie die insgesamt zwölf beigelegten Schriftstücke, bei denen es sich überwiegend um an den Podestà adressierte Briefe handelt, in die Edition aufgenommen (S. 217–223). Der zweite Editionsteil für das Register des Jahres 1240 ist nahezu identisch gestaltet. Erneut folgt auf die 199 Protokolle der zwischen dem 30. Dezember 1239 und dem 31. Dezember 1240 abgehaltenen Versammlungen (S. 225–525) ein kurzer Anhang mitsamt den Beschriftungen des Umschlags (S. 526–533). Auf einen weiteren Anhang konnte verzichtet werden, da das Register im Unterschied zum vorherigen keine separaten Ergänzungen enthält. Im Anschluss an diesen Part finden sich nach einer halbseitigen Erläuterung (S. 537) ein von Francesco Borghero erstelltes Namens-, ein Begriffs- sowie ein Ortsregister (S. 539–568, S. 569–611, S. 613–620), die durch ihre Ausführlichkeit und Sorgfalt bestechen. Möchte man Genaueres über die den Registern zugrundeliegenden Prinzipien erfahren, muss man den ersten Band der Edition zu Rate ziehen. Das Werk endet mit 16 Abbildungen der Originaldokumente (davon zwei aus 1238 und 14 aus 1240), die die Charakteristika der Quelle sowohl in ihren Regelmäßigkeiten als auch Besonderheiten sinnvoll widerspiegeln, sowie dem Inhaltsverzeichnis (S. 621). Den Bearbeitenden kann zu dieser gelungenen Arbeit nur gratuliert werden. Man muss schon mehr als genau hinsehen, um die äußerst seltenen und zudem sehr kleinen Fehler – etwa bei der Nummerierung (CXL statt CL, S. 206) oder der Transkription (Coa statt Coad, S. 316 in der Edition und c. 27v im Register) – zu finden. Indem sie die sonst nur archivarisch überlieferten Ratsprotokolle dem Fachpublikum weiter zugänglich gemacht haben, haben Lorenzo Tanzini und Oretta Muzzi zweifelsohne einen wichtigen Beitrag für die weitere Beleuchtung der italienischen Kommunen im medium aevum geleistet. Dank dieser ausgezeichneten Grundlage ist es der Forschung nun möglich, das Potenzial der Quelle zu erkennen und auszuschöpfen.+TABRE+Julia Andree

Speranza Cerullo/Laura Ingallinella (a cura di), L’oro dei santi. Percorsi della „Legenda aurea“ in volgare, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2023 (mediEVI 41), XXXII, 462 S., Abb., ISBN 978-88-9290-224-4, € 62.

Die „Legenda aurea“ gehört zu den wirkmächtigsten Texten des Mittelalters. In 178 Kapiteln findet sich, nach dem Kirchenjahr geordnet, das Leben exemplarischer Heiliger dargestellt. Verfasser dieses mittelalterlichen Bestsellers, von dessen enormer Breitenwirkung noch heute über 1000 Handschriften zeugen, ist Jacobus de Voragine, ein in Varazze bei Genua geborener Dominikaner, der die ordensinterne Hierarchieleiter sehr schnell erklimmen konnte, um ab 1292 bis zu seinem Tod 1298 als Erzbischof von Genua zu amtieren. Die Erstfassung der „Legenda aurea“ geht auf die 1260er Jahre zurück, als sich Jacobus in seinem Amt als Provinzialminister der Lombardei im Kampf gegen die häretischen Bewegungen Oberitaliens engagierte. Diese Frühfassung wurde um 1290 von ihm noch einmal überarbeitet. Zum Erfolg des Werks trug maßgeblich sein offener funktionaler Charakter bei: Die Legenden konnten nicht nur als Steinbruch bei der Vorbereitung von Predigten, sondern auch als Anleitung zur Besinnung an Festtagen oder als tägliche erbauliche Lektüre dienen. Sie standen nicht für sich selbst, sondern hatten verweisenden Charakter, waren sie doch mit Ableitungen moralischer Nutzanwendungen versehen, luden somit zur imitatio ein und transzendierten das hic et nunc mittelalterlicher Existenz, um heilsgeschichtliche Perspektiven zu eröffnen. Wen wundert es, dass diese überaus erfolgreiche Sammlung von Heiligenleben bald auch in die Volkssprachen übersetzt wurde? Diesem Phänomen spürt ein Sammelband nach, der – so viel sei vorweggenommen – in 15, vier Gruppen zugeordneten Beiträgen nicht nur den status quo der aktuellen „Legenda aurea“-Forschung abbildet, sondern mit bemerkenswerten neuen Erkenntnissen insbesondere im Bereich der Texttransmission selbst aufwartet (I. „Il testo latino“; II. „La Legenda aurea in italiano“; III. „La tradizione fiorentina della Legenda aurea“; IV. „La Legenda aurea nell’Europa romanza“). Zu Beginn skizziert Lino Leonardi ein großes, nahezu abgeschlossenes Forschungsprojekt, an dessen Ende die kritische Edition der altitalienischen Fassung der „Legenda“ stehen wird („Il progetto ‚Legenda aurea in Italiano‘ (LAI)“, S. VII–XVI). Dabei werden bereits viele der Probleme umrissen, die in den nachfolgenden Beiträgen weiter ausgeführt werden. Mit ihnen sehen sich auch diejenigen konfrontiert, die die kritische Edition der französischen „Legenda aurea“ vorbereiten. Einblick in deren Herangehensweise gibt Géraldine Veysseyre („Prolégomènes à l’édition de la Légende dorée traduite en français d’oïl par Jean de Vignay [c. 1340–1348]“, S. 321–365). Dass Paolo Maggioni den Reigen der Spezialartikel mit einem Blick auf die toskanischen lateinischen Handschriften der „Legenda“ eröffnet, kann nicht weiter erstaunen, hat er der Fachwelt 1998 doch die kritische Edition des lateinischen Textes zur Verfügung gestellt („I manoscritti toscani latini della Legenda aurea e il volgarizzamento fiorentino anonimo del XIV secolo“, S. 3–27). Es geht ihm darum, charakteristische Varianten in den lateinischen Kodizes zu identifizieren, die sich in der florentinischen Fassung aus dem 14. Jahrhundert wiederfinden, und so eine Antwort darauf zu geben, ob die Varianten des 14. Jahrhunderts Neuerungen des Übersetzers sind oder auf dem lateinischen Vorbild beruhen. Antonella Degl’Innocenti verbleibt im gleichen chronologischen und geographischen Rahmen, weitet den Blick aber hin auf die in der Toskana entstandenen Legendare, die auf unterschiedliche religiös-soziale Kontexte Rücksicht nehmen, oftmals aber auch verkürzte, insbesondere im Bereich der Predigt verwendbare Fassungen der „Legenda aurea“ bieten („Leggendari agiografici latini nella Toscana del XIV secolo“, S. 29–40). Noch grundsätzlicher wird Fabrizio Cigni in seiner Präsentation und Analyse von drei aus dem frankoitalienischen Raum stammenden Legendaren vom Ende des 13. Jahrhunderts („Il punto sui leggendari francoitaliani della fine del sec. XIII. Nuove ricerche e osservazioni“, S. 285–319). Mitbeigegeben ist eine Edition der Siebenschläferlegende („De septem dormientibus“), die tiefe Einblicke in die spätmittelalterliche Übersetzungswerkstatt bietet. Speranza Cerullo richtet den Blick auf die Handschriften, in denen sich italienische Übersetzungen der „Legenda“ finden, und geht dabei dem Phänomen der Wiederverwendung und Rezeption einzelner Kapitel nach („Le traduzioni italiane. Itinerari nella tradizione manoscritta“, S. 43–81). Ihr Vorschlag, die volkssprachlichen Handschriften in die zwei Gruppen der Miscellanea und der (unterschiedlichen Strukturprinzipien folgenden) Legendare zu unterteilen, überzeugt. Michele Colombo greift diesen Faden auf und stellt drei bisher unveröffentlichte Heiligenleben (Christopherus, Sebastian, Blasius) in genuesischer Übersetzung und ihre Verbindung zum lateinischen Text vor („Primi sondaggi su tre vite di santi in genovese“, S. 83–96). Mario Pagano tut dies mit Blick auf einige Viten im sizilianischen Dialekt („Lacerti della Legenda aurea in volgare siciliano“, S. 97–115). Mit der für die kritische Edition der LAI maßgeblichen florentinischen Übersetzung aus dem Trecento beschäftigen sich mehrere Beiträge. Laura Ingalinella nimmt nicht nur das Profil der mittelalterlichen Kopisten, Kompilatoren und Editoren der volkssprachlichen Fassung, sondern auch die (editorische) Geschichte des Textes im 19. und 20. Jahrhundert in den Blick („‚Una storia viva‘. Copisti-editore della Legenda aurea fiorentina tra Quattro e Novecento“, S. 119–151), während Zeno Verlate sich der Geschichte und den Besonderheiten der maßgeblichen, bis in die jüngste Vergangenheit hinein im Franziskanerkonvent von Giaccherino verwahrten Handschrift widmet („Il manoscritto Giaccherino I F 2 e la tradizione della Legenda aurea fiorentina“, S. 153–211). Lexik bzw. sprachliche Besonderheiten der Florentiner Version stehen im Zentrum der Betrachtungen von Diego Dotto („Itinerari lessicali e traduttologici dentro e fuori il volgarizzamento fiorentino della Legenda aurea“, S. 213–250). Roberto Tagliani analysiert die syntaktische Struktur des letzten, umfangreichen Kapitels dieser Version (LAI CLXXVII) („Sondaggi tra sintassi e testualità nella tradizione fiorentina trecentesca della Legenda aurea“, S. 227–293). Der katalanischen Version der „Legenda aurea“ widmen sich Jacopo Gesiot und Fabio Zinelli („La Legenda aurea nello spazio catalano-occitanico. Traduzioni e diffusione“, S. 367–401), während Luca Sacchi die Besonderheiten der beiden kastilischen Versionen beschreibt („Arborescenze della Legenda aurea in Castiglia“, S. 403–431). Zwei Indizes („Indice dei manoscritti“; „Indice degli autori, delle opere anonime e degli studiosi“) erschließen eine Aufsatzsammlung, die nicht nur künftige Forschungen zur Rezeption der „Legenda aurea“ befruchten, sondern auch für all diejenigen von Interesse sein dürfte, die sich mit dem Phänomen der mittelalterlichen Übersetzungspraxis beschäftigen oder sich mit dem Gedanken tragen, einen aus dem Lateinischen in die Volkssprache übertragenen Text selbst zu edieren.+TABRE+Ralf Lützelschwab

Nils Bock, Geld und Herrschaft um 1300. Finanzielle Verflechtungen zwischen Frankreich, der Kurie und Florenz, Stuttgart (Franz Steiner Verlag) 2023 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beiheft 257), 398 S., Abb., ISBN 978-3-515-13372-2, € 74.

An Einzeluntersuchungen zur Finanzgeschichte des französischen Königshofes oder der päpstlichen Kurie im Hoch- und Spätmittelalter mangelt es nicht, war sie doch schon in der älteren Forschung Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, bei denen mit wechselnder Schwerpunktsetzung auch die Rolle der italienischen Kaufmannbankiers berücksichtigt wurde. Mit Blick auf die „finanziellen Verflechtungen und gegenseitigen Abhängigkeiten“ (S. 59) zwischen dem König von Frankreich, dem Papst und der Florentiner Handelsgesellschaft der Franzesi verfolgt Nils Bock hingegen einen neuen Ansatz. In seiner Studie, die 2020 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Habilitationsschrift angenommen wurde, stehen die Wechselbeziehungen zwischen der Ausübung von Herrschaft und den dafür notwendigen Finanzen im Rahmen einer Verflechtungsgeschichte der drei Akteursgruppen am Übergang vom 13. zum 14. Jahrhundert im Zentrum der Untersuchung. Aus drei unterschiedlichen Perspektiven – Königshof, Kurie, Handelsgesellschaft – analysiert Bock die jeweiligen Finanzierungstechniken und Praktiken der Finanzverwaltung, die um eine sozialgeschichtliche Komponente zum Aufstieg und Niedergang der Bankiers ergänzt wird. Im ersten analytischen Teil der Untersuchung (S. 66–171) widmet sich Bock den Finanzen des französischen Königs Philipp IV., die infolge des Guyennekriegs (1294–1303) und der beiden Flandernkriege (1297, 1302–1304) erheblich belastet waren. Zunächst beleuchtet er die Legitimierungsstrategien, mit denen Philipp IV. gegenüber seinen Untertanen die Einführung neuer Steuern und Abgaben sowie auch gegenüber dem Papst die Besteuerung des Klerus rechtfertigte. Im Anschluss werden systematisch die königlichen Einnahmequellen herausgearbeitet, wobei strikt zwischen direkten Abgaben (Darlehen, Vermögenssteuer, Kriegssubsidien) und indirekten Abgaben (Verbrauchsabgaben, Gebühren für Ausfuhrlizenzen) unterschieden wird. Auf der Grundlage überlieferter Journale und Abrechnungen des königlichen Schatzes (trésor), rekonstruiert Bock unter Verweis auf die methodischen Grenzen seines Vorgehens das königliche Budget der Jahre 1286–1293 und 1296–1301. Dabei werden die finanziellen Verflechtungen mit dem Papsttum anhand der Zehnterhebungen sichtbar, die dem französischen König durch päpstliche Bewilligungen mehrfach überlassen wurden. Ebenso weist Bock für das Jahr 1293 erhebliche Ausgaben an die Franzesi nach, die dem König im Kontext der Spannungen mit dem englischen König Vorauszahlungen für Rüstungen geleistet hatten. Analog zum Königreich Frankreich werden im zweiten Analyseteil (S. 172–255) die verschiedenen Einnahmequellen der päpstlichen Kurie systematisch erfasst. Hierbei unterscheidet Bock zwischen ordentlichen Einnahmen (darunter Abgaben aus dem Kirchenstaat, Lehnszinsen, Visitationen) und außerordentlichen Einnahmen (Servitien, Annaten, Zehnt, Subsidien), wobei die Zuordnung der Servitien und Annaten fraglich erscheint. Grundlage der Analyse bilden die erhaltenen Rechnungsbücher der Apostolischen Kammer der drei Rechnungsjahre 1299/1300, 1302/1303 und 1308/1309, die allesamt in edierter Form vorliegen. Umso mehr verwundert es, dass Bock in seinen Ausführungen nur auf die Edition des Rechnungsjahres 1308/1309 rekurriert, während er die Edition Tilman Schmidts von 1984 unberücksichtigt lässt. Mit seinen Ausführungen zur Rolle der italienischen Kaufmannbankiers bei der Verwaltung und Überführung päpstlicher Gelder im Auftrag der Kammer sowie ihrer essentiellen Funktion als Kreditgeber für Prälaten leitet Bock zum dritten Analyseteil (S. 256–332) über, in dem das Handelshaus der Brüder Musciatto, Albizzio und Niccolò Franzesi aus Florenz im Blickpunkt steht. Durch ihre Tätigkeit als königliche Steuerkollektoren und Kreditgeber für militärische und diplomatische Unternehmungen gelang den Brüdern der soziale Aufstieg, der mit direktem Zugang zum französischen Königshof und königlichen Ämtern vergütet wurde und 1295 in der Verwaltung des Schatzes im Louvre gipfelte. Die finanziellen Verflechtungen zeichnet Bock auch für das Papsttum nach, das die Dienste der Franzesi für die Zehnterhebung in Anspruch nahm und durch Gunsterweisungen wie die Ernennung der Brüder zu päpstlichen Rektoren der Grafschaft Venaissin im Jahr 1297 honorierte. Darüber hinaus kam ihnen zwischenzeitlich als Vertreter der schwarzen Guelfen innerhalb der Kommune von Florenz auch eine politische Führungsrolle zu. In der Gesamtschau identifiziert Bock ihre räumliche und soziale Mobilität, die auf den vielfältigen finanziellen Verflechtungen beruhte, als zentrales Charakteristikum für ihre Einordnung als typische „Vertreter des Finanzkapitalismus“ (S. 332). Seine Studie schließt mit einem Ausblick auf die weiteren Geschicke der Handelsgesellschaft und die Tätigkeitsfelder der „Erben“ nach dem Tod von Musciatto und Albizzio Franzesi im Jahr 1307. Insgesamt überzeugt Bocks Arbeit durch eine stringente Gliederung, den methodisch reflektierten Umgang mit einem disparaten Quellenkorpus und eine konzentrierte Betrachtung der finanziellen Verflechtungen dreier heterogener Akteursgruppen in einer entscheidenden Umbruchszeit. Die internationalen Netzwerke und finanziellen Aktivitäten der päpstlichen Kurie und der italienischen Kaufmannbankiers eröffnen ein vielversprechendes Feld für weitere Studien zu den Verflechtungen spätmittelalterlicher Herrschafts- und Finanzpraktiken.+TABRE+Eric Müller

Solal Abélès, Protéger, libérer, assujettir. L’expansion territoriale de la commune de Florence au XIVe siècle, Roma (École française de Rome) 2023 (Collection de l’Ecole française de Rome 603), VIII, 347 pp., ill., ISBN 978-2-7283-1577-2, € 32.

Il libro di Solal Abélès rappresenta un contributo rilevante e originale per lo studio della storia politica ed economica della Firenze medievale, affrontando uno degli aspetti centrali della sua evoluzione: l’espansione territoriale nel XIV secolo. L’autore si concentra sull’analisi delle dinamiche di conquista, integrazione e gestione dei territori soggetti, adottando un approccio interdisciplinare che combina la storia politica e istituzionale con la storia giuridica e culturale. Nel XIV secolo, Firenze si trovò a consolidare il proprio ruolo egemonico in Toscana, intrecciando esigenze di sicurezza, controllo economico e legittimazione politica. Il titolo del libro – „Protéger, libérer, assujettir“ – riflette efficacemente i tre pilastri della retorica comunale fiorentina, che giustificavano le conquiste territoriali non solo come operazioni militari, ma come azioni intraprese a favore della giustizia e della libertà. Tuttavia, come dimostra Abélès, queste dichiarazioni ideali spesso mascheravano intenti pragmatici e ambizioni di dominio centralizzato. La trattazione si apre con un quadro dettagliato delle città assoggettate prima della loro annessione. Questa sezione sottolinea l’autonomia amministrativa e culturale che le caratterizzava, offrendo al lettore una base indispensabile per comprendere le trasformazioni introdotte dalla dominazione fiorentina. L’autore passa poi a esaminare la fase iniziale dell’espansione (1313–1329), periodo in cui Firenze iniziò a costruire una rete di alleanze politiche e diplomatiche. Attraverso un’abile gestione dei rapporti con le potenze vicine, la città riuscì a legittimare le proprie mire espansionistiche, ponendo le basi per un dominio sempre più capillare. Durante la prima fase di conquiste (1331–1343), Firenze adottò una strategia che combinava forza e consenso, privilegiando spesso strumenti non militari come accordi economici, negoziazioni giuridiche e la promessa di stabilità politica. Queste tattiche permisero al comune di minimizzare gli scontri militari e di integrare gradualmente le realtà locali nel proprio sistema di governo. Nella fase successiva (1349–1376), il dominio fiorentino venne stabilizzato attraverso una serie di riforme amministrative, che includevano la creazione di nuove istituzioni e la nomina di governatori locali fedeli al regime centrale. Uno degli aspetti più interessanti del libro è l’analisi del linguaggio politico utilizzato dai dirigenti fiorentini. La „libertà“, ad esempio, presentata come valore fondante del comune, veniva frequentemente evocata per legittimare l’assoggettamento di altri centri. Firenze si proponeva come difensore di una „libertà universale“, ma tale concetto si traduceva spesso in una subordinazione alla città dominante. Abélès mette in luce come questo paradosso fosse cruciale per la costruzione dell’identità politica fiorentina e per la percezione della sua egemonia nel contesto regionale. Il lavoro si distingue per la sua solida base documentaria, derivante da un’ampia gamma di fonti primarie: atti notarili, statuti comunali, cronache e corrispondenze diplomatiche. L’autore utilizza queste fonti per esplorare non solo le decisioni politiche delle élite fiorentine, ma anche l’impatto delle conquiste sulle popolazioni locali. Le relazioni tra Firenze e le élite dei territori conquistati sono un tema centrale: Abélès dimostra come la cooperazione fosse spesso indispensabile per stabilire un controllo duraturo, ma anche come tali relazioni fossero segnate da tensioni e conflitti latenti. L’approccio interdisciplinare di Abélès è uno dei punti di forza dell’opera. L’autore non si limita a una narrazione cronologica degli eventi, ma integra l’analisi politica con considerazioni economiche e giuridiche. Particolarmente rilevante è lo studio delle strategie amministrative e normative adottate per consolidare il dominio fiorentino: attraverso riforme degli statuti locali e l’imposizione di nuove pratiche amministrative, Firenze mirava a rafforzare il proprio controllo senza alienare completamente le élite locali. In definitiva, „Protéger, libérer, assujettir“ non è solo un contributo significativo alla storiografia sulla Firenze medievale, ma anche un punto di partenza per riflettere sulle modalità con cui i comuni italiani hanno costruito e giustificato le loro egemonie territoriali. La combinazione di rigore metodologico e approfondimento tematico rende questo volume un riferimento essenziale per gli studiosi e un modello per future ricerche.+TABRE+Simone Picchianti

Patrick Mullins, St. Andrew Corsini, Carmelite (c. 1302–72). A Documentary Biography Part I–II, Roma (Edizioni Carmelitane) 2024, 2 Bde., 396; 464 S., ISBN 978-88-7288-232-0; 978-88-7288-236-8, € 42; 47.

Die Karmeliter, ursprünglich im Heiligen Land lebende Eremiten, die vor muslimischem Druck nach Europa ausweichen mussten und dort vom Papst in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in einen Bettelorden umgewandelt wurden, hatten im Mittelalter Mühe damit, ihren Platz innerhalb der kirchlichen Hierarchie des Abendlands zu finden. Karmeliterkardinäle gab es erst in der Frühen Neuzeit. Karmelitische Ordensbischöfe sind zwar seit der zweiten Hälfe des 14. Jahrhunderts nachweisbar, sie agierten aber (gerade im direkten Vergleich mit ihren franziskanischen und dominikanischen Brüdern) als quantité negligeable. Ausnahmen freilich gab es. Und zu diesen Ausnahmen gehört Andrea Corsini, der in jungen Jahren bei den Karmelitern in seiner Heimatstadt Florenz eintrat, einen beeindruckenden cursus honorum innerhalb des Ordens durchlief und schließlich zum Bischof von Fiesole gewählt wurde. In zwei Bänden wird nun all das zusammengetragen, was an Informationen zu Andrea Corsini, seiner familiären Herkunft, seiner Ausbildung und seinem Wirken für den Orden und sein Bistum Fiesole bekannt ist. Der erste Band deckt den Zeitraum von der Geburt Corsinis zu Beginn des 14. Jahrhunderts bis ins Jahr 1360 ab, der zweite behandelt die Zeitspanne von 1360 bis zu seinem Tod 1372. Die Einleitung („Introduction“, S. 7–34) dient ausschließlich dem Überblick über die zu Andrea Corsini erschienene Literatur – von den Anfängen im 15. Jahrhundert über die Kanonisation 1629 bis in die unmittelbare Gegenwart hinein. Bereits hier wird deutlich: Nicht immer ist es einfach, angesichts der Masse an Publikationen zwischen historisch-kritischen, faktenbasierten (aber nicht unbedingt zuverlässigen) und solchen Arbeiten zu unterscheiden, die einen eher hagiographisch-panegyrischen Zuschnitt pflegen. Methodisch stellt diese Gemengelage den Autor Patrick Mullins, Studiendirektor des Carmelite Institute of Britain & Ireland, vor einige Herausforderungen, ging es doch zunächst darum, die bibliographische Spreu vom Weizen zu trennen. Mullins folgt den Bollandisten, die in ihrem 1643 publizierten Dossier zu Andrea Corsini den beiden frühesten Viten aus dem 15. Jahrhundert den Vorrang eingeräumt hatten. Und so beginnt denn jedes Kapitel (in beiden Bänden jeweils acht, die einer strikten Chronologie folgen) mit dem Abdruck der einschlägigen Ausführungen aus der von Petrus Andreas del Castagno zwischen 1440 und 1459 verfassten und der anonym in einer Handschrift der Regularkanoniker von Groenendaal überlieferten, kürzeren Vita, die ihrerseits 1487 publiziert wurde. Ausgehend von den Angaben dieser Viten werden problematische Aussagen analysiert, kontextualisiert und wenn möglich auf der Grundlage neuester Forschungen einer Lösung zugeführt. Gleich zu Beginn betrifft dies nicht nur die vermeintlich adelige Herkunft Corsinis, sondern auch die Identität seiner Mutter, die in der Literatur sowohl als Gemma als auch als Pellegrina erscheint. Auf der Grundlage von Notariatsinstrumenten (wie dem erhaltenen Ehevertrag) gelingt Mullins der Nachweis, dass der Taufname tatsächlich Gemma war, Pellegrina hingegen als Beiname verstanden werden sollte, durch den auf eine 1300 anlässlich des Heiligen Jahres unternommene Wallfahrt nach Rom rekurriert wurde. Hier wie auch in allen weiteren Kapiteln holt Mullins sehr weit aus und zieht eine beeindruckende Fülle an Literatur heran, um auftauchende Probleme einer Lösung zuzuführen. Man erfährt so nicht nur, dass die Familie der Corsini in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts von der Gegend um Poggibonsi nach Florenz in die Nähe der Kirche San Felice in Piazza einwanderte und sich dort eher guelfisch positionierte (vgl. S. 38), sondern erhält en passant zusätzlich eine profunde Einführung in das verwirrende florentinische Parteiensystem aus Guelfen und Ghibellinen mit seinen vielen Überschneidungen. Mitunter lesen sich die historischen Kontextualisierungen recht mühsam, nicht zuletzt immer dann, wenn sie sich wie ausgeschriebene Annalen präsentieren – viel zu kleinteilig und ohne rechten Mehrwert für den eigentlichen Untersuchungsgegenstand. Nach drei Jahren Philosophiestudium im 1268 gegründeten Florentiner Konvent unterrichtete Andrea zunächst, bevor er ab 1329 weiterführenden Studien wohl in Paris nachging. 1348 wurde er, 46 Jahre alt, zum Provinzial der aus sieben Häusern bestehenden toskanischen Provinz ernannt, ein Amt, das er ein Jahr und neun Monate lang ausüben sollte. Von Clemens VI. wurde er am 13.10.1349 zum Bischof von Fiesole ernannt. In Fiesole selbst gab es eine schlecht in Stand gehaltene Kathedrale und einen kleinen Bischofspalast, errichtet 1028 innerhalb der Stadtmauern – wenig verwunderlich ist es daher, dass es die Oberhirten von Fiesole (vescovini genannt) bis dato vorgezogen hatten, in Florenz zu residieren. Unter Andrea Corsini sollte sich dies ändern. Bei der Beschreibung all der organisatorischen und pastoralen Aktivitäten, die Andrea in seinem Bistum entfaltete, konnte Mullins auf eine beeindruckende Zahl von z. T. von Andrea selbst verfassten Originalquellen zurückgreifen. Besonders aussagekräftig ist ein zweibändiges, den Zeitraum von 1353–1373 abdeckendes Memoriale, aus dem ersichtlich wird, dass Andrea im Rahmen des Möglichen versuchte, seine Karmeliterberufung auch als Bischof weiter zu leben. Im Memoriale findet sich die Arbeit des Bischofs zu Erhalt und Ausbau des bischöflichen Patrimoniums ebenso dokumentiert wie sein Engagement für Arme und Bedürftige. Zwei Mitglieder der bischöflichen Familia waren stets Karmeliter und Zahlungen für die Anfertigung eines Karmeliterhabits legen den Gedanken nahe, Andrea könnte auch gewandtechnisch seiner eigentlichen Berufung treu geblieben sein. Die Hebung des intellektuellen und moralischen Niveaus seiner Priesterschaft war ihm ein stetes Anliegen. Neue Konstitutionen für die bischöfliche Kurie in Fiesole wurden 1353 erlassen und 1365 überarbeitet (Bd. II, S. 43–45). Andrea starb 1372. Bemühungen um eine Heiligsprechung setzten bald ein, kamen aber erst 1629 zu einem offiziellen Abschluss. Ein letzter Korrekturdurchgang vor dem Druck hätte die hohe Anzahl an Druckfehlern und weiteren inhaltlichen Missgeschicken deutlich reduziert. Über versehentlich stehengebliebene Regieanweisungen in den Fußnoten mag man noch schmunzeln (S. 7, Anm. 1: „Give the reference here to the edition I have translated, when it is published!!“; ein ähnlicher Fall S. 34, Anm. 173) und es ist verschmerzbar, dass man wohl niemals erfahren wird, was genau „on certain twelfth-century and thirteenth-century“ (S. 38) basierte – das entscheidende Substantiv jedenfalls findet sich im Text nicht. Sätze wie „The Florentine commune responded by sending ten ambassadors were sent to honour him, including the Doctor or Laws …“ (S. 209) bleiben verständlich, und auch die Tatsache, dass das Generalkapitel 1348 in Metz (wie auf S. 217 richtig vermerkt) und nicht in Mainz (wie auf S. 218 mehrfach behauptet) stattfand, wird man sich selbst erschließen können. Bei dem Signore von Forlì, von dem ab Kap. 8 immer wieder als Francesco Ordelassi die Rede ist, dürfte es sich wohl um Francesco Ordelaffi handeln. Und das in einer Urkunde erwähnte „house in which I love“ ist natürlich das „house in which I live“ („chasa mia ch’io abito“) (S. 150). Nicht immer kann man den Übersetzungen vertrauen: „Dominica in LX.ma“ wird zum 60. Sonntag („The 60th Sunday“) (S. 137), wo doch damit einfach nur der Sonntag „Sexagesima“ gemeint sein dürfte. Die Indizes (S. 411–444) sind zwar sorgfältig erarbeitet, erfordern mitunter aber divinatorische Fähigkeiten: wer würde Jacopo da Fontana eingeordnet unter dem Buchstaben „D“ (da) vermuten? Seltsame Entscheidungen finden sich auch in der Bibliographie: die Auflistung von Primär- und Sekundärquellen erfolgt gemeinsam, Werke, deren Autor bzw. Editor unbekannt sind, finden sich unter dem Buchstaben „I“ (ignotus) eingeordnet – insgesamt doch ein veritables Durcheinander. Summa summarum: ein Werk, das die Forschung in einigen Bereichen weiterbringt, bei dem jedoch weniger deutlich mehr gewesen wäre. In den beiden Bänden findet sich zwar eine große Fülle an bisher nur unzureichend erschlossenem Quellenmaterial, aufmerksam-kritische Lektüre bleibt aber insbesondere im Bereich der Übersetzungen aus dem Lateinischen das Gebot der Stunde.+TABRE+Ralf Lützelschwab

Emperors and Imperial Discourse in Italy, c. 1300–1500. New Perspectives, ed. by Anne Huijbers, Roma (École française de Rome) 2022 (Collection de l’École française de Rome 592), 360 S., ISBN 978-2-7283-1563-5, € 32. Text online unter: https://books.openedition.org/efr/41981.

Der Sammelband präsentiert die Erträge einer im November 2018 in Rom veranstalteten Tagung zu „Neuen Perspektiven zu Kaisern und Diskursen über das Kaisertum in Italien von 1300 bis 1500“ und gliedert sich in drei Sektionen, die von der Herausgeberin mit einer Erläuterung ihres Konzeptes und ihrem britischen Kollegen Len Scales mit einem (Forschungs-)Überblick zu den römischen Kaisern 1308–1452 eingeleitet werden. Daran anschließend fragen die Beiträge von Carole Mabboux, Anna Modigliani und Juan Carlos D’Amico nach Charakter und Qualität des gegenseitigen Verhältnisses: „Imperium and res publica – Conflict or harmony?“ (S. 43–104). Drei Beiträge von Daniela Rando, Veronika Proske und Riccardo Pallotti diskutieren im Folgenden die Kaiserdiskurse der Juristen und Humanisten/Rhetoriker, d. h. von maßgeblichen politischen Theoretikern und Akteuren („The Imperial Discourse of Jurists and Humanists“; S. 105–198). Der letzte Teil gilt der Reichshistoriographie („Historiography of Empire“; S. 199–324) und enthält vier Beiträge von Heike Johanna Mierau, Anne Huijbers, Rino Modonutti und Alexander Lee. Eine „Conclusion“ von Claudia Märtl unter dem Titel „Das spätmittelalterliche Kaisertum und Italien. Ertrag und Perspektiven“ (S. 325–340) beschließt den Band, der durch einen (sehr knapp gehaltenen) Index der Personennamen (S. 341–348) und Abstracts der einzelnen Beiträge (S. 349–355) ergänzt wird. Die perspektivische Erweiterung, die das Buch im Titel führt, schafft Raum zum Überdenken von festgefügten und meist wenig reflektierten Forschungspositionen, -richtungen und -paradigmen. Es reißt ein Thema an, das nördlich der Alpen seit langem gedeutet, bewertet und ‚politisiert‘ wurde, denkt man an den sogenannten Ficker-Sybel-Streit, ausgefochten in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen hochrenommierten österreichisch-katholischen und preußisch-protestantischen Mittelalterhistorikern. Ein anderes Forschungsparadigma, das bis heute nachwirkt und international eine wesentlich höhere Strahlkraft und damit auch Forschungsattraktivität als das ‚antiquierte‘ spätmittelalterliche Kaisertum besitzt, entwickelte sich in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, als der deutsche Renaissanceforscher Hans Baron (* 1900, † 1988) nach seiner erzwungenen Emigration aus Nazi-Deutschland in den USA eine politische Deutung vom Entstehen der italienischen Renaissance vorlegte und damit seiner neuen Heimat ein historisches Identitätsangebot machte: das Florenz der Renaissance als ‚republikanischer Brückenpfeiler‘ der Vereinigten Staaten zur zeitlich viel weiter entfernten Römischen Republik. Es löste damit unter amerikanischen Historikern eine leidenschaftliche „Debatte über den Ursprung ihrer eigenen republikanischen Vorstellungen“ aus (vgl. Horst Günther, 1992) und traf sich gleichzeitig mit der italienischen Tradition, die den Renaissance-Humanismus als Wiege der Moderne postuliert (und damit der Neuzeit zuordnet). Es wird damit eine Modernisierungs- und Fortschrittsgeschichte erzählt, bei der die mittelalterlichen Kaiser als Vertreter einer überwundenen Zeit (und als Nichtitaliener) keine relevante Rolle spielen. Beim Blick auf den hier besprochenen, international besetzten Band scheint manches in Bewegung geraten zu sein. In Italien waren die Kontinuitäten zur Antike und ihr Weiterleben in transformierter Form über Jahrhunderte prägend geblieben, anders als nördlich der Alpen. Der Kaiser war als Erbe spätantiker Staatlichkeit, vor allem durch seine Rolle im Römischen Recht, wie durch früh- und hochmittelalterliche Neuansätze, Garant universaler Ordnung und/oder Legitimationsquelle. Allerdings bestand ein gewaltiger Unterschied zwischen der Rechtstheorie und dem – praktisch – sehr seltenen persönlichen Erscheinen des Monarchen vor Ort, wo er zumindest zeitweilig – und sei es nur als „Zünglein an der Waage“ – eine enorme Wirkungsmacht entfalten konnte. In dem vorliegenden Band treffen die italienischen Forschungsinteressen, die auf einzelne Städte, ihre Protagonisten und das Neue, das sich in der Renaissance Bahn bricht, gerichtet sind, und die reichsfixierte deutsche Forschung aufeinander und werden mit der internationalen Forschung konfrontiert. Der Band kann aber nur als ein erster Erkundungsversuch für eine neue Synthese gelten. Er ist wertvoll, um über Epochengrenzen, nationale Fachtraditionen und Disziplinen hinweg ins wissenschaftliche Gespräch zu kommen und Aspekte des Themas weiter zu erkunden. Vieles wird darin zurecht gerückt, was bisher meist nur nebeneinanderstand, sich widersprach oder ausgeblendet wurde. Aber die Einzelergebnisse stehen noch unverbunden da und werden nicht zu einem neuen Bild synthetisiert – trotz der verdienstvollen Zusammenfassung, die aber nur den erreichten Stand dokumentieren kann. Was weiter aussteht, ist eine im Sinne der Neuen Politikgeschichte angelegte, die Phänomene multiperspektivisch unter kulturgeschichtlichen Fragestellungen angehende grundlegende Darstellung des Themas. Doch bildet dieser Band einen wichtigen Baustein für ein neues Verständnis von der (höchst ambivalenten) Bedeutung von „Emperors and Imperial Discourse in Italy, c. 1300–1500“.+TABRE+Ellen Widder

Susanna de Beer, The Renaissance Battle for Rome. Competing Claims to an Idealized Past in Humanist Latin Poetry, Oxford (Oxford University Press) 2024, XI, 262 S., Abb., ISBN 978-0-19-887890-2, GBP 76.

Susanna de Beer ist nicht die erste Autorin, die sich mit der Geschichte der Romidee während der Renaissance befasst. Konsequenter als vergleichbare Arbeiten betont die niederländische Latinistin, dass der Rombezug während der Renaissance umstritten und Teil von sozialen Positionskämpfen war. Sie geht davon aus, dass es seit dem 14. Jahrhundert für das Selbstverständnis verschiedener rivalisierender Personen und Gruppen charakteristisch war, sich auf Rom zu berufen. Dabei ging es weniger um die konkrete Stadt, sondern um eine Vorstellung. Was jedoch unter Rom verstanden wurde, unterschied sich stark, zudem mussten die verschiedenen Bezugnahmen zwangsläufig in Konkurrenz zueinander treten, insofern sie als exklusives Verständnis der ‚wahren‘ römischen Tradition gestaltet wurden. Daraus erwuchs de Beer zufolge die titelgebende Schlacht um Rom. Zugrunde liegen dem Narrativ der Studie recht simple und theoretisch nicht weiter unterfütterte gruppensoziologische Annahmen: Demnach grenzen sich Gruppen nach außen durch gemeinsame Ideen ab, konkurrieren miteinander und konstruieren in dieser Rivalität Ansprüche auf Wahrheit, die zu einem scharfen Antagonismus führen können. Schematisch unterscheidet de Beer die Insider und die Outsider, also diejenigen, die Roms Erbe für sich reklamierten, etwa in der Stadt selbst oder an der Kurie, sowie diejenigen, die diese Ansprüche herausforderten, etwa in anderen Städten oder von außerhalb der katholischen Kirche. Die Insider beriefen sich auf eine idealisierte Vergangenheit, die sie in der Gegenwart fortdauern sahen, und der sie zu neuer Geltung verhelfen wollten. Die Outsider rekurrierten ihrerseits ebenfalls auf ein ideales Rom, bestritten jedoch, dass das gegenwärtige Rom dieses Erbe für sich beanspruchen dürfe. Sie wollten vielmehr Rom andernorts errichten und damit die Idee transferieren. Dass die Autorin diese analytische Unterscheidung sogleich selbst in Frage stellt, wenn sie darauf verweist, in unterschiedlichen Phasen der Auseinandersetzung variiere stark, wer Insider und Outsider sei, kann man als Hinweis auf fehlende theoretische Durchdringung der eigenen Kategorien und Vorannahmen deuten. Dieser Vorbehalt gegen die eigenen Ordnungsmuster kann jedoch zugleich darauf hindeuten, dass die Schlacht um die Erinnerung an Rom hochgradig dynamisch war. Wie die Ausführungen de Beers zeigen, wurde der Konflikt weniger von festen Positionen im Diskurs aus geführt, vielmehr gestaltete er sich durch stets veränderbare intellektuelle, institutionelle und personale Konstellationen, die die Romidee in ihrem Sinne prägten, fortschrieben und zur Selbstpräsentation einsetzten. Das war nur folgerichtig, denn die Schlacht um Rom wurde wesentlich im Geiste von und mit Mitteln der Rhetorik ausgefochten. Protagonisten von de Beers Buch sind die Humanisten und ihre Texte. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Dichtung, was fraglos der disziplinären Herkunft der Autorin geschuldet ist. Den Anfang der Erzählung macht einmal mehr Petrarca, dessen durch antike Texte entflammter, für kommende Humanistengenerationen vorbildlicher Erneuerungsrhetorik das erste Kapitel gewidmet ist. Seinen Nachfolgern vermittelte Petrarca auch die Dialektik zwischen Kontinuitätsbehauptungen und Klagen über den verlorenen Glanz des antiken Roms, den es wiederherzustellen gelte. Im zweiten Kapitel wird die Perspektive erweitert anhand der humanistischen Adaptionen der Vergil’schen Ursprungserzählung Roms. Rom erschien darin in einem christlich ausgedeuteten imperialen Kontext, der auf den römisch-deutschen Kaiser, den französischen König, andere weltliche Herren und nicht zuletzt den Papst in legitimatorischer Absicht bezogen werden konnte. Damit ging einher, dass die Romidee sich nicht auf die Stadt oder einen Wirklichkeitsbereich allein bezog, sondern umfassend entworfen wurde. Je expliziter diese Ansprüche auf das römische Erbe wurden, umso strittiger wurden sie, denn hier stand de Beer zufolge eine Legitimationsressource bereit, die sich kaum ein Machthaber entgehen lassen wollte. Gerade wenn es sich aber um Nichtitaliener handelte, waren dazu erhebliche Adaptionsleistungen erforderlich. Wie das folgende Kapitel demonstriert, griffen auch die Päpste die imperiale Tradition auf, indem sie das christlich-katholische Reich als Fortsetzung des römischen präsentierten. Hinzu kam eine moralische Aufladung der Romidee. In Anknüpfung an antike moralisierende Abhandlungen wurde mal die Notwendigkeit der Erneuerung der Sitten propagiert, mal Rom als moralischer Vorort verklärt. Derartige Ansprüche waren allerdings riskant, da sie etwa aus nordalpiner oder reformatorischer Perspektive leicht durch den Vorwurf konterkariert werden konnten, dass die Tugenden Rom verlassen hätten. Das vierte Kapitel erinnert daran, dass der Rombezug in der Renaissance nicht nur über Texte funktionierte, sondern auch über materiale Hinterlassenschaften. Ruinenbetrachtungen ließen sich ebenfalls mit Erzählungen vom Niedergang, von Kontinuität oder von einer Wiedergeburt verbinden. Erneuerung der Stadt und Erneuerung der Erinnerung waren dabei nicht deckungsgleich, wie die Studie demonstriert, sondern konnten im Extremfall weitgehend unabhängig voneinander ablaufen. Das fünfte Kapitel konzentriert sich schließlich auf die Rezeption und Wiederbelebung des literarischen Erbes, worin sich die Ideen einer Erneuerung Roms und diejenige einer Erneuerung der Bildung verbanden. In diesen Aneignungsprozessen entstand de Beer zufolge das Bild der Römer als einer kulturell, sprachlich und politisch geschlossenen Gemeinschaft. Humanisten konstituierten sich dabei als diejenigen, die über einen privilegierten Zugang zu jener Gemeinschaft und ihrem Erbe verfügten. De Beer behandelt ein bereits gut erforschtes Thema, das genutzte Quellenmaterial dürfte einem Fachpublikum bekannt sein, die Analyse entlang der Kategorien Outsider und Insider bleibt theoretisch blass, und dennoch handelt es sich zweifellos um eine empfehlenswerte Studie, die gut lesbar, kenntnisreich, konzise und anschaulich erzählt, wie die Renaissance Rom konstruierte. Das geschah nicht in interesselosem Wohlgefallen, sondern in sozialen und diskursiven Gefechten, für die die titelgebende Schlacht die passende Metapher bildet.+TABRE+Jan-Hendryk de Boer

Katalin Prajda, Italy and Hungary in the Early Renaissance. Cultural Exchanges and Social Networks, Roma (Viella) 2023 (Bibliotheca Academiae Hungariae – Roma. Studia 10), 312 pp., ill., ISBN 979-12-5469-510-4, € 48.

Dall’incontro di due sguardi contrapposti – la cronaca commissionata da Luigi I d’Ungheria nel 1358, che enfatizza le divergenze tra italiani e ungheresi, e l’invettiva di Petrarca, che definisce questi ultimi „barbari“ – prende avvio il volume di Katalin Prajda, dedicato ai multiformi legami tra questi due spazi geografici e ai protagonisti che li attraversavano. L’autrice suddivide il materiale in cultural exchanges e social network, riconducendo i casi di studio a rapporti politici, economici, sociali e culturali. Queste angolature costituiscono i quattro capitoli in cui si articola il volume. L’intervallo cronologico, identificato come Early Renaissance, va dall’incoronazione di Luigi I (1342) alla morte di Mattia Corvino (1490), con riferimenti anche a eventi priori e seriori. L’attività degli ambasciatori italiani nel regno d’Ungheria mostra un crescente interesse, a partire dalla seconda metà del Trecento, nell’inserirsi nel network balcanico. L’approccio appare qui conforme alle recenti acquisizioni della New Diplomatic History, con attenzione alle figure liminali, spesso attive anche nel commercio. Katalin Prajda delinea, quindi, i plurisecolari sviluppi diplomatici, dando spazio ad alcuni affondi specifici: ciò le è possibile adottando la prospettiva della „traiettoria“, focalizzandosi cioè sui rapporti intrattenuti con il regno da tre centri principali, la Camera apostolica, Venezia e Firenze. Il secondo capitolo, il più corposo (71 pagine), approfondisce il mercato finanziario ungherese e ipotizza la sua dipendenza dagli stessi tre centri italiani, con Firenze in posizione privilegiata. L’analisi della rete di affari conferma la sovrapposizione tra attività diplomatica e mercantile, con alcuni protagonisti legati anche all’amministrazione locale. Tra questi spicca Jacopo Saraceni, la cui duplice funzione è peraltro sostanziata con fonti d’archivio – Archivio di Stato di Firenze, fondi Signori e Mercanzia – riportate nell’appendice documentaria. La crescita degli scambi ebbe un forte impatto sui centri che si trovavano sulla direttrice – principalmente, sull’asse tra Firenze e Buda, dove fu installato un consolato –, contribuendo a una ridefinizione degli spazi geopolitici: in quest’ottica può essere inquadrata l’ascesa dei porti adriatici di entrambe le coste, che pure conservano un’importante documentazione in grado di ampliare lo studio, opportunamente segnalata dall’autrice. Il capitolo sui rapporti tra società e comunità si concentra sul fenomeno migratorio, valutando l’inserimento degli ungheresi nei tre contesti cittadini italiani. Ne affiorano dinamiche peculiari, che vedono maggiormente coinvolte alcune fasce sociali e, più precisamente, specifiche figure professionali, tra cui gli schiavi e i mercenari, ma anche una buona rappresentanza del ceto artigianale. I pellegrini, invece, affluiti sempre più numerosi soprattutto a Roma, furono incentivati dalla fondazione dell’Osservanza francescana nel regno, in particolare a Ozora e Gyula. In ultimo, la studiosa presta attenzione ai rapporti culturali, a partire dall’alta formazione universitaria sviluppatasi dopo della fondazione dei primi studia ungheresi a inizio Trecento. I viaggi degli universitari, non esclusivamente di estrazione baronale, determinarono una più ampia circolazione delle idee, ispirate ai poli italiani, tra cui quello padovano. Per l’arte, invece, il principale riferimento era l’ambiente fiorentino, come testimoniato dalle vicende di Manetto e Masolino, ma non si trattò di una vera e propria importazione: una lettura sinottica delle opere fa propendere per un’influenza dovuta alla migrazione degli artisti italiani, più che un impatto concreto sulla produzione artistica locale. Nelle conclusioni la studiosa insiste nel presentare gli scambi culturali come conseguenza degli impulsi diplomatici e commerciali. Il principale e più originale risultato della ricerca, tuttavia, è il controbilanciamento dell’interpretazione secondo la quale questi scambi – nella loro accezione più ampia – si sarebbero intensificati solo a partire dagli anni di Mattia Corvino, dunque nella seconda metà del XV secolo. Attraverso un’indagine che combina approcci diversi, lo studio ne mette bene in luce la vitalità sin dalla fine del XIV secolo, rintracciandoli in esperienze comunitarie e individuali, come nel noto caso di Pippo Scolari, un toscano della cerchia dei Buondelmonti che, sulla scia di imprese mercantili, fu trapiantato nel regno e crebbe al servizio di Sigismondo. La fioritura umanistica si sarebbe concretizzata sulla scia italiana, solamente a partire dal terz’ultimo decennio del secolo, nutrendosi, fino ad allora, del contributo di pochi artisti, approssimativamente stimati da Prajda intorno alla dozzina. L’arrivo massiccio di artisti italiani avrebbe inaugurato un nuovo periodo di scambi, traghettando il regno d’Ungheria verso la modernità.+TABRE+Filippo Vaccaro

Henrike Bolte, Bischofserhebungen und geistliche Landesherrschaften im spätmittelalterlichen Livland. Dorpat – Ösel – Kurland, Berlin–Münster (LIT-Verlag) 2023 (Schriften der Baltischen Historischen Kommission 24), 783 S., ISBN 978-3-643-14656-4, € 84,90.

Das mittelalterliche Livland besaß eine „eigentümliche politische Struktur“ (S. 11): die fünf geistlichen Landesherrschaften – der Deutsche Orden, der Erzbischof von Riga, die Bischöfe von Ösel, Dorpat und Kurland – hatten keinen weltlichen Landesherrn über sich. Mit der kirchlichen Ämterbesetzung in den bisher eher wenig erforschten drei Bistümern Ösel, Dorpat und Kurland befasst sich die an der Freien Universität Berlin entstandene Dissertation von Henrike Bolte. Ihr Ziel ist es, in vergleichendem Zugriff ein „Gesamtbild der Interessengruppen, Akteure und Konflikte in den livländischen Bistümern anlässlich der Bistumsbesetzungen“ zu entwerfen (S. 16) – anders als die ältere Forschung, die hauptsächlich den Deutschen Orden als ‚staatsbildende‘ Macht betrachtete. Anfangsjahr der Untersuchung ist der Ausbruch des Großen Schismas 1378, Endjahr die Auflösung des livländischen Zweiges des Deutschen Ordens 1561; der zeitliche Schwerpunkt liegt im 15. Jahrhundert. Die Darstellung ist nach Sachzusammenhängen gegliedert. Ihr erstes (Groß-)Kapitel behandelt die Ämtervergabe „zwischen Ortskirche und päpstlicher Kurie“ (S. 22–229), also durch Wahl oder Provision, und die Bedeutung des Wiener Konkordats für Livland; das zweite Kapitel die Mitwirkung der Domkapitel, der regionalen Vasallen und der Stadt Dorpat (S. 230–385); das dritte Kapitel die Rolle des Deutschen Ordens (bzw. seiner Zweige in Preußen, Livland und Deutschland; S. 386–514). Material- und Detailreichtum sind unerlässlich zum Verständnis der Interessenkonstellationen und -konflikte, die die Autorin in angenehm lesbarer Sprache und klarer Argumentation nachvollziehbar macht. Da die päpstliche Kurie bei den meisten Bistumsbesetzungen involviert war, nehmen die Kurienkontakte und -aktivitäten der Bischofskandidaten, ihrer Unterstützer und Gegner in der Darstellung breiten Raum ein. Sie sind gut dokumentiert durch gedruckte Quellen wie etwa das Liv-, Est- und Kurländische Urkundenbuch und die Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie, durch Regestenwerke („unerlässlich“ das Repertorium Germanicum, S. 19), aber auch durch ungedruckte Quellen im Vatikanischen Archiv, von denen eine imponierende Menge benutzt worden ist (vgl. S. 683 f.). Die Autorin kommt zu dem Ergebnis, dass bei Bischofserhebungen in Livland päpstliche Eigeninitiative selten vorkam; sie konstatiert eine weitgehende „Abhängigkeit des als Richter fungierenden Papstes von den manipulierenden Informationen der ortskirchlichen Fraktionen Livlands“ (S. 518 f.). Gute Chancen auf ein Bischofsamt verschaffte „die Verbindung von lokalen und kurialen Beziehungen“ (S. 519): Auswärtige waren in der Minderheit, auch in den Domkapiteln. Für ‚Ausländer‘ waren die livländischen Bistümer nicht attraktiv. Nur der unersättliche päpstliche Zeremonienmeister Johann Burckard wollte im Jahre 1500 mit dem Bistum Kurland providiert werden (vgl. S. 665 f.). Der Anhang umfasst – außer einer Bischofsliste (S. 528 f.) – einen umfangreichen „Katalog der Bischöfe und Kandidaten von Dorpat, Ösel und Kurland“ (S. 530–682). Dieser enthält Daten für insgesamt 76 Personen: 38 Bischöfe und ebenso viele erfolglose Kandidaten. Der Katalog besitzt besonderen Wert als Nachschlagewerk durch das Fehlen der drei Bistümer in dem biografischen Lexikon „Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648“ (hg. von Erwin Gatz, Berlin 1996; erst in den 2001 erschienenen Band für die Jahre 1198 bis 1448 sind die livländischen Bistümer einbezogen worden). Ein Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 683–756) und ein kombiniertes Orts- und Personenregister (S. 757–783) beschließen den gewichtigen, sorgfältig redigierten Band.+TABRE+Christiane Schuchard

Étienne Hubert, Anatomia di un documento. Scrivere le case di S. Pietro in Vaticano a metà Trecento, Roma (Viella) 2024 (I libri di Viella 510), 300 S., ISBN 979-12-5469-486-2, € 29.

Im Archiv des Kapitels von St. Peter hat sich ein eigentlich gar nicht so umfangreiches Häuserverzeichnis aus der Zeit des Jubiläums von 1350 erhalten, das hier, übertragen gesprochen, auf dem Seziertisch präsentiert und in allen Einzelheiten kommentiert wird (Edition S. 195–230). Die Anlage dieser Quelle im bzw. mit Blick auf das Jubeljahr erklärt sich durch den Umstand, dass aufgrund des Großereignisses der Mietpreis vieler Häuser gegenüber den üblichen Jahren drastisch angehoben wurde. Dank der guten Überlieferungslage des Archivs des Kapitels von St. Peter stehen für die Datierung und die geschichtliche, topographische und soziale Einordnung der Quelle zahlreiche weitere Dokumente zur Verfügung, wobei vor allem der „Liber anniversariorum“ zu erwähnen ist. Was das Bestandsverzeichnis angeht, muss man sich die in Rom (aber auch anderswo, wie in Paris) im Besitzrecht vorherrschende Unterscheidung zwischen dem Boden und dem darauf Errichteten vor Augen halten („proprietà disgiunta tra soprassuolo e suolo“, S. 68 f.). Wie der Verfasser schon in vorausgegangenen Studien gezeigt hat, besaßen in Rom Tausende Familien Häuser, die auf dem Boden anderer errichtet worden waren. Sie bewohnten und vermieteten sie (S. 69), sorgten aber durch ihre Investitionen auch für Verdichtung des Wohnraums. Das oft wiederkehrende Wort „terraticum“ bezeichnete sowohl den Grund und Boden als auch die Abgabe, die der Besitzer des Baugrunds von dem Eigner des darauf Errichteten für die Überlassung des Bodens erhielt. Das Kapitel von St. Peter konnte sogar selbst nur die superficies von Häusern besitzen, für die es seinerseits anderen Grundeigentümern zinspflichtig war (S. 74). Die Unterteilung der Gebäude in mehrere Einheiten (in der Regel nicht mehr als zwei), zeigt den Wunsch des Vatikankapitels, die Rentabilität seines Wohnungsbestands in einer Phase steigender Nachfrage nach Wohnraum zu erhöhen (S. 92). Neun von zehn Häusern des Peterskapitels waren mit einem eigenen Zeichen („cum signo“), also Insignien, Emblemen oder Wappen, unterschieden, was den Verfasser zu einem beachtenswerten Exkurs zur Heraldik sowie Haus- und Handelszeichen im öffentlichen Raum auch über den rein kirchlichen Bereich in Rom hinaus veranlasst (S. 93–108; zu Cola di Rienzo vgl. S. 105 f.). Die Verteilung der in der Quelle verzeichneten Häuser auf 26 Pfarreien folgte einer genauen geografischen Route durch die bevölkerungsreichsten Viertel der Stadt (S. 115, 180–185). Aufschlussreich sind auch die Ausführungen zur Münzzirkulation in Rom (S. 126–142) und zur Höhe der Pachten. Nicht spurlos gingen an unserem Material die Pestepidemie von 1348, Erdbeben sowie – als Preistreiber – das Jubiläum von 1350 (S. 151–164) vorüber. Sogar ein möglicher Kaiserbesuch konnte als Anlass für eine Mieterhöhung vorgesehen sein (S. 164 f. zu 1362 und 1374). Bei langfristigen Mietverträgen wurden auch die Baukosten vom Mieter getragen, der als Bauträger der Urbanisierung des Gebiets diente (S. 171). Wie konnte man dem Verfall der Häuser Einhalt gebieten? Bereits in den 1410er Jahren begann das Kapitel damit, seine Güter in Erbpacht (Emphyteuse) zu vergeben, um sich von den hohen Unterhaltskosten zu befreien, die es aus Geldmangel oft nicht stemmen konnte. Der Verfasser bescheinigt dem Kapitel insgesamt eine geschickte Anpassung an Zeitläufte und Konjunktur. Den Kanonikern gelang die Mehrung des Immobilienbesitzes, der sich durch fromme Stiftungen gespeist hatte (S. 176 f., 232–236).+TABRE+Andreas Rehberg

Cristina Carbonetti, I conti in convento. Il registro di entrate e uscite del Convento Domenicano di San Sisto in Roma (A.A. 1369–1381), Città del Vaticano (Scuola Vaticana di Paleografia, Diplomatica e Archivistica) 2024 (Littera Antiqua 22), XII, 387 S., ISBN 978-88-85054-29-5, € 45.

Das Archiv des auf eine Gründung Innozenz’ III. zurückgehenden Dominikanerklosters San Sisto in Rom ist heute auf vier Sitze verteilt: das Vatikanische Archiv, die Generalkurie der Dominikaner (in Santa Sabina), das Archiv des Klosters der Madonna del Rosario sowie das Staatsarchiv Rom. Im Vatikan liegt das Register der Einnahmen und Ausgaben von San Sisto aus den Jahren 1369 bis 1381, das von zweifachem Interesse ist: zum einen bietet es eine Fülle von Informationen zur Wirtschafts-, Institutionen- und Sozialgeschichte der Ewigen Stadt und zum anderen ist es für die Entwicklung der Schrift und der Sprache bedeutsam (abwechselnd werden Latein und Volgare verwendet oder die beiden Sprachen sind vermischt). Die Schwestern stammten aus der römischen Oberschicht (S. 32–34). Was wurde verzeichnet? Der Leser folgt praktisch der Hand des Rechnungsführers (borsario), eines dem Kloster dienenden Dominikaners, der in dieser Funktion zyklisch wechselte und seine Aufzeichnungen auf seine eigenen Quittungen oder auf Angaben Dritter stützte. Bei letzteren handelt es sich um den Prior, die Bevollmächtigten des Klosters sowie die Brüder oder Konversen selbst, die im Namen der Nonnen für die verschiedenen Wirtschaftsbereiche des Klosters zuständig waren und die Pachten und Einkünfte aus der Bewirtschaftung von Gärten, Weinbergen, Land und Vieh eintrieben oder selbst Einkäufe tätigten. Die allenthalben aufscheinenden Namen zeigen das Beziehungsnetz der Dominikanerinnen, das von wohlhabenden römischen Agrarhändlern bis hin zu einfachen Leuten wie Vieh- und Gänsehütern reichte (S. 35–37). Als ausgewiesene Paläografin liefert die Verfasserin eine technisch makellose Edition mit exzellentem kritischen Apparat. Allerdings zeigen sich hier und da einige zweifelhafte Lesarten und Interpretationen, die sich hätten vermeiden lassen, wenn man den historischen Kontext vertieft und einige Identifikationen vorgenommen hätte. Da ein Sachkommentar fehlt, verstehen sich die folgenden Hinweise nicht als Pedanterie, sondern als Einladung, aus den spröden Angaben zu den Tagesgeschäften eines Klosters die Perlen zu fischen, die das Rechnungsbuch zu einer Fundgrube für die Geschichte Roms macht, für die bekanntlich gerade im bewegten 14. Jahrhundert die Quellen spärlich fließen. Beginnen wir mit der Angabe „Item die XVIIII di março [1370, AR] dal priore e quali ricepette per limosina da missure lo cardinale d’Angria per la festa dello staççone“ (Nr. 188). Dass die Lesart Angria gewiss mit Anglia zu verbessern ist, geht aus einem Blick in Eubels „Hierarchia Catholica“ hervor. Denn es handelt sich bei diesem Titelkardinal von San Sisto zweifellos um den englischen Kardinal Simon Langham OSB (ca. 1315–1376), der 1369 die Kurie Urbans V. in Montefiascone erreichte und bei dieser Gelegenheit wohl auch nach Rom gekommen ist. Dass er im Jahr darauf wohl von Avignon aus eine Spende an das Kloster San Sisto zum Stationsfest veranlasste, ist doch ein bemerkenswertes Zeichen der Verbundenheit, die auch dadurch unterstrichen wird, dass die Schwestern von einem Testamentsvollstrecker des Kardinals 1378, also zwei Jahre nach seinem Tod (1376), 100 fl. ausgezahlt bekamen (Nr. 3775). Dass man einen Engländer ausgerechnet zum Kardinal von San Sisto machte, dürfte auch dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass das Kloster seit den Tagen Innozenzʼ III. eine Pension aus dem Inselreich erhielt, die wegen ihrer ansehnlichen Höhe unter Angabe der beteiligten Bank (der Florentiner Alberti!) jährlich unter den ansonsten eher bescheidenen Einnahmen hervorsticht (s. Index sub voce „Anglia“). Dass an diesem Transfer 1380 der bekannte römische Kaufmann Lello Maddaleni beteiligt war, soll nicht unerwähnt bleiben (Nr. 2397). Neben vielen anderen frommen Stiftungen wird auch ein testamentarisches Legat des 1368 verstorbenen Kardinals Niccolò Capocci erwähnt (Nr. 207). Der Leser muss sich auch bei vielen Ortsangaben selbst behelfen; die vermeintliche Kirche „[a] Sancto Pietro dalli Armini“ (Nr. 112, vgl. S. 374) ist korrekt als Ortsangabe „bei St. Peter bei den Armeniern“, wo es eine eigene „contrada degli Armeni“ gab, zu verstehen. Die Rückkehr des Papsttums aus Avignon und der Ausbruch des Schismas 1378 bleiben zunächst ohne Widerhall. Erst 1379 kam etwas Bewegung in den Alltag (S. 195–202). Als Anzeichen, dass die Kurie wieder in der Stadt weilte, kann man das Auftreten des Kardinals Filippo Ruffini, der cursores des Papstes und eines Fiskalprokurators werten (S. 195–202, 214). Beiläufig werden auch Juden genannt (s. Index). Um die Finanzen des Klosters muss es nicht gut bestellt gewesen sein, waren doch 59 Frauen zu versorgen (zu dieser Zahl s. Nr. 2685, 3948). Der Konvent stand bei den eigenen Mitschwestern in der Kreide (Nr. 2344, 3840–3845 usw.). Wichtig für die – leider sehr schlecht dokumentierte – Geschichte der römischen Kommune und ihre Institutionen sind die in den Rechnungen durchscheinenden Hinweise u. a. auf das Amt der Grascerii (die für die Regulierung des Getreidemarktes sorgten) oder der Banderesi (alle bequem zu finden im Index sub voce „Roma, officia“). Mögen noch weitere solcher Quellen der Romforschung zugänglich gemacht werden!+TABRE+Andreas Rehberg

Ulrich Schwarz, Die Kanoniker von St. Blasius in Braunschweig. Weltgeistliche, das Burgstift und die welfischen Landesherren (1388–1412), Göttingen (Wallstein) 2024 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 319), 624 S., Abb., ISBN 978-3-8353-5463-0, € 45.

Die hier vorzustellende Arbeit zum Blasiusstift in Braunschweig besticht durch ihre Detailfülle und gründliche Aufarbeitung zahlreicher Urkunden (vor allem aus dem Landesarchiv in Wolfenbüttel) und weiterer Quellen (u. a. aus Rom). Im Untersuchungszeitraum 1388–1412 agierten gleichzeitig 22 Kanoniker am Stift, zu denen der Verfasser, der lange als niedersächsischer Landesarchivar gewirkt hat, akribisch 54 Viten erstellt (zu deren Gestaltung s. S. 131 f.). Die Präsentation oblag den Vertretern der diversen Linien des Welfenhauses, die gelegentlich für gemeinsam getragene Kandidaten auf das Alternieren verzichteten (S. 148) und mitunter diesen Akten in Italien nachkamen, wenn sie im Kriegsdienst standen (S. 152 f.). Schnell kristallisieren sich wichtige Komponenten der Vernetzung – Verwandtschaft, Pfründenbesitz, Testier- und Stiftungsverhalten – heraus. Der Leser erfährt viel über die soziale Herkunft und die Ausbildungswege der Stiftsherren, bei denen stets zwischen den nichtkapitularischen Kanonikern und denen mit Stimmrecht zu unterscheiden ist (so S. 130 f.). Als Studienorte ragten die Universitäten hervor. Nach Bologna zog es vor allem die Adeligen (S. 178, 172, 214, 369), während Avignon (bzw. die Kurienuniversität, S. 204), Prag (S. 218, 344 f.) sowie noch mehr Heidelberg und Erfurt mitunter auch von Bürgerlichen – manchmal sogar vermittels (Rats-)Stipendien – frequentiert wurden (S. 479–504). Etliche Kanoniker waren Meister der Selbstdarstellung, wie man an den Siegeln (S. 421–433, mit Abb. 5–28), Wappen (u. a. an Reliquiaren, s. ein herausragendes Beispiel S. 163–167) und einigen Wappenscheiben aus der Leprosenkapelle in Uelzen (heute in der dortigen Heiliggeistkapelle; Abb. 4, 29 f.) ablesen kann. Das enge Verhältnis zum Welfenhaus, das im Übrigen auch selbst einige Kanoniker stellte, spiegelt sich auch im wiederholt anzutreffenden Fürstendienst (z. B. als Notar; S. 447 f.) wider. Einige Hinweise verraten, dass es im Blasiusstift zu inneren Konflikten kommen konnte, wobei an den mit dem Gemeinen Rat 1413–1420 ausgefochtenen sogenannten Pfaffenkrieg (S. 342) und die Spannungen zwischen Vikaren und Kanonikern (S. 345 f.) zu erinnern ist. Für die sozialgeschichtliche Bewertung ist der Querschnitt zum Jahr 1412 aufschlussreich, der zeigt, dass die keineswegs nur aus Braunschweig stammenden Bürgerlichen die anfängliche Dominanz der Adeligen unter den Stiftskanonikern aufbrechen konnten (S. 436–439). Das Kriterium der Stiftsverbundenheit ist eine Kategorie, die gewiss auch die allgemeine (Dom-)Stiftsforschung befruchten wird (S. 442–446). Ein Gewinn ist auch die Transkription von 14 repräsentativen Quellentexten im Anhang, die interessante Schlaglichter auf die Lebenswirklichkeit der gestreiften Geistlichen werfen (S. 522–561). Neben den vielen landesgeschichtlich relevanten Bezügen (wobei man die stupenden Ortskenntnisse des Verfassers nur bewundern kann!), ist auch die römische Perspektive präsent. Das Einwirken der Päpste nimmt sich allerdings insgesamt bescheiden aus (Beispiel s. S. 147 f.); ganz offensichtlich wagte für das Stift selbst niemand, das landesherrliche Präsentationsrecht zu unterlaufen. Gelegentlich trifft man auf Kanoniker in der Funktion als Prokuratoren, Kollektoren oder Kuriale (S. 204 f., 270 f.). Ein Überflieger mit intensiven Kontakten auch nach Rom war gewiss der gelehrte Kanonist und Theologe Konrad von Soltau, der 1407 als Bischof von Verden verstarb (S. 268–273). Methodisch herausfordernd ist die Rekonstruktion einer Gemeinschaft zu einem konkreten Zeitpunkt, wobei Schwarz das Jahr 1388 als Auftakt wählt. Gelegentlich erreicht auch die große (Kirchen-)Politik Braunschweig, so das große abendländische Schisma von 1378 (S. 234 f., 552–554 Dok. 11). Der Verfasser war selbst lange Mitarbeiter am „Repertorium Germanicum“ (RG) und kann auch einige Verbesserungen an den seinerzeit noch sehr knapp gehaltenen Regesten des RG vornehmen (so S. 68 Anm. 170, S. 72 Anm. 185 f., S. 279 Anm. 147 usw.). Liebe zum Detail verraten – um nur zwei Beispiele zu geben – die Hinweise auf Wohnung und Gastlichkeit (S. 313) sowie die Erwähnung des Ausritts eines Chorherren auf einem rubeus equus – also einem Fuchs (S. 341) –, die die auf weiten Strecken recht technische Lektüre versüßen. Durch die Berücksichtigung der Pfründen, die die Kanoniker über Braunschweig hinaus besaßen, ist der Band auch für die kirchengeschichtlichen Verhältnisse der umliegenden Bistümer Hildesheim, Halberstadt, Magdeburg und Verden eine Fundgrube, deren Erschließung durch das sorgfältige Personen- und Ortsregister erleichtert wird.+TABRE+Andreas Rehberg

Leonard Horsch, Politisches Handlungswissen im Venedig des Quattrocento. Die Briefsammlung des Ludovico Foscarini, Band I: Analyse, Band II: Edition, Berlin-Boston (De Gruyter) 2023 (Cultures and Practices of Knowledge in History 17), 2 voll., 1246 pp., ill., ISBN 978-3-11-116864-7, € 149,95.

La dissertazione discussa nel semestre invernale 2021/2022 alla Ludwig-Maximilian-Universität di Monaco di Baviera, sotto la supervisione di Claudia Märtl, è dedicata al veneziano Ludovico Foscarini, 1409–1480. Tale figura è stata finora considerata sotto il profilo dell’umanista, ma l’autore propone di mutare completamente il punto di vista, e la dettagliata biografia che offre del personaggio è la prima, convincente prova della necessità di superare la mera prospettiva letteraria. Foscarini ebbe un’intensa e fortunata carriera politica, rivestendo innumerevoli uffici nel e per il governo veneziano – in particolare come legato presso la curia – e percorse l’intero cursus honorum fino a diventare procuratore di S. Marco (1471) per poi concorrere, senza successo, al dogado. Da questi dati muove l’autore per riconsiderare l’epistolario di Foscarini, edito integralmente nel secondo volume dell’opera. Dopo la morte di Francesco Barbaro nel 1454, tale epistolario risulterebbe „l’unica raccolta compilata dall’autore stesso che riporta le reazioni a vicende della vita a partire dalla realtà quotidiana di un nobile veneziano che fu politico di punta“ (p. 1). Effettivamente si tratta di 312 lettere che offrono una miniera di notizie su avvenimenti e personaggi del mondo lagunare e no per gli anni 1449–1467. Sono indirizzate a 112 destinatari, che l’autore raccoglie in cinque gruppi come nobili veneziani con o senza incarichi di governo (savi, avogadori, senatori, legati etc.), nobili veneziani membri del clero, altri „abitanti“ sia di Venezia sia della Terraferma e infine „dignitari internazionali“ o loro collaboratori. Attraverso un amplissimo scavo documentario – l’elenco dei manoscritti e dei fondi d’archivio occupa cinque, fitte pagine (pp. 489–494) – e una sterminata bibliografia (pp. 494–542), l’autore valorizza le lettere per ricostruire episodi, reti, tensioni politiche che riguardarono Foscarini, ma soprattutto per proporre una nuova lettura dell’epistolario in sé: Foscarini avrebbe inteso offrire ai suoi discendenti maschi un manuale di comportamento per l’agire sociale e politico, un „manuale per la comunicazione politica“ (p. 174). Mostrando una competenza „comunicativa“ applicata a situazioni tipiche dell’attività degli ufficiali veneziani nobili, la raccolta doveva permettere ai giovani Foscarini di ottenere notorietà, guadagnare l’elezione a posizioni di rango nel governo e aumentare così la fama della casata. Di natura didattica sarebbe pure l’organizzazione interna dell’epistolario, in cui sarebbero ravvisabili cinque sezioni, con un ordine di massima geografico e cronologico: diplomazia alla curia e nella guerra agli Ottomani; attività di governo sulla Terraferma (Brescia, Verona, Patria del Friuli); diplomazia a Genova, Mantova e Malpaga; ancora attività di governo sulla Terraferma (Padova) e infine scambio epistolare con Isotta Nogarola. Per comprendere le „pratiche comunicative“ (kommunikatorische Praktiken, p. 416) che Foscarini additava ai suoi figli, l’autore analizza in modo sistematico le sue „strategie“. E le distingue rispettivamente in giuridiche, letterarie, di sdegno, di lode, compassione, tutela/paternalismo e condivisione/comunione. Le competenze giuridiche di Foscarini, dottore in arti e in entrambi i diritti, risaltano da un vocabolario che tradusse i rapporti di patronato e clientela in concetti propri del diritto obbligazionario, usuali nell’attività quotidiana dei tribunali veneziani – custodia, negligenza, munus, obligatio, dolus etc. Anche le „strategie letterarie“, ricavabili dalle oltre mille citazioni di autori classici (Cicerone in primis), dall’invio di manoscritti, da riflessioni filosofiche e in particolare dal desiderio di commissionare una storia di Venezia rispettivamente a Damiano del Borgo, Jacopo de’ Ragazzoni e Flavio Biondo, non solo mostrerebbero la „socializzazione letteraria ed erudita“ di Foscarini, ma ancora una volta vengono rilette come strumento per „ansehensrelevante Ziele“ presso destinatari interessati (p. 417): la committenza di opere storiografiche avrebbe avuto come fine la cura della propria immagine come personalità lungimirante, responsabile e proattiva di fronte a potenziali elettori (p. 280). Le restanti „strategie epistolari“ (lode, riprovazione, compassione), legate a giudizi morali ed emozioni, non permettono secondo l’autore alcuna deduzione circa motivazioni intime o convinzioni religiose; critica del lusso, condanna della sodomia, antiebraismo e retorica antiturca andrebbero piuttosto ricondotte al loro significato per l’autorappresentazione nel campo della legislazione, della giustizia e della politica estera da parte di nobili veneziani ambiziosi (p. 417). Tutto mirava e concorreva a costruire il proprio profilo pubblico. Foscarini insomma „manipolò“ (p. 419) lettere ed epistolario, comprese le emozioni, in forma di „pratiche“, i cui codici culturali egli conosceva e sfruttava. Il sapere relativo all’agire politico che Foscarini trasmise ai suoi figli, teoricamente decisivo per la stabilità e continuità del potere dei gruppi politici nobiliari veneziani, non risultò però di grande utilità per i figli, specie per il più giovane Vittore, accusato di corruzione e morto in esilio. Sicché l’autore conchiude, lapidario: „l’erede dell’epistolario non ha apportato alcuna fama alla casata Foscarini“ (p. 423). L’epistolario avrebbe dunque un obiettivo pragmatico; ma restano alcuni dubbi, anzitutto circa il peso dato alla „strategia“, termine che ritorna a ogni pié sospinto e orienta l’esegesi dell’epistolario. „Strategia“ presuppone un controllo totale del testo, lo irrigidisce, e suggerisce un sistema in cui tutto è controllato e finalizzato alla fama e all’autorappresentazione, in vista del successo politico. La „praxeologische Perspektive“ (p. 416) è sicuramente convincente, ma rischia di appiattire alla sola dimensione del politisches Handlungswissen un insieme di testi di grande spessore. Sarebbe bello sapere di più del perduto liber di lettere in bambazina e del suo nesso con il liber pergamenaceo (cioè il ms. ÖNB, cod. 441 qui edito), per capire quale eredità complessiva, quali insegnamenti Foscarini volle affidare ai suoi figli. Davvero solo la comunicazione politica con le sue „strategie“? Il legato della „bibliotecha mea, in qua consistit magna mea felicitas“, che si apre appunto con i due „libri epistolarum“ (pp. 473, 11), pare rinviare ad un orizzonte più ampio. Qualche interrogativo sorge, per altro verso, circa la lingua dell’autore. Si può definire Gasparino Barzizza „Kommunikationstrainer“ (pp. 163, 414)? Si può parlare astrattamente di „Schreiben an internationale Würdenträger mit militärischer Relevanz“ (p. 184), di Foscarini „als Mitglied des kollektiven Souveräns“ (p. 259) o di „Kommunikationsanweisungen der Zentrale an Foscarini“ (pp. 191, 193)? La scelta di optare per un vocabolario improntato alla sociologia e alle scienze della comunicazione rischia di appiattire la ricchezza umana di persone e azioni. Con queste osservazioni non si vuole sminuire il grande valore dell’opera. Desta ammirazione l’edizione dell’epistolario, che occupa l’intero secondo volume e pone a disposizione dei lettori materiale ricchissimo per ulteriori ricerche, con inediti indirizzati fra gli altri ai cardinali Juan de Carvajal, Bartolomeo Roverella, Alain de Coëtivy e Bessarione. Altrettanto preziosa la pubblicazione del proemio degli statuti di Feltre riformati da Foscarini, della „Vita“ dei santi Vittore e Corona composta da Foscarini durante la podesteria a Feltre nel 1439/1440, di lettere estravaganti e di diversi testi ancora. Tabelle e indici di vario tipo, riproduzioni dall’epistolario, da lettere in originale e di quanto resta del monumento sepolcrale, nonché del suo disegno settecentesco, permettono di apprezzare l’immenso lavoro filologico condotto dall’autore. Che fanno dell’edizione e della trattazione un punto di riferimento essenziale per la storia culturale e politico-sociale del Quattrocento veneziano.+TABRE+Daniela Rando

Frank Engel, Das Kölner Domkapitel in der Zeit Erzbischof Dietrichs II. von Moers (1414–1463). Kirchenpolitik und Landesherrschaft im nördlichen Rheinland und in Westfalen, Berlin-Boston (De Gruyter) 2022 (Studien zur Germania Sacra, N. F. 12), 567 S., ISBN 978-3-11-072705-0, € 169,95.

La memoria del ruolo centrale rivestito dal capitolo cattedrale tra le istituzioni premoderne a partire dal pieno Medioevo è sbiadita nella cultura storica diffusa. E tale oblio si ripercuote anche sullo stato delle ricerche, caratterizzato ancor oggi da indagini a macchia di leopardo. La scarsa attenzione è però ingiustificata perché il capitolo cattedrale, pur nelle sue innumerevoli variazioni locali, assunse funzioni preminenti nelle società urbane di Antico Regime, costituendo un organo di governo della chiesa cittadina e della diocesi, una camera di integrazione e compensazione degli interessi delle élites, urbane ed extra-urbane, e infine, come nel caso qui trattato, un’istanza politica nelle dominazioni principesche episcopali. Il presente studio indaga questa centralità nel contesto di Colonia, cioè di una delle più grandi città dell’Occidente medievale, nel cuore del XV secolo, durante il lungo episcopato di Dietrich II von Moers (1414–1463). A Colonia si era appunto sedimentato dal XII secolo un ruolo fondamentale del capitolo cattedrale nella partecipazione al governo dell’arcivescovo. Da ciò derivava una notevole concentrazione di risorse materiali e simboliche che conferivano a tale istituzione una posizione preminente nella macroregione del Nord-Reno e oltre. Nonostante l’indubbio rilievo del capitolo cattedrale di Colonia, le ricerche finora condotte hanno riguardato in maniera diseguale singoli aspetti oppure hanno operato sezionamenti cronologici o geografici più ampi e quindi non focalizzati come nella presente monografia. Engel sintetizza innanzitutto le questioni relative alla composizione e costituzione del capitolo (pp. 19–39): tale sintesi è supportata da schede biografiche nella prima parte dell’appendice al volume (pp. 373–489). L’ammissione al gruppo dei canonici, quasi tutti di origine nobiliare, e l’accesso alle prebende erano il risultato di un processo di cooptazione. Rispetto alla variabile composizione della comunità canonicale del duomo, che contava su 72 prebende, i canonici del capitolo in senso stretto erano 24 o 25, come stabilito in uno statuto del 1450. La parte più cospicua dello studio (pp. 41–359) fornisce un quadro articolato delle attività del capitolo cattedrale nelle questioni di politica ecclesiastica e in quelle del principato attraverso l’analisi delle sue relazioni esterne (Außenbeziehungen): con le dodici più antiche canoniche urbane ed extraurbane dell’arcidiocesi; con il governo cittadino di Colonia e con l’Università; con i duchi e signori di Jülich, Berg e Heinsberg; con i duchi di Kleve. La parte più ampia della ricerca si concentra però sulla relazione con l’arcivescovo Dietrich II (pp. 41–151), caratterizzata da posizioni differenziate all’interno del gruppo dei canonici e mutevoli nel tempo. Ciò si manifesta sin dall’elezione del 1414 che, per la prima volta dopo il 1304, fu compiuta dal capitolo e non per disposizione papale. Non a caso, senza l’intervento preventivo di un potere esterno, si generò subito la concorrenza tra due candidati. La fazione avversa a quella che sosteneva Dietrich non costituì mai una minaccia, data la forte posizione della seconda. Dietrich fu però il primo arcivescovo a giurare un capitolato elettorale (Wahlkapitulation) che garantiva i diritti dei canonici. Per contro il margine di manovra dell’arcivescovo nel determinare la composizione del capitolo e nella ripartizione delle prebende fu limitato. Nella prima fase del pontificato di Dietrich von Moers i canonici della cattedrale sostennero la politica territoriale dell’arcivescovo; nella seconda la posizione di questi si indebolì e il sostegno divenne intermittente. Le tensioni, connesse anche con notevoli conflitti – come la Soester Fehde (1444–1449) e la Münsterische Stiftsfehde (1450–1457) –, entrarono in risonanza con il confronto tra il concilio di Basilea e il papa Eugenio IV che provò a deporre Dietrich von Moers. Il tentativo fallì, ma l’effetto fu una rinegoziazione dei rapporti tra arcivescovo e capitolo cattedrale che portò nel 1446 a un secondo concordato tra le parti (Zwischenkapitulation). Nonostante i tentativi di collaborazione attraverso l’istituzione di una commissione finanziaria (1450), il rapporto si deteriorò per l’incidenza politica dell’indebitamento crescente, contratto per sostenere la politica espansionistica dell’arcivescovo. Tale situazione acuì l’opposizione del capitolo che contrastò infine il progetto successorio di Dietrich von Moers, intenzionato a favorire il nipote. Esemplare per comprendere la posizione del capitolo cattedrale al centro di un groviglio di interessi economici e politici è il rapporto ambivalente con i potentati principeschi: in particolare con il duca Adolfo di Kleve († 1448). Rispetto alle ricerche precedenti lo studio di Engel costituisce un sondaggio più approfondito e articolato sul ruolo politico del capitolo cattedrale in questa fase, cui avrebbe giovato il ricorso a concetti e strumenti dell’analisi configurazionale e di rete per dipanare e rappresentare meglio il groviglio di interessi e relazioni.+TABRE+Eugenio Riversi

Daniela Santoro, Decoro della città, rifugio dei poveri. L’Ospedale Grande del Santo Spirito di Palermo (XV secolo), Roma (Viella) 2024 (IRCVM–Medieval Cultures 16), 160 S., Abb., ISBN 979-12-5469-686-6, € 26.

Die Aufarbeitung der Hospitalsgeschichte erlebt in Italien seit Jahrzehnten eine Blüte. Die Verfasserin nimmt sich des Ospedale Grande del Santo Spirito in Palermo an und ordnet diese Institution in die allgemeine Forschungslage ein. Seine Einrichtung erinnert an ähnliche Gründungen des 15. Jahrhunderts in norditalienischen Städten, wo die vielen kleinen, oft auch privat geführten Krankenhäuser nicht mehr imstande waren, den gestiegenen Bedürfnissen und dem Aufkommen neuer Armut gerecht zu werden. In Palermo beteiligten sich an der Bündelung der Kräfte kirchliche und städtische Institutionen ebenso wie die aragonesische Krone. Das Ospedale Grande erhielt seinen Sitz im Palazzo Sclafani unweit von Kathedrale und Königspalast. Diese Gründung wird im Kontext der Expansion der Handelsstadt Palermo seit der Normannenzeit gesehen, während der schon die Ankunft der Bettelorden und die Blüte der Bruderschaften ab dem 13. Jahrhundert auch bei der Versorgung von Kranken und Bedürftigen neue Akzente gesetzt haben. In dieser Phase wurde schließlich 1433 eine Heilig Geist-Bruderschaft gegründet (S. 26), die trotz des gleichen Namens und einiger Anleihen für den Stiftungsauftrag und die innere Organisation unabhängig vom römischen Hospital S. Spirito in Sassia zu sehen ist. Ebenfalls keinen Sonderfall stellen die Maßnahmen dar, die die Stadt Palermo im Zuge der Ausbreitung der Pest ab der Mitte des 14. Jh. ergriff. Den Sitz im Palazzo Sclafani (S. 45–49) hatte man offenbar bewusst in Distanz zum Hafenbereich (Kalsa) gewählt. Die Protagonisten der Gründung des Ospedale Grande von Palermo waren der Protonotar des Königreichs Leonardo de Bartholomeo, der Erzbischof der Stadt (ab 1414) Ubertino de Marinis sowie der Benediktiner Giuliano Mayali, wobei letzterer ob seiner diplomatischen Erfahrung sowohl König Alfons V. wie den Stadtvätern als Emissär beim Papst genehm war, der dann in der Tat mit einer Bulle vom 11. November 1431 dem Zusammenschluss der Palermitaner Hospitäler zustimmte (S. 37–39). Die Gründungsphase selbst beanspruchte insgesamt drei Jahre und mündete – nachdem man von anderen Großhospitälern in Italien und Katalonien Erkundigungen eingeholt hatte (S. 42 f.) – in die Abfassung der ersten Hospitalskapitel (1429–1431). Die eigentlichen Hospitalsstatuten datieren allerdings erst von 1442 (S. 57–64). Sie legten fest, dass das Patronat des Hospitals den Stadtvätern oblag, die ohne Einmischung von Kirche und Krone die Verwalter, die drei Rektoren und den Ospedaliere, ernannten. Die ersteren waren Laien (aus den besten Familien der Stadt); letzterer ein Priester. Das Personal bestand neben den Krankenpflegern und den Köchen samt Gehilfen aus zwei Ärzten, einem Apotheker und einem Seelsorger sowie den Rechnungsführern (inkl. Schatzmeister), die dem Ospedaliere zuarbeiteten. Was die Einnahmenseite angeht, erhielt das neue Hospital seine Mittel über Stiftungen sowie kirchliche und königliche Privilegien. Man investierte wie anderenorts sofort in Grundbesitz, Immobilien (darunter auch Mühlen) und Viehzucht. Die Spezialisierung des Hospitals auf die Aufnahme und Versorgung ausgesetzter Kinder scheint auf das Vorbild des römischen Hospitals S. Spirito in Sassia zurückzuführen zu sein (S. 76). Minutiöse Einblicke in die Ausstattung und das Innenleben des Hospitals gewähren eine Reihe von Quellen, unter denen ein detailreiches Inventar von 1490 hervorsticht (S. 87–105, ed. 116–126). Wer sich mit der Ausgestaltung des Ospedale Grande in Palermo beschäftigt, kommt nicht umhin, sich zu dem ergreifenden großen Fresko „Triumph des Todes“ eines anonymen Künstlers aus dem 15. Jahrhundert zu äußern, das nach 1945 von seinem ursprünglichen Standort im Palazzo Sclafani in die Galleria Regionale della Sicilia im Palazzo Abatellis überführt worden ist. Die Verfasserin schließt sich der verbreiteten Forschungsmeinung an, dass Nicolaus de Tudeschis, gen. Panormitanus (1389–1445), oder auch der bereits genannte Benediktiner Giuliano Mayali das expressive Werk inspiriert haben könnten (S. 82). Letzterer könnte sogar in der Gestalt des Eremiten Eingang in das Fresko gefunden haben, wie auch andere in den Quellen belegte freiwillige Helfer*innen des Hospitals (S. 85 f.).+TABRE+Andreas Rehberg

Tamar Herzig, Storia di un ebreo convertito. Arte, criminalità e religione nell’Italia del Rinascimento, Roma (Viella) 2023 (La storia. Temi 108), 317 S., Abb., ISBN 979-12-5469-232-5, € 27,55.

Das bereits 2019 auf Englisch unter dem Titel „A Convert’s Tale. Art, Crime, and Jewish Apostasy in Renaissance Italy“ (Cambridge, MA, Harvard University Press) erschienene Werk von Tamar Herzig liegt nun auch in einer italienischen Übersetzung von Stefano U. Baldassarri und Donatella Downey vor. Es ist zweifellos eine atemberaubende Geschichte, die Herzig hier in Form einer mikrohistorischen Studie anhand einer Vielzahl von Dokumenten aus italienischen Archiven und ergänzenden Quellen erzählt. Weit mehr als die Geschichte eines beliebigen Konvertiten, denn Salomone da Sessa (der Beiname geht auf den Herkunftsort seines Vaters, Sessa Aurunca, zurück) war bereits als Jude ein bekannter Goldschmied und Graveur, und seine Konversion erfolgte 1491 im Angesicht seiner bevorstehenden Hinrichtung. Geboren wurde er zwischen 1452 und 1457 in Florenz als Sohn einer wohlsituierten Familie von Geldverleihern. Nach dem Tod des Vaters zog die Witwe 1461 mit ihren Kindern nach Bologna, wo Salomone – auf welche Weise ist nicht geklärt, da Juden eine regelrechte Lehre nicht gestattet war – die Goldschmiedekunst erlernte. Seine Familie – er war seit 1478 verheiratet und hatte mehrere Kinder – lebte dort bis 1489, während er selbst schon Jahre zuvor am Hof des Markgrafen von Mantua und des Herzogs von Ferrara tätig war. Seine Kunstfertigkeit verschaffte ihm insbesondere die Protektion von zwei Frauen, Eleonora von Aragon, der Frau von Herzog Ercole in Ferrara, und ihrer Tochter Isabella, die mit Francesco Gonzaga in Mantua verheiratet war. 1489 ließ er sich mit Familie in Ferrara nieder, doch hatte sich Salomone offenbar Feinde unter den Mantuaner Juden gemacht, die ihn zwei Jahre später am dortigen Hof denunzierten. Die Einzelheiten der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen sind nicht in allem klar, doch ging es auf jeden Fall um Sodomie (was im zeitgenössischen Sprachgebrauch meist homosexuelle Handlungen meint) sowie um weitere Delikte wie Veruntreuung von Arbeitsmaterial. Nachdem er in Ferrara einige Zeit in Haft verbracht hatte und schließlich zum Tode verurteilt worden war, bekannte er sich schuldig und erklärte seinen Wunsch, zum Christentum zu konvertieren. Nach langen Diskussionen, ob unter diesen Umständen das Todesurteil aufzuheben sei, entschied sich Herzog Ercole – nicht zuletzt auf Veranlassung seiner Frau – zur Begnadigung des Goldschmieds. Dieser wurde kurz darauf zusammen mit seinem Sohn in einer feierlichen Zeremonie getauft und erhielt dabei – nicht zufällig – den Namen Ercole. Wenig später konvertierte auch seine Frau, die auf den Namen Eleonora getauft wurde. Im zweiten Teil des Buches rekonstruiert Herzig den weiteren Lebensweg des Künstlers und seiner Familie, den Eintritt der ältesten Tochter in einen Konvent, die Aufnahme der jüngeren in das Gefolge von Lucrezia Borgia, Ausbildung der beiden Söhne in der Werkstatt des Vaters, glanzvolle Aufträge, aber auch zahlreiche Kalamitäten, da Ercole dei Fedeli, wie er sich nach der Taufe nannte, immer wieder in Verzug bei der Fertigstellung seiner Werke geriet, was ihn zeitweilig sogar ins Gefängnis brachte und nach dem Tod seiner wichtigsten Gönner letztlich in den Ruin trieb. Wie schon 1485 im Testament seiner Mutter anklingt, konnte er offenbar auch nicht mit Geld umgehen, doch werden die konkreten Ursachen seiner Misere aus den Quellen nicht recht deutlich, was Herzig zu manchen Spekulationen – wie etwa Spielsucht – veranlasst. Denn obwohl die biografische Dokumentation – bis auf die letzten Lebensjahre Salomone/Ercoles – erstaunlich dicht ist, bestehen natürlich auch Lücken, die die Autorin auf verschiedenen Wegen zu schließen versucht. Ihre umfassende Kenntnis der Forschungsliteratur veranlasst sie immer wieder zu längeren Exkursen, etwa über die Konditionen, unter denen Künstler und Handwerker in der Renaissance arbeiteten, die informativ, aber manchmal ermüdend sind und von der eigentlichen Handlung ablenken. In anderen Fällen greift sie – wie im geschilderten – zu Spekulationen, die gelegentlich hilfreich sein können, aber gelegentlich auch eher hilflos wirken. So ist etwa die Frage nach den Motiven für die Konversion Salomones anhand der Quellenlage nicht zu beantworten, und auch über die Gefühle seiner Familie beim Eintritt der ältesten Tochter ins Kloster (Kap. 14) lässt sich – ohne jedes Fundament – nur spekulieren. Ungeachtet dieser Kritikpunkte handelt es sich ohne Zweifel um eine interessante und wichtige Studie, die vielfältige Einblicke in die Welt der italienischen Renaissance, die immense Bedeutung von Luxusgütern für ihre Fürstenhäuser, die Arbeitsbedingungen der von ihnen beschäftigten (Kunst-)Handwerker sowie die Lebensverhältnisse jüdischer Konvertiten gewährt.+TABRE+Wolfgang Treue

Maffeo Vegio, De rebus antiquis memorabilibus basilicae S. Petri Romae. Introduzione, edizione critica e commento, a cura di Fabio Della Schiava, Città del Vaticano (Biblioteca Apostolica Vaticana) 2023 (Studi e Testi 558), 211 S., Abb., ISBN 978-88-210-1100-9, € 16.

Dass Maffeo Vegios Beschreibung der vatikanischen Basilika seit ihrer Editio princeps in den „Acta Sanctorum Iunii“, Tom. VII seu Pars II, aus dem Jahr 1717 keine Neuausgabe mehr zuteilwurde, befremdet. Dabei gilt der zwischen 1452 und 1458 entstandene, nie ganz abgeschlossene Text nicht nur als ausführlichste Beschreibung der in weiten Teilen noch konstantinischen Peterskirche, sondern auch als frühes Beispiel für einen neuen, humanistischen Zugriff auf Fragen der Kirchengeschichte und des Mittelalters. Vielfach hervorgehoben wurde der Umstand, dass Vegios Darstellung der Gründung des Baus die bis dato und auch später noch vielzitierte Silvester-Legende ganz hinter der „Kirchengeschichte“ des Eusebios von Caesarea zurücktreten lässt. Wohl nicht zufällig erscheint die älteste Abschrift von „De rebus antiquis“ im Codex Ott. lat. 1863 der Vatikanischen Bibliothek Seite an Seite mit Lorenzo Vallas Abhandlung gegen die Konstantinische Schenkung. Hier deutet sich ein kritischer Umgang mit apokryphen Quellen an. Aufgrund der Auswertung epigraphischer und archäologischer Befunde hat man den Verfasser gar als Begründer einer christlichen Altertumswissenschaft gefeiert. Wie Della Schiava hervorhebt, sollte man sich vor einer allzu einseitigen Sicht Vegios dennoch hüten. Den Subtext seiner Abhandlung bietet die „Descriptio basilicae vaticanae“ des Petrus Mallius aus dem 12. Jahrhundert, und dort, wo es um den Primat der Peterskirche und die päpstliche plenitudo potestatis geht, lässt auch der Humanist wundersame Erzählungen zu, umso mehr, wenn diese durch eine autoritative Quelle wie das Epistolar Gregors d. Gr. verbürgt sind. Nicht ganz berechtigt scheint Della Schiavas Einwand, die fehlende Neuedition des lateinischen Textes habe den Blick auf die Bedeutung von Vegios Unternehmen verstellt. In ihrer ausgiebig kommentierten und breit eingeführten englischen Übersetzung des Traktats haben Christine Smith und Joseph F. O’Connor („Eyewitness to Old St Peter’s. A Study of Maffeo Vegio’s ‚Remembering the Ancient History of St Peter’s Basilica in Rome‘“, Cambridge 2019) drei Gründe erarbeitet, die den Verfasser des 15. Jahrhunderts zu seinen arbeitsintensiven Ausführungen veranlassten: zum einen der Jahrhunderte alte Primatstreit zwischen Peterskirche und lateranensischer Basilika, der mit der Übersiedlung der Kurie zum Vatikan im Jahre 1447 und den einschlägigen Bullen Nikolausʼ V. und Calixtusʼ III. zwar zugunsten von St. Peter entschieden scheinen mochte, aber dennoch nicht ohne Widerspruch blieb und im 16. Jahrhundert folgerichtig noch einmal aufflammen sollte; zum anderen ging es dem Verfasser darum, die Stellung und den Besitz der vatikanischen Kanoniker, denen er seit 1443 angehörte, zu verteidigen – auch gegen päpstliche Übergriffe; schließlich bekundet sein Text das Festhalten an der ehrwürdigen Tradition von St. Peter, die, schenkt man Gianozzo Manettis „Vita“ Nikolausʼ V. Glauben, durch die gigantischen Neubauprojekte des Papstes gefährdet war – diese Kontroverse lebte um 1600 ebenfalls noch einmal auf. Dem ist wenig hinzuzufügen. Auch im Hinblick auf die historisch-antiquarische Kommentierung Vegios sollte man das Buch von Smith und O’Connor zukünftig weiterhin heranziehen. Die Stärke Della Schiavas in zahlreichen Aufsätzen vorbereiteter Edition beruht auf ihrer philologischen Arbeit. Auf der Grundlage von nicht weniger als 20 Handschriften gelingt es ihm erstmals, ein Stemma der Überlieferung zu erstellen. Auffällig wirkt dabei, dass nur der Codex Ott. lat. 1863 aus dem 15. Jahrhundert datiert. Eine wirkliche Rezeption erfuhr der Text hingegen erst seit den 1540er Jahren, als sich mit dem Konzil von Trient ein apologetisches Interesse an der Kirchengeschichte und der Vorrangstellung des Papstes Bahn zu brechen begann und die alte Basilika zunehmend dem unter Julius II. begonnenen Neubau weichen musste. Bezeichnenderweise trug Marcello Cervini, nachmals für kurze Zeit Papst Marcellus II. (1555), entscheidend zur Verbreitung des Traktats bei. Aus dieser Zeit datiert auch der ergänzte Schlussabschnitt, den etliche Handschriften wiedergeben. Vegios erstaunlich polemische Ausfälle gegen das antike Rom, die zum Teil in Augustinusʼ „De Civitate Dei“ wurzeln, mögen dann gerade auf die antikenfeindliche Zeit Sixtusʼ V. (1585–1590) Eindruck gemacht haben. Della Schiavas Edition liegt die Handschrift Ott. lat. 1863, die schon Giovanni Battista De Rossi als Ausgangspunkt des Stemmas erkannt hatte, zugrunde. Vom Wortlaut der „Acta Sanctorum“ weicht sie an etlichen Stellen ab. Sämtliche Textvarianten werden in der neuen Ausgabe sorgfältig dokumentiert. Beeindruckend wirkt überdies der Nachweis von Quellen und Parallelstellen in der weitverstreuten Literatur, die Vegio benutzt. Neben klassischen Autoren und den Kirchenvätern kommen in seinen Lektüren mittelalterliche Verfasser und humanistische Schriften zum Tragen. Es kann somit kein Zweifel bestehen, dass Della Schiava die fortan verbindliche Edition des St. Peter-Traktats vorgelegt hat. Dafür ist dem Herausgeber zu danken.+TABRE+Ingo Herklotz

Lorenz Böninger, Niccolò di Lorenzo della Magna and the Social World of Florentine Printing, ca. 1470–1493, Cambridge (Mass.)-London (Harvard University Press) 2021 (I Tatti Studies in Italian Renaissance History), VIII, 210 pp., ISBN 978-0-674-25113-7, € 48,96.

Una frattura profonda tra gli storici del libro, ed in particolare tra gli incunabolisti da un lato, e i filologici, nonché gli storici della letteratura dall’altro, ha da sempre segnato le ricerche sull’Umanesimo e il Rinascimento. La stampa a Firenze ha avuto illustri studiosi, a partire dal marchese Roberto Ridolfi con i suoi numerosi, puntuali e pioneristici contributi, poi confluiti nel volume „La stampa a Firenze nel secolo XV“ (Firenze 1968), dall’incunabolista inglese Dennis E. Rhodes con gli „Annali tipografici fiorentini del XV secolo“ (Firenze 1988), apparsi prima della costituzione dell’ormai fondamentale data-base ISTC (= Incunabula Short Title Catalogue), ed infine da Piero Scapecchi con la sua recente raccolta dal titolo „Il lavoro del bibliografo. Storia e tecnica della tipografia rinascimentale“ (Firenze 2023). Ma non sono mancati altri importanti studi come quelli di Edoardo Barbieri e Adolfo Tura, ed anche di Piero Innocenti, Paolo Trovato, Neil Harris. I contributi di Lorenz Böninger hanno un diverso punto di partenza, e cioè la ricerca negli archivi, in particolare presso l’Archivio di Stato di Firenze, dove egli ha privilegiato e continua a privilegiare la Corte della Mercanzia, un fondo poco esplorato e di difficile consultazione, ma tale da restituire importanti tasselli della storia di Firenze, soprattutto sotto il profilo economico. E del resto la storia della stampa non può prescindere da quei contratti notarili, da quelle sentenze giudiziarie, da quei testamenti che, per lo più sorti in situazioni conflittuali, restituiscono uno spaccato della società, in questo caso della società fiorentina. La ricchezza di informazioni che le ricerche di archivio possono fornire è stata già ampiamente ‚sfruttata‘ da Böninger quando ha ritrovato il contratto per la stampa della „Commedia“ dantesca con il commento di Cristoforo Landino (Firenze, 30 agosto 1481; ISTC id9934600), ritrovamento questo che ha dato luogo ad un importante convegno nel 2014 („Per Cristoforo Landino lettore di Dante“, a cura di Lorenz Böninger/Paolo Procaccioli, Firenze 2016). Del resto gli studi di Arnaldo Ganda sui primordi della tipografia milanese, tutti scaturiti da ricerche archivistiche, costituiscono una conferma sull’importanza delle fonti archivistiche come base sicura in quanto documentata. La produzione tipografica fiorentina è dal punto di vista numerico la quarta per consistenza all’interno del panorama italiano: eppure si articola, nella maggior parte dei casi, in edizioni di consumo, come le sacre rappresentazioni, le vite dei santi, con una prevalenza di testi di carattere religioso, quasi a conferma di quanto scriveva Mario Martelli („Letteratura fiorentina del Quattrocento. Il filtro degli anni ’60“, Firenze 1996) allorquando ripercorreva la storia letteraria di Firenze nella quale individuava una svolta decisiva, quella degli anni ’60, tutta permeata da un forte sentimento religioso, che poi avrebbe spiegato la grande fortuna della predicazione savonaroliana. Dell’introduzione della stampa a Firenze Böninger ha trattato nelle due riviste più prestigiose per la storia della stampa, e precisamente „Gutenberg-Jahrbuch“ e „La Bibliofilia“. Le ricerche di Böninger, ancorate sul fondo archivistico della Mercanzia, sono continuate con il recente volume: „Il mercato del libro nella Firenze del Rinascimento. La bottega del cartolaio Benedetto di Giovanni e la lite per l’eredità di Peter Ugelheimer“ (Roma 2023). Con le sue ricerche Böninger ha di fatto smontato, nell’ambito della storia della stampa in Italia, la ‚vulgata‘ in base alla quale tipografi già formati nel loro mestiere in Germania scesero in Italia per impiantare la nuova ars. La scelta di ricostruire la vita di Niccolò di Lorenzo della Magna risulta illuminante: infatti Niccolò, originario di Breslavia, è indicato come „donzello“ della Corte della mercanzia circa dieci anni prima di collaborare, forse come apprendista, con il tipografo Giovanni Tedesco (cioè Giovanni di Piero di Magonza) che produsse l’edizione a stampa del „De christiana religione“ di Marsilio Ficino, assegnata al 1474 circa (ISTC se00148000) e la relativa versione italiana (ISTC if00150000). Giustamente, avendo scelto il taglio storico come privilegiato orizzonte di ricerca, Böninger prende in considerazione due momenti importanti per la storia fiorentina, e cioè la stamperia di Ripoli, sorta presso il monastero femminile di San Iacopo, di cui rimane la preziosa testimonianza del suo famoso „Diarium“ (ed. Martin Conway, Firenze 1999), il quale restituisce una serie di trattative commerciali riguardanti la carta, i libri, la distribuzione di opuscoli e di fogli volanti, che fanno intravedere come Firenze fosse essenzialmente con i suoi mercanti-librai una sede commerciale di rilievo. Inoltre ritiene ugualmente importante il fatto che due mercanti fiorentini, Girolamo Strozzi e Gian Battista Ridolfi, non in linea con il regime mediceo, finanziassero la stampa a Venezia di due testi significativi per la storia di Firenze, e precisamente le „Historiae florentini populi“ di Leonardo Bruni e la „Historia florentina“ di Poggio Bracciolini, volgarizzati rispettivamente da Donato Acciaiuoli e da Iacopo Bracciolini. Questo a conferma di come Lorenzo de’ Medici, che aveva trasferito lo Studium fiorentino a Pisa, di fatto non favorisse l’emergere della stampa „dotta“ a Firenze, quella cioè legata agli studi universitari, lasciando così il campo ad una produzione di consumo in volgare (si veda „Studium florentinum. L’istruzione superiore a Firenze tra XIV e XV secolo“, cura di Lorenzo Fabbri, Roma 2024). Una conferma è data dall’analisi del primo libro ‚fiorentino‘ a stampa, cioè il „Commento di Servio a Virgilio“, stampato da Piero Cennini e dai suoi figli Bernardo e Domenico, in tre volumi, nel 1471–1472 (ISTC è00481000), che avrebbe potuto riscuotere una certa fortuna se lo Studium fosse rimasto a Firenze. Infine Böninger prende in considerazione alcune tra le più importanti edizioni a stampa di Lorenzo di Niccolò della Magna: oltre la già citata edizione della „Commedia“ dantesca con il commento di Cristoforo Landino, Böninger si sofferma sul „De medicina di Celso“, a cura di Bartolomeo Fonzio (ISTC ic00364000), sul volgarizzamento delle „Disputationes camaldulenses“ di Cristoforo Landino, apparse nel 1480 (ISTC il00037000), sulla „Geographia“ di Francesco Berlinghieri, edita nel 1480–1481 (ISTC ib00342000), sui „Rudimenta grammatices“ di Niccolò Perotti, 1483-1486 (ISTC ip00318780) e sul „De re aedificatoria“ di Leon Battista Alberti, 1485, con una stanca prefazione di Angelo Poliziano (ISTC ia002115000). Concludono il volume l’elenco dei testi stampati da Niccolò di Lorenzo della Magna (pp. 115–117), l’edizione di alcuni documenti (pp. 119–131), nonché un’ampia bibliografia (pp. 179–200).+TABRE+Concetta Bianca

Élisabeth Lusset/Clément Pieyre (a cura di), La Pénitencerie apostolique sous Innocent VIII (1484–1492). Les suppliques de declaratoriis du royaume de France, Roma (École française de Rome) 2024 (Sources et documents 13), 520 pp., ill., ISBN 978-2-7283-1806-3, € 42.

La documentazione prodotta e conservata dalla Penitenzieria apostolica ha suscitato un costante interesse storiografico sin dall’apertura alla consultazione del suo archivio nel 1983. In particolare, dopo che i primi studi hanno messo in luce la ricchezza delle suppliche contenute nella serie dei „Registra matrimoniorum et diversorum“ del XV e dei primi decenni del XVI secolo, tali fonti sono state rese accessibili alla ricerca attraverso edizioni organizzate prevalentemente su base territoriale. Alla grande impresa del „Repertorium Poenitentiariae Germanicum“ animata da Ludwig Schmugge, che ha raccolto tutte le richieste provenienti dai territori dell’Impero germanico per i pontificati da Eugenio IV a Adriano VI, si sono così affiancate iniziative più o meno ampie per altre aree geografiche, come l’Inghilterra e il Galles, la Norvegia, la Svezia, la Finlandia, la Polonia, parti dell’Italia e alcune diocesi del Belgio. In questo panorama movimentato, la regione francese è rimasta tuttavia nell’ombra, nonostante la sua massiccia presenza nei registri romani. Il volume di Élisabeth Lusset e Clément Pieyre offre ora un sostanzioso contributo per colmare tale lacuna, pubblicando le suppliche de declaratoriis inoltrate durante il pontificato di Innocenzo VIII dalle diocesi comprese nei confini attuali della Francia. Si tratta di una categoria che, nella suddivisione dei registri stessi, riunisce le richieste miranti a chiarire la posizione giuridica di ecclesiastici e laici attraverso dichiarazioni rilasciate in nome dell’autorità apostolica. Il libro si apre con una densa introduzione di Élisabeth Lusset. Dopo una panoramica storiografica sui documenti della Penitenzieria e sul valore delle suppliche quali fonti per riconoscere le relazioni fra governanti e governati, l’autrice esamina l’intensità dei contatti tra i richiedenti francesi e la curia pontificia, quantifica la distribuzione geografica delle suppliche e delinea un profilo istituzionale del dicastero. Successivamente, sintetizza l’iter procedurale delle richieste, avvalendosi non soltanto delle fonti romane, ma anche dei riflessi documentari reperibili negli archivi di tribunali, magistrature locali e famiglie. Infine, si concentra sulle principali materie toccate e formula considerazioni circostanziate sui motivi del ricorso alla curia, partendo dalla constatazione del valore giuridico accordato alle dichiarazioni, equiparate a sentenze definitive, ed evidenziando le tracce di procedimenti paralleli di fronte all’autorità pontificia e a quelle secolari. Gli ecclesiastici coinvolti in episodi di violenza intendevano evitare l’esclusione dal mercato beneficiario e dall’esercizio degli ordini, chiedendo di dichiarare che non avevano violato norme del diritto canonico e non erano da considerarsi irregolari; gli uomini e le donne che imploravano di stabilire la validità di unioni contestate o la nullità di matrimoni imposti miravano a mettere in atto intenti e strategie riferiti a loro stessi, alla loro discendenza e ai loro patrimoni; le persone che supplicavano per far riconoscere la nullità di professioni religiose desideravano sottrarsi alla monacazione forzata o alle dure condizioni della vita regolare. Il corpus delle fonti edite dai due curatori abbraccia 287 suppliche, che riflettono altrettante vicende personali. Per ognuna di esse viene riprodotto integralmente il testo – con alcuni interventi che ovviano almeno in parte alle lacune e distorsioni delle registrazioni – e viene dato un riassunto dettagliato. Al di là delle vicende specifiche, questa categoria di suppliche, caratterizzata da precise esposizioni dei fatti, possiede un grande valore documentario per indagini sistematiche o puntuali in moltissimi ambiti: dai sistemi giuridici alla vita quotidiana, dalle istituzioni alla lingua. Le note e l’analisi introduttiva offrono inoltre rinvii precisi ad altre fonti, a partire dalle lettres de rémission concesse dalla corona francese: in riferimento a un omicidio avvenuto nel 1487 a Nevers, il volume riporta le suppliche di tre canonici e di un cappellano della cattedrale coinvolti nella vicenda, e aggiunge anche la lettera con la quale Carlo VIII di Francia concede il perdono all’omicida (documenti nr. 99–102), permettendo così un primo confronto diretto fra le tipologie documentarie. Pur includendo solo una parte delle suppliche francesi presenti nei registri della Penitenzieria per il periodo considerato, il volume amplia consistentemente il novero dei documenti editi su scala europea, e inoltre fornisce spunti originali per il confronto storiografico con questa tipologia di fonti, indicando piste concrete per approfondire i casi particolari, il loro insieme e il loro peso specifico in rapporto alle relazioni fra la curia e le diverse regioni. Per quanto concerne l’edizione dei testi, all’accurata trascrizione e al commento si accompagna un corredo di indici (dei luoghi, delle persone e delle cose notevoli) che agevola notevolmente la consultazione.+TABRE+Paolo Ostinelli

Ester Moscardelli (a cura di), Plutarchi Chaeronensis De placitis decretisque philosophorum naturalibus Guillelmo Budaeo interprete, Firenze (SISMEL. Edizioni del Galluzzo) 2023 (Il ritorno dei Classici nell’Umanesimo. 3. Edizione nazionale delle traduzioni dei testi greci in età umanistica e rinascimentale 14), XII, 183 S., Abb., ISBN 978-88-9290-249-7, € 42.

In rascher Folge ist in der einschlägigen Reihe „Edizione nazionale delle traduzioni dei testi greci in età umanistica e rinascimentale“ (vgl. dazu die Rezension zu Band 13 in: QFIAB 104 [2024], S. 725 f.) ein weiterer Band erschienen. Der vorliegende 14. Band stellt die Übersetzung des schwierigen doxographischen Textes „De placitis philosophorum“ vor, der in die „Moralia“ Plutarchs Eingang fand, aber sicher einem anonymen Autor oder Kompilator zuzuschreiben ist. Im Vergleich zu den vorhergehenden Veröffentlichungen weist dieser Band einige Neuigkeiten auf: Mit Guillaume Budé tritt ein „französischer“ Humanist als Übersetzer in Erscheinung (auch die Handschriften der lateinischen Übersetzung finden sich ausschließlich in französischen Bibliotheken), die Übersetzung erfolgte in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts, wohl 1502/1503, und wurde als editio princeps 1505 als Druck veröffentlicht. Schließlich handelt es sich um eine (außergewöhnlich gute) tesi magistrale, die in Mailand im Umfeld intensiver Studien zur Plutarchrezeption und -übersetzung durch Guillaume Budé entstanden ist. Die Herausgeberin beleuchtet zunächst auf der Basis des Widmungsbriefs Guillaume Budés an Germain de Ganay den Kontext der Übersetzung (S. 3–15). Neben zahlreichen topischen Elementen legt der Übersetzer hier auch seine ratio vertendi dar: Infolge struktureller Unterschiede der beiden Sprachen muss sich eine Übersetzung an einigen Stellen paraphrasierender Elemente bedienen. Der Widmungsbrief liefert also eine (seltene) Selbstreflexion eines Humanisten über die Übersetzungstheorie. Ein umfangreiches folgendes Kapitel (S. 15–29) verdeutlicht diese Beobachtungen anhand von Beispielen. Überzeugend sind die Ausführungen der Herausgeberin zur Handschriftenlage (S. 33–52): Gesichert ist mit der Handschrift Leiden, Bibliotheek der Rijksuniversiteit, Voss. Q.2II die griechische Vorlage, die von Georgius Hermonymus (einem Griechen aus Sparta/Mistras, der in Mailand und ab 1476 in Paris als Kopist und später als Griechischlehrer an der Pariser Universität tätig war) angefertigt wurde und Marginalvermerke und Korrekturen von Budé aufweist (vgl. dazu die detaillierte Aufstellung S. 156–160). Neben der editio princeps ist die Übersetzung Budés in drei Handschriften überliefert, die für die Textkonstituierung als unabhängig von der Druckversion anzusehen sind. Von besonderer Bedeutung dabei ist die Handschrift Paris, Bibliothèque Nationale de France, Par. Lat. 6633, die wohl das persönliche Widmungsexemplar für Germain de Ganay darstellt und von Budé selbst noch mit einigen Anmerkungen versehen wurde. Der Übersetzungstext selbst (S. 58–146) wird wie üblich von einem umfangreichen textkritischen Apparat begleitet, der neben den Testimonien die Varianten in der Überlieferung der Übersetzung, die Varianten im Hinblick auf die griechische Vorlage und einen Kurzkommentar umfasst. Bei den folgenden „Appendici“ (S. 149–161) hätte auf „Appendice I: A) Divergenze ortografiche dei manoscritti latini“ (S. 149–152) verzichtet werden können, da es sich um rein orthographische Versionen handelt. Eine umfangreiche Bibliographie (S. 163–168) und mehrere Indizes, von denen besonders der „Index locorum“ (S. 171–178) hervorgehoben werden soll, runden die Veröffentlichung ab. Auch in diesem Fall werden Literatur-, Sprach- und sowie Übersetzungswissenschaftler*innen gerne auf diese Veröffentlichung zurückgreifen, die darüber hinaus wichtige Erkenntnisse zum Kulturtransfer in der Renaissance liefert. Erfreulicherweise konnte für die Edition auf eine (vielversprechende) Nachwuchswissenschaftlerin zurückgegriffen werden. Zu begrüßen ist ferner mit der Übersetzung von Guillaume Budé die „europäische“ Dimension, auch wenn sich die Frage stellt, wie diese ins Projekt der „edizione nazionale“ integriert werden kann.

Thomas Hofmann

Frühe Neuzeit

Giuseppe Mrozek Eliszezynski/Giovanni Pizzorusso (a cura di), Una curiosità generosa. Studi di storia moderna per Irene Fosi, Roma (Viella) 2024 (I libri di Viella 482), 296 S., Abb., ISBN 979-12-5469-561-6, € 30.

Das Umschlagbild dieser Festschrift für Irene Fosi spielt deutlich auf ihr erstes Buch von 1985 an. Das Vorwort des preside der Fakultät von Chieti würdigt zunächst ihre dortige Arbeit als Ordinaria 2001–2021 und preist das gemeinsame Netzwerk. Dann übernehmen ein junger und ein bewährter Frühneuzeithistoriker aus diesem Kreis als Herausgeber die Einführung, zunächst in das international bekannte Werk der Jubilarin, das Rom und dem frühneuzeitlichen Papsttum mit unersättlicher Neugier aus den Archiven immer neue Fragestellungen abzugewinnen verstand. Das dokumentiert auch ihre angeschlossene Bibliographie. Paolo Prodi hatte 1982 diesem Gegenstand seine neue säkulare Bedeutung gegeben. Bei Fosi geht es demnach um Banditen und Justiz, um Inquisition und Suppliken, um Kardinäle und adelige Familien, um die sogenannten ‚Nationen‘ und die Institutionen der Stadt Rom, um ihre Besucher und Konvertiten, um Kunst und Zeremoniell, um Missionare und natürlich auch um die Rollen der Geschlechter. Ein weites Feld, auf dem sich die 16 Beiträge mit oder ohne Bezug auf Fosis Arbeiten tummeln können. Fünf stammen von anglophonen Autoren, vier davon in englischer Sprache. Die deutschsprachige Forschung kommt hingegen wie üblich nur ausnahmsweise einmal zum Zug. Maria Antonietta Visceglia eröffnet den Band mit einer Analyse der Briefe des späteren Papstes Paul IV. an seine ältere Schwester und „geistliche Mutter“, die Nonne Maria Carafa. Vorab ging es um ihren Hagiographen aus dem 17. Jahrhundert. Der Mikrohistoriker Thomas V. Cohen, zusammen mit Elizabeth S. Cohen Übersetzer von Fosis Justiz-Buch, erschließt die Kriminalakte zweier Doppelagenten zwischen Polizei und Ghetto, während Elizabeth eine gründliche methodologische Handreichung für den schwierigen Umgang mit den Justizakten des römischen Governatorato bietet. Elisa Novi Chavarria verfolgt das Schicksal der Antikensammlung des Giovanni Angelo Romano aus dem 16. Jahrhundert im Hinblick auf die Medaillen in den Tafelwerken des Hubert Goltzius. Renato Sansa befasst sich, von Fosis Erstling inspiriert, mit Laufbahn und Ende des Banditen-Priesters Guercino unter Sixtus V. James W. Nelson Novoa versucht sich an der Erschließung der materiellen Hinterlassenschaft des Kurzpontifikats Innozenz‘ IX. 1592 mit Hinweisen auf Vorbesitzer und Herkunft. Die Trienter Prälatendynastie Madruzzo im 16. und 17. Jahrhundert und ihre Bedeutung für Päpste und Kaiser sind das Thema des Nuntiatur- und Diplomatie-Experten Alexander Koller. Dem Genius Loci von Chieti und Pescara huldigt Giuseppe Mrozek Eliszezynski in seiner Untersuchung römischer Adeliger aus den Abruzzen 1494–1700 mit einem Schwerpunkt beim Masaniello-Aufstand. Um Geschlechter, freilich im doppelten Sinn, geht es auch Laurie Nussdorfer in ihrem Beitrag über Familienstrategien der Orsini von Bracciano und der Spada von Brisighella. Francesco Benigno wirft hingegen einen vergleichenden Blick auf das soziale Feld „Adel“ im Konflikt mit dem modernen Staat und auf das Phänomen des Günstling-Ministers 1598–1661. Dazu hätten allerdings deutsche Arbeiten mehr beitragen können. Weitere Beiträge sind der Papst- und Kuriengeschichte im engeren Sinn gewidmet. Giovanni Pizzorusso verfolgt das Projekt eines römischen Missionskollegs, das Juan Bautista Vives seit 1610 betrieben hat, in dessen ausführlich zitierten Briefen an Kardinal Federico Borromeo. Stefano Andretta wirft einen gründlichen Blick auf Andrea Nicolettis Biografie Urbans VIII., die, obwohl Auftragsarbeit, dennoch unvermeidlichen Einblick in die zeitüblichen Familien- und Karrierestrategien Barberinis gewährt. Ob ein Dominikaner jüdischer Herkunft Bischof von Japan werden könne, musste laut Massimo Carlo Gianninis Quellen 1635/1636 in Rom gründlich diskutiert werden – bis es zu spät war. Simon Ditchfield widmet sich der Bedeutung von Geschichte und Geographie bei dem Jesuiten-Historiker Daniello Bartoli 1608–1685 und findet dazu eine neue Quelle. Nur die letzten Aufsätze verlassen Fosis Epoche. Lisa Roscioni macht die Probe aufs Exempel für Rousseaus Pädagogik am Fall des umstrittenen Mathematikers und Bücherdiebs Guglielmo Libri (1802–1869), Matteo Sanfilippo verfolgt mit Leone Carpi (1810–1898) die Diskussion über die internen und externen Wanderungen der Italiener. Auch diese beiden gehören aber wie die meisten Autor*innen zu der Alterskohorte Fosis und dem Netzwerk ihrer Freunde und Kollegen. Offensichtlich hat sie es verstanden, erfolgreich follower zu rekrutieren, nicht viele, aber gewichtige. Das Ergebnis ist ein Band von erfreulicher thematischer Kohärenz im Vergleich zu vielen der üblichen Ritual-Festschriften. Man möchte also gerne allen Beteiligten dazu gratulieren, vor allem aber der Jubilarin.+TABRE+Wolfgang Reinhard

Roberta Anderson/Laura Oliván Santaliestra/Suna Suner (Eds.), Gender and Diplomacy. Women and Men in European Embassies from the 15th to the 18th Century, Wien (Hollitzer Wissenschaftsverlag) 2023 (Diplomatica 2), XIX, 475 pp., ill., ISBN 978-3-99012-834-3, € 75.

This volume arises from a conference organised on 11 and 12 March 2016 by Reinhard Eisendle, Laura Oliván Santaliestra, and Suna Suner. Lavishly published, it is divided into four sections („Women as Diplomatic Actors“; „Diplomacy of Queens“; „The Birth of the Ambassadress“; and „Stages for Male Diplomacy“) and has the great merit of not conflating gender studies and women’s studies, looking instead at how both women and men acted on the diplomatic stage. The quality of the essays included in the collection is mixed: while some of the chapters represent extremely valuable contributions to the study of the interplay of gender and diplomacy in the early modern period, many are only minimally argumentative, and a couple deal with the theme of gender only tangentially, if at all. To those reading „Gender and Diplomacy“ without knowledge of its publication history, the volume may also appear outdated, since references to research outputs published after 2016 are unfortunately rare. It should nonetheless be noted that, according to the publisher’s website, the book came out as a PDF already in 2021. Among the most stimulating contributions in the volume are two chapters examining how male diplomats adapted to dealing with female rulers or representing them. One of them, Annalisa Biagianti’s, looks at Lorenzo Cenami, Lucchese ambassador to Madrid, to examine how his network of contacts evolved in the transition from the last years of the reign of a male king, Felipe IV, to the regency of Mariana of Austria. Perhaps unsurprisingly, the study shows that the number of female nodes in Cenami’s network increases following the rise to power of Carlos II’s mother. As noted by the author, more research is needed to understand whether a similar trend can be witnessed in the case of male diplomats travelling, unlike Cenami, with their wives. Additionally, it would be worth considering whether the apparent absence of female nodes from Cenami’s network in the reign of Felipe IV in fact reflects the ambassador’s failure to account for his interactions with female diplomatic actors at a time when he may not have deemed them indispensable, rather than the actual absence of such encounters. Tracey Sowerby’s essay analyses instead the case of Sir Henry Unton to understand how male Tudor diplomats in the age of Elizabeth I modulated their masculinity and adjusted to the idea of representing a female monarch. Focussing on Unton’s embassy to France, specifically on his controversial decisions to ride in battle alongside Henri IV and to challenge the duke de Guise to a duel, Sowerby reveals how a diplomat’s performances of chivalric masculinity could jeopardise a female ruler’s reputation and international standing. Sowerby’s appeal for renewed interest in diplomatic masculinities is partly taken up in the final essays of the volume, particularly in Osman Nihat Bişgin’s chapter on Seyyid Ali Efendi’s embassy to the First French Republic and in Laura Mesotten’s excellent contribution on the diplomatic meaning of the clothes worn by François de Noailles, a churchman, during his embassy to the Serenissima (1557–1561). Combining excellent archival skills with an interest in early modern treatises on the ambassador, particularly Juan Antonio de Vera y Zúñiga’s „El Enbaxador“, Mesotten’s chapter reveals how a male ambassador’s fashion choices (particularly his decision to adopt or reject local dress codes) could shape his identity and affect the establishment and development of diplomatic ties. Three more essays stand out as extremely well-researched. Ekaterina Domnina’s contribution examines the diplomatic role played by Marfa Feodorovna Baryatynskaya, second wife to Count Andrei Artamonovich Matveev, Russian ambassador to The Hague and Vienna (with missions also to Paris and London) at the beginning of the eighteenth century. It casts light on Western perceptions of Petrine Russia’s culture and diplomatic ceremonial and points to Marfa’s receipt of personal compensation from the British government as evidence of the officiality of her diplomatic role. Meanwhile, John Condren’s essay may serve as a detailed introduction to the study of the role played by women in political relations between France and some of the northern-Italian polities (Savoy-Piedmont and the duchies of Mantua and Monferrato, Modena and Reggio, and Mirandola) at the time of the Sun King. Finally, David García Cueto’s chapter reconstructs the diplomatic, social, religious, and literary activity of Leonor de Melo, wife to Manuel de Moura y Corte-Real, second marquis de Castel Rodrigo and Spanish ambassador to the Holy See from 1632 to 1641. The portrait outlined here is fascinating, but the reader is left wanting more in at least two respects. One would wish to know more, for instance, about Leonor de Melo’s participation in the public Carnival parades and their possible political significance. Moreover, given that Leonor’s husband was put on a trial for sodomy during his embassy in Rome, it would be interesting to study his performance of gender as well as Leonor’s reaction vis-à-vis the political and diplomatic challenges that such accusations may have brought about. Like David García Cueto’s, other essays in the collection point to new, unexplored avenues of research. Ekaterina Domnina’s (p. 241) and Annalisa Biagianti’s (p. 38), for instance, both contain allusions to the diplomatic role played by ambassadorial children. A number of chapters, moreover, more or less explicitly refer to the passive diplomacy of women and their intrinsic political value, a somewhat problematic topic which would nonetheless be worth exploring in more detail. Read alongside other publications that have appeared since 2016, these essays can therefore hope to contribute significantly to our knowledge of how gender played out in the diplomatic sphere and to foster new research on the subject.+TABRE+Ruggero Sciuto

Franziska Neumann/Jorun Poettering/Hillard von Thiessen (Hg.) (unter Mitarbeit von Elias Buchetmann), Konkurrenzen in der Frühen Neuzeit. Aufeinandertreffen – Übereinstimmung – Rivalität, Köln-Wien (Böhlau) 2023 (Frühneuzeit-Impulse. Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Frühe Neuzeit im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V. 5), 757 S., Abb., ISBN 978-3-412-52697-9 (print)/978-3-412-52698-6 (E-Book), € 99.

Konkurrenz stellt in der modernen Gesellschaft ein Leitmotiv dar. Die Vormoderne mit ihrem Ideal harmonischer Ordnung scheint hier auf den ersten Blick kaum anschlussfähig zu sein. Dass Konkurrenz dennoch als Analyseschlüssel und Signatur der Frühen Neuzeit dienen kann, zeigt der von Franziska Neumann, Jorun Poettering und Hillard von Thiessen herausgegebene Tagungsband des 13. Frühneuzeittags vom September 2019 in Rostock. Der Sammelband umfasst neben zwei einleitenden Aufsätzen über Genese und Anwendbarkeit von kompetitiven Konzepten auf die Vormoderne 15 Sektionen. Mit einem definitorisch ausgeleuchteten und geschärften Konkurrenzbegriff gelingt es dem Band, bei reicher Themenvielfalt die Konsistenz nahezu durchgehend einzuhalten. Im begrenzten Umfang dieser Rezension konzentriert sich der Rezensent inhaltlich auf die beitragsübergreifenden Synthesen dieses Bands. Bei einer solchen Betrachtung sticht vor allem die semantische Ambivalenz des Konkurrenzbegriffs heraus: Konkurrenz war nicht nur ein Gegeneinander-, sondern auch ein Miteinanderagieren verschiedener Parteien. Gerade dieses Phänomen macht den Terminus für das Verständnis frühneuzeitlicher Beziehungen besonders wertvoll. Ein solches Zusammenspiel zeigt sich anhand der Kontakte pietistischer Missionare mit Angehörigen anderer Konfessionen am Bosporus, in Ägypten und in Wien (S. 163–198). Der mehrdeutige Charakter von Konkurrenz wird auch im Rahmen des oberdeutschen Fernhandels im Spanien und Portugal des 16. Jahrhunderts deutlich, der sich weniger kompetitiv, sondern durch Kooperation und das Andocken an vorhandene Netzwerke ereignete (S. 365–375). Außerdem konnte in Verhältnissen zwischen verschiedenen Gruppierungen, etwa der Schweizer und der deutschen Händlernation in Lyon, ein Gegeneinander sukzessive durch ein Miteinander abgelöst werden (S. 377–389). Andere Kontrahenten interagierten nicht direkt miteinander, wirkten aber mittelbar durch Rezeption und Adaption aufeinander ein, so Österreich und Preußen im militärorganisatorischen Bereich im 18. Jahrhundert (S. 477–488). Dass Konkurrenzen auch von ihrem kooperativen Charakter abweichen und zu destruktiven und eskalativen Entwicklungen führen konnten, zeigen das Ringen von Gelehrten um Quellenzugang um die Abtei Fulda und das Bistum Würzburg im 18. Jahrhundert (S. 533–543) sowie die Diskreditierung von Kieler Hochschullehrern um 1800 im Wettbewerb um finanzielle Ressourcen (S. 557–568). Von erheblicher Konfrontation geprägt war auch das Verhältnis zwischen Leopold I. und Reichsständen auf dem Reichstag der 1690er-Jahre, das vor allem durch kaiserliche Nichtkommunikation hinsichtlich der Geschehnisse des Großen Türkenkriegs geäußert wurde (S. 593–603). Eine weitere Gemeinsamkeit vieler Beiträge stellt die Orientierung an Georg Simmels Definition von Konkurrenz „als indirekten Kampf zwischen zwei Parteien um … ein knappes Gut“ dar, wobei es einer dritten Partei bedarf, die über Gewinner und Verlierer entscheidet (S. 17 f.). Bei der Einordnung von Konkurrenzverhältnissen in dieses Modell fällt unter anderem auf, wie variabel nicht nur das umkämpfte Gut – neben materiellen waren dies auch abstrakte Ressourcen, wie Entscheidungsmacht und Autorität (S. 231–242) –, sondern auch die Rollen Dritter waren. Gerade im Zusammenhang mit Migration konnten politisch-regulative Obrigkeiten monolithisch als dritte Partei auftreten, etwa im Verhältnis zwischen fremden und baskischen Kaufleuten in der Vizcaya (S. 305–316). In anderen Situationen nahmen sie ursprünglich selbst die Rolle des Konkurrenten ein, erhoben sich aber zur dritten Partei und schufen so neue Konkurrenzen. Dies wird anhand der Rollen des Protomedikats im Ringen zwischen kreolischen Ärzten und europäischen Chirurgen in Neuspanien um Behandlungskompetenzen sowie der kolonialen Regierung in Konkurrenzen zwischen Ingenieuren um die Beauftragung von Brunnenbauten in Rio de Janeiro deutlich (S. 317–339). Ähnliche Mechanismen zeigen sich anhand der Erschließung Innerafrikas im späten 18. und im 19. Jahrhundert. Im Wettbewerb um das wissenschaftliche Wirklichkeitsmonopol ließen Wissenschaftler unter anderem historische und zeitgenössische Informant*innen miteinander konkurrieren (S. 687–698). Auch sektionsübergreifend sind Ähnlichkeiten zwischen thematisch ganz unterschiedlichen Konkurrenzsituationen zu finden: So ähneln sich seit dem 17. Jahrhundert aufkommende fürstliche Jagdjournale und juristische Prozessstatistiken des 18. Jahrhunderts als Instrumente der Konkurrenz, die performativ Vergleichbarkeiten in Wettbewerben um fürstlichen Status oder gerichtliche Autonomie schufen (S. 137–148, 503–514). Um gesellschaftlichen Status rangen gelehrte Familien als „Kollektivakteure“ im 18. Jahrhundert, wobei Mitglieder, die einen politisch-administrativen Weg einschlugen, neue Netzwerkressourcen für ihre Verwandten erschlossen (S. 665–674). Neben Akteuren und Methoden konkurrierten auch Normen und Rollen miteinander. Dies konnte auf dem Westfälischen Friedenskongress etwa zu Diskrepanzen zwischen Auftraggebern und Gesandten führen (S. 221–229). Rollenkonkurrenzen werden insbesondere im Zuge des Immerwährenden Reichstags untersucht: Französische Gesandte mussten das Bild ihres Königs unter anderem als Friedensstifter unterstützen, während gleichzeitig auch dessen implizite Rolle als „roi de guerre“ existierte (S. 581–591). Im Rahmen des Streits um finanzielle Abgaben für das Reichskammergericht in den 1730er-Jahren changierte Kaiser Karl VI. zwischen der Rolle als vorbildhaftes Reichsoberhaupt und Interessenvertreter habsburgischer Territorien (S. 617–628). Eine Instrumentalisierung von Rollenvielfalt fand durch die schwedischen und polnischen Könige im Zuge des Großen Nordischen Kriegs statt. Beide wechselten zwischen ihren souveränen und reichsständischen Rollen, um ihre Interessen zur Reichsangelegenheit zu machen oder sie auszuklammern (S. 605–615). In gewisser Weise nahmen auch Tiere, wenn nicht verschiedene Rollen, so doch verschiedene Funktionen als Medien, Agenten und Partner im Ringen um Statuskonkurrenz zwischen europäischen Fürsten ein (S. 109–153). Der Tagungsband beinhaltet in fünf Beiträgen Aspekte italienischer Geschichte: So werden Rennpferde in italienischen Palii (S. 127–136) sowie italienische Fernhändler in Lyon, Antwerpen, Wien und auf der iberischen Halbinsel thematisiert (S. 351–375, 391–401). Im Kontext der Mehrfachnutzung vielschichtiger Netzwerke stehen die kulturellen Aktivitäten Antonio Barberinis d. J. im Untersuchungsfokus (S. 675–679). Erhellend wäre in diesem Band auch eine geschlechtergeschichtliche Perspektive auf Konkurrenz gewesen. Zwei Artikel gehen auf Konkurrenzsituationen von Fürstinnen in der Diplomatie ein (S. 243–253, 467–476) und ein Beitrag zeigt auf, dass das weibliche Geschlecht ein Ausschlusskriterium angemessener Konkurrenz im Gelehrtendiskurs per se war (S. 521–532). Konkrete Beiträge mit Fokus auf intergeschlechtliche Beziehungen als Konkurrenzräume bleiben aber aus. Ungeachtet dessen gibt der Tagungsband aktuelle Forschungsthemen und -ansätze, wie etwa die Historische Praxeologie, die Kulturgeschichte des Politischen und Forschungen zum Entscheiden (S. 705–757), in vielfältiger und profunder Weise wieder. Der Terminus der Konkurrenz erweist sich als äußerst geeigneter Analysebegriff, um ihn auf die Frühe Neuzeit und ihre Strukturen anzuwenden.+TABRE+Markus Laufs

Carla Frova/Stefania Zucchini (a cura di), La tradizione degli Studia comunali nelle città di età moderna, Firenze (Olschki) 2023 (Biblioteca storica toscana. Serie I 85), 142 S., ISBN 978-88-222-6889-1, € 26.

Der Sammelband vereint die Ergebnisse eines Projekts zum Thema „Die Kommune nach der Kommune“, das von den Deputazioni di storia patria lanciert wurde, in diesem Fall durch jene Umbriens. Er nimmt dabei die Universitäten in den Blick, die sich im Spätmittelalter in zahlreichen italienischen Städten in Symbiose mit den kommunalen Institutionen entwickelten und von diesen gefördert wurden. Für die städtischen Eliten waren die prestigereichen Universitäten nicht nur Ausbildungsstätte, sondern auch bedeutender Identifikationspunkt. An verschiedenen Beispielen und mit unterschiedlichen Perspektiven wird die Frage untersucht, was nach Ende des kommunalen Zeitalters vom Verhältnis der Städte zu ihren Hochschulen blieb. Der Band enthält sieben gut lesbare Beiträge moderater Länge, für die die Herausgeberinnen einschlägige Forscher, allerdings nur eine Forscherin gewinnen konnten. Auf Vorwort und Einleitung wird verzichtet, eine kurze Hinführung zum Thema sowie eine Kontextualisierung wären hilfreich. Die Auswahl der Beiträge ist jedoch überzeugend. Es ist ein regionaler Schwerpunkt auf die Toskana und Perugia feststellbar, der den beteiligten Deputazioni di storia patria (die der Toskana als Herausgeberin der Reihe) entspricht, diesen aber angemessen um die wichtigen Beispiele Paduas und Bolognas erweitert. Thematisch und methodisch bieten die Aufsätze vielfältige Ansätze. Jonathan Davies untersucht Kontinuität und Wandel von den Republiken zum Fürstentum bei der Regierung der toskanischen Universitäten Florenz, Pisa und Siena, wobei man dem interessanten Fall Sienas mehr Aufmerksamkeit hätte schenken können. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass der wesentliche Umbruch bereits unter Lorenzo de’ Medici im 15. Jahrhundert vollzogen wurde. Auch Cosimo I. setzte Mitte des 16. Jahrhunderts große Reformen um, stand mit diesen aber in der Tradition seiner Vorfahren. Daniele Edigati betrachtet die juristische Ausbildung in den toskanischen Städten ohne eigenes studium, insbesondere in Pistoia. Er kommt zu dem Schluss, dass die voruniversitäre juristische Bildung in der Provinz lange dem Einflussbereich der städtischen Eliten überlassen wurde, bevor sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schließlich unter die Kontrolle der Zentralmacht gestellt wurde, jedoch erhalten blieb. Paolo Rosso widmet sich jenen Hochschulen, die nicht dauerhaft bestanden, wobei er sich auf historiographische Quellen, v. a. Chroniken des 15. und 16. Jahrhunderts stützt. Er identifiziert drei Typen: jene, die als studium agierten, allerdings nie ein Privileg erhielten, und jene mit Privileg und mit einem zeitweise funktionierenden bzw. nie aktiven Studienbetrieb, wobei er zusätzlich differenziert, ob sie das Privileg durch fürstliche oder städtische Initiative erhielten. Der Autor stellt fest, dass in den Städten mit Universitätsbetrieb ex consuetudine (ohne Privileg, etwa Vicenza und Vercelli) die Erinnerung an diesen besonders beständig war. Die fürstlichen Initiativen führten zwar häufiger zum Erhalt des Privilegs, die Erinnerung an ein solches war hingegen aktiver, wenn es im kommunalen Kontext erlangt worden war. Daniele Sini befasst sich für Perugia mit der Wahrnehmung der Kommune in der Entwicklung der Universitätsgeschichtsschreibung von den Stadt-, Familien- und ersten Universitätsgeschichten apologetischer Natur bis zur mehr quellenbasierten und methodisch-kritischeren Historiographie des 19. Jahrhunderts. Die Erinnerung an das eigene studium in kommunaler Zeit in Padua unter der Herrschaft Venedigs ist Thema des Beitrags von Dennj Solera. In der Historiographie zur Universität, sämtlich im Auftrag Venedigs verfasst, wurde der Einfluss der Kommune reflektiert, aber verfälscht dargestellt, ohne dass ein gemeinsames Narrativ entstanden wäre. Ferdinando Treggiari zeigt am Beispiel Perugias, wie sich die Rekrutierung der Rechtsdoktoren für die Universität grundlegend wandelte. Wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Gewinnung fast ausschließlich auswärtiger Doktoren vorgeschrieben, bestand der Lehrkörper ab der zweiten Hälfte des Jahrhunderts fast nur noch aus einheimischen. Stefania Zucchini beleuchtet die Entwicklung der Finanzierung der Universitäten des Kirchenstaats mit kommunaler Vergangenheit: Perugia, Bologna und Rom. Hierbei konzentriert sie sich auf die Fragen nach der Bezahlung der Dozenten, den Finanzierungsquellen und der Höhe des Budgets. In allen drei Fällen waren die Städte auf den Erhalt ihres Einflusses bedacht und die städtischen Kammern blieben für die Finanzierung der Hochschullehrer verantwortlich, wenn auch mit unterschiedlichem Grad an Autonomie. Der Band wird durch ein Orts- sowie ein Namensregister erschlossen. Eine Bibliographie gibt es nicht, wobei die zitierten Verfasser*innen zumindest im Namensregister enthalten sind. Insgesamt liegt eine gelungene Bearbeitung des Themas der Universitäten in der nachkommunalen Zeit vor, die sich insbesondere durch die vielfältigen Zugänge der Autorin und der Autoren auszeichnet. Es fehlt ein Beitrag, der die Ergebnisse zusammenbringt und ein vergleichendes Fazit zieht. Die Frage, ob es im Verhältnis zur eigenen Universität Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zwischen den Städten des Kirchenstaats und jenen in den Fürstentümern oder unter der Herrschaft der Republik Venedig gab, bleibt letztlich offen. Es liegt somit ein vielversprechender Auftakt vor, der zu weiteren Forschungen einlädt.+TABRE+Lotte Kosthorst

Corpus Constitutionum Ordinis Fratrum Beatissimae Virginis Mariae de Monte Carmelo, Vol. V/1: Costituzioni per le riforme e particolari: sec. XV–XVII, Parte Prima, ed. by Edison R. L. Tinambunan, Roma (Edizioni Carmelitane) 2024, 832 S., ISBN 978-88-7288-230-6, € 70.

Die Regel, die der an den Hängen des Berg Karmel lebenden Eremitengemeinschaft vom Patriarchen von Jerusalem in den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts gegeben wurde, war kurz und regelte in allgemeinen Worten nur das Nötigste. Diese Regel wurde nach dem ab 1230 einsetzenden Exodus der Karmeliter nach Europa und der Umwandlung in einen Bettelorden zwar als Monument der Frühgeschichte des Ordens be- und geachtet, bedurfte aber zusätzlicher Ausführungsbestimmungen, durch die auf das hic et nunc der Zeitläufte, auf neue politische und religiöse Entwicklungen reagiert werden konnte. Diese Aufgabe erfüllten die von den Generalkapiteln verabschiedeten Konstitutionen, deren erste für das Jahr 1281 überliefert sind. Die Edizioni Carmelitane haben die begrüßenswerte Entscheidung getroffen, sämtliche Konstitutionen neu in Druck zu bringen – vom 13. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart hinein. Insgesamt fünf Bände liegen inzwischen vor. Vier Bände decken den Zeitraum von 1281 bis 2007 ab und erfassen all diejenigen Konstitutionen, die auf Generalkapiteln erlassen und beschlossen wurden, an denen Vertreter des gesamten Ordens ex officio teilzunehmen hatten. Der 2024 neu erschienene, mit über 800 Seiten recht schwergewichtige fünfte Band richtet den Blick auf den legislativen Ausstoß partikularer Instanzen, womit vor allen Dingen die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts erblühenden Reformkongregationen gemeint sind. Erfasst werden die 1530 erlassenen Statuten der Kongregation von Albi („Statuta Congregationis Albiensis“, S. 27–38), die Statuten der Pariser Karmeliter von 1572 („Statuta Carmelitarum Parisiensis 1572“, S. 39–48), die Statuten und Konstitutionen der Mantuaner Reformkongregation von 1540 („Constitutiones et statuta congregationis Mantuanae“, S. 49–158), die 1590 verabschiedeten Konstitutionen und Reformartikel der französischen Klöster („Constitutiones et articuli pro reformatione et reunione generali omnium conventuum Galliae“, S. 159–204), die Statuten und Konstitutionen der französischen Reformkonvente in der Provinz Tours von 1636 („Statuta seu constitutiones pro conventibus reformationis [sic, aber wohl eher: reformatis] Galliae in provincia Turonensi“, S. 205–410), die von Theodorus Stratius 1637 verantworteten Konstitutionen („Constitutiones iussu Theodori Stratii“, S. 411–624) und die 1639 neu gefassten Statuten für die Ordensprovinz Tours („Statuta pro conventibus reformatis provinciae Turonensis“, S. 625–800). Der Gewinn für die Ordensforschung ist enorm, liegen nun doch bequem zugänglich diejenigen rechtlichen Regelungen vor, die den karmelitischen Lebensentwurf in seiner reformierten Gestalt rechtlich garantierten und flankierten. Das vor allem im 17. Jahrhundert erkennbare quantitative Anwachsen der Regelungen bis in kleinste lebenspraktische Details hinein zeugt von dem Bemühen, Einheit (unitas) durch Uniformität (uniformitas) zu garantieren. Detaillierte Strafbestimmungen sollten bewusst herbeigeführte Risse in der Fassade der uniformitas kitten. Ein „Index analiticus“ (S. 801–832) dient der Erschließung wichtiger Sachverhalte und ermöglicht das schnelle Erfassen gleicher bzw. ähnlicher Verfügungen zu unterschiedlichen Zeiten. Erstaunlich, dass man offensichtlich zu keiner Zeit eine Notwendigkeit sah, die Stellung von Ordensbischöfen oder Kardinalprotektoren zu regeln – zumindest fehlen entsprechende Lemmata. Ein zusätzlicher Korrekturgang hätte dem Band gutgetan. Allein im Inhaltsverzeichnis der Mantuaner Konstitutionen (S. 4–6) finden sich vier Fehler (Insturctione//Instructione; Custoadia//Custodia; Provationis//Privationis; Minialium//Monialium). Das Phänomen ist auch auf den folgenden Seiten zu beobachten, wirklich sinnentstellende Fehler unterbleiben aber. Der Band verzichtet auf eine historische Einordnung der Bestimmungen. Wer an grundsätzlichen Ausführungen zur Rechtsetzung und zur Bedeutung von Konstitutionen und Statuten im lebenspraktischen Vollzug der Karmeliter interessiert ist, muss auf die ausführliche Einleitung im ersten Band zurückgreifen (Edison R. L. Tinambunan/Emanuele Boaga [Eds.], Corpus constitutionum ordinis fratrum Beatissimae Virginis Mariae de Monte Carmelo, vol. I [1281–1456], Roma 2010, S. 11–40). Vergeblich sucht man auch nach den Vorlagen der jeweiligen Textdrucke bzw. den Angaben zum ursprünglichen Drucker und Druckort. Bewusst wurde auf eine zusätzliche Erschließung der Texte durch einen apparatus fontium oder einen historischen Fußnotenkommentar verzichtet. Dies bleibt der weiteren Forschung vorbehalten, die ohne Zweifel den nun vorliegenden fünften wie auch die vier Vorgängerbände mit großem Gewinn nutzen wird.+TABRE+Ralf Lützelschwab

Birgit Emich/Daniel Sidler/Samuel Weber/Christian Windler (Eds.), Making Saints in a „Glocal“ Religion. Practices of Holiness in Early Modern Catholicism, Köln-Weimar-Wien (Böhlau Verlag) 2024 (Kulturen des Christentums. Neue Zugänge zur Frühen Neuzeit 3), 514 S., Abb., ISBN 978-3-412-52979-6, € 95.

Der Band enthält Beiträge einer Tagung des Istituto Svizzero und des Deutschen Historischen Instituts im Oktober 2021 in Rom. Die 19 Kapitel thematisieren das „Making of“ von Heiligen in katholischen Gebieten der Frühen Neuzeit, wobei das Spannungsfeld zwischen dem nachtridentinischen Papsttum mit universalem Geltungsanspruch und lokalen Kontexten sowie Akteurinnen bzw. Akteuren mit partikularen Interessen im Fokus steht. Diesbezüglich wird ein Konzept herangezogen, das globale und lokale Entwicklungen nicht als Gegensätze, sondern als verbundene Ebenen begreift: Katholizismus der Frühen Neuzeit als „glokales“ Phänomen. Die Autor*innen schließen an Studien von Peter Burke („How to be a Counter-Reformation Saint“) und Simon Ditchfield („How not to be a Counter-Reformation Saint“) an. Untersucht wird die Inanspruchnahme von Heiligen durch verschiedene Personen und Personengruppen. Heilige werden von diesen durch eine Reihe von Praktiken inszeniert, ausgehandelt, offiziell anerkannt (bzw. nicht anerkannt) und kommuniziert. Dabei liegt der Blick nicht nur auf Zentraleuropa, sondern auf der damals bekannten Welt (wobei die Amerikas und Asien in den außereuropäischen Fallbeispielen dominieren). Die Einzelstudien führen etwa auf die iberische Halbinsel (u. a. Andreea Badea, Cécile Vincent-Cassy), in die Schweiz (Daniel Sidler) sowie nach Japan (Raphaèle Preisinger) und zeigen verbindende Netzwerke auf (Christophe Duhamelle). Nach einer konzeptionellen Einleitung (Daniel Sidler, Samuel Weber) folgen drei Sektionen, die den Band thematisch gliedern: „Producing Sanctity“, „Framing Sanctity“ und „Spreading Sanctity“. Am Ende jeder Sektion steht ein Kommentar, der maßgebliche Prozesse und Dynamiken des übergeordneten Themas hervorhebt und die Beiträge zusammenschauend kontextualisiert. Abgeschlossen wird der Band von Gedanken zum Katholizismus der Frühen Neuzeit als „glokalem“ Phänomen und einem Ausblick (Birgit Emich): Anstatt sich dem frühneuzeitlichen Katholizismus (bzw. den frühneuzeitlichen Katholizismen) mit einem Modell zu nähern, das von Zentrum und Peripherie ausgeht, wird ein polyzentrisches Modell vorgeschlagen. Die Sektion „Producing Sanctity“ nimmt Administration und Verwaltung von Heiligkeit in den Blick. Hierbei wird deutlich, dass der Formalisierungsprozess der Heiligsprechungsverfahren von 1588 bis zu den Bestimmungen Urbans VIII. (reg. 1623–1644) auch die informelle Sphäre beeinflusste bzw. erst ermöglichte. Zur Formalisierung gehört auch die Einführung der Seligsprechung. Diese „Zwischenstufe“ erlaubte es, lokale Kulte kirchenrechtlich angemessen zu berücksichtigen. Heiligkeit als Sphäre des Rechts und der Bürokratie wird durch Maria Teresa Fattori mit der Beschreibung Roms als „juridical-bureaucratic saint-making machine“ behandelt. Daniel Sidler dagegen widmet sich am Beispiel der sogenannten Vielseligen in der Schweiz Heiligenkulturen, die abseits der römischen Kontrolle existierten. Akteurszentrierte Zugriffe aufs Thema finden sich in der Sektion „Framing Sanctity“, in der die Ausformung von Erzählungen und Narrativen rund um nachtridentinische Heilige Thema ist. Die Rolle von Orden und Ordensangehörigen als Interessensvertretung (potenzieller) Heiliger aus den eigenen Reihen ist ebenso Thema wie die Grenze zwischen den Deutungsangeboten „Heiligkeit“ und „Häresie“. Zu letzterem Punkt ist der Beitrag von Andreea Badea zu nennen, der die Inanspruchnahme des Wirkens der Mystikerin María de Jesús de Ágreda durch die Franziskaner und den spanischen König Philipp IV., aber auch deren Überprüfung durch kirchliche Stellen und im gelehrten Diskurs beschreibt. Christian Windler hebt in seinem Kommentar unter dem Schlagwort Composite Catholicism noch einmal hervor, dass die Entscheidung über die Duldung eines Kults nicht immer in entweder und oder münden muss, sondern dass es auch spezifische, lokal angepasste Lösungen gibt (S. 303 f.). Die Sektion „Spreading Sanctity“ widmet sich der Verbreitung von Heiligenkulten, wobei neben medialen Transformationsprozessen (Raphaèle Preisinger) auch die materielle Kultur als Faktor betrachtet wird. Christophe Duhamelle zeigt anhand der Verbreitung von Reliquien der sogenannten Katakombenheiligen die narrativ geformte Rückbindung der Kulte nach Rom – egal, wo auf der Welt sich die Reliquien befinden. Es handelt sich um einen schlüssig konzipierten Band mit Beiträgen, die ineinandergreifen, anstatt lose nebeneinanderzustehen. Es wird deutlich, dass der Katholizismus der Frühen Neuzeit keineswegs von Rom diktiert wurde, sondern dass lokale Akteur*innen ihre Anliegen einbrachten und in diesem Spannungsfeld ein „glokales“ Phänomen entstehen konnte.+TABRE+Sabine Miesgang

Johann Anselm Steiger/Ricarda Höffler (Hg.), Das Jüngste Gericht in den Konfessionen und Medien der Frühen Neuzeit, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht Verlage) 2023 (The Early Modern World. Texts and Studies 7), 433 S., Abb., ISBN 978-3-8471-1554-0, € 65.

Im Vorwort des Programmhefts zum einhundertjährigen Jubiläum des „Welttheaters Einsiedeln“, das auf das Mysteriendrama „El gran teatro del mundo“ von Pedro Calderón de la Barca (1600–1681) zurückgeht und 2024 vor der barocken Klosterfassade des berühmten Wallfahrtsorts aufgeführt wurde, schreibt der Präsident der Welttheatergesellschaft: „Calderóns Stück hatte, ganz dem barocken Zeitgeist entsprechend, die Gewissheit, dass unser Erdenleben letztendlich vor dem jüngsten Gericht beurteilt würde. Diese Gewissheit haben wir nicht mehr.“ Tatsächlich sind die neuesten „zeitgemäßen Interpretationen“ und Bearbeitungen des Welttheaters in Einsiedeln jenseitsbeschnitten. Wir „modernen, religiös ‚unmusikalischen‘ Menschen“, hatte schon Max Weber 1906 geschrieben, sind offensichtlich „schwer imstande, uns vorzustellen oder auch nur einfach zu glauben, welche gewaltige Rolle … diesen religiösen Momenten zufiel, die damals als die Sorge für das ‚Jenseits‘ den Menschen das Realste von allem war, was es gab, alles überschattete“ (Max Weber, „Kirchen“ und „Sekten“ (1906), in: ders.: Schriften 1894–1922, ausgewählt und herausgegeben von Dirk Kaesler, Stuttgart 2002, S. 227–242, hier S. 240). In diese jenseitsbezogene Sorgezeit führt der vorliegende Sammelband zurück. Zwar hatten die protestantischen Reformationen das christliche Glaubenskenntnis provoziert und die Vorstellungen vom Weltgerichtsdrama pluralisiert, in ihnen freilich noch nicht die Ausrichtung auf eine, ökonomisch gesprochen, über die immanente Lebenszeit hinausreichende theozentrische Belohnungsinstanz. Allerdings: Mit der Durchsetzung der lutherischen Reformation „entschied man sich für eine ‚von oben‘ angeordnete Neuausrichtung des religiösen Lebens, die ihr Zentrum darin fand, dass die Frage nach dem Bestehen vor dem göttlichen Gericht anders beantwortet wurde als zuvor“, schreibt Ricarda Höffler in ihrer Fallstudie über die in einigen Ratshäusern angebrachte „Weltgerichtsdarstellung im Luthertum der Frühen Neuzeit“. Die Kunsthistorikerin ist Mitherausgeberin des vorliegenden Sammelbandes, der auf eine 2021 durchgeführte Tagung eines DFG-geförderten Graduiertenkollegs an der Universität Hamburg zurückgeht. In 15 Beiträgen erschließt er den Jahrhunderte alten Kampf um den eschatologischen Paradigmenwechsel zwischen 1500 und 1800 mit Fallstudien etwa zu Dürers Altarkunst (Jeffrey C. Smith); zur Problematisierung (und Verweigerung) der Visualisierung von Weltgericht und Jenseitsreisen auf der Theaterbühne (Bernhard Jahn; Marc Föcking), ja sogar zum musikalischen „Klang des Jüngsten Gerichts“ (Oliver Huck); denn biblische Prophezeiungen und Visionen werden „von musikalischen Imaginationen begleitet“, wie Maryam Haiawi in ihrem Beitrag über Telemann schreibt. Der habe „das musikalische Schwergewicht“ vom Unheil auf „die Heilsbotschaft des Jüngsten Gerichts“ verlagert. Die Reformation steht ja nicht nur für die Einschmelzung eschatologischer Konzepte, indem sie die Fokussierung der „Letzten Dinge“ auf das eine Weltgericht betrieb, sondern sie baute auch seine Kriteriologie um und stellte gleichsam seine Atmosphäre für die Neugläubigen von ‚dunkel‘ auf ‚hell‘, von ‚erschröcklich‘ auf ‚lieb‘, von ‚Furcht‘ auf ‚Hoffnung‘ um. Selbst die neuzeitlichen Uhren könnten „nicht aus Furcht und Sorge, sondern aus Vorfreude“ (S. 366) auf das Weltgericht umgestellt worden sein, vermutet Leonid Malec am Ende seiner eindrucksvollen Studie über „die Zeitgestaltung bis zur letzten Stunde“. Leitend wurde durch die lutherische Reformation der Topos vom „lieben Jüngsten Tag“ und die Sehnsucht nach ihm, was Johann Anselm Steiger in seinem Beitrag über „Luther und das barocke Luthertum“ entfaltet. Festgehalten wurde allerdings an der grundlegenden dualistischen Interpretation des Weltgerichts, die nach wie vor Selige und Verdammte unterscheidet. Am Jüngsten Tage belohnt („gerechtfertigt“) wurden nun allerdings diejenigen, die (protestantisch) glauben und aus diesem Glauben heraus gute Werke vollbringen, nicht die, die Barmherzigkeit üben, um gerechtfertigt zu werden, also dem falschen Glauben anhängen. Am Jüngsten Tag wird es also, so die lutherische Predigt, „zu einer Offenbarung von Glaube und Unglaube (samt ihren Werken) kommen“, und es „werden auch die Taten der Liebe (als Taten des Glaubens!) offenbart und gewürdigt“ (S. 252), bilanziert Constantin Cremer seine vergleichende Analyse von Texten Erhard Erhardts und Martin Luthers. So gesehen, ging mit der lutherischen Reformation auch eine Umwertung der diesseitigen Lebensführung einher, ja eine Neusortierung postmortaler Jenseitschancen durch die Einführung einer neuen Währung von Heilsprämien. Auch die von Frank Alexander Kurzmann untersuchten Anlasspredigten zur Einweihung von Kirchengebäuden verschieben den Akzent darauf, dass „der Jüngste Tag als Tag der Auszahlung des Gnadenlohns verheißen wird“ (S. 265) und für „den Glaubenden heilvoll“ (S. 262) sei. Die katholische Reformbewegung suchte bekanntlich die überkommene Eschatologie, mithin „die Ausrichtung des Lebens auf das individuelle sowie allgemeine Gericht“ (S. 327), zu rekonfigurieren, aber auch zu purifizieren und in den Herzen der Altgläubigen neu zu verankern, wie Judith Lipperheide in ihrem Beitrag zu den ignatianischen Maisons de retraite erhellt. Die Tagung, deren Beiträge der vorliegende Band (leider ohne die Tagungsdiskussionen) dokumentiert, beansprucht, wie Steiger in seinem knappen „Vorwort“ (keine Einleitung!) schreibt, „die äußerst facettenreichen konfessionellen und medialen Artikulationsformen der Gerichtsthematik in der Frühen Neuzeit sowie deren Differenzen und Gemeinsamkeiten erstmals in breiter fächerübergreifender Weise“ analysiert, dazu jedenfalls einen Anfang gesetzt und angeregt zu haben, „dass eine breiter angelegte Erkundung dieser Thematik äußerst lohnenswert wäre“ (S. 7). Lohnenswert wäre tatsächlich schon gewesen, die Fallstudien – einleitend und zusammenfassend – in einen integralen Zusammenhang zu stellen. Man vermisst ein Schlusskapitel oder zumindest ein Stichwortverzeichnis, das dem komparatistischen Anliegen wenigstens einen kleinen Schritt entgegenkäme. So vermisst der Rezensent die Explikation eines gemeinsamen, die Beiträge verbindenden Erkenntnisinteresses. Weshalb der Fokus auf dem Luthertum? Wo bleibt Zürich, wo Genf? Wäre nicht auch die Entfaltung der komparativen Methodik hilfreich, die ja zumindest implizit dem Hamburger Graduiertenkolleg zugrunde liegt? So kann der Rezensent nur den Leser*innen empfehlen, mit den jeweils eigenen Erkenntnisinteressen und Theoremen in die Beiträge des reichhaltigen Sammelbands zur Jenseitssorge einzutauchen und sich von ihrer kleinteiligen Vielfalt überraschen zu lassen.+TABRE+Michael N. Ebertz

Michele Camaioni, Il governo dei pulpiti. Predicatori, potere e pubblico nell’Italia della prima età moderna, Roma (Edizioni di Storia e Letteratura) 2024 (Culture e religioni in età moderna 1), XXXIV, 266 pp., ill., ISBN 978-88-9359-870-5, € 25.

Michele Camaioni, studioso di rilievo nell’ambito dell’eresia e del dissenso religioso in età moderna, propone in questo volume un’analisi a ventaglio della predicazione nella penisola italiana tra Cinque e Seicento, concentrandosi specialmente sulla realtà dei predicatori e i loro rapporti con la politica, la società e la chiesa cattolica. Sintesi di ampio respiro sul fenomeno della predicazione, il libro raccoglie fonti, documenti e idee attorno ai professionisti della parola radunate dall’autore nel corso delle sue ricerche sulla vita religiosa nell’Italia del Cinquecento, cornice evidente nella struttura e nelle scelte dell’opera. In essa Camaioni apre (riprendendo la sua felice similitudine nell’introduzione) una grande finestra che combina una solida bibliografia con ricchi spunti inediti dagli archivi italiani: dalla costruzione della figura dei predicatori come istrumenti del verbo divino fino alla loro autorappresentazione, il primo capitolo sottolinea l’importanza data all’oratoria sacra segnalandone il valore spesso percepito come superiore a quella della messa nella economia della salvezza nel Cinquecento. Il secondo capitolo („Un potere fragile“) consente di ridimensionare questa importanza all’interno della fragilità delle posizioni del predicatore, dipendente non solo dall’assenso del pubblico in quanto figura carismatica ma anche dalla reputazione di ortodossia. Questi rischi del mestiere danno titolo al terzo capitolo, che abbina i problemi inerenti alle performance e i rapporti col publico ai pericoli della predicazione antinormativa. Il capitolo quarto approfondisce le relazioni tra i predicatori e le autorità ecclesiastiche, in particolare vescovi e inquisitori, e ne esamina il controllo e sostegno dell’oratoria sacra, specialmente nel contesto postridentino. Il quinto invece („La posta in gioco“) sviluppa la normatività degli argomenti delle prediche e la sua definizione, nonché le mosse (istituzionali o individuali) per sfidarla. I tre capitoli che seguono formano un blocco attorno la preparazione delle prediche, l’improvisazione e la carriera dei predicatori tra itineranza e incarichi stabili che forniscono l’inquadratura intellettuale e sociale di alcune delle principali attività degli oratori sacri. Chiudono invece il libro tre capitoli in cui il filo conduttore è la gestione del pulpito come strumento regolato da esigenze di spettacolarità, sostenibilità economica e controllo politico. La necessità di adattare la predicazione alle aspettative del pubblico (cap. 10) si intreccia con le logiche finanziarie che ne determinano la fattibilità (cap. 11), mentre la distribuzione dei pulpiti si rivela il risultato di trattative complesse tra autorità civili ed ecclesiastiche (cap. 12). Le contribuzioni più originali del libro (al di là della sua ampia base documentaria inedita) si trovano proprio nell’attenzione data alla governance dell’oratoria sacra e le sue realtà pratiche, una dimensione spesso trascurata dalla storiografia finora concentratasi sulle prediche, a livello letterario, intellettuale o devozionale. Al contempo, nell’offrire con il suo libro le impalcature per una futura „storia sociale e culturale della predicazione di età moderna“, come si augura l’autore nell’introduzione, la finestra aperta nel libro privilegia necessariamente una visione complessiva sopra l’identificazione di singole tendenze e dinamiche, che nonostante ciò vengono spesso segnalate di passaggio dall’autore. Se la ricchezza documentale dei casi forniti, spesso inediti, non viene sempre collocata all’interno di dinamiche più ampie è perché messa in servizio dei singoli problemi studiati in ciascun capitolo che danno una visione quasi enciclopedica della esperienza della predicazione nella penisola.+TABRE+Eduardo Fernández Guerrero

Jenny Körber, Innere Bilder – äußere Schau. Studien zum Mediendispositiv des frühneuzeitlichen Jesuitenordens, Köln (Böhlau) 2024 (Kulturen des Christentums – Neue Zugänge zur Frühen Neuzeit 2), 371 S., Abb., ISBN 978-3-412-52668-9, € 75.

Jenny Körber versucht, die Komplexität des frühneuzeitlichen jesuitischen Kunstgebrauchs bzw. der jesuitischen Mediennutzung, zu erfassen. Der Titel verspricht Einzelstudien, doch die sorgfältig ausgewählten Modellfälle folgen einer klaren Richtung, und die innere Kohärenz des Werkes ist überzeugend. Der Band, eine Publikation von Körbers 2021 verteidigten Dissertation an der Humboldt-Universität zu Berlin, ist mehr als lediglich eine weitere Analyse zur frühneuzeitlichen Theatergeschichte. Ihr Grundgedanke ist, dass die Jesuiten die persönliche, spirituelle Transformierung des Individuums durch die verschiedenen bildenden und theatralischen Künste anstrebten, indem sie auf die Entstehung „innerer Bilder“ einwirkten, d. h. das Individuum durch „Sensibilisierung“ und „Imaginationsschulung“ lehrten, zwischen göttlichen und teuflischen Einflüssen zu unterscheiden. Die spirituelle Erfahrung der Exerzitien und das Lebenswerk des Ignatius von Loyola waren die Schlüssel zu diesen Prozessen und Methoden. Bei der Entwicklung ihres Mediensystems passten sich die Jesuiten den Vorschriften des Konzils von Trient an, reflektierten die Herausforderungen und Kritiken der Reformation, nutzten die Ergebnisse der Bildertheologie und waren sich des Potenzials der immer intensiveren Mediennutzung ihrer Zeit bewusst. Die scheinbar ad hoc ausgewählten Analyseobjekte – Gemälde, Theaterstücke, Kupferstiche, Altäre, ephemere Architekturen, theatertheoretische Abhandlungen usw. – sind doch durch die zentrale Fragestellung gut miteinander verbunden. Das erste Kapitel führt in die Wurzeln und das Wesen der jesuitischen Bildertheologie ein. Es behandelt auch die Umschlagabbildung bzw. die ganze Kupferstichserie (Cor Iesu amanti sacrum) von Karel van Mander SJ und Anton Wierix, die das Jesuskind im Inneren des menschlichen Herzens zeigen und die Schritte zur Bekehrung darstellen. Das zweite Kapitel zeigt am Beispiel Münchens, wie die Jesuiten die städtische Tradition der Fronleichnamsprozession am Ende des 16. Jahrhunderts umgestalteten, und wie sie ihre eigenen meditativen-imaginären Methoden durch eine Festschrift, die anlässlich der Weihe ihrer neuen Kirche St. Michael veröffentlicht wurde, vermittelten. Besonders hervorzuheben ist das dritte Kapitel, in dem das heikle Thema des konfessionellen Zeitalters, die Legitimation der Heiligenverehrung und die Rolle der Heiligenlegenden, sowie die jesuitischen Antworten auf diese Fragen vorgezeigt werden. Jakob Bidermann SJ war einer der populärsten Autoren seiner Zeit, und sein Drama „Cenodoxus“ ist nach Körbers Analyse eine neu interpretierte Heiligenlegende: Anstelle der Bekehrung des Heiligen Bruno spielt die Fähigkeit der „Indifferenz“ eine zentrale Rolle. Im vierten Kapitel behandelt die Autorin ein beliebtes Thema: die Feierlichkeiten der Heiligsprechung der beiden großen Jesuiten Ignatius und Franz Xaver (1622) und die von den Ordensmitgliedern in Rom und in Ingolstadt veranstalteten Triumphzüge und Theateraufführungen anlässlich der Heiligsprechung. Die Bemühungen der Jesuiten, durch Ignatius und Xaverius neue Heiligentypen einzuführen, werden durch die von Peter Paul Rubens für die Antwerpener Jesuitenkirche geschaffenen Altarbilder veranschaulicht. Körber schließt noch eine Analyse des Rituals der Quarantore hierbei ein, obwohl es aufgrund des Umfangs und der Thematik freilich ein eigenes Kapitel sein könnte. Die von den Jesuiten besonders kultivierte Eucharistieverehrung illustriert sie anhand des Ignatiusaltars von Andrea Pozzo SJ für die römische Kirche Il Gesù. Laut Körber wurde der Wandelaltar von der visuellen Welt der ephemeren Quarantore-Architekturen inspiriert. Am Ende des Kapitels zeigt die Autorin anhand des Theaterstückfragments von Gian Lorenzo Bernini („L’Impresario“) überzeugend, dass der Einfluss der jesuitischen „Wahrnehmungsschulung“ nicht auf die Kreise der Gesellschaft Jesu beschränkt blieb, sondern weitreichende Auswirkungen auf die weltlichen Künste hatte. Das letzte Kapitel reflektiert moderat die protestantische Kritik und nennt als Beispiel ein Werk von Johann Jakob Breitinger und als Gegenbeispiel eine Legendensammlung von Jakob Schmied SJ. Diese erzählt Lebensgeschichten von Schauspielern, die durch atypische Wege zu Heiligen werden, und damit bietet Schmied eine Alternative zur zeitgenössischen populären Literatur. Die interdisziplinäre Methodik, das intensive Verständnis der zeitgenössischen Gesellschaft und des zeitgenössischen Denkens sowie die disziplinäre Offenheit der Autorin ermöglichen es, den frühneuzeitlichen Medienkomplex der Jesuiten als ein sich dynamisch veränderndes, flexibles Instrumentarium darzustellen. Dabei hebt Körber ein wichtiges Merkmal der Gesellschaft Jesu hervor, das in der jüngeren Forschung immer stärker beachtet wird: ihre Flexibilität und ihre Anpassungsfähigkeit.+TABRE+Zsófia Kádár

Free Trade and Free Ports in the Mediterranean, ed. by Giulia Delogu/Koen Stapelbroek/Antonio Trampus, London-New York (Routledge-Taylor and Francis Group) 2024, IX, 280 S., Abb., ISBN 978-1-032-06928-9, GBP 130.

In 15 Beiträgen untersuchen die 17 meist an italienischen Universitäten tätigen Autor*innen den Freihandel und die Freihäfen im lateinischen Mittelmeer in der Frühen Neuzeit; das Thema ist also zeitlich und räumlich enger als der Titel es vermuten lässt. Die drei Herausgeber klären im ersten und dritten Beitrag die Begriffe und rahmen so den Beitrag von Corey Tazzara ein, der als einziger über das Untersuchungsgebiet hinausgeht, indem sie das Mittelmeer mit dem Indischen Ozean vergleicht (S. 23–40). Die übrigen Beiträge untersuchen einzelne, vor allem italienische Freihäfen, darunter insbesondere Livorno, Genua, Neapel, Messina, das noch italienische Nizza sowie Triest als Mittelmeerhafen der Habsburgermonarchie. Andere Beiträge thematisieren zeitgenössische Diskurse über Vor- und Nachteile von Freihäfen. Besonders erwähnt sei die Vorstellung des Manuskripts von Manuel María Gutiérrez von 1830 durch Marcella Aglietti (S. 214–234). Gutiérrez untersuchte das Potential von Cadiz, Freihafen zu werden, und verglich dazu die Freihäfen im Mittelmeer miteinander in einer Art Typologie, an der man die Eigenschaften dessen, was einen Freihafen in seinen Augen ausmachte (Zollfreiheit, Grad der politischen Autonomie, Zusammensetzung der Bevölkerung …), ablesen kann. Ebenfalls auf einer Meta-Ebene operiert Antonella Alimento, die die britische Debatte über Freihäfen und namentlich die Vorbildrolle, die der Muster-Freihafen Livorno für Gibraltar hätte haben sollen, nachzeichnet (S. 142–159). Warum das nicht geklappt hat und Gibraltars Bedeutung rein militärisch blieb, untersucht Francesca Savoldi: Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen hätten noch geeignete Infrastruktur und vor allem das Vertrauen der internationalen Community der Kaufleute hinzukommen müssen (S. 124–141). Ebenfalls eine vergleichende englische Perspektive, wiederum zwischen Livorno und in diesem Fall dem nahe gelegenen Genua, nimmt Danilo Pedemonte ein (S. 92–106). In dem jungen, aufstrebenden Hafen in der Toskana ließen sich viel einfacher neue, klar abgesteckte Grenzen zwischen dem Freihafen und der übrigen Stadt ziehen als in der alteingesessenen, zudem topographisch eng begrenzten Handelsmetropole Genua. Über den Mittelmeerraum hinaus greifen der erwähnte Aufsatz von Corey Tazzara und auch David do Paço mit dem Beitrag zu Triest im Rahmen des Handelssystems der habsburgischen See- und Flusshäfen, der seinen Schlüsselbegriff „portchain“ aber hätte erläutern sollen (S. 235–253); ebenfalls Triest behandelt der letzte Beitrag von Daniele Andreozzi (S. 254–271). Vor allem für die Zeit vor Adam Smith sind all das interessante Debatten, weil der freie Handel und die Freihäfen, in denen er betrieben werden kann, eigentlich dem merkantilistischen Geist der Zeit widersprechen, und auch, weil die verführerische teleologische Deutung in der Luft liegt, die Freihäfen seien protoliberale Experimentierräume, Vorboten des freien Welthandels späterer Epochen gewesen. Die Herausgeber haben einen Band über ein reizvolles, quer zur gewöhnlichen Epochenbildung der Verfassungsgeschichte liegendes Thema vorgelegt und ihn mit einer Einleitung, welche einige Perspektiven auf die unterschiedlichen Typen von Freihäfen präsentiert, und mit einem nützlichen Register bereichert. Erschienen ist er in einer wirtschaftsgeschichtlichen Reihe mit der Epochenbildung „1600 bis 1850“. Das wäre also in etwa die Zeit von der Gründung der Ostindienkompanien bis zum Eisenbahnzeitalter. Auch das liegt quer zu den gewohnten Epochengrenzen, ist aber ein Vorschlag, über den sich weiteres Nachdenken lohnt.+TABRE+Albrecht Cordes

Paola Volpini, Ambasciatori nella prima età moderna tra corti italiane ed europee, Roma (Sapienza Università Editrice) 2022 (Studi e Ricerche 110), 202 S., ISBN 978-88-9377-209-9, € 20.

Seit den 1990er-Jahren ist Diplomatie wieder verstärkt in den Fokus der Frühneuzeitforschung gerückt. Seitdem haben etliche neue, vor allem kulturhistorische Ansätze die Diplomatiegeschichte erweitert. So ist es in den letzten Jahren gleich zu mehreren Publikationen gekommen, die Forschungsstände der New Diplomatic History zusammenfassen. Paola Volpinis Handbuch über Botschafter im frühneuzeitlichen Italien und Europa reiht sich hier ein. Die Monographie widmet sich Botschaftern mit ihren Rollen, Aktionsräumen und Netzwerken zwischen Gastgeber- und Entsenderhof. Angesichts des weitläufigen Themenfelds bleibt Volpini bei 148 Textseiten pointiert, indem sie die Themen verdichtet und ihre Kernaussagen konsequent mit Zitaten aus der frühneuzeitlichen Traktatliteratur und praktischen Fallbeispielen unterstützt. Italienische, vor allem venezianische und florentinische, Botschafter stehen verstärkt im Fokus, ebenso wie das 16. Jahrhundert – auf das 18. Jahrhundert wird ein Ausblick geworfen. Nur bedingt spielen Diplomaten jenseits des Botschafterrangs eine Rolle. Zunächst geht es im Hauptteil um die Genese und Entwicklung des permanenten Botschafterwesens seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert. Es folgen Skizzierungen der (idealtypischen) Qualitäten von Botschaftern, ihren Vorbereitungen, ihren Anforderungen und Auswahlkriterien. Hier führt Volpini in wichtige Differenzierungen ein: In der Regel konnten nur souveräne Mächte Diplomaten im Botschafterrang entsenden (S. 37, 40–42). Für Fürsten zählten vor allem persönliche Vertrauensverhältnisse zu ihren Botschaftern, während Oligarchien verstärkt Kontrollmechanismen gegenüber ihren Gesandten einsetzten (S. 35–37). Ordentliche Botschafter waren mit den diplomatischen Kernaufgaben des Repräsentierens, Informierens und Verhandelns befasst, außerordentliche Botschafter erfüllten eine symbolisch aufgeladenere Rolle. Beide Botschaftertypen nutzten für die effektive Ausführung ihrer Mission niederrangige und informelle Akteure (S. 42–47). Grundsätzlich ordnet Volpini die Rolle apostolischer Nuntien in die Riege der Botschafter ein, erwähnt aber auch ihre juristische Sonderrolle (S. 23 f.). Anschließend beschäftigt sich die Autorin vor allem mit Aspekten der frühen Aufenthaltsphase von Botschaftern am Gastgeberhof. Als diplomatisches Instrument und historische Quelle wird dabei die Instruktion hervorgehoben. Thematisiert werden hier auch die Botschafterresidenzen, die Volpini einerseits als offene Räume der Repräsentation und des Austauschs, andererseits als geschlossene Räume des Privaten, Diskreten und des Schutzes beschreibt (S. 52–60). Botschaftssekretäre charakterisiert sie als Hüter des Schriftverkehrs, aber auch als Akteure der Kontrolle über die Botschafter (S. 61–64). Die Autorin thematisiert zudem die Bedeutung eines frühzeitigen Netzwerkaufbaus, der zeremoniellen Praxis und damit verbundener Reputation. Die Aufrechterhaltung ebendieser durch erhebliche materielle Aufwendungen führte zu notorischer Geldnot der Botschafter (S. 85 f.). Es folgt die Thematisierung des langfristigen Aufenthalts von Botschaftern an auswärtigen Höfen, wobei es zunächst um Beziehungen geht, die durch materielle Praktiken wie etwa die Zirkulation von Büchern und Kunstobjekten hergestellt werden konnten (S. 90). Botschafter mussten die Balance zwischen mehreren Bereichen halten, so zwischen ihrer eigenen Handlungsautonomie und dem Vertrauensverhältnis zum entsendenden Souverän, aber auch zwischen verschiedenen politischen Faktionen. Des Weiteren stellte die Notwendigkeit verdichteter Informationsbeschaffung eine Herausforderung dar. Diplomaten nutzten hierzu unter anderem Netzwerke und Bestechung (S. 106). Im Zuge der diplomatischen Korrespondenzen betont Volpini das zunehmende Gewicht von Botschaftskanzleien und -archiven zur Strukturierung und Verarbeitung von Dokumenten (S. 111–113). Mit der Abreise und Nachbereitung schließt der Hauptteil ab. Vor allem Finalrelationen nehmen hier eine wesentliche Rolle ein. Neben den venezianischen relazioni und ihrer Zirkulation (S. 126–130) erwähnt Volpini Relationen der Republiken Lucca und Genua und legt hier Forschungslücken offen (S. 125 f.). Es folgt die Besprechung vormoderner Editionen diplomatischer Akten und Korrespondenzen, die bald anderen Diplomaten zur Vorbereitung ihrer Missionen dienten (S. 131–133). Im Zuge von materiellen Kulturen und Wissenskulturen werden auch globale Perspektiven behandelt, so wenn die Erwerbung von „‚duoi uccelli dell’Indie‘“ (S. 138) erwähnt wird. In ihrem Handbuch gelingt es Volpini, unter Berücksichtigung neuester Forschungstendenzen pointiert Alltag, Praxis und Verflechtungen frühneuzeitlicher Diplomatie aufzuzeigen. Immer wieder wird die Bedeutung von Materiellem wie Kleidung, Geschenken und Büchern hervorgehoben. Die Monographie zeichnet ihre Nähe zu den Quellen mit ihrer Typisierung und ihrem hervorragend aufgeschlüsselten Nutzen für die Forschung aus. Auch werden grundlegende Erkenntnisse besprochen, wie etwa das Fehlen einer diplomatischen Professionalisierung bis in das 18. Jahrhundert (S. 29 f.). Vor allem betont Volpini das Botschafterwesen als dynamisierendes Element vormoderner Staatsbildung (S. 17 f.). Angesichts der Kürze eines Handbuchs ist die begrenzte Auswahl an Fallbeispielen verständlich. Dennoch hätte eine ausgreifendere Thematisierung von Botschaftern jenseits der italienischen Sphäre interessante Vergleiche ermöglicht. So stellt in Sachen der Rollenvielfalt und Berichterstattung die Niederländische Republik im 17. Jahrhundert einen interessanten Fall dar, da ihre Botschafter häufig Mitglieder der Generalstaaten und somit des eigentlichen Souveräns waren und ihre Finalrelationen umfangreichen, akribischen Diarien ähneln. Dies mindert keinesfalls die Qualität dieses Handbuchs, das eine herausragende Basislektüre zu einem wichtigen Aspekt der Diplomatiegeschichte für eine breite Leserschaft von Studierenden bis Geschichtswissenschaftler*innen bildet.+TABRE+Markus Laufs

Oltralpe. Acteurs, idées et livres entre France et Italie au XVIe siècle, édité par Guillaume Alonge/Nicolas Balzamo/Jean Sénié, Roma (Viella) 2023 (I libri di Viella 466), 360 pp., ill., ISBN 979-12-5469-483-1, € 38.

Il volume miscellaneo curato da Guillaume Alonge, Nicolas Balzamo e Jean Sénié si inscrive in un panorama assai ricco di studi recenti sulle relazioni tra Italia e Francia nel XVI secolo, che vanno dal primo volume della „Repubblica fiorentina in esilio: una storia segreta“ (2018) di Paolo Simoncelli, al „Rinascimento conteso. Francia e Italia, un’amicizia ambigua“ (2024) di Giovanni Ricci, fino alle „Diplomaties plurielles au XVIe siècle. Florence et la France à la fin des guerres d’Italie“ (2024) di Pierre Nevejans. Esso mostra innanzitutto come nell’interazione di attori, libri ed idee che caratterizzò i rapporti italo-francesi un ruolo centrale fu svolto innanzitutto nel corso delle guerre d’Italia dai fuoriusciti. Da un lato, Guillaume Alonge si sofferma sull’esulato politico in Francia della celebre famiglia napoletana di Giovanni Caracciolo, che militò per gli Angiò e tenne viva alla corte di Francia l’opzione della riconquista di Napoli. Dall’altro, Carlo Campitelli esamina la vicenda di Lucrezia Cavalcanti, figlia dell’esule fiorentino antimediceo Baccio e di Leonora Gondi, che giunse in Francia con Caterina de’ Medici, cui era legatissima, sposando il banchiere Albizzo Del Bene, che ottenne la sovrintendenza delle finanze francesi in Italia da Enrico II e partecipò in prima persona al Gran Parti di Lione a sostegno della guerra antiasburgica e antimedicea condotta in Italia del re di Francia. Morto il marito nel 1563, Lucrezia sostenne poi diversi fiorentini in Francia come il celebre letterato ed esule Jacopo Corbinelli che – come ricordato da Stefano Colavecchia – lanciò un programma editoriale di stampo antimediceo in concomitanza con le vendette dei sicari medicei contro gli esuli in Francia, che doveva culminare nella pubblicazione, poi non effettuata, della „Apologia del Tirannicidio“ di Lorenzino de’ Medici. Un’azione culturale che – post res perditas – si saldava con la diffusione del Machiavelli repubblicano dei „Discorsi“ in Francia, secondo una prospettiva di circolazione europea della letteratura antitirannica che Corbinelli ipotizzò anche di rivolgere – come manifestato all’erudito Gian Vincenzo Pinelli – nella Firenze medicea attraverso la traduzione del „Discours“ di Innocent Gentillet e del „De Voluntaria servitute“ di Etienne de la Boétie. Parallelamente, una cifra essenziale della circolazione franco-italiana fu il campo delle traduzioni. A tal riguardo, François Lavie evidenzia la grande permeabilità francese alle raccolte di facezie in italiano, che fu declinato – in particolare mediante il dinamico mercato librario di Lione in traduzioni ed edizioni plurilingue, che rispondevano sia ad una funzione di evasione sia didattica. A sua volta Nastasia Gallian sottolinea l’influsso dell’arte italiana sugli artisti parigini del Cinquecento, documentato dalle stampe e dalle illustrazioni artistiche rilevate, attraverso lo spoglio delle loro biblioteche ed iconoteche. Nello stesso periodo le traduzioni dall’italiano segnarono – come mostrato da Oury Goldman – gli scritti geografici pubblicati in Francia, al pari delle lettere e dei resoconti di viaggio ed esplorazione di navigatori e gesuiti, anche se la curiosità manifestata per la produzione francese in materia geografica dall’erudito veneto Gian Vincenzo Pinelli nel carteggio intrattenuto con il parlamentare francese Claude Dupuy conferma che tale circolazione non fu unidirezionale. Nel contempo, l’analisi di Lucia Felici rileva la funzionalità delle traduzioni dalla filosofia umanistica fiorentina effettuate da Guy Le Févre de la Boderie, allievo di Postel, per la formulazione del suo progetto di irenismo religioso, delineato nella Francia del tardo Cinquecento dilaniata dai conflitti di religione. Proprio il radicalismo francese ebbe un ruolo essenziale nella trasmissione e rimodulazione di prospettive e istanze religiose originarie della penisola. Fortemente condizionato fu il sostegno di Calvino – come sottolineato da Michele Camaioni – all’apostata Bernardino Ochino. Negli anni Quaranta, il riformatore – diffidente dell’evangelismo dell’ex cappuccino – impedì la traduzione francese delle sue „Prediche“ a Ginevra, acconsentendo solo a quella dei „Sermoni“, tradotti solo nel 1561 ad opera dello stampatore evangelico Jacques Grévin. Viceversa, Nicolas Balzamo ricostruisce la fortuna del culto del Santuario di Loreto, in una prospettiva di lunga durata, rivitalizzata dal voto formulato a Parigi nella speranza di un soccorso, durante l’assedio posto alla città dalle truppe di Enrico IV nel 1590. Il presente studio ha dunque il merito di dare ampia visibilità alla molteplice e dinamica circolazione politico-culturale italo-francese del Cinquecento ed alle sue più significative componenti e reti.+TABRE+Francesco Vitali

Maria Antonietta Visceglia, Le donne dei papi in età moderna. Un altro sguardo sul nepotismo (1492–1655), Roma (Viella) 2023 (La corte dei papi 34), 386 pp., ill., ISBN 979-12-5469-349-0, € 38.

L’originalità della ricerca condotta con finezza e rigore dall’autrice appare già dal titolo del volume che sintetizza tre principali temi affrontati: l’analisi politica – intesa in un’ampia accezione – del ruolo femminile all’interno della corte di Roma dalla fine del ʼ400 alla metà del ʼ600; il secondo palesemente espresso nel sottotitolo: uno sguardo diverso sul nepotismo; in fine, l’ottica di genere che ha permesso di guardare con originalità sia al ruolo strumentale del nepotismo sia alle figure femminili e di valutare come le donne dei papi fossero funzionali alla costruzione e al funzionamento di questo duraturo sistema di governo. Il libro è il punto di arrivo di ricerche costanti e di ampio respiro condotte negli anni da Visceglia su molteplici temi relativi al Papato, alla curia e alla corte, che hanno contribuito alla costruzione di un nuovo oggetto di riflessione. Già dal titolo, insomma, si coglie un riorientamento dell’osservazione di un modello politico – quello appunto del nepotismo pontificio – e del governo della curia e anche in parte della Chiesa stessa. Governo declinato al maschile che non può fare a meno delle donne, delle „signore di curia“, alle quali tuttavia è proibito accedere ai ranghi ecclesiastici. Ascritte dalla fine del Cinquecento nei ruoli pontifici, esse sono protagoniste, strumento e anche vittime consapevoli e partecipi di un sistema, come mostrano i numerosi esempi che si collocano in un quadro di macropolitica, di storia diplomatica e culturale, non limitato al solo ambito romano e curiale. Le donne sono qui considerate come gruppo, protagoniste nelle varie declinazioni del potere pontificio, nei diversi momenti dell’arco cronologico e condividono il legame parentale col successore di Pietro: sono infatti figlie, sorelle, cognate che hanno spazio di agency durante il pontificato del congiunto. La loro azione dipende proprio dallo spazio che il Papa concede loro e questo spazio assume un valore politico, economico, simbolico e reale, interno ed esterno alla curia e alla corte. Il libro si apre con un’ampia e dettagliata introduzione di carattere storiografico, metodologico e concettuale („Ripensare le famiglie papali“, pp. 9–24) e si divide in tre parti, a loro volta suddivise per temi in differenti ambiti cronologici. Nella prima parte („Donne dei papi nella corte romana rinascimentale“, pp. 27–130) le donne hanno una relazione parentale diretta con il pontefice: sono figlie, come Lucrezia Borgia, una principessa rinascimentale della quale si analizza qui la formazione, la cultura, la capacità di governare, sfatandone letture superficiali. In questo periodo anche i pontefici sono guidati da affetti, pulsioni molto carnali e tendono a costruire un potere territoriale per la famiglia, e anche per le loro parenti. Nella seconda metà del ’500 non sarà più possibile soddisfare questi appetiti territoriali e le alleanze matrimoniali saranno, ancor più di prima, il pernio delle strategie pontificie per assicurare una discendenza, una rete dinastica solida, intrecciando parentele con famiglie del baronaggio romano. Indubbiamente, proprio grazie a queste alleanze matrimoniali si costruisce una nuova nobiltà romana pontificia che incorpora l’antico baronaggio e lo svuota di potere, come viene puntualmente analizzato nella seconda età considerata („Donne dei papi nella corte santa della controriforma“, pp. 131–226) centrata sul momento controriformistico, in cui si profilano modelli di donna come quello borromaico, sottomesse al potere dell’ecclesiastico di famiglia e al suo rigido obbiettivo disciplinatore. In alcuni pontificati, come quello di Gregorio XIV Sfondrati, tutte le donne della famiglia del pontefice sono fatte monacare, ma il convento, com’è noto, non sempre rappresentava una reclusione, ma si trasformava spesso in uno spazio di negoziazione per la famiglia, in cui si tessevano solide reti femminili. Il convento, come il palazzo, rappresentava anche la manifesta occupazione di uno spazio in una precisa area urbana, marcata così dalla ostentata magnificenza delle „signore di curia“. Un tema centrale analizzato nel libro è costituito dall’attenzione dedicata al modo in cui le „signore di curia“ affrontavano la fine del pontificato, evento condizionante per tutta la famiglia, per il futuro assetto di potere, per l’economia, per il prestigio. Le numerose fonti inedite usate sono, oltre ad atti notarili, in gran parte i carteggi, quando disponibili: gli epistolari riflettono travagli interni che mostrano la necessità per le donne della famiglia papale di adeguare il proprio comportamento ad una incondizionata subordinazione. Emerge talvolta, fra le righe, la difficoltà di adattarsi ad esigenze superiori, una infelicità non sempre celata dalle parole e dallo schema retorico. Accanto ad un vasto repertorio di fonti nuove, inedite, l’autrice rilegge anche quanto offerto da fonti ben note e da una storiografia datata, ma ricca di particolari, assai utili in questa prospettiva. Non sfugge poi l’importanza della letteratura coeva: accanto alle dediche di opere per catturare la benevolenza femminile, si analizzano poemi, sonetti, pasquinate che osservano, giudicano e costruiscono rappresentazioni e modelli di queste signore, spesso paragonate a figure di sante per rendere così la loro immagine funzionale ad una dimensione spirituale utile al papato del tardo ʼ500 e del ʼ600. La terza parte („Donne dei papi nella corte barocca tra apogeo e crisi del nepotismo“, pp. 229–342) focalizza l’attenzione anche su alcuni personaggi come Anna Colonna, moglie di Taddeo Barberini, Costanza Magalotti, cognata di Urbano VIII che rappresentano icone positive per costruire e consolidare aspetti essenziali del papato di età barocca fino ad arrivare alla figura negativa di Olimpia Maidalchini, la „papessa“, immagine essa stessa della crisi incipiente del sistema nepotistico pontificio. Dietro alle critiche, spesso pungenti, rivolte alle „signore di curia“ emerge un altro tema e un’immagine inquietanti, quello della Papessa Giovanna che ha fornito all’autrice una convincente chiave di lettura per seguire una presenza che riaffiora in momenti particolari, riesumata e usata molto spesso per colpire il pontefice attraverso le donne. L’uso della sua leggenda si propone come efficace strumento polemico quando si avverte che le „signore di curia“, e soprattutto alcune di esse, come la cognata di Innocenzo X, hanno acquisito troppo potere e condizionano l’azione pontificia, superano il limite della tollerabilità, dello scandalo, possano insomma farsi „papesse“. Il libro disvela insomma il potere delle donne, non definisce queste figure come donne di potere: un potere non sempre uguale, legato all’educazione ricevuta, allo spazio concesso loro, alle capacità individuali, al contesto politico e religioso. Questa è una delle conclusioni cui si giunge leggendo il libro: un lavoro finissimo, assolutamente originale per l’ottica scelta per osservare il potere pontificio, le dinamiche curiali e familiari nel Papato in età moderna e per stimolare anche un confronto con altre realtà delle corti coeve europee.+TABRE+Irene Fosi

Alena Martin-Ruland, Zwischen Gott, Mensch und Teufel. Beobachtungskonstellationen in der deutschen Flugpublizistik der frühen Neuzeit, Berlin-Boston (De Gruyter) 2024 (Vigilanzkulturen / Cultures of Vigilance 11), 148 S., Abb., ISBN 978-3-11-132068-7, € 29,95.

Die deutsche Flugpublizistik ist ein Thema, das nach wie vor zahlreiche Möglichkeiten für neue Erkenntnisse bietet, da hier nahezu alle Themen des politischen, sozioökonomischen, kulturellen wie religiösen Zusammenlebens aller frühneuzeitlicher Bevölkerungsgruppen verhandelt werden. Das Erscheinen neuer Dissertationen zum Thema kann also bloß begrüßt werden. Bei der vorliegenden, in Open Access erschienenen Monografie handelt es sich um die überarbeitete Dissertation der Autorin (Ludwig-Maximilians-Universität München). Die Arbeit gliedert sich in vier Teile: auf die Einleitung folgen zwei inhaltliche Kapitel sowie ein Fazit. In der Einleitung wird die anregende Fragestellung klar umrissen: Die Arbeit geht „der Funktionsweise einer … von der gängigen Darstellung abweichenden Inszenierung des Teufels als latente Gefahr auf Flugblättern der Frühen Neuzeit nach“ (S. 1). Was jedoch die gängige Darstellung ausmache, wird nicht genauer erläutert. Zudem positioniert sich die Untersuchung innerhalb der „interdisziplinären Flugblattforschung“, mit Referenzen auf die These der „Sozialdisziplinierung“ (Michael Schilling 1990) sowie der Luhmann’schen Beobachtungstheorie (S. 2–9). Die Korpusgenese wird offengelegt, wobei das „Kernkorpus“ vornehmlich aus deutschsprachigen Flugblättern des 16. und 17. Jahrhunderts besteht, einzelne Schlaglichter verweisen auch nach Großbritannien und in die Niederlande. Als Referenzpunkte werden die monumentale Reihe „Deutsche illustrierte Flugblätter“ von Wolfgang Harms und Michael Schilling sowie die Verzeichnisse deutscher Drucke des 16. und 17. Jahrhunderts (VD 16–17) genannt. Letzteres überrascht ein wenig, da Flugblätter zumindest im VD 16 nicht systematisch gesammelt werden. Bibliotheken, Archive oder andere Institutionen scheinen ob der Erweiterung des Korpus nicht konsultiert worden zu sein. Der temporäre Fokus wird mit den „epochalen religiösen, politischen und sozialen Umbrüchen“ der Zeit begründet, in der Fußnote dazu werden Reformation, Dreißigjähriger Krieg sowie die damit einhergehenden Anstiege der Druckproduktion genannt (S. 10). Die beiden darauffolgenden Kapitel – das Herzstück der Arbeit – umfassen zwei bzw. fünf Unterkapitel. In den Fokus rückt jeweils ein Flugblatt, dessen Bild und Text im Detail beschrieben, analysiert, zueinander und mit ausgewählten Quellen in Bezug gesetzt werden. Im zweiten Kapitel „Diabolische Beobachtung in allegorischen Bild-Text-Arrangements“ werden die dauerhafte Wachsamkeit als religiöser Appell sowie der Zusammenhang zwischen Beobachtung und menschlicher Vernunft thematisiert. Eindrücklich beschäftigt sich die Autorin etwa mit Zeit als Metapher. Das dritte Kapitel „Diabolische Beobachtung in Bezug auf realhistorische Ereignisse“ berührt auch genderspezifische Themen. Die „weibliche Geschwätzigkeit“ enttarnt sich als Instrument des Teufels, der einen Blasebalg und größeres Gerät nutzt, um Frauen ins Ohr zu flüstern. Überzeugend werden etwa Eigen- und Fremdbeobachtung anhand der symbolischen Funktion von Spiegeln sowie die Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit des Teufels im realen Geschehen vs. im Flugblatt reflektiert. Das Fazit fasst die Erkenntnisse der Studie – auf drei Seiten – zusammen. Abschließend wird noch die rezeptionshistorische Bedeutung von Flugblättern betont. Augenscheinlich ist der übersichtliche Umfang einer Dissertation des deutschsprachigen Raumes. Inklusive Literatur- und Abbildungsverzeichnis erstreckt sich der Band über 142 Seiten, 22 überwiegend ganzseitige Abbildungen verkürzen das Lesevergnügen noch weiter. Die Arbeit glänzt in den Detailanalysen ausgewählter Flugblätter. Letztlich bleibt jedoch viel Raum für tieferreichende Studien zu diesem so spannenden Thema.+TABRE+Doris Gruber

Francesca Cappelletti/Franceso Freddolini/Harriet O’Neill/Caterina Volpi (a cura di), Il palazzo reale e immaginato. Conversazioni, descrizioni, rappresentazioni, Milano (Skira) 2022, 135 S., Abb., ISBN 978-88-572-4898-1, € 28,50.

Der Adelspalast mit seiner heterogenen, sozial hierarchisierten, diversen Gruppendynamiken unterworfenen Bewohnerschaft, seinem spezifischen Verhaltenskodex, seiner hybriden Natur (öffentlich/privat), seinen Festen, seiner Architektur und künstlerischen Ausgestaltung, oftmals mit Kunstsammlungen und Bibliotheken versehen, verfügte während der Frühen Neuzeit über einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Neben dem konkreten Erscheinungsbild des Palastes im europäischen Kontext, das dem gebildeten Publikum vor Augen stand, entstanden aber auch irreale, nach der Phantasie gestaltete Vorstellungen von Adels- und Fürstenresidenzen in anderen geographischen Zonen, Bilder von exotischen Palästen, wie man sie sich außerhalb Europas vorstellte, wie Francesca Cappelletti und Francesco Freddolini in ihrem Vorwort kurz umreißen. Der vorliegende Sammelband veröffentlicht eine Auswahl von Vorträgen, die während einer von der Galleria Borghese, der British School at Rome und der Sapienza organisierten Tagung im November 2021 gehalten wurden. Amedeo Quondam beschäftigt sich in seinem Beitrag mit Begrifflichkeit, Etymologie und Semantik des Begriffs „Palast“ sowie der Entwicklung und Ausgestaltung des frühmodernen repräsentativen Palastbaus nach Aufgabe mittelalterlicher, eher Abwehr und Wehrhaftigkeit betonender Modelle (decastralizzazione, decastellamento) entsprechend dem neuen, in der Renaissance sich herausbildenden Selbstverständnis des Hausherrn (eher litteratus statt miles). Vincenzo Farinella hingegen wendet sich imaginären Palastdarstellungen zu. Er analysiert die Beschreibung der Burg von Tristan im 32. Gesang der 3. Ausgabe von Ariosts „Orlando furioso“ und setzt sie in Beziehung zu den Fresken Raffaels in der Sala di Eliodoro. Am Beispiel der verschiedenen römischen Residenzen der abgedankten und konvertierten Christine von Schweden zeigt Gail Feigenbaum, wie schwierig es für eine Vertreterin des Hochadels sein konnte, sich in einem neuen Palast-Ambiente zurechtzufinden und individuelle Bedürfnisse mit spezifischen lokalen Gegebenheiten in Einklang zu bringen. Harriet O’Neill fragt in ihrem Beitrag nach der Funktion von Bilderrahmen in römischen Palastgalerien des 17. Jahrhunderts, wo meist der sogenannte Salvator Rosa-Typ anzutreffen ist. Dabei sei ein dreifacher Bezug zu berücksichtigen: die Wechselwirkung von Rahmen und Bild, das Verhältnis der Rahmen untereinander im Kontext der Kollektion und schließlich die Rahmen in Bezug zur gesamten künstlerischen Ausstattung des palazzo. Eliana Carrara gibt einen Einblick in Beschreibungen Genueser Adelspaläste in der zeitgenössischen Literatur mit umfangreichen Textbeispielen. Eine originelle wie überzeugende Neuinterpretation der Ausgestaltung des King’s Staircase im Palast von Hampton Court steuert Christina Strunck bei. Offensichtlich, so die Kunsthistorikerin, antwortete das von Antonio Verrio konzipierte Bildprogramm ironisch auf die Herrscherpanegyrik Ludwigs XIV., wie sie in der Gestaltung der Botschaftertreppe von Versailles zum Ausdruck kam. In den Bereich des Imaginären führt schließlich nochmals Francesco Freddolini. An ausgewählten Beispielen (Südamerika, China) zeigt er, welche stereotypisierten künstlerischen Vorstellungen im 16. und 17. Jahrhundert von außereuropäischen Palästen kursierten. Dem anregenden Tagungsband ist ein Personenregister beigegeben.+TABRE+Alexander Koller

Giovanni Florio, Micropolitica della rappresentanza. Dinamiche del potere a Venezia in età moderna, Roma (Carocci) 2023 (Studi storici Carocci 418), 398 S., Abb., ISBN 978-88-290-2170-3, € 39.

Wie gelang es den Städten der venezianischen Terraferma, ihre Anliegen und Interessen in die Entscheidungsprozesse der aristokratischen Regierung einzubringen, von der sie formal ausgeschlossen waren? Mit dieser Frage beschäftigt sich Giovanni Florio in seiner kürzlich erschienen Studie zur „Mikropolitik der Repräsentation“ im Venedig des 15. bis 17. Jahrhunderts. Die im Rahmen des ERC-Projekts „RISK – Republics on the Stage of Kings“ entstandene Arbeit fügt sich somit in den Kontext neuerer Forschungen ein, welche sich eingehend mit den Beziehungen der venezianischen Republik zu ihren Territorien auseinandersetzen. Durch den Fokus auf die Vertretung der Städte des Festlandstaats im Regierungszentrum und den Einbezug breiter Bestände unedierter Archivquellen setzt das Buch Florios dabei wichtige neue Akzente. Im ersten Kapitel (S. 35–90) diskutiert Florio das Entstehen dauerhafter Vertretungen der drei Städte Padua, Verona und Vicenza in Venedig. Als nunzi bezeichnete ständige Gesandte ergänzten ab dem späten 15. Jahrhundert die zunehmend als unzureichend empfundenen temporären Gesandtschaften. Letztere wurden jedoch nicht abgeschafft, vielmehr kam es zur Pluralisierung und Koexistenz verschiedener Formen der Repräsentation. Im Fokus des ersten Kapitels steht zudem ein wichtiges Instrument der Einflussnahme: die sogenannte via supplicationis. Die Supplikationen, insbesondere im pien collegio eingebracht, erlaubten es, die Interessen und Anliegen der Städte im Regierungszentrum einzubringen (S. 75 f.). Das zweite Kapitel (S. 91–156) beleuchtet in einer detailreichen prosopographischen Untersuchung die nunzi als zentrale Personen in den Repräsentationsbemühungen der Städte. Zugehörigkeit zu einer niederen Adelsfamilie, juristische Erfahrung und exzellente Netzwerke in Venedig zeichneten diese Amtsträger aus, welche ihre Stadt oft über viele Jahre in Venedig repräsentierten. Eindrücklich zeigt Florio zudem die Konfliktträchtigkeit des Amts auf: Gerade die Ernennung eines neuen nunzio stellte einen kritischen Moment dar, wo diverse Interessen und Vorstellungen aufeinanderprallten (S. 99–121). Während die zu Beginn beschriebene via supplicationis ein bedeutendes Instrument sein mochte, so geschah ein Großteil der Einflussnahme der Gesandten dennoch durch informelle Beziehungen zu den regierenden Patriziern Venedigs. Im dritten Kapitel (S. 157–230) untersucht Florio diese mikropolitischen Bemühungen. Er beschreibt illustrativ, wie die Vertreter der Städte vor den offiziellen Audienzen mit entscheidenden Amtsträgern in Kontakt traten und versuchten, diese als Patrone zu gewinnen. Im Unterschied zu frühneuzeitlichen Monarchien waren Gunst und Patronage nicht auf eine einzelne Persönlichkeit fokussiert. Vielmehr reflektierten die vielfältigen und häufig instabilen Patron-Klient-Beziehungen die Pluralität und Volatilität der polyarchischen Regierungsform Venedigs (S. 160 f.). Als weiteres Spezifikum stellte sich heraus, dass die Patronagebeziehung sowohl persönlich zu den Gesandten als auch zu deren Heimatstadt bestehen konnte. Im letzteren Fall identifiziert Florio die ehemaligen rettori als wichtige Patrone, welche bereit waren, sich in der Regierung für die Interessen „ihrer“ Stadt einzusetzen (S. 170–173). Im vierten und letzten Kapitel (S. 231–310) gelingt es Florio, die zahlreichen Erkenntnisse der vorhergehenden Kapitel anhand eines besonders illustrativen Falls zusammenzuführen. Die Interdiktskrise von 1606/1607 identifiziert er als exzellenten Beobachtungspunkt mikropolitischer Aktivitäten und Strategien der politischen Kommunikation. In ihrem Rahmen gelang es den Gesandten der Städte, ihre Anliegen als Interessen der Republik darzustellen und Einfluss beinahe – wie Florio es in den Worten Boteros treffend beschreibt – „come in parte del governo“ (S. 310) auszuüben. Andererseits instrumentalisierten auch Teile des regierenden Patriziats – insbesondere die sogenannten giovani – strategisch die Interessen der untergebenen Städte, um dadurch ihre eigene Politik voranzubringen (S. 280 f.). Florios dichte und detailreiche Studie legt überzeugend und in anschaulicher Sprache dar, dass das Verhältnis zwischen regierendem Zentrum und untergebenen Territorien von komplexen, sowohl institutionell wie auch personell geprägten Beziehungen und extensiven mikropolitischen Aktivitäten geprägt war. Einerseits waren die Städte der Terraferma vom institutionalisierten Apparat der Entscheidungsfindung ausgeschlossen, andererseits eröffneten sich ihnen zahlreiche Möglichkeiten, die Prozesse der Entscheidungsfindung „sulla soglia di Palazzo Ducale e nelle anticamere delle dimore patrizie“ (S. 324) zu beeinflussen.+TABRE+Debora Heim

Marco Albertoni, Italian Reformation and Religious Dissent of the Sixteenth Century. A Bibliography (1998–2020), with an Historiographical Introduction by Vincenzo Lavenia, Alessandria (Edizioni dell’Orso) 2021 (Forme e percorsi della Storia 9), 556 pp., ISBN 978-88-3613-234-8, € 50.

Il volume, come dichiara il suo titolo, offre una bibliografia esaustiva degli studi sulla diffusione della Riforma nella penisola italiana pubblicati tra il 1998 e il 2020. Pur con numerose differenze d’impostazione, esso costituisce l’ideale prosecuzione di „The Italian Reformation of the Sixteenth Century and the Diffusion of Renaissance Culture: a Bibliography of the Secondary Literature (ca. 1750–1997)“ pubblicato nel 2000 da John Tedeschi con la collaborazione di James Lattis. La ricognizione bibliografica di Albertoni inizia dunque a partire da dove si concludeva l’altra e con essa condivide anche diverse caratteristiche formali, tra cui una similare organizzazione delle voci e una „Historical Introduction“. Nel volume del 2000 questa era a firma di Massimo Firpo, qui invece di Vincenzo Lavenia (pp. 27–45), il quale integra la bibliografia, che costituisce il corpo centrale del testo, e l’introduzione del curatore con una panoramica sulle pubblicazioni relative al Cinquecentenario della Riforma nel 2017 (dunque anche non a tema italiano), sulla tradizione storiografica italiana a tema „Riforma“ (da Cantimori ai progetti di ricerca più recenti) e sulle direzioni in cui la ricerca europea nel suo complesso si è avviata negli ultimi anni. Questo lavoro condivide con quello del 2000 anche la scelta della lingua inglese. Si tratta di una scelta felice nell’ottica di raggiungere un pubblico internazionale che vada al di là della cerchia degli italianisti, e soprattutto considerando che il panorama internazionale della ricerca – ciò vale, purtroppo, perfino per gli studi dal carattere comparato – è attualmente caratterizzato da una troppo carente integrazione nell’ambito della storia della Riforma europea sia delle pubblicazioni sulla Riforma in lingua italiana che delle vicende che hanno avuto luogo nella penisola italiana. L’unico appunto che farei su questo aspetto è l’uso potenzialmente un po’ fuorviante per i lettori del termine „reformed“, che nella lingua inglese (com’è anche il caso del tedesco „reformiert“) definisce solamente gli aderenti al Calvinismo e alle chiese a esso associate e non ha il carattere ‚generalista‘ proprio invece di „Protestant“. Quanto alle lingue delle pubblicazioni citate, è particolarmente apprezzabile, in un’area di studi plurilingue, l’inclusione nella bibliografia di studi in lituano e polacco, lingue di difficile lettura ma associate a paesi con una forte tradizione di studi in storia della Riforma, oltre che di pubblicazioni in tedesco, francese, italiano, inglese e altre lingue. La scelta di realizzare un repertorio cartaceo e in formato monografico piuttosto che un database online incrementabile, apparentemente contro-corrente rispetto agli attuali tempi, in realtà lo è solo fino a un certo punto: troppi repertori online di questo tipo, non curati continuativamente e tecnologicamente sorpassati, sono ahimè divenuti archeologia informatica pressoché inutilizzabile e perciò si osserva attualmente, parallelamente a una diffusione sempre più capillare dell’open access, una contro-tendenza nella scelta di riservare pubblicazioni in formato più tradizionale a lavori di consultazione destinati a un uso prolungato nel tempo. L’„Introduzione“ di Albertoni (pp. 19–25) dà conto in dettaglio dei criteri adottati per la compilazione della bibliografia e delle numerose novità dirompenti che hanno completamente rivoluzionato il panorama degli studi dopo l’uscita della prima bibliografia, prima tra tutte l’apertura agli studiosi dell’Archivio del Dicastero per la Dottrina della Fede in Vaticano. È molto condivisibile il tentativo di evitare che le categorie impiegate per l’organizzazione della bibliografia veicolino rigide differenze confessionali che, come sempre più studi stanno dimostrando, non sono adatte né agli sviluppi della Riforma europea né in misura ancora maggiore al contesto italiano. Il lavoro (punto su cui il curatore ritorna propriamente più volte), oltre che fornire un quadro bibliografico aggiornato si propone di incoraggiare e indirizzare ricerche future. Esso include perciò pubblicazioni relative a tutte le sfumature del dissenso religioso italiano vicino alla Riforma, dal Luteranesimo propriamente detto, al Calvinismo, al Valdesianismo, a studi su singole figure meramente sospettate di aderire a una qualche dottrina ‚non conformista‘. Le voci sono organizzate nelle sezioni „General Studies“, „Men and Women“, „Places“, „Theological and Intellectual Currents“, „Special Topics“ („Books and Censorship“, „Inquisition“, „Nicodemism“ e „Toleration Controversy“). È appropriata la scelta di includere voci enciclopediche, considerando l’apporto di novità, spesso non riconosciuto adeguatamente, che frequentemente recano. Le nuove voci (ben 253 per la sola sezione „Men and Women“) sono indicate con un asterisco. Soprattutto delle voci non immediatamente riconducibili alle confessioni principali è inevitabilmente proprio un certo carattere convenzionale. La distinzione di Tedeschi-Lattis nelle due categorie distinte „Anabaptism“ e „Socinianism-Antitrinitarianism“ è stata ad esempio appropriatamente sostituita da un’unica categoria, comprendente „Anabaptism, Antitrinitarianism, Socinianism, Radicalism“; la precedente scelta appare oggi abbastanza arbitraria, considerando la non coincidenza tra Socinianesimo e Antitrinitarismo e, invece, la frequente compresenza di Anabattismo e Antitrinitarismo nell’Italia del sedicesimo Secolo. Le voci „Unbelief, Deism, Libertinism, Atheism“ e „Evangelism, Valdesianism“ costituiscono invece due categorie distinte pur ‚incrociandosi‘ dal punto di vista tematico sia tra di loro che con quella di „Anabaptism, Antitrinitarianism, Socinianism, Radicalism“. Per quanto riguarda la sproporzione notevole tra voci dedicate a uomini (570) e a donne (22), come il curatore sottolinea questa non si basa su una scelta personale, quanto sull’oggettiva disponibilità di studi a riguardo, e si spera che sia solo questione di tempo prima che nuovi studi compaiano e l’importanza di nuove figure venga messa in luce. Si pone il problema se questa scarsità sia dovuta a mancanza di fonti o a minore interesse da parte del mondo degli studi: propenderei per la prima ipotesi, considerata la mentalità dell’epoca che considerava l’eresia in generale fenomeno tipicamente maschile in quanto errore dell’intelletto e derubricava di conseguenza l’eresia femminile a influsso maschile, con conseguente meno intensa persecuzione giudiziaria delle donne. Se, per pura ipotesi, ci si chiedesse a quale mutata situazione si potrebbe trovare di fronte un futuro autore o una futura autrice di una prosecuzione di questa bibliografia, che debba dunque considerare gli studi usciti a partire dal 2020, vengono in mente alcune possibilità a partire soprattutto da evoluzioni già in corso: un aumento delle voci dedicate alle donne (per via del discorso di cui sopra), a fondi di specifici archivi ecclesiastici e inquisitoriali e ai contatti reciproci tra correnti afferenti a vario titolo alla Riforma e altre minoranze religiose nella penisola italiana (protestanti, musulmani, ebrei, conversos). Probabilmente sarà anche appropriato – a seguito di un’aumentata mole di studi a riguardo – differenziare maggiormente dalle altre le categorie legate ad ateismo e blasfemia e trattare separatamente le voci „Socinianism“, „Anabaptism“ e „Antitrinitarianism“, fenomeni spesso erroneamente assimilati e dai contorni cronologici, tra l’altro, non coincidenti (poiché nella penisola italiana le vicende dell’Anabattismo e dell’Antitrinitarismo legati alla Riforma, già tra di loro non sovrapponibili, precedono di molto la nascita del Socinianesimo). L’aumento delle pubblicazioni spiccatamente interdisciplinari si rifletterebbe inoltre senz’altro su una tipologia più differenziata delle voci della tipologia qui definita „Special Topics“. Sempre più pubblicazioni, infatti, stanno rendendo possibile l’incontro tra storia della Riforma e altri grossi ambiti della modernistica: storia globale, storia della pubblicistica, storia della scienza o storia sociale della medicina. Questa bibliografia costituisce la conclusione di un lavoro di numerosi anni e di estrema precisione, che non assolve solamente al compito di ausilio bibliografico per cui è stata principalmente redatta, ma fornisce un quadro della direzione in cui si muovono le ricerche sulla Riforma nella penisola italiana e una panoramica storiografica relativa agli studi italiani dell’ultimo secolo, e aiuta a formulare nuove idee e progetti di ricerca. Essa costituirà dunque un riferimento imprescindibile dei „Reformation Studies“ per molti anni a venire.+TABRE+Riccarda Suitner

Hartmut Kühne, Von Halle nach Rom, Jerusalem und Nowgorod. Das Gedenkbuch des Hallenser Apothekers Wolfgang Holtzwirth aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, Berlin (Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte) 2024 (Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung 46 – Sondershäuser Kataloge 16), 225 S., Abb., Kt., ISBN 978-3-86732-449-6, € 30.

Der 1522 in Halle als Sohn eines Patriziers geborene Wolfgang Holtzwirth hinterließ nach seinem Tod Ende der 1570er Jahre eine knapp 20 Jahre zuvor von ihm verfasste Handschrift, in der er als inzwischen in seiner Heimatstadt etablierter Apotheker seine turbulenten ersten drei Lebensjahrzehnte Revue passieren lässt. Das Autograph enthält unter Verwendung von ihm selbst angelegten Notizbüchern und des in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts weit verbreiteten Reiseführers des Bernhard von Breydenbach hauptsächlich tagebuchartige, autobiographisch geprägte Beschreibungen seiner eigenen, in den 1540er Jahren unternommenen Reisen nach Italien und ins Heilige Land. Weitere Reisen in späteren Jahren nach Osteuropa werden von ihm im Rückblick nur noch stark verkürzt oder stichwortartig wiedergegeben. Zwar wurde das heute in der Sammlung des Schlossmuseums Sondershausen (Thüringen) verwahrte Manuskript als kulturgeschichtlich hochinteressante Quelle von der lokalen heimatgeschichtlichen Forschung spätestens seit dem 19. Jahrhundert durchaus zur Kenntnis genommen und aus ihr gelegentlich auch zitiert – einem größeren Benutzerkreis blieb sie jedoch verschlossen. Dies änderte sich erst vor wenigen Jahren mit dem gesteigerten Interesse des Historikers Hartmut Kühne an der Person Holtzwirths, dessen eigentliche Bedeutung erst von der jüngsten Forschung als „erster protestantischer Jerusalempilger überhaupt“ erkannt wurde. Das der so veranlassten wissenschaftlichen Edition zugrundeliegende Manuskript umfasst 167 Seiten, die der Editor sorgfältig transkribiert und – unter Mitarbeit zahlreicher, im Vorwort namentlich gewürdigter Fachgelehrter – ausführlich kommentiert hat. Etwas aufgelockert wird die ansonsten reine Textedition durch einige beigegebene Details aus der Handschrift, aber auch durch Holzschnitte des zeitgenössischen venezianischen Künstlers Domenico dalle Greche, der offenbar Holtzwirths Reisegenosse bei der Fahrt ins Heilige Land war. In seiner ausführlichen Einleitung (S. 13–64) skizziert Kühne sowohl die Provenienz- als auch die Rezeptionsgeschichte der Handschrift, die er zu Recht nicht nur als Reise-, sondern auch als Lebensbericht und insgesamt als Gedenkbuch verstanden haben will. Er fasst die Aufenthalte Holtzwirths in Italien und die Pilgerfahrt ins Heilige Land analysierend zusammen, wobei die späteren Reisen nach Osteuropa kaum mehr berücksichtigt werden. Es folgt die sorgfältig kommentierte, Orte, Personen und Ereignisse identifizierende und erläuternde Edition des Gedenkbuchs (S. 65–191), die dankenswerterweise mit einem Anhang endet (S. 195–225), der mehrere Karten der Reisewege, ein Literaturverzeichnis, sowie ein Orts- und Personenregister enthält (S. 195–225). Holtzwirth beginnt seine Niederschrift mit ersten Erwähnungen seiner historisch fassbaren Ahnen im 14. Jahrhundert, behandelt dann seine eigene Familiengeschichte und beschreibt seine Erziehung im adeligen Umfeld am Hof der Grafen von Mansfeld. Danach absolviert der junge, früh zum Halbwaisen gewordene Protagonist die Lateinschulen in Eisleben und Nordhausen, geht dann als Apothekergeselle nach Wittenberg, immatrikuliert sich dort offenbar fürs Medizinstudium, bricht aber dann, gepackt von der „luest tzu wandern“, im Oktober 1543 nach Italien auf. Über Aufenthalte in Venedig, Rom und Neapel, wo er aus finanzieller Not verschiedenen beruflichen Tätigkeiten nachgehen muss, so als päpstlicher Gardist, als Landsknecht des Fürsten von Salerno und schließlich als Apotheker in Rom, kommt er schließlich im Frühsommer des Jahres 1546 zurück nach Venedig, um sich zusammen mit einigen landmannschaftlich passenden Reisegefährten für die Überfahrt ins Heilige Land einzuschiffen. Allerdings bietet sein Reisebericht sowohl hinsichtlich der absolvierten Stationen auf der Hin- und Rückreise als auch hinsichtlich des von den dortigen Franziskanern organisierten Besuchsprogramms nur weniges, was von den bislang bekannten Pilgerberichten abweicht. Sehr aufschlussreich sind jedoch seine persönlichen, detailliert und farbenfroh geschilderten Erlebnisse, wie etwa der Kampf seines Pilgerschiffes mit einer türkischen Galeere auf hoher See. Alltagsgeschichtlich gesehen ist seine drastische Darstellung der Verpflegungsproblematik auf dem Schiff recht aufschlussreich. Essen und Trinken wurden für ihn als nur über sehr begrenzte eigene Mittel verfügender Selbstversorger immer dann dramatisch, wenn der unterwegs gekaufte Wein ausgetrunken, das Brot verschimmelt und „das wasser in meynem feßlin gantz stinckent“ war. Wie gut, wenn dann beim nächsten Halt an den Küsten des Heiligen Landes von den dort wohnenden Christen angebotene „breite, weyse brodt, gesoethene eyer, gekocht huener, trauben, abgurien, feygen genuegk und wolfeyl“ zu kaufen war. In diesem Zusammenhang ist der offensichtlich weitgehend konfliktfreie Umgang des Lutheraners Holtzwirth mit den katholischen Bewohnern bemerkenswert, ebenso mit seinen katholischen Reisegefährten und auch den Ordensleuten im Heiligen Land. So nimmt er etwa an den von den Führern reichlich vorgetragenen Heiligengeschichten im Grunde keinen Anstoß, und wenn er sich tatsächlich doch einmal despektierlich äußert, dann sind das ausdrücklich Stellen, die so bereits im Breydenbachschen Reisebericht zu finden sind. Und obwohl weder Luther noch seine eigene Konfession irgendwo erwähnt wird, blitzen da und dort doch einmal diesbezügliche Bemerkungen auf, etwa, wenn er die heuchlerischen Türken, die offenbar trotz ihres Alkoholverbotes heimlich trinken, mit den Papisten vergleicht, die es ja auch nicht anders machen, wenn sie „fleischessen in den fasten“. Persönliche religiöse Gefühle zeigen sich bei ihm weniger beim Besuch von realen Stätten wie etwa der Grabeskirche, eher bei Orten, wie dem Feld der Hirten bei Bethlehem, wo die Engel die frohe Botschaft verkündet haben, „da lacht mir daß hertz im leibe vor freudenn“. Dort sammelte er auch einige kleine Steine als Erinnerungsstücke auf, die er mit nach Hause nimmt. Dass er an möglichst vielen Orten seine Initialen einritzt oder aufmalt und nach schon vorhandenen Sgraffiti sucht, unterscheidet ihn nicht von der Handlungsweise anderer Pilger. Nach seiner glücklichen Rückkehr von der Pilgerreise bleibt er auf Reisen, verdingt sich meist als Apotheker, wandert dann weiter über Villach, Wien nach Krakau und immer weiter Richtung Norden nach Warschau, Danzig, Reval und schließlich bis ins russische Nowgorod, bis er sich letztlich in seiner Heimatstadt Halle als Apotheker dauerhaft niederlässt. So endet ein über zahlreiche Aspekte der Lebensverhältnisse des 16. Jahrhunderts höchst informativer Bericht, dessen gründlich erarbeitete wissenschaftliche Präsentation uneingeschränkt zu loben ist. Abschließend sei noch auf eine konfessionsgeschichtlich höchst interessante Koinzidenz hingewiesen: Holtzwirth hörte im Sommersemester 1543 in Wittenberg Vorlesungen des von den Zeitgenossen hochgeschätzten Mediziners und Botanikers Valerius Cordus, die offenbar zu einem persönlichen Verhältnis führten, da er Cordus auf dessen bevorstehender botanischer Forschungsreise nach Italien begleiten wollte. Wäre diese gemeinsame Reise tatsächlich zustande gekommen, dann hätte Holtzwirth all die höchst verwickelten Umstände miterlebt, die dazu geführt haben, dass der am 25. September 1544 in Rom verstorbene Valerius Cordus nach gescheitertem Empfang der Kommunion in beiderlei Gestalt als Protestant in der katholischen Kirche S. Maria dellʼAnima begraben werden konnte.+TABRE+Eberhard J. Nikitsch

Donato Giannotti, Della Republica ecclesiastica, a cura di William J. Connell, Torino (Einaudi) 2023 (Nuova Universale Einaudi 32), LXXXVI, 402 pp., ISBN 978-88-06-25997-6, € 34.

L’edizione qui recensita vede la sua genesi in una circostanza fuori dell’ordinario: il ritrovamento da parte del curatore, italianista e modernista dell’Università di Seaton Hall (USA) dell’unico testimone oggi noto di un testo intitolato „Della Republica ecclesiastica“. L’autore Donato Giannotti, umanista fiorentino, è figura già nota al mondo degli studi: avversario dei Medici, repubblicano, corrispondente di Pietro Vettori (a cui confida, nel 1571, di aver composto un’opera che corrisponde al profilo della „Republica ecclesiastica“), amico di Machiavelli e segretario della Repubblica di Firenze tra il 1527 e il 1530. Anche se il manoscritto è senz’altro successivo, si tratta di un’opera composta in gran parte nel 1541, quando Giannotti viveva a Roma da rifugiato politico. Il manoscritto rinvenuto da Connell, qui pubblicato per la prima volta, non è un autografo, ma costituisce una trascrizione dell’opera, scritta da Giannotti per uso privato, per essere condivisa solo con il suo protettore a Roma, il Cardinale Niccolò Ridolfi; circostanza tutto sommato comprensibile se si considera che Giannotti, esule a Roma, dipendeva di fatto dalla Chiesa per il suo sostentamento. La „Republica ecclesiastica“ costituisce la base dell’„Ecclesiasticae Historiae Epitome“, testo invece già conosciuto, per quanto in modo parziale, tramite un unico esemplare conservato presso la Bibliothèque Nationale de France a Parigi, che tuttavia si presenta in una forma sistematicamente censurata che ne impedisce la lettura di numerose parti. L’„Ecclesiasticae Historiae Epitome“ costituisce di fatto un’altra opera rispetto alla „Republica Ecclesiastica“, non solamente per la lingua latina impiegata, ma anche in quanto pensata per la diffusione, e per la conseguente maggiore prudenza dei suoi contenuti (precauzione che non ha comunque risparmiato all’autore l’azione della censura ecclesiastica). È curioso che, in una lettera a cui rinvia Connell nella sua introduzione, Giannotti parli dell’opera latina come „migliorata“ rispetto alla „Republica ecclesiastica“ in quanto più prudente; quando invece, dal punto di vista di un lettore moderno, è probabilmente proprio nella critica diretta e sferzante in cui si articola l’opera in lingua italiana che risiede la sua maggiore attrattiva. L’„Introduzione“ di Connell all’edizione, di lunghezza quasi monografica (76 pp., traduzione di Elisa Frei), offre una fondamentale analisi e collocazione storica delle tesi salienti del libro e ne dimostra l’attribuzione a Giannotti. Essa inoltre offre un’interessante narrazione delle circostanze del ritrovamento del manoscritto, che è avvenuto, come molte scoperte, attraverso una combinazione di casualità, una sorta di ‚perdita di tempo‘ di tipo squisitamente intellettuale (ovvero il girovagare senza uno scopo preciso tra gli scaffali di un antiquario) che non andrebbe mai persa, nonostante le distrazioni del mondo tecnologico in cui siamo immersi, e infine una conoscenza dei volumi antichi nei loro aspetti codicologici e di quel preciso filone a cui appartiene il testo – il repubblicanesimo rinascimentale – aspetto quest’ultimo che ha permesso di riconoscere all’istante il potenziale del ritrovamento. Completano l’„Introduzione“ e il testo del volume di Giannotti una „Scheda Codicologica“ realizzata da Dario Panno-Pecoraro, una „Nota al Testo“ sui criteri filologici di edizione, note di commento al testo che rendono conto delle scelte filologiche e dei brani dell’„Ecclesiasticae Historiae Epitome“ ricostruibili mediante la „Republica ecclesiastica“, e infine un ricco apparato di note conclusive che esplicitano le fonti utilizzate da Giannotti (dal momento che egli, come in uso nella prima età moderna, per lo più non le dichiarava), rinviano a studi e al contesto storico e commentano alcuni passi particolarmente significativi. La proposta di Giannotti è unica, ispirata anche dai suoi precedenti lavori sul repubblicanesimo veneziano, e prevedeva: la creazione di uno stato della Chiesa governato, piuttosto che come una monarchia, come una repubblica; l’elezione dei vescovi da parte del clero, come nella Chiesa delle origini; la nomina dei cardinali da parte del Collegio cardinalizio, paragonato, riprendendo un’idea di Pier Damiani, a un Senato; il trasferimento dei poteri papali (ad esempio la nomina dei governatori delle città dello Stato Pontificio) al Collegio cardinalizio. La privazione del Papa del potere temporale serviva, nell’ottica di Giannotti, a scongiurare arbitri, corruzione e nepotismo. È bene infatti ricordare che si tratta di una fase in cui la risposta cattolica alla Riforma tedesca non si era ancora cristallizzata, come non erano del tutto definite neppure le varie correnti all’interno del fronte protestante. Varie personalità che proponevano una possibile Riforma erano presenti all’interno del Cattolicesimo. Tuttavia, pur tenendo conto sia di questa circostanza che del carattere privato dell’opera, la proposta di Giannotti è comunque straordinariamente coraggiosa e originale. All’autore interessa riformare esclusivamente i meccanismi di potere temporale, da preservare affinché la Chiesa non cada preda dei principi secolari e non, come a Lutero, la dottrina (anche se Giannotti afferma in un passo del libro, negando di fatto l’evidenza, che la „Republica ecclesiastica“ tratti del governo sia temporale che spirituale della Chiesa). Ma molti altri aspetti sono audaci: la consapevolezza di una certa dose di arbitrarietà e ‚storicità‘ insite nelle dottrine cattoliche ortodosse; il crudo linguaggio usato per descrivere gli abusi di molti papi; la definizione delle dottrine considerate all’epoca eretiche come „opinioni“; la convinzione che l’Islam avrebbe naturalmente sostituito il Cristianesimo come il Cristianesimo aveva fatto con gentili ed ebrei, e che per questo processo in corso non si potesse parlare di „persecuzione“. Anche la struttura dell’opera, non modellata su una consecuzione di biografie, era inedita nell’ambito della storia sacra di stampo umanista. Le osservazioni fatte fino a questo momento rendono pressoché superfluo riassumere la rilevanza di questa pubblicazione, che ci presenta una scoperta importante di un’opera fino a questo momento mai rinvenuta né pubblicata e un testo dalle proposte originali e non convenzionali, completato da un eccellente apparato di note e commento.+TABRE+Riccarda Suitner

Massimo Firpo, Catholic Reformation and the Council of Trent. History or Historiographical Myth?, traduzione di Richard Bates, Roma (Viella) 2023 (Viella History, Art and Humanities Collection 14), 188 S., ISBN 979-12-5469-384-1, € 32.

Das ins Englische übersetzte Werk („Riforma cattolica e concilio di Trento, Storia o mito storiografico?“, Roma 2022) des emeritierten Historikers, der in Turin und an der Scuola normale superiore in Pisa gelehrt hat, ist zweierlei: eine pointierte Synthese der neueren italienischen Forschung zu katholischer Reform, Gegenreformation, Konzil von Trient nachtridentinischer Reformen in Italien; dann aber auch eine Kampfschrift gegen einen apologetischen und harmonistischen Trient-Mythos Hubert Jedins (und seiner Nachfolger) und gegen die englischsprachige Forschungsliteratur, die – v. a. aus sprachlichen Gründen (S. 49) – die italienische Forschung nicht zur Kenntnis nehme und deshalb ebenfalls mit völlig inadäquaten und ahistorischen Deutungskategorien arbeite (vgl. S. 7–13). Der erste Teil widmet sich der Historiographie: Zurecht wird die lange Zeit dominante Konzeption Hubert Jedins als apologetisch und zu harmonistisch kritisiert, auch wenn er in eine zu große Nähe zum extrem konservativen Papsthistoriker Ludwig von Pastor (S. 7, 18 f., 35 f.) gerückt wird. Jedin plädierte 1946 für eine Unterscheidung von „Katholischer Reform“ (endogen aus dem Katholizismus) und „Gegenreformation“ (gegen die Protestanten, auch gewaltsam), so sehr beide im letzten Jahrhundertdrittel oft in eins geflossen seien. Charakteristisch sei ein Dreischritt gewesen: Reformansätze hätten zunächst in der römischen Zentrale keine Chance gehabt, seien aber (neue Orden, Reformbischöfe und -zentren wie in Verona oder Viterbo) in der Peripherie („Selbstreform der Glieder“) aufgebrochen. Beim Konzil seien diese Reformströmungen zusammengekommen; sie hätten eine konziliare Reform geprägt, die schließlich, drittens, auch das nachtridentinische Papsttum ergriffen habe. Jedin meinte hier sogar das übernatürliche Wirken der Vorsehung erkennen zu können, wie Gott über Umwege seine Kirche und das Papsttum reformiere und erneuere, so dass das Konzil von Trient, das er erforschte, trotz aller Hindernisse gleichsam ein Wunder gewesen sei. Ahistorisch ist hier ein harmonistischer und viel zu breiter „Reformbegriff“, der zudem dogmatisch voreingenommen diese strikt von der protestantischen „Reformation“ unterscheidet. Viele Protagonisten der „Reform“ wurden, so Firpo, gerade Opfer der Inquisition, der päpstlichen Kontrolle und der „Gegenreformation“. Zudem habe das Konzil eben nur sehr verhalten die Reformkonzepte (vgl. Residenzdebatte, Rechtfertigungsdekret) aufgegriffen und sei weitgehend wirkungslos geblieben. Was nach dem Konzil gestärkt wurde, war die päpstliche Kontrolle über die italienische Kirche; Firpo folgt hier der alten Deutung Paolo Sarpis. Von einer Reform gebe es dagegen kaum Spuren. Apologetisch und dogmatisch voreingenommen ist an Jedins Konzept so a) die Konzilszentrierung, indem diesem eine enorme Wirksamkeit zugeschrieben wird; b) die strikte Abgrenzung zu Erasmus, dem Humanismus, allen Formen des Protestantismus. Diese sind zwar in der späteren Dogmatik von der „Katholischen Reform“ klar geschieden, aber eben nicht in den realen italienischen Reformströmungen des 16. Jahrhunderts; c) werden Päpste wie Paul IV., nur weil sie asketische Züge tragen, als Reformer stilisiert, obwohl sie die Reform bekämpften und in den eigenen nepotistischen Praktiken auch konterkarierten. Seit den 1980er Jahren wurden die Schwächen von Jedins Modell immer deutlicher. Auch die englische Forschung rückte allmählich davon ab. Deren Studien v. a. zu Pole, Morone und Cervini (S. 61–64) blieben aber zu verharmlosend-harmonistisch. Der Jesuit John O’Malley ging dazu über, einfach nur noch von einem „frühneuzeitlichen Katholizismus“ zu sprechen, streng genommen eine rein chronologische Bezeichnung und damit inhaltlich eine nichtssagende Tautologie, in der aber doch eine ebenso ahistorische und harmonistische Apologetik weiterwirkte, die insinuierte, all die katholischen Strömungen hätten zu einer Modernisierung auch der katholischen Konfession geführt. Firpos Klage, dass die englische Forschung kaum die italienischen Forschungsergebnisse zur Kenntnis genommen habe, ist ebenso wie seine Jedin-Kritik nicht von der Hand zu weisen. Teil II ist eine profunde Einführung in die v. a. italienische Forschung zu Reformansätzen im 16. Jahrhundert, zum Trienter Konzil und zur religiösen Situation in Italien bis zur Aufklärung. Aufbrüche, etwa bei den sich formierenden Barnabiten, den Theatinern und den Jesuiten wurden von der Inquisition bedroht und in Richtung Orthodoxie umgebogen; Reformaufbrüche wie in Verona unter Bischof Gioberti galten als suspekt und waren nicht nachhaltig. Regelrecht verfolgt wurden die Anhänger und Freunde Kardinal Poles. Was das Konzil selbst anbelangt, so betont Firpo, dass das Papsttum und die von diesem abhängigen v. a. süditalienischen Bischöfe eine ernsthafte (Selbst-)Reform verhindern wollten, weshalb die Reformfrage in den ersten beiden Sitzungsperioden sehr langsam verhandelt wurde. In der dritten Periode wurde sie entschärft, insbesondere was die Frage der Residenzpflicht der Bischöfe in ihren Diözesen und damit der bisherigen Praxis der Kurie angeht. Die Inquisition habe abweichende Stimmen bedroht, besonders dann, wenn der päpstliche Jurisdiktionsprimat irgendwie in Frage gestellt wurde. Reformen nach dem Konzil seien päpstliche, nicht konziliare Reformen gewesen; das Auslegungsmonopol für die Konzilsdekrete habe sich das Papsttum gesichert (hiergegen müsste wohl stärker betont werden, dass die Errichtung der Konzilskongregation sich auch gegen die Hardliner in der Inquisition richtete, deren Einfluss hier limitiert wurde). Ein eindrucksvolles Schlusskapitel fasst schließlich für die verschiedenen Regionen Italiens die Forschung zu den „nachkonziliaren Reformen“ zusammen. Diese hätten gar nicht oder sehr langsam gegriffen (Konkubinat und Lebensweise des Klerus; Klerusbildung; magische Frömmigkeitspraktiken; Gründung von Seminaren; Armut und Verfall von Kirchen); dies gelte natürlich besonders für Süditalien mit seinen baronalen Herrschaftsstrukturen und seiner Masse an Klerikern, die nur die niederen Weihen und die damit verbundenen Privilegien besaßen (S. 131–156). Doch auch in Diözesen, die im Norden etwa unter dem Einfluss von Reformbischöfen (etwa Carlo Borromeo) standen, seien diese Reformen nicht nachhaltig gewesen. Veränderungen und Konstanz müssen vor allem soziologisch und wirtschaftlich erklärt werden, nicht durch ein dogmatisches Konzilsereignis von oben, wobei Frömmigkeitspraktiken Ausdruck von Resistenz und Opposition gegen die Obrigkeit sein konnten (vgl. S. 170–177). Zu massiven Reformen kam es dann erst durch die aufgeklärten Staaten. Auf das Ganze gesehen ist so eine sehr nützliche Forschungssynthese entstanden; man wird konstatieren müssen, dass die Zielrichtung doch sehr stark dazu führt, in allen Regionen und Bereichen jene Indizien zu sammeln, die für eine langfristige Persistenz kirchlicher Missstände und für eine reine machtpolitische Ausrichtung der päpstlichen Kurie sprechen. Es ließen sich sicherlich doch auch Wandlungs- und Modernisierungsprozesse ausmachen. So berechtigt die Klage über die Nichtbeachtung der italienischen Forschung ist: die deutschsprachige Literatur zu Trient und den Reformprozessen des 16. und 17. Jahrhunderts nach Jedin kommt im Gegenzug bei Firpo fast nicht vor. Trotz dieser Einschränkungen: das Hauptanliegen der knappen Forschungssynthese ist überaus berechtigt.+TABRE+Klaus Unterburger

Guglielmo Sirleto, Rome’s Apostolic Heritage. The Discourses about St. Peter’s Basilica and Santa Maria Maggiore, hg. von Filip Malesevic, Berlin-Boston (De Gruyter) 2023 (Monumenta Sirletana Romanae Curiae, Section B: Operae 1), XII, 352 S., Abb., ISBN 978-3-11-076549-6, € 174,95.

Der aus Kalabrien stammende Guglielmo Sirleto (1514–1586), 1565 mit Unterstützung Carlo Borromeos zum Kardinal ernannt, gehörte seit dem Pontifikat Pauls IV. zu den führenden Gelehrten der römischen Kurie. Die Bibelwissenschaft, seine Kenntnisse der lateinischen und griechischen Väter, sowie seine Vertrautheit mit den Ostkirchen machten einige jener Stärken aus, für die ihm 1572 auch das Amt des Kardinalbibliothekars zufiel. Publiziert hat Sirleto nur wenig. Das hier vorgelegte Buch ist als erster von 26 (sic) Bänden mit den unveröffentlichten Schriften und der Korrespondenz Sirletos gedacht, ein durchaus zu begrüßendes Unternehmen, das bei gewissenhafter Durchführung Jahrzehnte in Anspruch nehmen dürfte. Der vorliegende Band enthält zwei nicht sonderlich gewichtige Texte des Gelehrten, seine Abhandlungen zu den Kirchen von St. Peter und S. Maria Maggiore, deren Erzpriester Carlo Borromeo 1564 geworden war. An ihn ist die Aufzeichnung zu der Marienkirche adressiert. Streng genommen handelt es sich dabei um drei unterschiedliche Texte, und man wundert sich, warum der Herausgeber deren Verhältnis zueinander und ihre abweichenden Entstehungszeiten nicht genauer ausleuchtet. Sicherlich gehen nicht alle drei auf das Jahr 1564 zurück. Schwer nachzuvollziehen bleibt überdies Malesevics Behauptung, die Schrift sei im Zusammenhang mit dem Tridentiner Bilderdekret von 1563 zu verstehen. Zwar erwähnt Sirleto beiläufig die Mosaiken der Kirche, doch spielt die Bilderverehrung bei ihm letztlich keine Rolle. Beide Abhandlungen widmen sich der Bedeutung der Basiliken, die den insbesondere seit Panvinios zeitgleichen Forschungen üblichen Kriterien gemäß auf ihre Gründer, die späteren, zumeist päpstlichen Stiftungen an die Kirchen, ihre prominenten Besucher, ihre Reliquien und gewichtige Grabstätten, aber auch auf ihre Einbindung in die päpstliche Liturgie befragt werden. In erster Linie geht es also um das Prestige, das diese altehrwürdigen Bauten genossen, wohingegen alle archäologisch-kunsthistorischen Angaben in den Hintergrund treten. Auch die Kontextualisierung des hier um 1558 datierten St. Peter-Traktats befriedigt nur bedingt, denn auf die Kontroverse mit den Protestanten, ob Petrus tatsächlich in Rom gewesen sei, die Malesevic hervorhebt, lässt sich bestenfalls das erste Viertel der Darstellung beziehen. Dass darüber hinaus ein innerrömischer Primatsstreit, nämlich die Rivalität von St. Peter mit der Lateranbasilika, der schon Sirletos wichtigste Vorläufer, Petrus Mallius (Ende 12. Jh.) und Maffeo Vegio (Mitte 15. Jh.) geprägt hatte, einen Impuls für die Themenstellung bot, sieht der Herausgeber zwar auch, misst ihm aber zu wenig Bedeutung bei. Gerade der S. 330–340 abgedruckte St. Peter-Traktat des Achille Maffei, hier mit wenig überzeugenden Gründen ebenfalls Sirleto zugeschrieben, macht diesen Gegensatz explizit. Zu betonen bleibt darüber hinaus, dass schon Pius IV. die zwischen den beiden Kapiteln entflammte Streitfrage der päpstlichen Rota übergab, welche die umkämpfte prioritas … supra omnes Urbis, et Orbis Ecclesias der Lateranbasilika zusprach, was Pius V. in seiner Bulla Infirma aevi vom 21. Dezember 1569 bekräftigen sollte. Wie auch immer, der Blick auf den Norden und die Zweifel an der römischen Petrus-Tradition geben Malesevic Gelegenheit, die beiden kurzen Kirchentraktate um etliche andere Texte zu bereichern, die dem Buch erst zu seinem vorliegenden Umfang verhelfen. Berechtigt scheint die Einbeziehung von Sirletos eigener Materialsammlung zur petrinischen Frage, die zahllose den Kirchenvätern entnommene Zitate zum Aufenthalt von Petrus und Paulus in Rom, zur Gründung des römischen Bischofsstuhles und zum Martyrium der beiden Apostel zusammenträgt (S. 299–330). Nur teilweise relevant sind dagegen die drei zwischen 1550 und 1552 publizierten Schriften, in denen der Augsburger Dominikaner Johann Fabri und der Lutheraner Matthias Flacius Illyricus die gleichen Fragen kontrovers diskutieren (S. 103–214). Warum Fabris „Von Ankunfft und Herkommen der Römischen Bischöff“ vollständig nachgedruckt, seine einschlägigere Darstellung „Quod Petrus Romae fuerit“ aber nur zur Hälfte erscheint, bleibt das Geheimnis des Herausgebers. Zwei Texte des Onofrio Panvinio, welche die römische, mit Fabri übereinstimmende Stoßrichtung verdeutlichen sollen, schließen sich an. Bei der ältesten, vor 1555 entstandenen Redaktion von dessen „De primatu Petri“ (S. 214–235) wüsste man gern, ob und inwiefern sie über die postume Druckfassung von 1589 hinausgeht. Wenn nicht, hätte sie wohl keiner Veröffentlichung bedurft. Es folgt (S. 236–298) das erste Buch aus Panvinios „De rebus antiquis memorabilibus, et praestantia basilicae sancti Petri…“, hier irreführend „The Archeology of Petrine Primacy: St. Peter’s Basilica in the Eyes of Onofrio Panvinio“ überschrieben. Um die Kirche geht es in diesen Kapiteln gerade nicht, sondern um die Vita des Apostelfürsten. Eben deshalb hat Angelo Mai diesen ersten Teil in seiner Ausgabe der umfangreichen Schrift (1844), die sich erst ab Buch II mit der Basilika selbst auseinandersetzt, übergangen. Der Nutzen der hier kompilierten Textsammlung wäre erheblich größer, wenn die entsprechenden Ausführungen in wirklichen Editionen mit genauen Nachweisen der zitierten Quellen und inhaltlichen Kommentaren vorgelegt würden. Das scheint jedoch lediglich bei Sirletos Kirchentraktaten angestrebt zu sein, ansonsten geht es um reine Reproduktionen der Vorlagen, die im Übrigen auch als Digitalisate zugänglich sind. Selbst bei Sirletos Abhandlungen befriedigt das Ergebnis indes kaum: Zitat und Eigentext werden im Druckbild nicht immer klar geschieden, Quellen mal nach neueren Ausgaben, mal als Handschriften nachgewiesen und keineswegs vollständig dokumentiert. Alle Wiedergaben, seien es die nach Manuskripten, seien es die der gedruckten Werke, egal auch, in welcher Sprache sie verfasst sind, Lateinisch, Griechisch, Italienisch oder Deutsch, strotzen überdies von Transkriptionsfehlern, die mithin ein Dutzend und mehr pro Seite erreichen, so dass der Leser, wenn ihm an wörtlichen Zitaten gelegen ist, in jedem Falle auf die Vorlagen selbst zurückgreifen sollte. Dabei bedient sich Sirleto nicht nur eines vergleichsweise schlichten Lateins, sondern auch einer gut lesbaren Handschrift. Viel eher rücken die Missverständnisse der Edition die Lateinkenntnisse des Herausgebers in ein zweifelhaftes Licht. Mit der griechischen Sprache steht er schließlich so sehr auf Kriegsfuß, dass er bisweilen einzelne Zeilen oder gar ganze Seiten stillschweigend wegfallen lässt (S. 306, 308). Offenkundig war Malesevic von seiner Aufgabe überfordert. Warum hat er sich keine Hilfe geholt? Eine Sirleto-Ausgabe von diesem Niveau braucht die Forschung jedenfalls nicht. Vor diesem Hintergrund mutet der Preis als absolut überzogen an.+TABRE+Ingo Herklotz

Saverio Di Bella (a cura di), Oro e sangue nelle battaglie. Lepanto 7 ottobre 1571 (con documenti inediti), Cosenza (Luigi Pellegrini Editore) 2023 (Incontri mediterranei. Numero monografico 20,2, fasc. 31), 276 pp., ill., ISBN 979-12-205-0237-5, € 25.

Negli ultimi decenni, la storiografia ha manifestato un rinnovato interesse per lo studio dei complessi rapporti tra mondo cristiano e ottomano, in particolare durante la prima Età moderna, sottoponendo a un fertile riesame il fenomeno della crociata. Stimolata tanto dal dibattito culturale, alimentato da saggi come „The Clash of Civilizations“ di Samuel Huntington, quanto dall’applicazione di nuove metodologie e prospettive, l’indagine specialistica sullo scontro tra il mondo euro-cristiano e quello turco-islamico ha dimostrato il valore proteiforme e dinamico del bellum sanctum contra infideles. Ciò viene sempre più confermato proprio dalle numerose e recenti ricerche con cui gli studiosi di settore hanno esaminato le molteplici espressioni della guerra anti-ottomana spingendosi ben oltre la data simbolica del 1291. Difatti, il noto dibattito storiografico tra le contrapposte scuole denominate tradizionalista e pluralista, oltre ad aver rilevato quanto la minaccia turca abbia rilanciato il fenomeno della crociata, tra XV e XVI secolo, ha al contempo evidenziato la centralità del bellum sanctum nelle complesse dinamiche europee di Età moderna. In questo contesto, la battaglia di Lepanto costituisce un vero e proprio turning point, non tanto per il suo esito materiale che, come gli storici hanno ampiamente dimostrato, è stato piuttosto limitato, quanto per il suo impatto sul piano ideale. La vittoria conseguita dalla lega santa di Pio V il 7 ottobre del 1571 ha infatti avuto un grande effetto sulla frammentata compagine euro-cristiana a livello ideologico, culturale e religioso, diventando un momento chiave nel processo di costruzione dell’identità euro-occidentale, anche perché la propaganda politica e religiosa cattolica, ma non soltanto, si impegnò fin da subito ad elaborare il mito della battaglia svoltasi presso le isole Curzolari. La monografia intitolata „Oro e sangue nelle battaglie. Lepanto 7 ottobre 1571 (con documenti inediti)“, curata da Saverio Di Bella, si colloca nella suddetta linea storiografica. L’autore ha realizzato questo volume in occasione delle celebrazioni organizzate a Tropea per il 450 ° anniversario della battaglia di Lepanto e alla quale parteciparono anche tre galee con soldati tropeani guidati dal colonnello Gaspare Toraldo. Oltre a commemorare i caduti della città calabrese, l’opera di Saverio Di Bella permette di ripercorrere e cristallizzare alcuni passaggi e aspetti di un evento che, da sempre, cattura l’interesse degli storici. Il testo si snoda per 275 pp. organizzate in due sezioni distinte. Nei cinque capitoli in cui si articola la prima sezione, l’autore ricostruisce in modo dettagliato lo scontro navale, compiendo una vera e propria radiografia di protagonisti, forze, risorse, schieramenti e svolgimento della battaglia. Gli elementi centrali della trattazione, già ravvisabili nel titolo del volume, sono i costi economici e quelli umani patiti dall’armata cristiana in occasione dello scontro con la flotta ottomana. Su questi aspetti l’autore si sofferma a più riprese avvalendosi di una documentazione consistente, e in parte inedita, al cui interno spicca la relazione della battaglia inviata da Don Giovanni d’Austria al fratellastro Filippo II. L’opera, dunque, delinea un quadro minuzioso della dimensione evenemenziale e materiale della battaglia di Lepanto, di cui si tratta in particolare nei primi due capitoli. Nel terzo capitolo invece, oltre a descrivere nel dettaglio la composizione e i movimenti della flotta cristiana nonché l’attività dei comandanti all’interno dello schieramento alleato, l’autore presenta alcuni documenti che forniscono una rendicontazione puntuale delle forze militari, dei materiali e dei rispettivi costi. Al riguardo è molto interessante la relacion inviata da Francisco Ibarra al re cattolico proprio per riferire al sovrano il numero e la distribuzione dei soldati imbarcatisi a Messina. Trattazione analoga si ritrova nel quarto capitolo, dove però Di Bella si focalizza sul contributo militare dato da Venezia all’armata della lega. A questa dimensione appunto concreta, tecnica e quantitativa fa da controparte un’analisi più focalizzata sul piano ideologico e religioso che emerge nel quinto capitolo, dove l’autore esplicita lo spirito, la logica identitaria con cui i cristiani concepirono lo scontro con gli ottomani a Lepanto. Nella seconda parte del volume, la più lunga, sono riportate le fonti utilizzate dall’autore, conservate presso l’Archivio di Stato di Mantova. Tra questa corposa documentazione, di cui sono visibili le fotoriproduzioni e le trascrizioni corrispondenti, trovano posto i capitoli della lega santa del 1571 insieme ad alcune relazioni sui fatti del 7 ottobre 1571. Oltre ai più noti punti di vista di protagonisti della battaglia come Alvise Soranzo e Marcantonio Colonna, di particolare interesse risultano le relazioni inviate da Don Giovanni d’Austria e dal cavaliere Antinori.+TABRE+Giulio Merlani

Eckhard Leuschner/Gerhard Wolf (Eds.), The Medici Oriental Press. Knowledge and Cultural Transfer around 1600, Firenze (Olschki) 2022 (Biblioteca di Bibliografia. Documents and Studies in Book and Library History 216), XXXI, 499 pp., ill., ISBN 978-88-222-6792-4, € 55.

This edited volume focuses on the Typographia Medicea as a case study to understand transcultural knowledge translation and transfer in the early modern period. Established in Rome in 1584 at the behest of Pope Gregory XIII and Cardinal Ferdinando de Medici (later Grand Duke in 1587), this publishing house was directed by Giovanni Battista Raimondi (1536–1614). It represented the most ambitious effort of its time to create an institute dedicated to printing with „foreign letterpress types“, initially focusing on Arabic, Syriac, and other Oriental languages. The contributors of the volume offer a masterful narrative of the key figures and pivotal events that shaped the establishment and operation of the Medici Press. The book is divided into two interconnected parts: essays and annotated documents. The first section opens with insightful introductory notes by Leuschner and Wolf, setting the stage for a collection of interdisciplinary essays by scholars. The first essay, by Angelo Michele Piemontese, delves into the life of the polymath Giovanni Battista Raimondi, director of the Medici Press. Piemontese specifically examines Raimondi’s education and intellectual networks in Naples and Rome. The second essay, by Hazim Alabdullah, explores the life of Ignatios Ni‘matullah, the Syrian Orthodox Patriarch of Antioch, who played a pivotal role in launching the Typographia Medicea in 1584. Using evidence from newly discovered documents written by Ni‘matullah himself, Alabdullah traces his journey from Diyarbakir to Rome, highlighting the collection of valuable manuscripts he brought with him. Mario Casari, in the third essay, focuses on Raimondi’s intellectual pursuits, emphasizing his philosophical interests and linguistic endeavors. Caren Reimann’s essay examines the Arabic and bilingual gospels printed in large quantities by the Medici Press, looking at the editing and printing costs of these publications. Similarly, Margherita Farina focuses on the „Grammatica Syriaca“, authored by a Lebanese scholar Giorgio ‘Amira. Farina explores ‘Amira’s linguistic comparison methods and practical aspects of the grammar book’s production. Evelyn Lincoln’s essay highlights Leonardo Parasole, a woodblock artist who collaborated with the Medici Press to create illustrations for the Arabic Gospels. Annette Hoffman shifts the focus to Bernardino Amico, whose treatise „Trattato delle piante et immagini de sacri edifizi di Terra Santa“ was published in 1609 by Raimondi. Hoffman explores Raimondi’s decision to publish this Italian treatise, despite its apparent divergence from his usual focus on Latin liturgical books. Finally, Leuschner’s analysis underscores the connection between Raimondi’s liturgical publications and the unifying goals of post-Tridentine Rome. The second part of the volume provides transcriptions of 21 archival documents with commentaries. One of the book’s major strengths lies in its transcription and interpretation of previously unpublished archival materials. These include a variety of fascinating documents: lists of religious and scientific books in Arabic and Persian requested for the Typographia Medicea by Patriarch Ignatius Ni‘matullah and Raimondi; letters concerning the shipment of books to Morocco and correspondence documenting Raimondi’s interactions with the Maronite community in Rome. Additional highlights include letters from Giovanni Battista Vecchietti and Diego di Urrea, a professor of Arabic at the University of Alcalá, to Raimondi about shipping Arabic books to Spain; documents regarding the sale of the Typographia Medicea; Raimondi’s Roman „Diario“ spanning the years 1590 to 1610; a memorandum outlining the Holy See’s diplomatic relations with Persia and Raimondi’s efforts to obtain manuscripts from that region; an inventory of manuscripts and printing materials in the Typographia Medicea; Raimondi’s last will; and, notably, a posthumous inventory of Raimondi’s house and the Medici Press. This comprehensive collection serves as a treasure trove of new data for the study of the Typographia Medicea. Overall, the editors have curated an impressive volume that offers a rich and detailed exploration of this ambitious global publishing endeavor. While the volume provides significant insights, another intriguing avenue of inquiry could be the transfer of Turkish manuscripts and the key figures who facilitated the Press’s publication of Turkish books. This could be explored within the context of Medici-Ottoman relations, particularly considering the diplomatic overtures made by the Medici in 1592 and 1598 to reestablish ties with the Ottoman court. The potential impact of these efforts on the Medici Press could serve as a fascinating topic for a future volume.+TABRE+Özden Mercan

Léa Bénichou, L’Ambassade de la monarchie espagnole à Rome sous Philippe III (1598–1621), préface de Raphaël Carrasco, Paris (Garnier) 2023 (Constitution de la modernité 45), 420 pp., ISBN 978-2-406-15758-8, € 87.

Ponendosi nella scia di importanti studi degli ultimi anni, soprattutto italiani, spagnoli e tedeschi, sulla diplomazia iberica e la sua attività romana, il volume si propone di tornare in modo approfondito sul rapporto tra la Santa Sede e la monarchia spagnola nel periodo di Filippo III (1598–1621). Ovverosia in un momento che vede modificarsi in maniera significativa il modello di governo che da fortemente personalistico, così come si era mostrato con Filippo II, si trasforma in quello più mediato dall’influenza dei validos. E nel suo intendimento di implementare la conoscenza delle direzioni prese dalle relazioni ispano-pontificie, in questo delicato passaggio della politica europea e del ruolo assunto da realtà politiche entrambe coinvolte nella gestione di una difficile e fragile stabilità internazionale, il volume si avvale di un sistematico e notevole scavo delle fonti compiuto dall’autrice principalmente nell’Archivo général di Simancas, nell’Archivo Histórico Nacional, e ovviamente a Roma nella mole documentaria contenuta nei fondi dell’Archivio Apostolico Vaticano e della Biblioteca Apostolica Vaticana. Il lavoro è caratterizzato da una prima parte che affronta molti dei problemi, in un certo senso classici, della rappresentanza diplomatica in un contesto funzionale ormai consolidato e accettato in una sede particolarmente sensibile come quella romana, che aveva assunto in quegli anni una fisionomia cruciale di vero e proprio crocevia della politica internazionale. Si affrontano le caratteristiche dell’accreditamento, dei codici comportamentali e in genere delle consuetudini cerimoniali, comprese le conflittualità di precedenza e di rigorosa applicazione dell’etichetta. Vengono in successione definiti i contorni di una complessa macchina diplomatica di rilevantissimo prestigio e spessore che venne di fatto ricoperta da titolari tutti appartenenti ai Grandes di Spagna. Infatti sia Antonio Fernández de Córdoba duca di Sessa che gli stessi Gastón de Moncada y Gralla marchese d’Aytona, Juan Fernández Pacheco viceré di Sicilia duca d’Escalona e marchese di Villena, Francisco Fernández de la Cueva y de la Cueva duca di Alburquerque, Francisco Domingo Ruiz duca di Taurisano e conte di Castro, Gaspar de Borja y Velasco cardinale e viceré di Napoli, saranno tutti ambasciatori facenti parte di un’evidente selezione „naturale“ determinata, oltre che dall’ovvia e provata fedeltà al valido, dall’indispensabile possibilità dei prescelti di essere in grado di sostenere le gravosissime spese che insistevano sull’esercizio delle proprie funzioni politico-diplomatiche presso i pontefici e nel mantenimento di un adeguato decoro e rispetto della Corona spagnola nel „teatro del mondo“ romano. Sulle finanze dell’ambasciata in particolare si può apprezzare un dettagliato quadro sinottico delle diverse tipologie di spese affrontate (pp. 66–83) così come una riflessione sui luoghi di residenza come spazi rivelatori dei legami che intercorrevano tra gli ambasciatori spagnoli e alcune famiglie romane e nello stesso tempo valutare in concreto l’enormità delle spese di rango che spesso costringevano i titolari ad importanti esborsi personali di cui, del resto, non finiranno mai di lamentarsi. L’autrice offre poi ampi squarci sulle finalità e il funzionamento concreto di supporto al lavoro ambasciatoriale in un quadro a tutto tondo: a partire dalla burocrazia che ha il suo centro nella figura del segretario vero ombelico coordinatore dell’informazione, della comunicazione e della conservazione della documentazione soffermandosi sulla crescente sensibilità a riguardo a partire dall’iniziativa di Filippo II che nominò nel 1562 archivista dell’ambasciata romana l’umanista e poeta Francisco de Vargas. Puntualizzando altresì le variegate presenze che circondavano l’ambasciata spagnola costituita da agenti, informatori, clientes simpatizzanti della Corona, cardinali protettori, giuristi che potevano essere preziosi collaboratori come egualmente costituire una fonte di preoccupazione. La seconda parte si dedica in primo luogo ad una sorta di prosopografia politica dei singoli ambasciatori intrecciandola con le sorti della rilevanza o meno della fazione spagnola in un momento di incremento dei tentativi francesi di occupare spazi più significativi all’interno del mondo curiale soprattutto dopo la riammissione di Enrico IV nella chiesa cattolica che, com’è noto, era stata duramente osteggiata dalla Spagna. Particolarmente impegnativi nel tempo erano poi risultati i dissapori con Clemente VIII, i conclavi del 1605, l’Interdetto di Venezia scagliato da Paolo V che avevano visto un’acuta contrapposizione diplomatica franco-spagnola nell’intenzione di attribuirsi il primato della mediazione risolutiva tra la Repubblica veneta e il papa; e ancora le incertezze e le ombre emerse tra la corte di Madrid e i cardinali spagnoli Zapata e Borja nel rapido conclave che aveva portato all’elezione di Gregorio XV nel febbraio del 1621. Alcune tematiche inerenti al significato dell’interazione con le grandi mediazioni pontificali dell’epoca trasferiscono poi la narrazione storica sui grandi conflitti latenti europei e gli sforzi costanti per mantenere una pace effimera che verrà compromessa dalla sempre fragile pax italica e dalla rivolta boema del 1618. Il libro viene infine impreziosito da un’utile appendice (contenente le liste degli ambasciatori ordinari spagnoli a Roma, dei nunzi apostolici a Madrid, le promozioni cardinalizie tra il 1596 e il 1621), da una ricca bibliografia e un accurato indice dei nomi.+TABRE+Stefano Andretta

Giuseppe Mrozek Eliszezynski, Nobili inquieti. La lotta politica nel regno di Napoli al tempo dei ministri favoriti (1598–1665), Roma (Viella) 2023 (I libri di Viella 455), 356 pp., ISBN 979-12-5469-354-4, € 32.

Studioso accurato della realtà politica napoletana in età moderna Mrozek Eliszezynski offre qui, sulla scorta delle sue decennali ricerche passate, una sintesi critica apprezzabile per la sua novità intorno alla fisionomia sociale e alle iniziative di potere dell’aristocrazia in una Napoli dallo scenario politico particolarmente complesso, nel lasso di tempo intercorso tra la morte di Filippo II e quella di Filippo IV (1598–1665). La cifra metodologica del volume è quella di partire dalla premessa che, nel periodo considerato, la prospettiva d’indagine necessita di un orizzonte più vasto di quello partenopeo. Infatti, gli anni presi in considerazione sono quelli seguiti alla più o meno realizzata stabilizzazione del regno di Napoli e all’avvenuto successo ispanico che darà sostanza ad una pluridecennale e tenace egemonia. Anni densi di dinamiche politiche e di rapporti tra la nobiltà napoletana, gli esponenti spagnoli a corte e nel vicereame che furono profondamente condizionati e orientati dalle fibrillazioni del nuovo modello emergente del valimiento che ebbe i suoi maggiori interpreti nei Sandoval y Rojas (Francisco e Cristóbal Gómez rispettivamente duca di Lerma e duca di Uceda) e in Gaspar de Guzman conte duca Olivares. E quindi dalle derivazioni delle intestine lotte di corte legate alle sorti e ai destini politici dei validos, e – bisognerebbe aggiungere dato il ruolo da protagonista e la fisionomia poderosa della Spagna – dall’andamento della guerra trentennale che sconvolse mezza Europa, fino alle continue crisi e ribellioni sociali ed economiche e al tormentato processo di pace successivo all’accordo westfalico. Dopo un’introduzione volta ad illustrare la situazione del Regno cinquecentesco (pp. 15–58) l’attenzione si sposta sulla svolta determinata dall’insorgenza dei favoriti di corte a Madrid, dall’affermarsi di un sistema di governo che, abbandonato un centralismo gestito principalmente dal sovrano, si andava fondando anche su un potere a lui adiacente che metteva in gioco una massiccia e inusitata influenza politica nobiliare incarnata dal valido. Questo modello vede una sorta di irradiazione periferica nel napoletano discendente, come si sostiene, da un „sistema a fazione unica“ (p. 64) che finiva inevitabilmente per provocare tensioni all’interno della società elitaria partenopea, generando ostilità politiche che, a loro volta, si riflettevano nello specchio sia della conflittualità madrilena che nelle modalità dell’opposizione nobiliare nei confronti del viceré (emblematici sono i casi, nella loro diversità, di Pedro Fernández de Castro VII duca di Lemos e nipote di Lerma e di Pedro Téllez Girón III duca di Osuna, pp. 75–101). In una seconda sezione viene sottolineata, in un interessante capitolo, la purificación che comportò un notevole avvicendamento dei validos a corte operata dal nuovo monarca Filippo IV e dai nuovi emergenti potentiores Baltasar de Zuñiga sino al 1622 e soprattutto da Gaspar de Guzmán il conte duca di Olivares, vero e durevole ispiratore della politica spagnola e autore di una profonda modifica nel rapporto con Napoli e la sua nobiltà. Questa complessità fu evidente prima con l’ispido e poco malleabile duca d’Alba futuro protagonista della Huelga de los Grandes contro Olivares e poi nell’invio di Manuel de Acevedo y Zuñiga conte di Monterrey, fedelissimo e ben più consenziente alle strategie imposte dalla volontà castigliana e centralista del potente favorito, che rese molto più conflittuale la situazione per l’inasprimento del prelievo fiscale e per l’assoggettamento alle necessità della politica di guerra su larga scala che pesava in maniera sempre più intollerabile sulle risorse umane e economiche del Regno (pp. 126–136). Da quella fase in poi si riacutizzarono tensioni e gravi inquietudini all’interno degli ambienti dei togati e popolari, nella plebe di una città dalla densità demografica altissima tormentata dalle crescenti contraddizioni di fronte alle catastrofi naturali, alle epidemie, e soprattutto si manifestarono le insofferenze crescenti e ripetute dell’aristocrazia napoletana vieppiù aggravate dall’evidenza della crisi politico-militare ormai generalizzata del gigante ispanico. Tutto un capitolo viene poi dedicato al ruolo dell’aristocrazia autoctona nel corso della celebre rivolta del 1647–1648 (pp. 170–225) nel quale risulta ben dimostrata l’esistenza di profonde divisioni e ambiguità all’interno del caos determinato dalla massiccia violenza che investì la città e le sue istituzioni. Qui è ben indicata la commistione di interessi clanici e familiari di un potere nobiliare che sostanzia la propria opposizione o adesione, e conseguente collocazione politica, sulla base di una definizione degli obiettivi e delle strategie desunte da interlocutori rappresentati dai ceti elitari locali, dai viceré e, come viene ampiamente suggerito in tutto il volume, dalle connessioni con l’universo cortigiano madrileno. Un quadro di riferimento politico che non si modificò di molto anche dopo l’epoca della grande rivolta di metà secolo sino alla scomparsa di Filippo IV in una società strutturalmente indebolita dalla tragica sospensione determinata dalla grande peste del 1656–1658 „spartiacque, forse ancor più della rivolta del 1647–48“, e comunque sfibrata nel tramonto di un’egemonia politica secolare. In conclusione, questo lavoro ci induce con tutte le sue stimolanti suggestioni a riconsiderare, al di là delle interpretazioni di storiografie consolidate e spesso contaminate da letture ideologiche, la natura mobile delle componenti sociali napoletane in una narrazione storica che invita ad una visione estremamente dinamica delle classi nobiliari e finisce per dare nuova linfa storica alle inquietudini presenti nella realtà politica della seconda grande capitale dell’Europa seicentesca. E potrebbe forse incoraggiare in futuro un’ulteriore rilettura delle fonti per ricercare in esse l’esistenza di una percezione in grado di confermare o meno il livello di coscienza contemporanea circa non solo gli interessi concreti ma anche i possibili confini della gestione politica interni ed esterni della complicata realtà del barocco napoletano e la configurazione delle variabili su cui ragionare così come vengono enunciati e chiaramente posti in questa ricerca. Il volume presenta infine una solida consapevolezza della letteratura storica sull’argomento, verificabile in una ricca e aggiornata bibliografia, e un frequente e solido ricorso a fonti italiane e spagnole presenti in diverse istituzioni archivistiche e bibliotecarie.+TABRE+Stefano Andretta

Giulio Merlani, Papato e politica internazionale nel Seicento. Il nunzio Francesco Buonvisi alla corte di Leopoldo I d’Asburgo imperatore e re d’Ungheria, Budapest-Roma (Istituto Storico „Fraknói“) 2023 (Collectanea Vaticana Hungariae. Classis I 22), 279 S., ISBN 978-863-416-371-8.

Der monografische Beitrag basiert auf den Ergebnissen einer im Jahr 2020 abgeschlossenen Doktorarbeit, die sich der päpstlichen Diplomatiegeschichte bzw. den päpstlichen Vertretungen, den sogenannten Apostolischen Nuntiaturen, widmet. Damit erfährt die Geschichte des Papsttums und der internationalen Politik im 17. Jahrhundert mit Merlanis Arbeit eine erneute besondere Aufmerksamkeit. Der Autor hat sich dabei zum Ziel gesetzt, exemplarisch die Nuntiatur des Lucchesers Francesco Buonvisi am Kaiserhof (1675–1689) zu analysieren. Er richtet insbesondere sein Augenmerk auf den modus operandi des päpstlichen Vertreters wie auch auf die Entwicklung dieses modus operandi des Heiligen Stuhls auf internationaler Ebene. In der vorliegenden Studie wurde der Versuch unternommen, die Art und Weise aufzuzeigen und hervorzuheben, wie „la visione e la capacità d’azione“ (der Weitblick und die Handlungsfähigkeit, S. 10) des Nuntius von Lucca unter bestimmten Umständen eine wertvolle Ressource im Dienste der päpstlichen Diplomatie darstellte. Die Studie spannt dabei einen zeitlichen Bogen von der Zeit nach dem Westfälischen Frieden bis zum Jahr 1678. Die in seiner Einleitung vorgestellten Prämissen führt Merlani sodann in den daran anschließenden vier Kapiteln aus: Im zweiten Abschnitt „Da Lucca a Roma“ (S. 15–68) widmet sich der Verfasser der Rekonstruktion der Biografie und dem cursus curialis des Buonvisi bis zu seiner Ankunft in Wien am 21. September 1675. Im dritten Kapitel „Il Sacro Romano Impero di Leopoldo I d’Asburgo“ (S. 69–109) liefert Merlani einen kurzen Überblick der päpstlichen Diplomatiegeschichte im Heiligen Römischen Reich unter Kaiser Leopold I. nach dem Westfälischen Frieden im Kontext der aggressiven Außenpolitik König Ludwigs XIV. und des Sultans Mehemed IV. Das vierte Kapitel „Francesco Buonvisi nunzio apostolico alla corte imperiale“ (S. 111–168) behandelt Person und Wirken des Nuntius Buonvisi auf politisch-diplomatischer Ebene bis zum Tode von Papst Clemens X. Altieri im Juli 1676. Den eigentlichen Hauptteil der Monografie bildet das fünfte Kapitel „La politica di Innocenzo XI e i suoi rappresentanti alle corti d’Europa“ (S. 169–254). Hier analysiert Merlani die ersten zwei Jahre des Pontifikats von Innozenz XI. Odescalchi und richtet sich – unter Berücksichtigung anderer Nuntiaturen wie jener von Spanien, Frankreich, Venedig und Polen in einer „prospettiva multifocale“ (S. 257) – auf die diplomatisch-politische Strategie des Papstes. Im Ausklang des monografischen Werkes (S. 255–258) fasst der Autor die wichtigsten Ergebnisse zusammen, die im Grunde genommen seinen in der Einleitung aufgestellten Forschungsansatz bestätigen. Abgerundet wird der monografische Beitrag durch ein Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 259–271) und ein Personenregister (S. 273–275). Im Großen und Ganzen verfasst Merlani ein solides Werk zur Frage nach der Bedeutung des aus Lucca stammenden Nuntius Buonvisi für die internationale Politik des Heiligen Stuhls auf europäischer Bühne und liefert damit eine Bestandsaufnahme und einen wichtigen Beitrag zur längst noch nicht abgeschlossenen Erforschung der Nuntiaturen und der römischen Kurie bzw. der päpstlichen Außenpolitik. Die Untersuchung basiert neben gedruckten Quellen auf ungedrucktem Material aus einer ganzen Reihe von italienischen und römischen bzw. vatikanischen Archiven und Bibliotheken. Ein perspektivischer Neuansatz der Diplomatiegeschichte liegt mit dieser Monografie nicht vor, sondern sie reiht sich allenfalls in eine traditionelle, aber solide Forschungslinie ein. Im Rahmen dieser Untersuchung wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, in einen stärkeren Dialog zwischen einer methodisch-theoretischen Einbettung (z. B. Mediation, Konfliktlösung, Multinormativität, diplomatic turn, Verhandlungs- und Entscheidungspraktiken etc.) und der Ereignis- und Politikgeschichte bzw. kurialen Diplomatiegeschichte und römischen Mikropolitik zu treten. Nichtsdestotrotz bestätigt der Verfasser, dass Francesco Buonvisi sich „bei der Lösung vieler wichtiger Fragen für den Heiligen Stuhl als entscheidend erwies“ wie auch seine ungewöhnliche Fähigkeit als Mediator (S. 255) in den verschiedenen komplexen oder ungünstigen Situationen für die internationale Politik des Heiligen Stuhls unverzichtbar war und damit mit Intuition und Verhandlungsgeschick wie auch einem ausgeprägten Pragmatismus das europäische Schachbrett der Diplomatie dominierte.+TABRE+Claudia Curcuruto

Monika Barget/David de Boer/Malte Griesse (Eds.), Rebellion and Diplomacy in Early Modern Europe, London-New York (Routledge-Taylor and Francis Group) 2023 (Politics and Culture in Europe, 1650–1750), 222 pp., ill., ISBN 978-1-032-17057-2 (eBook ISBN 978-1-003-25161-3), GBP 108 (eBook GBP 31,99).

La crisi generale che sconvolse l’Europa del XVII secolo rappresentò un momento cruciale nel percorso di professionalizzazione dell’istituto diplomatico in Età Moderna. Partendo da questa considerazione, ormai largamente condivisa, i curatori del volume, Barget, de Boer e Griesse, evidenziano come, accanto alle tante guerre e paci, da tempo al centro dell’attenzione storiografica, anche i numerosi tumulti e insurrezioni locali del Seicento contribuirono alla creazione di un terreno fertile allo sviluppo di teorie e pratiche negoziali. Preoccupati per la propria stabilità interna, infatti, monarchi e governanti si interessarono, come mai prima, ai violenti sconvolgimenti che dilaniavano i paesi vicini. In tale contesto, gli ambasciatori rivestirono un ruolo centrale, non solo nel catturare informazioni e nel perfezionare le proprie reti comunicative, ma anche nell’analizzare le ribellioni e trarre insegnamenti da esse, nel capire il corso degli eventi, nel muoversi tra le varie fazioni politiche in lotta tra di loro all’interno delle corti di residenza e, talvolta, persino nel controllare o istigare violenza. Non più solo „careful observers“, gli agenti diplomatici diventarono ancor più attori politici di primo piano, in grado di usare „their position as news brokers to intervene in the domestic politics of their countries of residence“ (pp. 2 sg.). Con l’obiettivo di offrire nuove prospettive sulla relazione tra diplomazia e ribellione, il volume analizza quindi diversi casi di ambasciatori in contesti eccezionali di crisi politiche, all’interno di un arco temporale che va dagli anni Venti del Seicento ai primi decenni del Settecento. Dopo un’introduzione scritta insieme dai tre curatori, il libro presenta complessivamente nove saggi, tutti in lingua inglese e strutturati internamente in capitoli, più una breve postfazione a firma della sola Barget e l’indice dei nomi e dei luoghi. L’intera materia è idealmente suddivisa in tre sezioni. La prima ricostruisce le strategie messe in atto dagli agenti diplomatici per ottenere le notizie sui movimenti insurrezionali all’estero, nonché sui loro legami con i contesti di residenza. Ad essa appartengono i contributi di Francesco Benigno (pp. 9–27) che esamina la rete informativa del duca di Arcos Rodrigo Ponce de Leon, viceré spagnolo di Napoli, durante la rivolta di Masaniello, di Stéphane Haffemayer (pp. 28–43) che analizza le comunicazioni di Samuel Hartlib durante e dopo la guerra civile inglese, e di Jason Peacey (pp. 44–65) che studia le vie attraverso le quali i diplomatici monitorarono le attività degli esuli inglesi dinanzi alla ribellione Monmouth del 1685. La seconda parte del volume illustra invece gli avvisi che gli ambasciatori inviarono ai propri paesi di origine con consigli e raccomandazioni per adottare contromisure e politiche preventive al fine di scongiurare i rischi di ribellioni interne. In essa rientrano i saggi di Malte Griesse (pp. 66–97) sugli scritti dello svedese Schering Rosenhane riguardanti la Fronda, di Enrique Corredera Nilsson (pp. 98–116) sulla corrispondenza degli agenti spagnoli a Copenaghen e Amburgo, e di Monika Barget (pp. 117–136) sulle percezioni che la casata Hannover ebbe dinanzi alla Gloriosa Rivoluzione inglese. Infine, l’ultima sezione è dedicata alla capacità dei diplomatici di manovrare e sfruttare i disordini politici, con i contributi di Miriam Rönnqvist e Nils Erik Villstrand (pp. 137–166) riguardante le manovre connesse allo scambio di ambasciatori tra Svezia e Danimarca ad inizio Seicento, di Lucien Bély (pp. 167–185) circa il supporto degli agenti francesi al movimento separatista ungherese durante la guerra di successione spagnola, e di Daniel Szechi (pp. 186–198) che si concentra sui rapporti tra l’ambasciatore francese a Londra, il marchese d’Iberville, e i ribelli giacobiti nel 1715. Utilizzando uno sguardo transnazionale, il volume mostra come il coinvolgimento dei diplomatici nei conflitti interni ai paesi in cui si trovavano ad operare fosse tutt’altro che uniforme e lontano dall’essere formalizzato: la circolazione delle informazioni nei contesti di crisi politica dipendeva fortemente dalle reti comunicative e dalle scelte dei singoli ambasciatori. Confrontando tempi e spazi differenti, il libro esplora quindi il rapporto tra diplomazia e ribellione nelle sue multiformi modalità e nei suoi molteplici percorsi, in un’età di transizioni nell’orizzonte politico europeo. Una relazione che costituisce un tassello fondamentale del lento e continuo processo di stratificazione progressiva di saperi e conoscenze, che portò, nei secoli della modernità, alla formazione del mestiere dell’ambasciatore. Lungi dal voler perseguire l’esaustività, i curatori finiscono pure per proporre nuovi fertili campi d’indagine circa la relazione ribellione-diplomazia: si pensi al ruolo delle donne, o ai rapporti degli agenti con gruppi di pressione ed entità parastatali, o alle dinamiche in atto fuori dall’Europa (pp. 200 sg.). Fonte imprescindibile nel rapporto tra ambasciatori e rivolte in Età Moderna, il volume partecipa in definitiva al rinnovamento degli studi sulla storia della diplomazia.+TABRE+Carlo Campitelli

Andreas Flurschütz da Cruz, Der Krieg der Anderen. Venedig, die deutschen Reichsfürsten und die Anfänge internationaler Subsidienprojekte in der Frühen Neuzeit, Paderborn (Brill/Schöningh) 2024 (Krieg in der Geschichte 121), XII, 679 S., 35 Abb., ISBN 978-3-506-79093-4, € 127,79.

Andreas Flurschütz da Cruz widmet sich in seiner umfangreichen Monografie der „Wiederentdeckung eines frühneuzeitlichen Phänomens“ (S. 1): der gezielten Anmietung fremder Truppen auf vertraglicher Basis – dem Subsidienwesen als fürstlichem Herrschaftsinstrument. Laut zentraler These des Buches waren es „die Kriege der Anderen, die die eigene Staatsbildung maßgeblich ermöglichten und beförderten“ (S. 40). Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs – eine Phase, in der über 500 Subsidienverträge geschlossen wurden – 85 Prozent davon zwischen deutschen Reichsfürsten und auswärtigen Mächten. Nach einer Einleitung (S. 1–44), in der Flurschütz da Cruz seine methodischen Zugänge skizziert, folgen sechs Kapitel. Kapitel 1 (S. 47–99) stellt die wichtigsten europäischen Akteure jener Zeit vor – Frankreich, die Eidgenossenschaft, das Habsburgerreich, England/Großbritannien, die Generalstaaten der Niederlande sowie die skandinavischen Königreiche Dänemark und Schweden – und beleuchtet deren Rolle auf dem internationalen Gewaltmarkt. Kapitel 2 (S. 101–144) richtet den Blick auf das Heilige Römische Reich. Zentrale Voraussetzung für die spätere vertragliche Praxis war das im Westfälischen Frieden 1648 festgeschriebene, in seinen Ursprüngen ins Mittelalter zurückreichende Bündnisrecht (ius foederis), das den Reichsständen außenpolitische und völkerrechtliche Handlungsfähigkeit zusprach – solange ihre Verträge dem Reich oder dem Kaiser nicht schadeten. Zugleich setzte eine Differenzierung zwischen armierten und nichtarmierten Reichsständen ein, was langfristig die fürstliche Hierarchie innerhalb des Reichs aufbrach und veränderte. Die Republik Venedig steht im Mittelpunkt des dritten Kapitels (S. 145–167). Aufgrund fehlender eigener stehender Truppen und der langwierigen Konflikte mit den Osmanen – insbesondere während des Candiakriegs (1645–1669) – avancierte die Serenissima im 17. Jahrhundert zum wichtigsten Abnehmer deutscher Söldnerkontingente. Den analytischen Kern bildet das über 300 Seiten umfassende Kapitel 4 (S. 169–490), das in detaillierten Mikrostudien die Praxis ausgewählter Subsidienverträge untersucht. Flurschütz da Cruz zeigt überzeugend, dass die venezianische Nachfrage nach deutschen Truppen bereits vor 1645/1648 einsetzte und durch die föderale Struktur und die geopolitische Lage des Reichs begünstigt wurde. Mit den Friedensschlüssen von Karlowitz (1699) und Passarowitz (1718) endete diese Phase: Die Republik zog sich vom europäischen Gewaltmarkt zurück, wodurch sich das Engagement deutscher Fürsten verstärkt nach Westeuropa und schließlich in transatlantische Konflikte verlagerte. Die Darstellung unterstreicht die Schlüsselrolle niederadliger Militärunternehmer wie Peter Melander, Ferdinand Geizkofler, Christoph Martin von Degenfeld, Claus Dietrich von Sperreuth, Josias II. und Georg Friedrich von Waldeck in der Frühphase des Subsidienwesens. Als Mittler zwischen deutschen Fürstenhöfen und ausländischen Mächten ebneten sie den Weg für die späteren großflächigen Truppenvermietungen reichsfürstlicher Territorien. In minutiösen Fallstudien zu Hessen-Kassel, Württemberg, Braunschweig, Sachsen, Brandenburg, Bayern sowie dem geistlichen Fürstentum Münster arbeitet der Autor die wirtschaftlichen, politischen, militärischen und dynastischen Motive dieser Kooperationen heraus. Kapitel 5 (S. 491–518) widmet sich der Spätphase des europäischen Subsidienwesens. Dabei treten insbesondere Veränderungen in den europäischen Bündniskonstellationen, problematische Rekrutierungspraktiken sowie neue Herausforderungen durch die zunehmend entfernten Kriegsschauplätze in den Vordergrund. Da eine Rückführung der Truppen im Falle eigener Bedarfe kaum noch möglich war, gerieten die Subsidien zunehmend in die Kritik. Auch die öffentliche Wahrnehmung wandelte sich: Die Entsendung von Soldaten in fremde Kriege wurde immer häufiger als moralisch fragwürdig empfunden. Kapitel 6 (S. 519–561) bietet schließlich eine abschließende Zusammenfassung und verortet die Ergebnisse der Studie im Kontext der aktuellen Forschung. Mit „Der Krieg der Anderen“ legt Andreas Flurschütz da Cruz eine wegweisende, quellengesättigte Studie vor, die das Phänomen der Subsidienverträge aus seiner bisherigen Randstellung löst und als zentralen Bestandteil der militärischen und diplomatischen Praxis der Frühen Neuzeit etabliert. Die Untersuchung bietet nicht nur vertiefte Einblicke in Söldnerlandschaften und Gewaltmärkte der Frühen Neuzeit, sondern verknüpft diese mit übergreifenden Fragen zur Genese moderner Staatlichkeit, zur (Kriegs-)Ökonomie und zu internationalen Beziehungen. Zwar stehen Venedig und die deutschen Reichsfürsten im Zentrum der Analyse, doch entfaltet der Autor – insbesondere in den Abschnitten zur Frühphase mit niederadligen Militärunternehmern als zentralen Akteuren sowie zur Spätphase Ende des 18. und frühen 19. Jahrhunderts – ein wesentlich breiteres Panorama. In dieser späteren Phase traten neue Akteure wie Großbritannien oder die Generalstaaten der Niederlande an die Stelle Venedigs und erweiterten das geopolitische Spektrum der Subsidienpolitik deutscher Reichsfürsten erheblich. Damit ist das Werk deutlich breiter angelegt, als der Titel zunächst nahelegt, und erschließt ein facettenreiches und vielschichtiges Kapitel europäischer Geschichte in beeindruckender analytischer Tiefe.+TABRE+Elisabeth Lobenwein

La Città del Sole. Arte barocca e pensiero scientifico nella Roma di Urbano VIII. Catalogo della mostra (Roma, Palazzo Barberini, 16 novembre 2023–11 febbraio 2024), a cura di Filippo Camerota, con la collaborazione di Marcello Fagiolo, Livorno (Sillabe) 2023, 471 pp., ill., ISBN 978-88-3340-429-5, € 39.

Negli ultimi decenni, le agende dettate dall’imminenza di un centenario non sempre hanno partorito iniziative capaci di aggiornare il punto degli studi o, addirittura, di riorientarne il corso inseminando nella riflessione storiografica idee nuove e domande alternative. E tanto più negli spazi interstiziali in cui oggi si muove la ricerca sui pontificati di epoca moderna, l’incombenza dell’evento da festeggiare ha spesso delineato prospettive di indagine dagli orizzonti prosopografici troppo netti, entro i quali le sensibilità, le metodologie e le specificità interpretative delle diverse discipline sono stati prima schematizzati e poi schiacciati in convivenze forzose e sterili. Spiccano allora per la lucidità dell’impostazione e la pregnanza dei risultati la mostra e il catalogo che, con il supporto di Marcello Fagiolo, Filippo Camerota ha curato nell’ambito delle attività per il quattrocentesimo anniversario dell’elezione di Urbano VIII (1623–1644). Tentando di ricomporre in un quadro organico il contributo di un gruppo assortito di specialisti tra storici dell’architettura, dell’arte, della filosofia, della scienza e del teatro, l’esposizione e il volume che l’ha accompagnata hanno infatti configurato l’occasione per un confronto polifonico tra approcci differenti, chiamati a dialogare intorno a un nesso, quello tra arte e scienza, che nella percezione dei nostri giorni costituisce senz’altro una delle cifre più riconoscibili dell’intera epoca barberiniana. I numeri del catalogo, d’altronde, ci parlano con evidenza di un’impresa concepita programmaticamente come un lavoro corale e dall’inquadratura multifocale. Grazie a una architettura interna che si segnala per chiarezza e coerenza, nel libro sono stati diligentemente raccordati i testi di quarantotto tra autrici e autori, che si sono cimentati con la scrittura di ben quarantatré saggi (pp. 21–289) e con la schedatura delle centoventuno opere esposte (pp. 291–445). Per quanto ampio sia il ventaglio delle questioni toccate, ne è venuta comunque una silloge compatta e sorvegliata, che spazia senza incrinature dalla cartografia greuteriana alle strategie pedagogiche gesuite, dall’ottica galileiana alla poetica architettonica borrominiana, dalle logiche del mecenatismo pontificio alle sperimentazioni nel campo della pneumatica, del magnetismo e del suono. Come Camerota e Fagiolo puntualizzano nell’introduzione (pp. 12–16), il volume si articola in tre macro-sezioni, concepite come contenitori complementari di un articolato schema narrativo che vuole evocare „l’Apiario Urbano che diede avvio al barocco“ (p. 13). Giocando con una metafora cara alla propaganda barberiniana, tutti i contributi risultano quindi distribuiti in funzione di tre distinte categorie di api. La prima sezione („Api scienziate, osservatrici del cielo“; pp. 21–113) contempla in tutto quattordici contributi e, a ben vedere, costituisce un affondo quasi monografico sulla figura di Galileo. I saggi provano infatti a restituire un campione rappresentativo del magistero intellettuale del pisano e dei tanti rapporti intrattenuti nel corso della sua esistenza, dall’oscillante relazione con Maffeo Barberini ai ripetuti scontri con il variegato universo del sapere gesuita. Quanto alla seconda sezione („Api euclidee, misuratrici del tempo“; pp. 115–151), la più breve, essa affronta per exempla la questione della misurazione del tempo attraverso il rilevamento della posizione solare. I sei testi di cui consta si soffermano su casi più o meno noti al grande pubblico, come la meridiana „tetracycla“ del Quirinale o quelle catottriche della Trinità dei Monti e di Palazzo Spada. La terza e ultima sezione („Api architette, edificatrici della Città del Sole“; pp. 153–289) annovera infine ventitré contributi, organizzati intorno a tre assi tematici portanti: la costruzione di un’ideale Città del Sole sotto il segno dinastico dei Barberini; il prodigioso sviluppo di una scenotecnica capace di fare da cassa di risonanza alle strategie della politica pontificia; il rapporto tra le scienze naturali e un’architettura intesa come scienza dello spazio. Il volume, insomma, documenta la perspicuità cui può approdare lo sguardo multidisciplinare quando, nelle aree di intersezione tra i saperi, ciascuna competenza riesce a non perdere di vista le proprie prerogative. Da una prospettiva strettamente storico-artistica, rimarrà tuttavia il rimpianto di non aver visto all’opera pure le „api pittrici e scultrici“. L’occasione, cioè, poteva essere propizia per tentare un’interlocuzione tra le tre sezioni esistenti e una quarta, autonoma, dedicata espressamente alle arti figurative. Nella selezione delle opere esposte, infine, è stato forse eccessivo il ricorso a riproduzioni in fac-simile (se ne contano più di venticinque). Per quanto abbiano trovato la propria raison d’être nella vocazione dichiaratamente didattica e documentarista del progetto, durante la visita esse hanno inevitabilmente interferito con l’aura tanto cara alla lezione benjaminiana.+TABRE+Mauro Vincenzo Fontana

Frédéric Ieva, Illusioni di potenza. La diplomazia sabauda e la Francia nel cuore del Seicento (1630–1648), Roma (Carocci) 2023 (Studi Storici Carocci 397) (Studi sabaudi 12), 228 S., ISBN 978-88-290-1821-5, € 29.

Das Herzogtum Savoyen mit seinen strategisch bedeutenden Festungen und Passagen lag in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Spannungsfeld des die internationale Politik maßgeblich prägenden französisch-spanischen Ringens um Einflusssphären in Italien und Europa. Als zwar nach einer Aufwertung seines Ranges gegenüber seinen italienischen Konkurrenten und königlichen zeremoniellen Ehren strebender, gegenüber den Großmächten aber mindermächtiger Akteur geriet Savoyen dabei zunehmend in das Fahrwasser der französischen Politik, ohne sich von dieser jedoch vereinnahmen zu lassen. Ganz im Gegenteil, so zeigt die hier zu besprechende Studie des an der Universität Turin zur frühneuzeitlichen Geschichte forschenden Frédéric Ieva, widersetzten sich die savoyischen politischen und diplomatischen Akteure in den 1630er und 1640er Jahren französischen Forderungen nicht selten vehement. Allerdings vermochte das Herzogtum seinen führenden, auf die Wahrung savoyischer Interessen insistierenden Amtsträgern gegenüber der französischen Dominanz nicht immer hinreichenden Schutz zu bieten, sodass mehrere ihre Position und ihren Einfluss am Hof, ja am Ende sogar ihre Freiheit verloren, namentlich mit Pierre Monod SJ einer der seit den 1620er Jahren einflussreichsten Ratgeber der Herzöge, Beichtvater Herzogin Christinas, savoyischer Hofhistoriograph und mehrfach Vertreter Turins in diplomatischen Verhandlungen mit Frankreich. Auf den Druck des leitenden französischen Ministers Richelieu hin verbrachte er seinen Lebensabend in Miolans, das seit dem 16. Jahrhundert als savoyisches Staatsgefängnis diente. Gleichwohl zeigt gerade sein Fall auch die Grenzen französischer Einflusspotentiale, denn die bourbonische Regentin Savoyens Herzogin Christina, Witwe Viktor Amadeus’ I. und Schwester Ludwigs XIII. von Frankreich, widersetzte sich Richelieus Auslieferungsgesuch ebenso entschieden wie erfolgreich. Dieses spannungsreiche außenpolitisch-militärische Verhältnis zwischen Savoyen und Frankreich untersucht der Verfasser in der auch für die innenpolitische Entwicklung des Herzogtums bedeutenden Zeitspanne von 1630 bis 1648. Diese knapp zwei Jahrzehnte standen in der savoyischen Geschichte im Zeichen der 1630 beginnenden Herrschaft Viktor Amadeus’ I. und der nach seinem Tode 1637 einsetzenden Regentschaft der Herzoginwitwe Christina. In der internationalen Politik war diese Zeit trotz des Friedens von Cherasco 1631 vom zunehmenden französisch-spanischen Antagonismus geprägt, der in Frankreichs Kriegserklärung an Spanien 1635 und sein Eingreifen in den 1648 beigelegten Dreißigjährigen Krieg mündete. Damit schließt sich Ievas Untersuchungszeitraum unmittelbar an das 2015 in Rom von Andrea Pennini publizierte Buch „,Con la massima diligentia possibileʻ. Diplomazia e politica estera sabauda nel primo Seicento“ an, in welchem die savoyische Diplomatie zwischen dem Frieden von Lyon 1601 und dem Tod Karl Emanuels I. 1630 behandelt werden. Ievas Studie, die neben zahlreichen französischen und auch jesuitischen Quellen vor allem ausgiebig die breite Turiner Archivüberlieferung auswertet, vervollständigt somit unsere Kenntnis der savoyischen Außenbeziehungen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts und schließt eine bedeutende Forschungslücke vornehmlich aus savoyischer Perspektive, während Anna Blum in ihrer 2014 in Paris erschienenen Untersuchung „La diplomatie de la France en Italie du nord au temps de Richelieu et Mazarin. ‚Les sages jalousies‘“ sich aus französischer Perspektive mit den diplomatischen Aktivitäten Frankreichs in Norditalien seit den 1630er Jahren bis hin zum französisch-spanischen Pyrenäenfrieden 1659 befasst (vgl. meine Besprechungen der Werke Penninis und Blums in QFIAB 95 [2015]). Dem Verfasser zufolge basierte der Erfolg der Politik Christinas, die das savoyische Erbe weitgehend unversehrt in die Hände ihre Sohnes Karl Emmanuels II. legte, auf einem diplomatischen Dienst, der denen Venedigs und Roms kaum nachgestanden habe und auf besonders geschickte Akteure habe zählen können. Obwohl der Vergleich mit der Serenissima und dem Heiligen Stuhl zu hoch greift, verfügte das Herzogtum zweifellos über ein sehr solides europäisches Netz von 25 (neun prinzipiell ständigen) diplomatischen Vertretungen (bei 111 Gesandten 1630–1648) und vermochte dadurch, seine militärische Unterlegenheit bis zu einem gewissen Grade zu kompensieren. Auf der Höhe der jüngeren Forschungen zu einer neuen Geschichte der Außenbeziehungen werden Strukturen und Agieren der savoyischen Diplomatie sowie ihre Akteure und Akteursgruppen in sechs Kapiteln – bei wenigen kleinen Ungenauigkeiten – ebenso kundig wie differenziert analysiert und nebst einem Register ein hilfreiches Verzeichnis des diplomatischen Personals beigegeben. Zu bemängeln ist formal das Fehlen eines Quellen- und Literaturverzeichnisses, was die Benutzung erschwert, zumal im weiteren Verlauf präzise Rückverweise auf die vollständige Erfassung eines Werkes in den Fußnoten bei seiner Erstnennung fehlen.+TABRE+Guido Braun

Stefan Seitschek/Pia Wallnig/Thomas Wallnig (Hg.), Verflechtung und Nachbarschaft. „Italien“ und „Österreich“ in der Vormoderne, Innsbruck (Studien-Verlag GmbH) 2024 (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 64), 518 S., ISBN 978-3-7065-6426-7, € 42,90.

Das österreichisch-italienische Verhältnis vor der spannungsreichen Epoche des Nationalstaats wurde in der letzten Zeit mehrfach bilanziert. Den Anfang machte 1963 der Großmeister dieser Beziehungsgeschichte, Adam Wandruszka, mit einem schmalen Band über Österreich und Italien im 18. Jahrhundert. Sein Plädoyer, in ihm nicht mehr nur die Vorgeschichte des folgenden Jahrhunderts zu sehen, sondern gut historistisch als einen Abschnitt eigenen Rechts, gekennzeichnet vor allem als Übergang zum modernen Staat, an dem Habsburger und Italiener zusammengewirkt haben, hat sich längst durchgesetzt. Gut drei Jahrzehnte später legten Angehörige der nächsten Generation grenzüberschreitender Forschung, Brigitte Mazohl-Wallnig und Marco Meriggi, einen umfangreichen Sammelband vor, dessen provokanter Titel „Österreichisches Italien – Italienisches Österreich?“ wohl durch ein Fragezeichen abgemildert werden sollte. Die Vorherrschaft der politischen Geschichte ist hier von der Untersuchung der Strukturen abgelöst, auch steht die Nation längst nicht mehr im Zentrum. Betont wurde dagegen das gemeinsame Erbe auf vielen Gebieten, das nunmehr auch in ersten gemeinsamen, d. h. grenzüberschreitenden Projekten erforscht zu werden im Begriff war. Den hier anzuzeigenden Sammelband organisierte wiederum eine neue Generation, die das „Italien“ und „Österreich“ der Vormoderne in Anführungszeichen setzt und damit das Problem der anachronistischen Benennung politischer Einheiten verdeutlichen möchte. Eine größere Rolle spielen die den Alltag prägenden Tatsachen der „Nachbarschaft“ und der sich daraus ergebenden „Verflechtung“, die einleitend kurz erläutert werden. Der bis zum Ersten Weltkrieg reichende Forschungsüberblick, für den neben der bereits den vorigen Sammelband herausgebenden Brigitte Mazohl nicht weniger als drei weitere Autoren verantwortlich zeichnen, bietet eine strukturierte Materialsammlung, die sich auf Beiträge von Angehörigen beider Länder beschränkt, wissend, dass er damit nationalstaatliche Stereotypien festigen könnte. Deswegen ist ihm der Blick auf die Praxis der Forschung und die daraus gewonnene Erkenntnis wichtig, dass die doch sehr unterschiedlichen Wissenschaftskulturen kein Hindernis mehr für nun sogar multilaterale Forschungsverbünde sind. Mit Überraschung nimmt man den zum Teil überaus kritischen Tonfall gegenüber der österreichischen Forschung bzw. ihre Deutung der plurikulturellen Habsburgermonarchie und ihres „amorphen“ Italienbildes (S. 43) zur Kenntnis, was das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert betrifft. Die Texte – sie stammen (in drei Sprachen sowie den englischen Abstracts) von 20 Personen aus beiden Ländern – sind in drei thematische Gruppen aufgeteilt: „Hof und Persönlichkeiten“, „Administration und Reformen“ sowie „Kunst und Architektur“. Dementsprechend beteiligen sich, anders als im Sammelband von 1999, neben der Geschichtswissenschaft auch die Architektur- und Kunstgeschichte. Bei der Auswahl der Personen werden, wie in solchen Fällen üblich, Sachzwänge und Zufälle eine Rolle gespielt haben, während die erwartbaren großen Namen zu den Ausnahmen zählen; gewonnen werden konnten allerdings Carlo Capra, Antonio Trampus und Marcello Verga, um nur die italienische Seite zu nennen. Dass es sich bei dem Band auch um eine Festschrift für die um dieses Thema hochverdiente Elisabeth Garms-Cornides handelt − sie hat mit ihrem 1970 erschienenen Aufsatz „Rivalutazione del Settecento“ dem deutschsprachigen Publikum die Augen geöffnet −, wird eher am Rande zur Kenntnis gebracht. Immerhin ist ihr umfangreiches Publikationsverzeichnis am Ende abgedruckt. Der reichhaltige Inhalt kann nur in Stichworten wiedergegeben werden. Im Abschnitt über „Hof und Persönlichkeiten“ wird Raimondo Montecuccoli einmal nicht als General und Diplomat, sondern als Kunstsammler vorgestellt, sodann das so dichte wie komplizierte Beziehungsgeflecht des Trentiner Adels mit dem Veroneser Patriziat und schließlich das Motivbündel des süditalienischen Adels für seinen Loyalitätsschwenk nach dem Spanischen Erbfolgekrieg. Es folgen Marcello Vergas Überlegungen, weshalb beim Wiener Denkmal für Maria Theresia ihr Ehemann fehlt, im Anschluss lesen wir die Würdigung der Geschäftstüchtigkeit und der geglückten urbanistischen Eingriffe von dessen Sohn Ferdinand Karl als Statthalter der Lombardei und schließlich Auszüge aus dem Briefwechsel Maria Carolinas mit ihrem Bruder Leopold von Toskana in den Jahren 1788/1789, wo sie sich beide um ihre Schwester Marie Antoinette große Sorgen machen. Den Schluss bilden Publikation und Interpretation einer Denkschrift Casanovas von 1788 und Auszüge aus dem Reisetagebuch Kaiser Franzʼ I., als dieser 1819 Florenz besuchte, wo er fünfzig Jahre vorher geboren worden war. Den Abschnitt zu „Administration und Reformen“ eröffnen Überlegungen zur wichtigen Rolle Italiens bzw. Mailands für die Herrschaft Karls VI. und Maria Theresias. Sachgeschichtliche Beiträge liefern Carlo Capra zu den Reformen im Herzogtum Mantua, Andreas Gottsmann zum wenig bekannten staatskirchlichen Instrument der „k.k. Agentie für geistliche Angelegenheiten“, über die bis 1918 die österreichischen Bischöfe mit der Kurie verkehren mussten, und die Übernahme der von den Franzosen ausgeplünderten und damit praktisch wertlosen venezianischen Flotte im Jahre 1797/1798. Zwei Archivberichte runden das ganze ab. Der letzte, „Kunst und Architektur“ gewidmete und deshalb viele Abbildungen enthaltende Abschnitt beginnt mit einem Bericht über die Gemäldesammlung, die der österreichische Botschafter Czernin von Chudenitz von 1660 bis 1663 in Venedig zusammenkaufte und davon Reproduktionen herstellen ließ, so dass man den längst zerstreuten Bilderschatz noch heute betrachten kann. Es folgt der Beitrag über einen piemontesischen Gefolgsmann des Prinzen Eugen, der für ihn in Turin bedeutsame Kunstwerke erwarb, und über den als Bühnenbildner bekannten Künstler Galli Bibiena, der Karls VI. Bemühungen, Wien nach dem Vorbild Roms zur Kunstmetropole umzugestalten, mit Stichen idealer antiker Landschaften feierte. Den Abschluss bilden zwei architekturgeschichtliche Aufsätze, einer zur gotisierenden Umgestaltung der Wiener Minoriten- zur italienischen Nationalkirche 1785/1786 und ein zweiter zur architektonischen Aufwertung Mailands und Monzas durch Piermarini. Die Aufzählung der Beiträge lässt unschwer erkennen, dass der Sammelband denkbar disparate Gegenstände enthält, denen keine Forschungsthese zugrunde liegt und die noch weniger ein stimmiges Gesamtergebnis erlauben. Ein Urteil über ihre Qualität ist das nicht.+TABRE+Christof Dipper

Jan Turinski, Leichenpredigten und Trauerzeremoniell der geistlichen Kurfürsten. Studien zum Bischofsideal und zur Sepulkralkultur in der Germania Sacra zwischen Westfälischem Frieden und Säkularisation, Münster (Aschendorff) 2023 (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 147), 560 S., Abb., ISBN 978-3-402-15952-1, € 79.

Jan Turinski hat mit seiner Studie einen fundamentalen Beitrag zur Geschichte der frühneuzeitlichen Reichskirchenforschung vorgelegt. Diese Feststellung gilt umso mehr, als die Untersuchung mit der Geschichte von Leichenpredigten und Trauerzeremoniell der geistlichen Kurfürsten ein bislang völlig unbekanntes Terrain der Kulturgeschichte betritt. Leichenpredigten gelten vor allem als Brauch protestantischer Lebenswelten. Seit einigen Jahrzehnten erfreuen sie sich wachsender Aufmerksamkeit – als Quelle von biographischem Wert, aber auch als Dokument für die Mentalitätsgeschichte von herrschaftlichen, kirchlichen und gelehrten Führungsschichten. Turinski erweitert diesen doch recht engen Fokus, indem er das Phänomen einerseits für den katholischen Bereich erstmalig erschließt. Andererseits eröffnen seine Beobachtungen neue methodische und konzeptionelle Perspektiven: Wie katholische Leichenpredigten – dazu speziell solche auf geistliche Fürsten – ein Lebens-, Amts- und Regierungsideal formulierten, vor allem diesem Problem wendet sich die Arbeit zu. Sie hält dazu neue Erkenntnisse bereit und kann damit unser Verständnis von geistlichem und weltlichem Herrschaftsstil in der Germania Sacra erheblich vertiefen. Das ist ein bedeutsamer Forschungsertrag, vor allem wenn man bedenkt, dass die Reichsbischöfe – gleichermaßen principes et episcopi (Bettina Braun) – eine rare Spezies innerhalb Europas waren. Hier stellte sich die Frage nach der theologischen, philosophischen und rechtlich-historischen Legitimität von kirchlicher governance noch einmal auf besonders herausfordernde Weise. Die an der Universität Mainz entstandene Dissertation nimmt sich einen umfangreichen Quellenbestand vor: Der Autor konnte über 60 gedruckte Predigten für den Bereich der drei rheinischen Kurfürstentümer und Erzbistümer Mainz, Köln und Trier ermitteln. Die Texte umfassen zwischen 17 und 35 Seiten. Sie erschienen vornehmlich in deutscher und lateinischer Sprache; die Hochphase ihrer publizistischen Blüte erreichten sie im 18. Jahrhundert. Innerhalb der katholischen Gelegenheitsdichtung des Barocks bezeichnete die Gattung einen literaturästhetischen Höhepunkt. Kaum ein Orator ließ sich den Prestigeauftrag für eine solche Predigt entgehen. Vor allem Ordensgeistliche wie Jesuiten oder Kapuziner, aber auch die Domprediger nutzten den Anlass, um Gelehrsamkeit und rhetorische Brillanz zu entfalten, aber auch um über Vorzüge (ebenso Schwächen) des Verstorbenen zu informieren oder eine exemplaris imago des guten Regenten vor großer Öffentlichkeit zu entwerfen. Für die geistlichen Kurfürsten zeichnen sich dabei folgende Tugendszenarien ab: Sie sollten exzellieren können in ihrer Rolle als Mitglieder des zur Kaiserwahl berechtigten Kurkollegs; sie durften ihre Pflichten als Landesherrn gegenüber den Untertanen nicht vernachlässigen. Lob verdiente die Bauherrschaft, dabei speziell die Sorge für die Kathedrale. Verwaltung, Wirtschaft und Kriegskunst waren Bereiche, in denen Leistungen erwartet wurden. Hohe Aufmerksamkeit fiel dem im engeren Sinn geistlichen Wesen zu. Dabei wird erneut deutlich, wie stark auch Reichsbischöfe unter dem persönlichen Leistungsdruck des tridentinischen Hirtenideals standen und sich eben keinesfalls auf eine Sondermoral als durchgängig adlige Standespersonen berufen konnten. Besonders bemerkenswert an Turinskis Ansatz ist der Umstand, dass der institutionelle Kontext der Predigten ausführlich zur Sprache kommt und an einigen signifikanten Beispielen, wie etwa für den Mainzer Erzbischof Philipp Karl von Eltz und dessen Grabmonument, unter Beiziehung umfangreichen Archivmaterials rekonstruiert wird. Es geht also um die Funktion der Predigt als Bestandteil von mehr oder minder groß angelegten Funeral- und Sepulkralfeierlichkeiten mit Exequien, Trauergerüsten, Prozessionen wie überhaupt mit der Memoria. Im Fall der Germania Sacra musste dem Akt der Trauer eine hohe Bedeutung zukommen, repräsentierte sich im Tod des Bischofs doch auch der geistliche Staat selbst. Er stellte seine Legitimation zur Schau, ähnlich wie bei dem feierlichen Introitus des neuen Bischofs in seiner Kathedrale. Gerade das auf Zeichenhaftigkeit und Symbolintensität bedachte 18. Jahrhundert suchte jeden Aufwand, um sich hier keine Blöße geben zu müssen, zumal das Faktum geistlicher Staatlichkeit in den Reichsreformdiskussionen des 18. Jahrhunderts auf protestantischer wie aufklärerischer Seite längst dekonstruiert wurde. Für wie relevant, eigentlich gefährlich, man den Auftritt des toten Bischofs im Rahmen seines Gedenkens hielt, zeigt sich noch daran, dass die Behörden des Königreichs Bayern bei dem Tod des letzten Trierer Kurfürsten und Augsburger Fürstbischofs Clemens Wenzeslaus von Sachsen 1812 jeden pompe funèbre untersagten. Das Buch von Jan Turinski gehört zum unverzichtbaren Kernkanon aller künftigen Forschung zur Geschichte von katholischer Kirche, Religion und Kultur im Heiligen Römischen Reich. Dies muss auch deshalb betont sein, weil unsere Epoche sich in immer neuen Fieberschüben allgemeiner und kirchlicher Selbstsäkularisierung von den christlichen Grundlagen Alteuropas endgültig zu verabschieden droht.+TABRE+Rainald Becker

John Condren, Louis XIV and the Peace of Europe. French Diplomacy in Northern Italy, 1659–1701, London-New York (Routledge-Taylor and Francis Group) 2024, XX, 243 S., Abb., ISBN 978-0-367-69187-5, GBP 135.

Der Band – die für den Druck überarbeitete Fassung einer 2015 in St. Andrews verteidigten Dissertation – widmet sich den diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Norditalien, vornehmlich den Herzogtümern Modena, Parma-Piacenza und Mantua-Monferrato, zwischen dem Pyrenäenfrieden und dem Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs (1659–1701). Ein stichpunktartiger „Background to Featured Italian Ruling Dynasties“ (S. XIII–XVI) ist als Orientierungshilfe der eigentlichen Darstellung vorgeschaltet. Hier werden wichtige dynastische Akteure und Akteurinnen sowie die „Principal long-term dynastic objectives“ vorgestellt und dem Lesepublikum somit einige Orientierungspunkte an die Hand gegeben. Das ist durchaus nützlich, um angesichts der komplexen dynastisch-politischen Verhältnisse Italiens in dem faktengesättigten Text den Überblick zu bewahren. Es folgt eine kurze „Introduction“, in der John Condren neben einer knappen Kontextualisierung und einem Überblick über den Forschungsstand sein Vorgehen darlegt. Die sechs Kapitel der eigentlichen Darstellung folgen weitgehend einer chronologischen Ordnung, abgesehen von Kapitel 1, das für den gesamten Untersuchungszeitraum ein Panorama des Kulturaustauschs und der dynastischen Beziehungen zwischen Frankreich und den Höfen von Mantua, Modena und Parma entfaltet. Es bildet gemeinsam mit den Kapiteln 2 und 3 den ersten Hauptteil, der die Jahre 1659 bis 1680 abdeckt und unter der Überschrift „In the Shadow of the Cardinals“ steht. Damit bringt der Verfasser zum Ausdruck, dass in diesen beiden Jahrzehnten die Italienpolitik Ludwigs XIV. weitgehend den Konzepten der Kardinäle Richelieu und Mazarin gefolgt sei. John Condren verzichtet darauf, die Beziehungen des Sonnenkönigs zu den italienischen Herzögen in allen Verästelungen nachzuzeichnen. Vielmehr widmet er sich der französischen Politik in ausgewählten Episoden, die für Grundkonflikte zwischen den italienischen Fürsten und Republiken stehen, wie der Streit zwischen den Gonzaga-Nevers und den Savoia um das Monferrato (2.2) oder das Streben der Este nach dem Besitz Correggios (2.3). Dabei greift er über seinen lombardischen Kernuntersuchungsraum hinaus, wenn er etwa den savoyisch-genuesischen Krieg von 1672–1673 behandelt (2.5). Kapitel 3 widmet sich den Verstrickungen der Farnese und der Este in die Korsenaffäre (1662–1665), die einen Tiefpunkt in den Beziehungen Ludwigs XIV. zum Heiligen Stuhl markierte und 1664 zur Entsendung französischer Truppen über die Alpen führte (S. 83 f.). Teil II („Tutela Italiae“) deckt die Zeit von 1680 bis 1695 ab. Er beginnt mit den Verhandlungen, die zur Inbesitznahme der Schlüsselfestung Casale Monferrato durch französische Truppen führten. In der Tat markierte diese eine neue Qualität der französischen Präsenz in Oberitalien. Doch schon in dem Bombardement Genuas durch eine französische Flotte (1684) sieht John Condren den Anfang vom Ende des französischen Einflusses, denn „throughout the 1680s Louis XIV showed himself to be insensitive to the feelings of the Italian ruling dynasties“ (S. 128). Der Verfasser schildert die zweite Hälfte der 1680er Jahre als eine Vorgeschichte der italienischen Phase des Neunjährigen Krieges (Kapitel 5). In dessen Verlauf erwies sich Ludwig XIV. als unfähig zum Schutz seiner Klienten südlich der Alpen, die er vielmehr den „claws of the imperial eagle“ überlassen musste, als der Krieg 1690 auf Italien übergriff (Kapitel 6). Die „Conclusion“ stellt weniger eine Zusammenfassung der Ergebnisse als einen Ausblick bis in die Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs und darüber hinaus dar. Der Band bringt – vor allem für ein nicht des Italienischen mächtiges Lesepublikum – etliche neue Einblicke in die Italienpolitik Ludwigs XIV. Ob der Obertitel des Buchs seinen Inhalt optimal umreißt, wäre dagegen zu diskutieren. Jedenfalls hätte man sich bei dieser Titelwahl eine systematischere und intensivere Diskussion der Implikationen einer solchen Pax Gallica gewünscht. Wenn sich der Verfasser am Rande seines Untersuchungsfeldes bewegt, unterlaufen ihm bisweilen Ungenauigkeiten. So verlegt er die Heirat der mantuanischen Prinzessin Eleonora Gonzaga-Nevers mit Kaiser Ferdinand III. von 1651 ins Jahr 1649 (S. XVI) und tauft ihre Tochter Anna Maria Josepha in Maria Josepha um (S. 234). Gravierender aber ist, dass John Condren zwar Kaiser und Reich mit gutem Grund als Hauptgegenspieler Ludwigs XIV. in Italien identifiziert, aber nur ungenaue Vorstellungen von „Reichsitalien“ hat. Der Band wird durch zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen illustriert. Er wird abgerundet durch einen Überblick über die Diplomaten der Este, der Gonzaga-Nevers und der Farnese in Frankreich und durch Stammtafeln dieser drei Dynastien sowie der Gonzaga-Guastalla. Wenig hilfreich ist das kombinierte Personen-, Orts- und Sachregister. Die Aufnahme der Lemmata erscheint willkürlich. Während die meisten Herrscher sinnvollerweise unter ihrem Namen eingeordnet sind, ist Kaiser Leopold I. unter „Emperor“ zu finden.+TABRE+Matthias Schnettger

Pasquale Palmieri, The Land of Devotion. Saints, Politics and Media Culture in 18th-Century Italy, Roma (Viella) 2023 (Sanctorum. Scritture, pratiche, immagini 12), 164 S., ISBN 979-12-5469-524-1, € 22.

Katholische Heilige der Frühen Neuzeit haben gerade historiografische Hochkonjunktur. In den neuesten Publikationen dominieren dabei barocke Heilige, hinter denen die sancti des 18. Jahrhunderts deutlich zurücktreten. Eine Ausnahme bildet Pasquale Palmieri, der sich seit rund 15 Jahren intensiv mit Heiligen im Zeitalter der Aufklärung beschäftigt. Seine dem italienischen Publikum wohlbekannten Studien liegen nun in einer kondensierten englischen Übersetzung vor. Im Band führt Palmieri seine Einzelstudien zum Königreich Neapel und zum Großherzogtum Toskana zusammen. Beide Gebiete erhielten im Zuge der dynastischen Kriege der 1730er-Jahre neue Herrscher (die spanischen Bourbonen in Neapel, das Haus Österreich-Lothringen in Florenz), die sich einer aufklärerischen Reformagenda verpflichtet fühlten. Obwohl die Bilanz der Reformen am Ende des Jahrhunderts ausgesprochen ungleich ausfallen sollte, kam es in beiden Territorien zu religiös motivierten Gegenbewegungen. Diese Parallelen lassen einen solchen Vergleich interessant erscheinen. Wie Palmieri aufzeigt, spielten Heilige sowohl bei der Konsolidierung als auch bei der Kritik der beiden Reformmonarchien eine zentrale Rolle. Gerade die neuen Herrschenden in Neapel pflegten nach der Eroberung des Regno enge Kontakte zu im Ruf der Heiligkeit stehenden Frauen, die stark an die sante vive an oberitalienischen Fürstenhöfen der Renaissance aus den Arbeiten von Gabriella Zarri erinnern. Diese Einflüsterinnen der Mächtigen legitimierten gleichsam das Regierungshandeln. Entsprechend gnadenlos ging die neapolitanische Monarchie gegen unliebsame lebende Heilige vor, die mitunter kurzerhand inhaftiert wurden, womit sich die Monarchie die Kontrolle des eigentlich genuin päpstlichen Zuständigkeitsbereiches der Heiligkeit anmaßte. Dass sich Heiligmäßige gegen die Herrschenden wandten, geschah im Laufe des Jahrhunderts immer häufiger. Dies zeigt Palmieri am Beispiel von Teresa Margherita Redi aus dem toskanischen Arezzo. Gefördert wurde ihr Kult von ihrem Vater, Ignazio, der aufgrund der Reformen der österreichisch-lothringischen Großherzöge erhebliche finanzielle Einbußen erlitten hatte. Die mannigfaltigen Zweifel an der Wundertätigkeit der Familienheiligen räumte er gar nicht erst aus; vielmehr ließ er seine Tochter Teil einer hagiografischen Tradition von heiligmäßigen Frauen werden, die unter den Medici jene Allianz von Thron und Altar repräsentierten, die die neuen Herrschenden vermeintlich aufgekündigt hatten. Der Kult um Redi steht emblematisch dafür, wie Hagiografien zusehends zur publizistischen Waffe gegen die neuen Großherzöge wurden. Dies äußerte sich zum einen in einer regen Produktion von Viten von weiblichen wie männlichen Heiligen, die am Hof des zweitletzten Medici, Cosimo III., ein- und ausgingen. Zum anderen verausgabten sich kaltgestellte Adlige aus dem Stephansorden im Verfassen von Texten, die den Herrschenden vorwarfen, mit ihrer Öffnung gegenüber muslimischen und jüdischen Händlern im Mittelmeer den Kampf gegen die Ungläubigen auf dem Altar kurzfristiger wirtschaftlicher Interessen zu opfern und so die Gesellschaftsordnung zu zersetzen. Die Französische Revolution war für diese Katholik*innen die Folge einer Politik, die die gottgegebene soziale Ordnung zu Gunsten aufgeklärter Meliorationsideen aufgegeben hatte. In den Wirren des napoleonischen Einmarsches dienten Hagiografien dazu, eine sozial heterogene konterrevolutionäre Bewegung zu mobilisieren. In den neapolitanischen Viten dominierten nun zwei Figuren: einerseits einfache Frauen, die in ihrer Ungebildetheit metaphorisch für die gedemütigte Kirche in einer säkularen Welt standen; andererseits Prediger, die seit Langem vor der zersetzenden Kraft der Aufklärung gewarnt hatten und die allein die Massen für eine erneuerte Allianz von Thron und Altar gegen die Aufklärung zurückgewinnen konnten. Mit seinem Blick auf die Entwicklungen des Heiligenkults weist Palmieri auf eine oft übersehene Strömung hin, die die Strukturprobleme der italienischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts nicht durch aufgeklärte Reformen lösen wollte, sondern durch die Interzession heiligmäßiger Menschen. Hervorzuheben ist dabei, dass der Verfasser Druckerzeugnisse nicht nur als Mittel begreift, mit dem auf dem Marktplatz der Ideen für diese Weltanschauung geworben wurde. Vielmehr kann er aufzeigen, wie die Autoren von Viten unter dem Eindruck des verpönten Genres des Romans ihre Texte dem Geschmack des Massenpublikums anpassten. Sein Buch verweist damit auf die mediale Innovationskraft bewahrender Kräfte, die zu ihrem langfristigen Erfolg beitrug. Angesichts dieser wichtigen Erkenntnis sieht man auch über eine englische Übersetzung hinweg, die für den Geschmack des Rezensenten stellenweise gar nahe am üppigen italienischen Original bleibt.+TABRE+Samuel Weber

19.–21. Jahrhundert

Claudio Fogu, The Fishing Net and the Spider Web. Mediterranean Imaginaries and the Making of Italians, Cham (Palgrave Macmillan) (Mediterranean Perspectives) 2020, XIII, 296 S., ISBN 978-3-030-59856-0, € 124,79.

Die große Konjunktur der Mediterranean Studies, die sich seit den 1990er Jahren, ausgehend insbesondere von der angelsächsischen Welt, in einer Gründungswelle von Studiengängen, Forschungszentren und -verbünden, Publikationsreihen und Zeitschriften Bahn brach, von einer Vielzahl von Tagungen und Studienkursen begleitet war und, so schon 2003 der italo-amerikanische Literaturwissenschaftler Roberto Dainotto, Züge eines „global business“ annahm, scheint ihren Zenith überschritten zu haben. Und dennoch zeigt sich das heterogene Feld der Mittelmeerstudien weiterhin vital und ertragreich. Wohl mit der größten Beharrlichkeit stellen Anthropologinnen und Anthropologen Forderungen nach „Rethinking the Mediterranean“ (so der Titel des Themenhefts der „Zeitschrift für Ethnologie / Journal of Social and Cultural Anthropology“ 145,1 [2020]; s. a. das Themenheft „Remapping Mediterranean Anthropology“ von „History and Anthropology“ 31,1 [2020]). Aus der Neuesten Geschichte kommen verstärkt Bemühungen, den Mittelmeerraum in die Geschichte der (westlichen) Moderne zu integrieren (s. das Themenheft von „Geschichte und Gesellschaft“ 49 [2023]), um damit die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem „flüssigen Kontinent“ (Gabriel Audisio) ein Stück weit über die Dominanz vor- und frühmoderner Studien hinaus zu öffnen. Auch Claudio Fogu, ein an der University of California in Santa Barbara lehrender Italianist mit Forschungsschwerpunkten in der intellectual history und Kulturgeschichte Italiens, teilt diese Bemühungen, indem er versucht, das „Mittelmeer“ – nicht im Sinne eines physisch-geographischen Raums, sondern als „Mediterranean imagineries“ in deren vielfältigen metaphorischen Bezügen und Verwendungen – in die Geschichte des italienischen nation building, d. h. in den Prozess des „making of Italians“ vom Risorgimento über den Faschismus bis ins Zeitalter der europäischen Integration mit Ausblicken auf die jüngste Vergangenheit einzubringen. Fogu führt die Debatte zum italienischen Süden als kultureller Konstruktion fort, indem für ihn die „Südfrage“ weitgehend identisch mit der „Mittelmeerfrage“ erscheint, und definiert zwei grundlegende Muster netzwerkförmiger Beziehungen, Zugehörigkeiten und Identitäten, die sich über die Jahrtausende währende Geschichte des Mittelmeerraums herausgebildet hätten: zum einen das „Fischernetz“, d. h. die auf die archaische Zeit zurückgehende Matrix der emporia, von Handelskolonien, die er im Anschluss an den Althistoriker Irad Malkin als multidirektionales, dezentrales, nichthierarchisches, grenzenloses, sich selbst organisierendes System versteht, zum anderen das „Spinnennetz“, die Territorialisierung des Mittelmeerraums in Gestalt des von Rom beherrschten und gelenkten Mare Nostrum in der Matrix des Imperium, der von den herrschenden Eliten des vereinten Italien bevorzugten Figur des „making of Italians“. „Italian-ness“, so Fogu, entfalte sich im Oszillieren zwischen den zentripetalen Kräften der „imperialization“ und zentrifugalen, gegen das Imperium gerichteten Energien, die aus den „counter-hegemonic imaginaries“ des emporion erwüchsen (S. 7). Die Einbindung Italiens in „Mediterranean imaginaries“ habe immer als Gegengewicht zu einer rein nationalen Identität gewirkt: so durch die historisch tief verwurzelte Ausrichtung der kollektiven Identität des ehemaligen Königreichs beider Sizilien auf das Mittelmeer, die durch die nationale Einigung gewaltsam gekappt worden sei, aber auch durch die imperiale Logik des von Norden aus betriebenen Einigungsprozesses. In diesem stelle sich die „Besetzung“ des Südens, der in nördlicher Perspektive vielfach wie afrikanisches, mit dem Odium ökonomisch-zivilisatorischer Rückständigkeit bis hin zu rassischer Inferiorität behaftetes Territorium wahrgenommen wurde, als erster Schritt hin zur Errichtung eines auf die Südufer des Mittelmeers ausgreifenden Imperiums dar. Fogu erkundet das Oszillieren zwischen emporion und Imperium in einer Serie essayhafter, meist ideengeschichtlicher, z. T. aber auch Themen wie Ausstellungen, kolonialer Urbanistik und Architektur oder dem ENI unter Enrico Mattei gewidmeten „snapshots“. Diese Kapitel sind in chronologischer Folge aneinandergereiht und werfen immer wieder auch neues Licht auf scheinbar vertrautes Terrain, so mit Blick auf implizite Dimensionen von „mediterraneità“ und „southern-ness“ in D’Annunzios „militant latinism“, seiner Fiume-Aktion oder im Futurismus. Für die jüngste Vergangenheit wartet die Studie mit einem quasi paradoxen Befund auf: Nie, so Fogu in Anschluss an Norma Bouchard und Valerio Ferme, sei das Mittelmeer dermaßen sichtbar in der kulturellen Produktion in Italien gewesen wie in der Ära nach dem Ende des Kalten Kriegs. Zugleich jedoch habe die sich seit Mitte der 1960er Jahre verstärkende Europäisierung der politischen Kultur die Italiener*innen letztlich um das Mittelmeer als zentralen Referenzpunkt gebracht und dabei die Wiederkehr des Mare Nostrum in Gestalt eines mare aliorum heraufbeschworen, als Ort und Objekt der im Zuge des Boom aufblühenden Massenkonsum- und -freizeitkultur, aber auch als flüssigen Grenzraum und Gefahrenzone für unzählige Migrant*innen aus dem „globalen Süden“. Fogus durchaus anregende und perspektivenreiche Studie bewegt sich in festen normativen Bahnen, die letztlich in eine argumentative Sackgasse führen. In einer „geophilosophischen“ Schlussbemerkung bekräftigt der Autor sein bereits eingangs erfolgtes Bekenntnis zu einer affirmativ-positiven Neuausrichtung des „Südens“ als Gegenpol und Antidot zum entfesselten Kapitalismus des „Nordens“ im Sinne von Franco Cassanos „kanonischer“ (S. 259) Schrift „Pensiero meridiano“ (1996). Heutzutage gelte es nicht (mehr) „to make Italians per se“, sondern darum, diese zu Europäern oder Italiener und Europäer in „Mediterraneans“ zu verwandeln (S. 263). Mit dieser programmatischen Aussage wird der normative Subtext der Dialektik von Imperium und emporion nochmals in aller Klarheit deutlich gemacht, nämlich die mit ihr verbundene Einforderung und Verteidigung eines „Südens“, den der Philosoph Francescomaria Tedesco – im Unterschied zum bereits in den 1980er Jahren von Michael Herzfeld in Analogie zu Edward Saids Orientalismus-Konzept formulierten Befund des „mediterraneanism“ als (post-)kolonialem Zerrbild des Mittelmeerraums – als „mediterraneismo“ zweiten Grades, als romantische antikapitalistische Heterotopie bezeichnet hat. Tedescos Essay „Mediterraneismo. Il pensiero antimeridiano“ (2017) fehlt in Fogus ansonsten reichem Literaturverzeichnis, wie man vermuten kann, nicht zufällig.+TABRE+Martin Baumeister

Carolin Kosuch, Die Abschaffung des Todes. Säkularistische Ewigkeiten vom 18. bis ins 21. Jahrhundert, Frankfurt a. M. (Campus-Verlag) 2024 (Campus Historische Studien 84), 604 pp., ill., ISBN 978-3-593-51846-6, € 56.

L’ampio affresco tracciato da Carolin Kosuch affronta un tema complesso e dai contorni mobili: quello del rapporto con l’aspirazione all’eternità elaborato dalla cultura di ispirazione secolaristica in Europa tra la metà del ’700 e i giorni nostri. I quattro capitoli di cui il ponderoso volume si compone propongono un percorso che parte dalla stagione illuministica (della quale viene evidenziato soprattutto il contributo francese), per transitare poi attraverso il lungo Risorgimento dell’Italia laica nel corso dell’Ottocento e del primo Novecento e allargarsi infine al più ampio contesto europeo e mondiale, fino a culminare in una parte finale nella quale l’autrice conduce il lettore nel moderno mercato della ricerca della perpetuazione della vita oltre la morte, nel quale quello che nel volume viene definito come „codice secolarizzato“ si esprime in una varietà di nuove forme di manifestazione, tra le quali, ad esempio, la crionica, di cui vengono illustrate procedure e fortune soprattutto in paesi come gli USA e la Russia. Il filo rosso principale della trattazione, però, è costituito essenzialmente dalla ricostruzione della storia della cremazione, al cui interno nella seconda metà dell’800 l’Italia (in particolare quella del nord) costituì un luogo paradigmatico. In Italia il tema è stato indagato a fondo, nei decenni passati, da studiosi e studiose come Fulvio Conti, Fiorenza Tarozzi, Anna Maria Isastia, Dino Mengozzi, Sergio Luzzatto e, più recentemente, anche da Maria Canella (il cui importante contributo del 2010 l’autrice sembra però non conoscere). Ma il suo inquadramento all’interno del vasto scenario europeo elaborato da questo studio consente ora di apprezzare in tutto il suo spessore la specifica declinazione che esso assunse nella penisola, dove il discorso materialista e secolarizzato sulla morte – di cui la pratica della cremazione costituiva una manifestazione di particolare risonanza – si contrappose con vigore all’egemonia perdurante del cattolicesimo e divenne uno dei cavalli di battaglia di un’Italia laica che mirava a proporsi come portatrice di modernità e di progresso, in antitesi a un tradizionalismo ecclesiastico che in seguito all’unificazione nazionale venne accentuando le proprie rigidità dogmatiche. Progresso significava, in quella parte di Italia borghese (ma non solo borghese) che era affiliata alla massoneria, in primo luogo fiducia nella scienza; ovvero, come l’autrice riassume efficacemente in sede di conclusioni: tecnica invece che natura, scienze naturali invece di teologia, al di qua e non al di là, ricerca invece che credulità, razionalità invece che irrazionalità, ordine invece che caos. E la pratica della cremazione fu uno dei canali di esternazione di un ottimismo secolarizzante massonico che si nutriva di fiducia nelle libere potenzialità umane. Essa fu, al tempo stesso, in ragione della resistenza che allora incontrò da parte ecclesiastica, uno dei terreni di battaglia più emblematici di quello che l’autrice definisce efficacemente come un Kulturkampf; espressione – quest’ultima – ovviamente autoevidente agli occhi del lettore tedesco, ma tutt’altro che di uso corrente nella cultura storiografica italiana per dare il senso del contrasto tra il mondo cattolico e quello laico dopo l’unificazione della penisola. Ricostruendo con puntualità il profilo della „comunità emozionale“ (essenzialmente maschile, e pervasa da un ben percepibile pregiudizio di genere) che si addensò in Italia attorno alla pratica e alla propaganda della cremazione, l’autrice incontra personaggi come, tra gli altri, gli scienziati Moleschott, Gorini, Venini, Mantegazza, Lombroso, l’industriale Alberto Keller – primo italiano a optare per la cremazione – il leader politico socialista Filippo Turati. Quest’ultimo celebrò in versi la nuova ritualità laica della morte, nella sua „Voce del tempio crematorio“, del 1912, rivolgendosi così a chi (la stragrande maggioranza degli abitanti della penisola) veniva inumato in modo tradizionale: „Voi tristi, o morti, che ne l’avel profondo/ da cieco rito sigillati! A Voi/ non giunge il sol …; A voi/ maggio non reca l’alitar giocondo./ Sol fra viscide bave il bruco immondo/ compie nel carcer Vostro i riti suoi,/ deh! Com’è lunga l’agonia del poi,/ stesi inchiodati ne l’avel profondo!“.Tutt’altro il presunto cammino dei cremati oltre la soglia della morte: „Noi de la fiamma il vivido baleno/ solve ad un tratto; noi tessiam carole,/ nomadi emerse al dolce etere in seno“ (p. 380). Rime, certamente, non eccelse per valore poetico; e, tuttavia ben esemplificative della temperie emozionale e del materialismo radicale condivisi dalla minuscola pattuglia dei cremazionisti italiani, la cui galassia l’autrice indaga a fondo nel secondo capitolo, valorizzando la variegata produzione a stampa e l’iconografia che tematizzarono il desiderio di eternità durante la stagione del positivismo. Meno, invece, questo libro ci dice delle modalità della prolungata reazione da parte cattolica, che – al di là del suo significato specifico – individuò nel movimento cremazionista una pericolosa concorrenza alla propria visione del mondo. Va ricordato, come opportunamente fa l’autrice, che solo in tempi relativamente recenti (nel 1965) la Chiesa cattolica si è rassegnata ad ammettere la legittimità della cremazione come possibile pratica funebre.+TABRE+Marco Meriggi

Christof Dipper, Die Entdeckung der Gesellschaft. Sattelzeit in Europa, 1770–1850, Berlin (Vergangenheitsverlag) 2023, 372 pp., ISBN 978-3-86408-311-2, € 24.

Nell’attuale microtomismo specialistico di una ricerca storica spesso plastificata appaiono libri che rappresentano una boccata di ossigeno: è il caso di questa ultima fatica di Christof Dipper, che unisce una salda riflessione metodologica allo scandaglio di questioni di ampio respiro. Rappresenta un chiaro indizio la dedica a Reinhart Koselleck (1923–2006) nel centenario della sua nascita. A Dipper si deve il grande merito di aver applicato una serie di categorie e movenze speculative koselleckiane alla cosiddetta „storia sociale“ (che era il pane comune dello storico negli anni Ottanta e Novanta, oggi certamente meno), e di avere rimesso sui suoi piedi, quasi da Linkshegelianer, la Sattelzeit, il „periodo di sella“ in cui si formano i concetti politici della modernità, strappandola a un terreno esclusivo di storia intellettuale. L’operazione d’altronde era già in nuce nello stesso approccio di Koselleck; inoltre Dipper intende mettere insieme l’oggettività dei processi con la percezione degli attori coevi, due aspetti spesso distinti ma francamente indistricabili. Il titolo è rivelatore: „La scoperta della società“ (Gesellschaft, intesa come caratteristica della modernità rispetto alla premoderna Gemeinschaft): una doppia scoperta, da parte dei contemporanei nella loro percezione del presente e aspettativa di futuro, e da parte dello storico, che nel proprio tempo recepisce e interpreta quel tempo. Il sottotitolo del volume esplicita la koselleckiana Sattelzeit, una categoria forte che sottolinea un passaggio epocale, riproponendo su un piano specificamente storiografico l’interrogativo di fondo alla base della genesi stessa delle scienze umane e sociali in un’altra Sattelzeit, quella fra metà Ottocento e metà Novecento: la questione della essenza della modernità. Il terreno d’osservazione è soprattutto il caso tedesco, che però acquista, attraverso numerosi affondi comparativi, il valore di indicatore di un percorso di cambiamento comune alle società europee. Nella prima parte del libro, che dà il titolo al volume, si ripercorre la cultura tedesca nel periodo 1750–1880 (oltre la definizione classica di Sattelzeit quindi) alla ricerca dell’affermazione del termine Gesellschaft, su un piano che l’autore definisce di Wissensgeschichte, di storia intellettuale possiamo tradurre, dove emerge chiaramente l’interesse koselleckiano al doppio versante dei concetti: semasiologico e onomasiologico. Il fatto che si parli di Wissensgeschichte e non di Begriffsgeschichte indica in ogni caso una prospettiva diversa da quella koselleckiana, poiché lo sviluppo della categoria di Gesellschaft viene seguito all’interno dei saperi colti nella loro interazione con le dinamiche socio-economiche e nella loro stessa capacità di registrarle, tematizzarle, persino guidarle; già nella letteratura esaminata sia chiara la distinzione e al tempo stesso la relazione fra l’emergere di nuovi termini e di nuovi fenomeni. Dipper passa quindi in rassegna un ventaglio davvero molto ampio di autori, più e meno noti, analizzando anche la loro tematizzazione del rapporto fra società, economia, Stato. L’indagine si apre a una solida prospettiva di comparazione, basata sulla constatazione che la „scoperta della società“ è connessa alla soziale Frage, nella scia del processo di industrializzazione. Si evidenzia così una ulteriore dimensione del Sonderweg tedesco nelle sue radici profonde. In ogni caso gli anni Quaranta dell’Ottocento rappresentano un momento di svolta: per la storicizzazione del concetto di società e per la intensificazione del suo uso (come mostrano anche i grafici alla fine del volume). Questa svolta infine è anche la dimostrazione dello strettissimo legame fra aspetto intellettuale, e terminologico, e fra dinamiche politiche e socioeconomiche. La seconda sezione del volume indaga la percezione che i contemporanei hanno del cambiamento in atto: la fonte sono ora non tanto testi di cultura alta, quanto un versante medio di letteratura di viaggio (tedesca e non), pubblicistica varia, manuali, dizionari, e scritti di amministratori e parroci in una fase in cui emerge proprio nell’ambito dell’illuminismo tedesco, la prima statistica, intesa come scienza dello Stato nella sua capacità di controllare i territori. Introduce questa sezione, una robusta riflessione metodologica sulle categorie della ricerca storiografica: „… i risultati della ricerca storica dovrebbero essere fondati e verificati il più possibile sulle affermazioni e i giudizi dei contemporanei, ovviamente letti alla luce della necessaria critica delle fonti. Al tempo stesso non si può certo rinunciare alle categorie e ai concetti delle odierne scienze sociali per dare semplicemente la parola alle voci e alle prospettive coeve, perché si cadrebbe in una serie di aporie … Resta quindi sempre aperta la tensione fra un’ottica storicista consapevole e un non meno consapevole uso di prospettive moderne“ (pp. 108 sg.), campo di tensione alla base di ogni storiografia. Dipper sottolinea come la consapevolezza metodologicamente avvertita dello scarto inevitabile fra le categorie dello storico e quelle del suo oggetto sia un prerequisito imprescindibile della ricerca: questo monito è però stato poco recepito dalla storia moderna e contemporanea e in particolare dalla storia sociale, che, potremmo aggiungere usando un termine marxiano in senso antimarxiano, ha spesso fatto del dato oggettivo un feticcio. A questo proposito Dipper fa esplicito riferimento alla teoria della modernizzazione, a cui „era collegato in origine una visione predefinita dello sviluppo dei sistemi politici“ (p. 105) e che ha prodotto l’uso corrivo di categorie come razionalizzazione, secolarizzazione, individualismo ritenute come autoevidenti. Questa generosa premessa metodologica viene poi affinata da una riflessione sulla periodizzazione, che dimostra attraverso un caso esemplare (quello dei mestieri di sartoria e cucito) il passaggio da una concezione statica e provvidenzialmente determinata dell’ordine sociale a una visione dinamica di situazione determinata dall’uomo, quindi criticabile e riformabile. Il punto di svolta – appunto insieme nella percezione e nei fatti – è rintracciato negli anni Quaranta, gli hungry Forties, con l’emergere drammatico di una questione sociale che produce l’impoverimento dei lavoratori e che si riverbera nelle tensioni del 1848–1949. Di particolare interesse in questa sezione è il tema della nobiltà nel suo graduale passaggio dalla definizione cetuale alla fisionomia di classe, passaggio riflesso anche su un piano letterario (vengono citati Lessing e Schiller). La terza sezione del volume ripropone in versione aggiornata un denso articolo apparso sulla „Zeitschrift für Historische Forschung“ (1996), che definisce attraverso una serie di indicatori, anche quantitativi, il contenuto della transizione da un vecchio ordine gradualmente evanescente a un nuovo stato di cose – tanto che con una categoria applicabile all’insieme delle nazioni europee si può quindi parlare di „società di transizione“, analizzate sul terreno della demografia, dell’agricoltura, dell’attività manifatturiera. Alla fine di questo capitolo, l’autore si interroga sugli esiti ultimi della grande trasformazione esaminata, confrontandola con il mondo attuale: le società di transizione in quest’ottica si rivelano caratterizzate dal più alto tasso di diseguaglianza nella storia. Siamo grati a questo ultimo libro che mette in crisi le pigrizie interpretative, provocando a una ricerca storica teoreticamente consapevole, al tempo stesso lontana da ogni compiacimento speculativo. Perciò è molto interessato l’augurio che facciamo a Christof Dipper: Ad multos libros!+TABRE+Costanza D’Elia

Silvia Cavicchioli/Giacomo Girardi (a cura di), Sfida al congresso di Vienna. Quadri internazionali e cultura politica nell’Italia delle rivoluzioni del 1820–1821, Roma (Carocci) 2023 (Pubblicazioni del Comitato di Torino dell’Istituto per la Storia del Risorgimento Italiano. Nuova serie 50), 359 S., ISBN 978-88-290-2103-1, € 46.

Trotz einer Vielzahl an kleineren Spezialstudien und abgeschlossenen oder noch laufenden Promotionen hat die Zweihundertjahrfeier der italienischen Revolutionen von 1820/1821 keine neue Synthese zum Thema hervorgebracht, auf die viele Interessierte seit Jahrzehnten warten. Vielleicht ist es aber auch an der Zeit, auf nationale Räume beschränkte Darstellungen zu überwinden und größere Räume sowie übergreifende Zusammenhänge historischer Phänomene in den Blick zu nehmen, wie Maurizio Isabella mit seiner neuen globalgeschichtlichen Studie über die 1820er Jahre vorschlägt. Die Turiner Historikerin Silvia Cavicchioli und der Mailänder Historiker Giacomo Girardi jedenfalls haben mit dem vorliegenden Sammelband ein Werk vorgelegt, das sowohl größere internationale Kontexte als auch kleinere regionale Perspektiven berücksichtigt. Wie die Herausgeberin und der Herausgeber in ihrer knappen Einleitung betonen, sollte das revolutionäre Biennium 1820/1821 möglichst multiperspektivisch und auf dem neuesten Stand der internationalen Forschung präsentiert werden. Um es vorwegzunehmen: Diesen Anspruch löst der Band, der auf den Ergebnissen einer internationalen Tagung im Jubiläumsjahr 2021 in Turin und Mailand beruht, zweifellos ein. Die insgesamt 22 Beiträge sind von einer erfrischenden Mischung aus etablierten und jüngeren Historiker*innen geschrieben, die allesamt zu den Expert*innen ihres Themas zählen und durch einschlägige Publikationen hervorgetreten sind. In einem ersten Teil zum internationalen Kontext werden die Ereignisse 1820/1821 aus britischer, deutscher, habsburgischer, französisch-spanischer, griechischer und lateinamerikanischer Perspektive beleuchtet. Der größere zweite Teil zur italienischen Halbinsel beginnt mit zwei Beiträgen zu Revolution und Konterrevolution, bevor aus jeweils fünf oder vier Blickwinkeln bourbonische, habsburgische und sabaudische Kontexte analysiert werden. Viele Aufsätze sind erfreulich dicht aus archivalischen und publizierten Quellen geschrieben, die allermeisten bewegen sich auch auf der Höhe der internationalen Forschung. Sie bieten unterschiedlichste Anknüpfungspunkte für künftige Forschungen: so Luca Addantes generationsgeschichtlicher Ansatz zu den Abgeordneten des Parlaments in Neapel (auch wenn die im Titel suggerierte These „Von Jakobinern zu Carbonari“ ein wenig zu linear gedacht erscheint); oder Laura Di Fiores raum- und sicherheitspolitischer Ansatz, wonach die Revolution von 1820/1821 zu einer Modernisierung der staatlichen Kontrollinstitution Polizei statt reiner Reaktion geführt habe; oder die Analyse der normativen Anfänge der Konfiszierungen und Enteignungen politischer Emigranten in Lombardei-Venetien aus der Feder des Mitherausgebers Giacomo Girardi sowie der thematisch eng verwandte Beitrag von Catherine Brice über die Enteignungen der an der Revolution in Piemont Beteiligten mit umfangreichen Quelleneinblicken. Beeindruckend in seiner breiten zeitlich-räumlichen Perspektive erscheint auch der Aufsatz von Carmine Pinto über „Revolution, Krieg und Nation in Neapel, 1806–1828“, in dem er nicht nur seine These des bürgerkriegsartigen Nachlebens der Revolution von 1820/1821 in Süditalien betont, sondern überzeugend herausarbeitet, wie sich die spanischen und damit auch die süditalienischen Bourbonen von einer transatlantischen Dynastie in der napoleonischen Zeit nach der Revolution 1820/1821 auf den mediterranen Raum konzentrieren mussten. Sicherlich ließen sich für manche – meist sehr vorsichtig formulierten – Befunde auch relativierende Gegenargumente und -beispiele anführen. Mit am stärksten zu kritischen Einwänden regt vielleicht der längere programmatisch-konzeptionelle Beitrag von Vittorio Criscuolo an, dem zwischen der Einleitung und den 22 Fallstudien die Aufgabe zukommt, eine historiographische Bilanz des Zeitalters der Restauration zu ziehen. Dazu an dieser Stelle nur zwei Beispiele: Zum einen erscheint es inkongruent, entgegen der etablierten internationalen Forschung am monolithischen Restaurationsbegriff festhalten zu wollen. Zum anderen hat der Autor offenbar Schwierigkeiten mit deutschsprachigen Begriffen, wie die Gleichsetzung von „landständischen Verfassungen“ mit „costituzioni che prevedessero un’assemblea rappresentativa“ (S. 20) zeigt; unverständlich auch das Ausblenden der monumentalen Metternich-Biographie von Wolfram Siemann in seinem Beitrag und ärgerlich die Bezeichnung der Wiener Schlussakte von Mai 1820 als „Wiener Schlusskarte“ (S. 23). Ein Lapsus wie dieser stellt jedoch im vorliegenden Band die absolute Ausnahme dar. In der Summe ist es Silvia Cavicchioli und Giacomo Girardi gelungen, zahlreichen neuen Aspekten der Forschung zu 1820/1821 Raum zu geben oder ältere Aspekte unter neuen Perspektiven zu betrachten. Damit haben sie ein Werk geschaffen, das alle, die sich mit den Revolutionen von 1820/1821 im Mittelmeerraum beschäftigen, in Ergänzung zu Maurizio Isabellas monumentaler Monographie von 2023 konsultieren sollten.+TABRE+Jens Späth

Pascal Oswald, Giuseppe Garibaldi und die ‚Römische Frage‘. Vom Volturno nach Mentana (1860–1870), Trier (Verlag für Geschichte & Kultur) 2023 (Geschichte & Kultur. Kleine Saarbrücker Reihe 9), 240 S., Abb., ISBN 978-3-945768-36-5, € 29,90.

„Roma o morte“ – die „Römische Frage“ der Einverleibung des päpstlichen Territoriums in das italienische Königreich hatte für das Risorgimento insgesamt und für Giuseppe Garibaldi persönlich existenzielle Bedeutung. Inwieweit Garibaldi seine Eroberungsversuche Roms allerdings mit Unterstützung der italienischen Regierung vornahm und Rückhalt und Legitimation in der römischen Bevölkerung fand, ist nach wie vor strittig. Diesen Fragestellungen nimmt sich Pascal Oswald in seiner Studie in politikgeschichtlicher Perspektive mit Fokus auf die beiden gescheiterten Unternehmungen Aspromonte 1862 und Mentana 1867 an. Oswald schöpft aus einer reichen Quellenbasis, bestehend aus Memorialliteratur, Briefen, zeitgenössischer Historiographie, den Memoiren Garibaldis sowie Memoiren aus Regierungskreisen und insbesondere den Schriften des deutschen Privatgelehrten Ferdinand Gregorovius als besonderem ausländischen Beobachter. Er arbeitet Kontinuitätslinien und Brüche in der frühen Biographie Garibaldis zu Rom heraus und verortet diese vor dem Hintergrund eines aufgrund von „Rückständigkeit“ (S. 47) im Kirchenstaat allgemein aufkommenden Antikatholizismus. Bereits 1860 habe Garibaldi während seines erfolgreichen „Zugs der Tausend“ auf Sizilien und dem damit einhergehenden Sturz der Bourbonenmonarchie Rom zum Ziel erklärt. Ob es sich bei der gescheiterten Unternehmung von Aspromonte 1862 nach Denis Mack Smith um eine „Hofintrige“ (S. 68) zu Lasten Garibaldis handelte, untersucht der Autor minutiös anhand möglicher Verbindungen zwischen der Regierung mit Fokus auf Vittorio Emanuele II. und insbesondere seinem Ministerpräsidenten Urbano Rattazzi zu Garibaldi. Dabei kommt er zum Ergebnis, dass eine militärische Unternehmung nach Dalmatien bzw. Griechenland sehr wohl von der Regierung gefördert wurde. Der Eroberungszug in Sizilien jedoch geschah wohl nicht mit Unterstützung der Regierung, auch handele es sich nicht um ein strategisches Abwarten; das mangelnde Eingreifen der italienischen Regierung gegen Garibaldis Freiwilligenarmee sei eher aufgrund chaotischer Verwaltungsstrukturen vor Ort und der Angst vor einem Bürgerkrieg mit den Garibaldi-enthusiastischen Sizilianern zu erklären. Die Bevölkerung in Rom habe die mehr als 600 km südlich erfolgte Unternehmung vereinzelt mit Sympathie zur Kenntnis genommen, abgesehen von einzelnen Demonstrationen und aufgrund repressiver Maßnahmen der päpstlichen Gendarmerie sei der Einsatz für Garibaldi jedoch nur gering ausgefallen. Bei einem zweiten Anlauf zur Eroberung Roms 1867 und dem daraus erfolgenden Debakel von Mentana agierte die italienische Regierung nach Oswald vor allem vor dem internationalen Spannungsfeld der französischen Unterstützung des Kirchenstaats als Schutzmacht ambivalent: Neben Mitwisserschaft der Unternehmungen Garibaldis gab es verschiedene Unterstützungsleistungen der italienischen Regierung wie Munitionslieferungen und die Förderung innerrömischer gegen den Kirchenstaat agierender Parteien. Angesichts der Gegenwehr Napoleons III. vollzog Vittorio Emanuele II. jedoch einen Kurswechsel und wandte sich offen gegen Garibaldi. Aufgrund mangelnder Unterstützung durch die Bevölkerung Roms, die bedingt durch Anhänglichkeit an den Kirchenstaat, aber auch durch Furcht vor einer größeren Steuerlast im italienischen Königreich kaum über passive Sympathien hinausging, scheiterten einzelne Aktionen der „Rothemden“. Ihre offensichtliche Beteiligung sowie der Kurswechsel 1867 diskreditierten das Ansehen der italienischen Regierung national wie international. Garibaldis mythisch überhöhtem Nimbus als Nationalheld dagegen schadeten die beiden gescheiterten Unternehmungen auf lange Sicht kaum, wie Oswald in einem abschließenden Kapitel herausstellt. Die aus einer Bachelorarbeit hervorgehende Studie überzeugt durch seine luziden Analysen, die Oswald auf einem reichen Quellenmaterial basierend vor dem internationalen Forschungskontext einordnet. Er differenziert dabei zwischen dem Vorgehen der Ministerpräsidenten, allen voran Rattazzis, und Vittorio Emanuele II., was die Blackbox des Regierungshandelns gegenüber zu beleuchten vermag. Nicht eingängig bleibt, warum der Verfasser Gregorovius, der im deutschen Forschungskontext bereits intensiv rezipiert wurde, im Kontext seiner Analysen zu Mentana eine recht ausführliche Studie innerhalb seiner Studie widmet, nur um Gregoroviusʼ Werk am Ende einen „zweitrangige[n] Wert“ (S. 206) gegenüber detailreicheren, originelleren Analysen einzuräumen. Dies vermag den positiven Gesamteindruck der Studie jedoch kaum zu trüben. Mögliche Anknüpfungspunkte zeigt Oswald zudem reichlich auf: Das (bislang unzugängliche) Privatarchiv der Savoyer in Lissabon vermag noch weiteren Aufschluss über das Verhalten Vittorio Emanueles II. zu geben. Zudem böte eine weitergehende Betrachtung der Ministerpräsidenten eine grundsätzlich gewinnbringende Perspektive innerhalb des italienischen Regierungshandelns, wie Oswald dies nun überzeugend bei Rattazzi aufgezeigt hat.+TABRE+Julia Hasselhorn

Olindo De Napoli, Selvaggi criminali. Storia della deportazione penale nellʼItalia liberale (1861–1900), Bari-Roma (Laterza) 2024 (Storia e Società), 368 S., Abb., ISBN 978-88-581-5420-5, € 28.

Die Polizei- und Sicherheitsgeschichte Italiens im 19. Jahrhundert hat (wieder) Konjunktur gewonnen. Nach den Standardwerken von Roberto Martucci und John A. Davis, die bereits in den 1980er Jahren veröffentlicht wurden, sind in den letzten Jahren immer wieder neue Studien sowohl zum Risorgimento als auch zum liberalen Italien erschienen: Laura Di Fiore über die politische Polizei im Königreich beider Sizilien, Carmine Pinto und Alessandro Capone über die Krisenpolitik des neugegründeten Nationalstaates im Kontext des brigantaggio, Marco Aterrano über die Entwaffnung der Zivilbevölkerung, Andrea Azzarelli über Verbrechensbekämpfung und Polizeimodernisierung in Sizilien – um nur einige Beispiele zu nennen. Zu diesem Forschungstrend gehört auch das neue Buch von Olindo De Napoli, das die bisherige nationalzentrierte Perspektive um eine imperiale und koloniale Dimension erweitert. De Napoli zeigt, wie die Debatten über die Deportation von „Briganten“ und anderen kriminellen bzw. kriminalisierten Gruppen mit den imperialen Bestrebungen des neuen Nationalstaates eng verknüpft war. Spätestens in den 1860er Jahren begannen italienische Beamte, Offiziere, Kolonialenthusiasten und Abenteurer, potenzielle Deportationsorte in Afrika, Asien und Lateinamerika zu erkunden. Ziel war es, Strafkolonien zu errichten und damit eine in anderen europäischen Imperien bereits seit Jahrzehnten etablierte Praxis zu übernehmen. Diese Pläne wurden erst um 1900 realisiert, als knapp 200 Häftlinge, die als besonders „degeneriert“ galten, nach Assab in der Kolonie Eritrea deportiert wurden – ein Projekt, das jedoch aufgrund hoher Kosten und der katastrophalen Zustände des Straflagers scheiterte. Damit lässt sich De Napolis Studie auch einem zweiten aktuellen Forschungstrend zuordnen: der globalgeschichtlichen Untersuchung von Deportation, Exil und Zwangsarbeit im langen 19. Jahrhundert. Als Quellen nutzt De Napoli klassische Materialien einer kulturhistorisch erweiterten Politikgeschichte. Im Mittelpunkt stehen parlamentarische Debatten sowie Presse- und Publizistikquellen, ergänzt durch eine beeindruckende Menge an Archivmaterial – insbesondere Quellen aus den Ministerien, aber auch aus Privatarchiven sowie dem Archiv der Società Geografica Italiana. Zeitlich bewegt sich die Untersuchung zwischen der Gründung des italienischen Nationalstaats und dem späten 19. Jahrhundert. Dies ist sinnvoll, da der Autor klar aufzeigt, dass erste Überlegungen und konkrete Pläne im Kontext der Bekämpfung des Brigantaggio in den 1860er Jahren begannen. Zu diesem Zeitpunkt verfügte Italien über keine eigenen Kolonien, sodass wiederholt zur Debatte stand, von anderen Kolonialmächten eine Konzession für den Bau eines Straflagers zu erwerben. In diesem Zusammenhang wurden auch mehrfach konkrete Verhandlungen geführt. Eine herausragende Leistung von De Napolis Arbeit ist die Vielzahl der von ihm ausfindig gemachten Deportationspläne – sie erstrecken sich von Grönland bis Argentinien, von Marokko bis Borneo. Die Studie endet mit dem desaströsen Scheitern des Projekts in Assab im Jahr 1900. Die Geschichte der Deportationen erreichte jedoch nach der Eroberung Libyens sowie vor allem während der sogenannten Pazifizierung der Kolonie um 1930 einen Höhepunkt. Diese nächste Phase hätte beispielsweise im Rahmen eines Ausblicks thematisiert werden können. Die Besonderheit des italienischen Falls im internationalen Vergleich lag in der Gleichzeitigkeit von Deportationen aus und in die Kolonien. Italien entwickelte das Instrument der internen Deportation („Zwangsaufenthalt“, domicilio coatto) zunächst für süditalienische „Briganten“ und „Camorristen“, später auch für Anarchisten. Parallel dazu wurden jedoch auch „Rebellen“ aus den ostafrikanischen Kolonien und ab 1910 insbesondere aus Libyen in Straflager auf süditalienischen Inseln deportiert. In diesem Ausmaß war die Deportation aus den Kolonien nach Europa ein Unikum unter den europäischen Imperien des späten 19. Jahrhunderts, die primär Strafkolonien in Übersee verwendeten. De Napoli zeigt, dass diese Praxis auch in Italien immer wieder kontrovers diskutiert wurde, jedoch blieb das Experiment in Assab die einzige konkrete Umsetzung. Die Debatten und Pläne zur Deportation nach Übersee sollten dennoch auch für die italienische Fallstudie nicht unterschätzt werden, denn sie befeuerten unmittelbar nach der Nationalstaatsgründung koloniale Fantasien und stützten die imperiale Expansion durch ein dreifaches Argument: Erstens galt es, das „Mutterland“ von „degenerierten“ Elementen zu befreien; zweitens sollten diese durch Arbeit und Isolation in den Kolonien „regeneriert“ werden; drittens sollten die als „wild“ verstandenen Räume, in denen Strafkolonien errichtet wurden, durch europäische Arbeit zivilisiert werden. Diese Beobachtungen verdeutlichen die enge Verknüpfung von sozialer Disziplinierung, nationaler Integration und imperialer Expansion im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Die zentralen Ergebnisse dieser Arbeit sind nicht gänzlich neu oder unerwartet, doch ihre quellenbasierte Detailtiefe stellt zweifellos eine erhebliche Bereicherung für aktuelle Forschungsdebatten dar.+TABRE+Amerigo Caruso

Victoria de Grazia, Der perfekte Faschist. Eine Geschichte von Liebe, Macht und Gewalt. Aus dem amerikanischen Englisch von Michael Bischoff, Berlin (Wagenbach) 2024, 508 S., Abb., ISBN 978-3-8031-3739-5, € 39,10.

Das Buch ist eine Biographie von Attilio Teruzzi (1882–1950), einem der ranghöchsten Politiker im faschistischen Italien, und zugleich „eine Erkundung des moralischen Lebens unter der faschistischen Herrschaft“ (S. 13), wie es sich in Teruzzis gescheiterter Ehe mit der aus reichen Verhältnissen stammenden amerikanisch-jüdischen Opernsängerin Lilliana Weinman manifestierte. Teruzzi diente seinem Duce im Laufe der Zeit in verschiedenen Funktionen: als General, Vizeparteisekretär, Abgeordneter, Gouverneur in der Kyrenaika, Stabschef der faschistischen Miliz, Unterstaatssekretär im Kolonialministerium und seit dem 30. Oktober 1939 als Kolonialminister. Als Mussolini im Februar 1943 sein Kabinett ein letztes Mal umbildete, blieb Teruzzi als einziger im Amt, vielleicht, so legt es jedenfalls eine Bemerkung von Mussolini nahe, weil er nach dem Verlust der Kolonien politisch keine Rolle mehr spielte. Später bekannte sich Teruzzi zur „Italienischen Sozialrepublik“, in der er jedoch kein Amt mehr ausübte. Er war kein Fanatiker. In der Frühphase des Faschismus, dem Squadrismus, versuchte er, zwischen den einzelnen Fraktionen zu vermitteln, Exzesse zu verhindern „oder sie schlimmstenfalls mit frechen Lügen [zu] decken“ (S. 83). Als Kolonialminister vertrat er Anfang 1940 im Gegensatz zum Vizekönig Amedeo Herzog von Aosta die Auffassung, Italienisch-Ostafrika sei nicht in Gefahr, wenn Italien an der Seite Deutschlands zu den Waffen greife. Die Autorin vermutet, dass er mit dieser optimistischen Einschätzung erheblichen Einfluss auf Mussolinis Entscheidung hatte, Großbritannien und Frankreich am 10. Juni 1940 den Krieg zu erklären. Zu Teruzzis hervorstechendsten Eigenschaften gehörte sein „Geschick, eine scheinbar grenzenlose Vielzahl ziviler, politischer und militärischer Verbindungen für alle erdenklichen Zwecke zu nutzen, den Leuten seinen Rang, seine Macht und die ihm zugänglichen Mittel vor Augen zu führen und sie zu einem Geben und Nehmen nach ihren jeweiligen Möglichkeiten zu bewegen“ (S. 323). Zudem war er in der Öffentlichkeit sehr präsent, die ihn als gerarcone, also als „großen Hierarchen“ (S. 236) wahrnahm. Das führte dazu, dass die Partisanen am Ende des Krieges einen Mann töteten, den sie irrtümlich für Teruzzi hielten, und ihn gemeinsam mit den Leichen von Mussolini und seinen Getreuen auf dem Piazzale Loreto in Mailand zur Schau stellten. Der echte Teruzzi wurde auf der Autofahrt in Richtung Schweiz festgenommen und in Mailand zu einer dreißigjährigen Haftstrafe verurteilt, die schließlich auf viereinhalb Jahre reduziert wurde. Bei Gericht hatten sich mit einer fragwürdigen Ausnahme keine Belastungszeugen gemeldet, vielleicht, so vermutet die Autorin, weil viele Mailänder von Teruzzis Verbindungen profitiert hatten. Bemerkenswert ist, dass Teruzzi Freimaurer war und damit eines der größten Feindbilder im Faschismus verkörperte. Zudem wusste er im Laufe seines Lebens zwei Frauen mit jüdischen Wurzeln an seiner Seite. Allem Anschein nach hat beides seiner politischen Karriere nicht geschadet. Während die Autorin Teruzzis Logenzugehörigkeit – vielleicht in Ermangelung von Quellen – nicht weiter analysiert, stellt sie seine Ehe mit Lilliana Weinman in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung und entwickelt daraus ein Sittenbild von der Stellung der Frau im faschistischen Italien. Im Jahr 1926 fungierte Mussolini bei Teruzzis Heirat mit Lilliana als Trauzeuge und ließ ihn wissen: „Ich bin froh, dass Sie eine Amerikanerin heiraten. Englische Frauen sind hässlich, französische sind pervers, spanische bringen uns Unglück, und mit Amerika kommen wir gut zurecht. Es sind auch ein paar Dollars da, das kann nicht schaden“ (S. 139). 1929 wurden Teruzzi Briefe zugespielt, die seine Frau kompromittierten. Fortan bemühte er sich um die Auflösung seiner Ehe. Mussolini hatte allerdings in den Lateranverträgen vom 11. Februar 1929 die Forderung des Heiligen Stuhls akzeptiert, dass die Kirche allein über die Auflösung einer Ehe entscheiden könne. Als Mussolini den Papst mit seiner Rassenpolitik herausforderte, hielt die Kirche mit besonderem Nachdruck an der Unauflöslichkeit der Ehe fest. Teruzzis Verfahren zog sich bis in den Februar 1948 hin, als das Kirchengericht „die Nichtigkeit der in Frage stehenden Ehe“ (S. 434) und damit Teruzzis Eheauflösungsklage zurückwies. Dies überschattete sein Verhältnis zur Jüdin Yvette Blank, die Teruzzi 1937 kennenlernte, mit der er eine Tochter bekam, die bei seiner Verhaftung zugegen war und die ihn bis an sein Lebensende begleitete. Teruzzi hatte zahlreiche Affären und ein sehr spannungsreiches Verhältnis zu Lilliana und später Yvette, das die Autorin akribisch rekonstruiert und als Beleg für die patriarchale Struktur der faschistischen Gesellschaft anführt. Insgesamt ist das Buch höchst interessant und wirft aus feministischer Perspektive ein neues Licht auf die Geschichte des Faschismus. Die Autorin hat zahlreiche Archivmaterialien ausgewertet, darunter die „Lilliana Weinman Teruzzi Papers“, die heute im YIVO Institute for Jewish Research in New York City aufbewahrt werden. Nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Begriff „Morality“ aus dem Titel der englischen Originalausgabe in der deutschen Fassung durch „Gewalt“ ersetzt wurde.+TABRE+Michael Thöndl

Michele Mioni, Riforma sociale, lotta al fascismo, suggestioni corporative. La Confederazione Generale del Lavoro in Italia e in Europa, 1918–1927, Pisa (Pacini) 2023 (Contemporary 11), 215 S., ISBN 979-12-5486-180-6, € 21.

Die Geschichte wird der allgemeinen Ansicht nach von den Siegern geschrieben. Das scheint auch für den Kampf um die Deutungshoheit über die Vergangenheit der italienischen Arbeiterbewegung zu gelten. Denn hier dominierten spätestens seit den 1960er-Jahren die Narrative der Kommunistischen Partei (PCI, zuvor PCd’I). Aufgrund ihrer Rolle in der Resistenza wurde rückwirkend auch das eigene Verhalten während der Zeit des Aufstiegs des Faschismus glorifiziert und das Vorgehen der Parteien des Aventin, vor allem auch der Sozialisten und reformistisch ausgerichteter Organisationen der Arbeiterbewegung, so des Gewerkschaftsbunds der Confederazione Generale del Lavoro (CGdL), nicht selten entlang eines Narrativs von „sconfitta“ und „tradimento“ (S. 16) erzählt. Im günstigsten Fall ging man von Opportunismus oder Naivität reformistischer Gewerkschafter in Anbetracht des Faschismus aus, so der kommunistische Historiker Carlo Cartiglia in den 1970er-Jahren in Bezug auf den ersten Generalsekretär des CGdL Rinaldo Rigola. Vor diesem Hintergrund nimmt sich nun Michele Mioni vor, die überkommene Perspektive auf die Führungsriege der CGdL in seiner Studie „Riforma sociale, lotta al fascismo, suggestioni corporative. La Confederazione Generale del Lavoro in Italia e in Europa, 1918–1927“ auf der Basis zuvor nicht ausgewerteter, da lange nicht zugänglicher Quellenbestände, wie beispielsweise dem „Fondo Ludovico D’Aragona“, zu überprüfen: Ist der Vorwurf der Kollaboration mit den Faschisten berechtigt oder handelt es sich um ein „pregiudizio storiografico“ (S. 7)? Immerhin gingen aus der Führung der CGdL nach deren Selbstauflösung 1927 im Zusammenhang mit den leggi fascistissime zu Gunsten einer faschistischen Nachfolgeorganisation nur die wenigsten ins Exil (S. 12 f.). Dabei geht es ihm auch darum, die von der Führung der CGdL vertretenen Positionen in die internationalen Debatten dieser Zeit zur sozialen Fürsorge und zum Auf- bzw. Ausbau des Sozialstaates einzuordnen, und um die Frage nach möglichen Konvergenzen, aber auch Unterschieden zwischen reformistischen und faschistischen Standpunkten auf der Suche nach einem „dritten Weg“ zwischen ungezügeltem Kapitalismus und Sowjetkommunismus. Dies wirft nicht zuletzt die Frage nach der vom faschistischen Regime behaupteten Originalität seines wirtschaftspolitischen Modells auf. Den langen Entwicklungslinien folgend zeichnet Mioni zunächst nach, wie sich die Positionen der CGdL seit ihrer Gründung 1906 in einer gewissen Kontinuität zur Ära Giolitti, einer Phase der Institutionalisierung staatlicher Sozialfürsorge, während des Weltkriegs und des biennio rosso entwickelten. Vergleichsweise offen wurden mögliche Alternativen zum heutigen Sozialstaat, wie beispielsweise eine berufsspartengebundene oder dezentral organisierte Sozialversicherung diskutiert. Dabei versuchte die CGdL sich auch vor dem Hintergrund der Radikalisierung der Zeit und der Spaltung der Arbeiterbewegung unabhängig vom PSI und unabhängig von revolutionären Umsturzphantasien zu positionieren und die Interessen der Arbeiterschaft auf legalem Wege und vergleichsweise pragmatisch zu vertreten. Im zweiten Kapitel werden diese Fragen im Kontext der tief gespaltenen internationalen Arbeiterbewegung zwischen den Positionen der Zweiten Internationalen und der Dritten, Kommunistischen Internationalen verortet. Die CGdL stand hier vor allem vor dem Problem, sich in einer zunächst noch schwer zu überblickenden Situation zu positionieren und innerhalb des linken Spektrums nicht in die Isolation zu geraten, während ihre Mitglieder und Niederlassungen zugleich Ziel der squadristischen Gewalt wurden. Im frühen Faschismus sahen sie, ganz ähnlich der kommunistischen Doktrin, zunächst fälschlicherweise nur einen Ausdruck der kapitalistischen Reaktion und einen Handlanger der besitzenden Klassen. Diese Fehleinschätzung ist auch für das dritte Kapitel relevant, in dem Mioni die Position des CGdL zwischen Widerstand und Kollaboration absteckt. Die Frage, ob man mit der seit 1922 im Amt befindlichen neuen faschistischen Regierung in Sachfragen zusammenarbeiten könne, obwohl man eine vollkommen unterschiedliche Vision einer künftigen Gesellschaft vertrat, wurde innerhalb des Verbandes unterschiedlich aufgefasst. Hier hegten einige die Hoffnung einer vergleichsweise apolitischen Vertretung von Arbeiterinteressen, was jedoch spätestens mit der Abschaffung des Streikrechts und der Freiheit der Gewerkschaften 1926 endete. Dass Vertretern der CGdL eine „lettura completamente sbagliata della natura ‚politica‘ del regime“ (S. 167) angekreidet werden muss, stellt interessanterweise eine Parallele zur Position des PCd’I dar, wenngleich sich dies im Falle letzterer anders, nämlich in der Übergeneralisierung des Faschismusbegriffs durch die Kommunisten vor ihrem Wechsel zur Volksfrontstrategie niederschlug. Einer solchen Übergeneralisierung, die sich auch in überkommenen historiographischen Narrativen spiegelt, nicht auf den Leim zu gehen, sondern sie in überaus differenzierter Kleinarbeit einer Neuanalyse zu unterziehen, ist das Verdienst Mionis. Indem er seinen Forschungsgegenstand aus den rein nationalen Perspektiven löst und in den transnationalen Kontext der großen Debatten um Sozialstaatlichkeit einordnet, liefert er eine neue, erhellende Sicht, wobei nur gelegentliche Redundanzen aufgrund dieses analytischen Zuschnitts leicht störend wirken. Dass gleichzeitig die Dichotomie von Faschismus und Antifaschismus im Bereich der Sozialpolitik aufgebrochen wird, führt zu entideologisierten, an Strukturen orientierten Erkenntnissen und wirft ein Schlaglicht auf den eklektischen Charakter des Faschismus.+TABRE+Eva Müller

Marco Armiero/Roberta Biasillo/Wilko Graf von Hardenberg, Mussolini’s Nature. An Environmental History of Italian Fascism, translated by James Sievert, Cambridge, Massachusetts (The MIT Press) 2022, 262 S., ISBN 978-0-262-54471-9, US$ 30.

Es ist nicht ganz leicht, das vorliegende Buch zu beschreiben. Es geht um die Umweltgeschichte des italienischen Faschismus, aber es ist keine Synthese im eigentlichen Sinne. Der Band, der im gleichen Jahr im italienischen Original bei Einaudi erschien, lässt sich am ehesten als gesinnungsstarke Zusammenschau ausgewählter Einzelthemen bezeichnen. Die kurze Einleitung liefert keine Begründung der Themenwahl, sondern nur eine emphatische Absage an enzyklopädische Absichten. Allgemein wird auf andere Forscher*innen verwiesen, spezifisch erwähnt wird hingegen Anna Bramwell, was insofern überrascht, als ihre Thesen schon vor Jahrzehnten als billige politische Provokation zurückgewiesen worden sind (ein Urteil, das hier nicht angefochten wird). Auffallend ist, dass alle drei Autor*innen nach Studien- und Promotionszeiten in Italien inzwischen in anderen europäischen Ländern arbeiten. Armiero war zum Zeitpunkt der Drucklegung noch an der KTH in Stockholm und lehrt inzwischen in Barcelona, Biasillo ist Professorin für Politikgeschichte an der Universität Utrecht, und Hardenberg forscht an der Humboldt-Universität Berlin. Über die Art der Zusammenarbeit schweigen sich die Autor*innen aus, nach der Lektüre drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass hier munter Textbausteine zusammenmontiert wurden. Darauf deuten nicht nur der fragmentarische Charakter der Darstellung hin, sondern auch eine frappierende Unschärfe des Erkenntnisinteresses. Mit nicht unbeträchtlicher Überraschung musste der hiesige Rezensent feststellen, dass als Vorbild für die „series of vignettes“ eine „environmental history of Nazism“ dient, die er angeblich geschrieben hat (S. 7). Tatsächlich ist der Band „The Green and the Brown“ von 2006 eine Geschichte des Naturschutzes als sozialer Bewegung und staatlicher Praxis und gerade keine Umweltgeschichte der NS-Zeit, obwohl es damals einen gewissen Druck der Reihenherausgeber in dieser Richtung gab. Ich befürchtete seinerzeit, dass eine Gesamtdarstellung ziemlich rasch Richtung Gemischtwarenladen gehen würde, und darin kann ich mich nun nach zwei Jahrzehnten umfassend bestätigt sehen. Der vorliegende Band diskutiert Benito und Arnaldo Mussolini, die Landgewinnung in den Pontinischen Sümpfen und die Verehrung des ruralen Lebens, Rassismus und Militarismus der Faschisten, die „Weizenschlacht“, Autarkie, Staudammbau, Holzgasgeneratoren und Kohlenbergbau, Naturschutz und Nationalparks, den italienischen Siedlerkolonialismus und den Umgang mit den baulichen und landschaftlichen Hinterlassenschaften seit 1945, stets bekenntnisfreudig und mit spürbarer Unlust, die eigene Darstellung in einen Dialog mit den Veröffentlichungen und Thesen anderer Wissenschaftler*innen zu bringen. Es gibt langatmige Inhaltsangaben von Quellen und dann plötzlich hastige Bemerkungen, die rasch zum nächsten Thema springen, und nicht selten wirkt der Verlauf der Erzählung rätselhaft. Warum beginnt das erste inhaltliche Kapitel zum Beispiel mit einer ausführlichen Paraphrase von zwei Mussolini-Biographien, denen jeder wissenschaftliche Anspruch abgeht: nämlich Margherita Sarfattis autorisierter Biographie von 1925 und den Erinnerungen seiner Frau Rachele von 1948? Nicht selten wird die spürbare Präferenz für ideengeschichtliche Aspekte übermächtig, etwa wenn die Darstellung ausführlich das Verhältnis von Autarkie und Holzgas thematisiert, aber am Ende unklar bleibt, in welchem Umfang die Technik eigentlich wo eingesetzt wurde. Eine gewisse Konstante ist die Entlarvung von Propaganda, die Kritik faschistischer Ideologeme und Leistungen und das Bestreben, Ähnlichkeiten mit heutigen ökologischen Anliegen kleinzureden. Vergleiche mit anderen faschistischen Regimen oder mit anderen Gesellschaften werden gelegentlich angedeutet, aber nicht systematisch verfolgt. Insgesamt erinnert das Buch an die Frühzeit der umwelthistorischen Forschung, als es noch kaum Literatur gab und Wissenschaftler*innen erst einmal einfach drauflos schrieben. Das Ergebnis war seinerzeit eine muntere Mixtur aus Lesefrüchten, Beobachtungen und ersten Thesen, und wenn dann auch noch die Bekenntnisse stimmten, kam man damit ganz gut durch. Heute liest man das vorliegende Buch am besten als lockere Tour d’Horizon zu diversen Aspekten der Umweltgeschichte des faschistischen Italiens. Frappierend ist abschließend, wo das Mitteilungsbedürfnis der Autor*innen an seine Grenzen stößt. Hier wird der Faschismus in seiner Epoche diskutiert, und die Frage, wie sich der heutige Rechtspopulismus zu Mussolinis Faschismus verhält, bleibt außerhalb des Blicks – vielleicht abgesehen davon, dass das Buch den Antifaschisten gestern, heute und morgen gewidmet ist. So bleibt dieses Buch nicht nur historiographisch, sondern auch mit Blick auf die heutigen Herausforderungen hinter seinen Möglichkeiten zurück.+TABRE+Frank Uekötter

Michael Thöndl, Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi, die „Paneuropa-Union“ und der Faschismus 1923–1944, Leipzig (Leipziger Universitätsverlag GmbH) 2024, 238 S., ISBN 978-3-96023-588-0, € 36.

Richard Graf Coudenhove-Kalergi ist eine beliebte Figur in Geschichten der europäischen Integration. Die von Coudenhove-Kalergi bereits in der Zwischenkriegszeit gegründete „Paneuropa-Union“ wird dort in eine Linie mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der heutigen Europäischen Union gestellt. Dementsprechend wurde die Person Coudenhove-Kalergi auch bereits mehrfach biographisch beforscht (Ziegerhofer 2004; Conze 2018). Michael Thöndl weiß um diese Forschung – explizit führt er seinen Beitrag als ergänzend ein (S. 19). Coudenhove-Kalergis Auseinandersetzung mit Mussolini und dem italienischen Faschismus sei noch nicht ausreichend untersucht worden. Das Buch erzählt – stets nah an den Quellen – von Thöndls Archivfunden zu diesem Thema. Aus elf Archiven in vier Ländern hat er einiges zusammengetragen, zudem veröffentlichte Quellen ausgewertet. Thöndls Forschung belegt die zeitweise Nähe Coudenhove-Kalergis zum Faschismus. Die Jahre 1933–1936 nennt Thöndl „die Zeit des Faschistischen Paneuropas“, in diesen Jahren „setzte [Coudenhove-Kalergi] ganz auf Mussolini“ (S. 208). Es wird klar, dass die Demokratie keine notwendige Zutat in Coudenhove-Kalergis Europäismus war, viel wichtiger war ihm beispielsweise der Antibolschewismus. Schon ab 1923, ein Jahr nach Gründung der Paneuropa-Union, bemühte sich Coudenhove-Kalergi um die Einbindung italienischer Faschisten in seine Bewegung. Ab 1933 zitiert Thöndl dann mehrere Quellen, die eine ideologische Annäherung an den Faschismus belegen, die sich nach einer Audienz bei Mussolini und nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland entwickelte. Coudenhove-Kalergi sei es um europäischen Ausgleich zwischen den Demokratien und dem Faschismus „im Wege einer Faschistisierung der Demokratien“ (S. 84) gegangen, unter Ausschluss von NS-Deutschland. Das faschistische Italien reagierte auf diese Avancen indifferent und pragmatisch, wobei Coudenhove-Kalergi immer wieder vorgehalten wurde, seine Konzeption entspreche letztlich französischen Interessen. Coudenhove-Kalergis Verteidigung der italienischen Aggression gegen Abessinien nutzte die faschistische Propaganda natürlich gerne. Nach 1936/1937 kam es zu einem Bruch. „Abrupt“ (S. 210) brachen Coudenhove-Kalergis Kontakte zu italienischen Faschisten ab – Thöndl weist auf Meinungsdifferenzen in der Frage der „Neuordnung des Donauraums“ und infolge des Buches „Totaler Staat – Totaler Mensch“ hin, in dem Coudenhove-Kalergi zwar auch noch äußerst ambivalent mit dem Faschismus umging, aber letztlich die Demokratie vorzog. Das Buch wurde in Italien verboten. Im Schweizer und amerikanischen Exil befasste sich Coudenhove-Kalergi schließlich immer weniger mit Italien und wechselte „endgültig in das antifaschistische Lager über …“ (S. 193). Thöndl erzählt dies größtenteils chronologisch – nur das siebte Kapitel („Italienische Faschisten im Umkreis von Paneuropa“) bricht das auf. Gleichzeitig ist dieses das bei weitem längste Kapitel, das knapp ein Drittel des Buches ausmacht. Das Kapitel ist selbst fünffach untergliedert, es ergibt sich eine Liste von fünf solchen „Faschisten im Umkreis von Paneuropa“: Asvero Gravelli, Guido Manacorda, Oscar Ebner von Ebenthall, Franco Angelini und Julius Evola, eine Auswahl, die sich wohl aus den Quellen ergab. Am interessantesten sind dabei die Abhandlungen zu Gravelli, dessen Zeitschrift „Antieuropa“ sich zunächst antithetisch auf „Paneuropa“ bezog, wonach sich aber ein durchaus ambivalenter Dialog entwickelte. Thöndl erzählt Coudenhove-Kalergis Werben um den Faschisten nach, auf das Gravelli nur teilweise einging und stets darauf bestand, eine wahre europäische Einigung müsse auf geteilten (faschistischen) Werten basieren. Die anderen vier Faschisten werden deutlich knapper bearbeitet. Untereinander bleiben die fünf Faschisten-Unterkapitel unverknüpft und auch insgesamt trennt die Abhandlung einzelner Faschisten in abgesonderten Kapiteln die dortigen Befunde vom Argumentationsfluss. Die reiche Dokumentation ist sicherlich die größte Stärke der Arbeit. Gleichzeitig stehen die vielen Quellenfunde bisweilen isoliert da. Auch wünscht man sich, der Autor wäre über den eigenen Anspruch hinausgegangen, vorherige Arbeiten zu ergänzen. Was bedeutet Coudenhove-Kalergis Nähe zum Faschismus für dessen Gesamtbewertung? War es eine abgeschlossene „Episode“ (S. 210) oder lassen sich in seinem Denken nicht doch einige Kontinuitäten vorfinden, denen sich nachgehen ließe? Den Angriff Italiens auf Abessinien beispielsweise rechtfertigte er mit einem kolonialistischen Konzept von „Eurafrika“, das auch noch in der Nachkriegszeit und jenseits faschistischer Politik wirkmächtig war. Auch fragt man sich, wie vergleichbar Coudenhove-Kalergis Kontakte nach Italien zu dessen (immer wieder als besonders gut angetipptem) Netzwerk beispielsweise in Frankreich waren. Und schließlich ließe sich auch die Frage stellen, ob nicht der Faschismus und dessen Europäismus vor dem Hintergrund der Quellenfunde in neuem Licht erscheinen. An dieser Stelle wäre zum Beispiel eine Auseinandersetzung mit den Überlegungen Roger Griffins interessant gewesen (Roger Griffin, „Europe for the Europeans. Fascist Myths of the European New Order 1922–1992“, in: Matthew Feldman [Ed.], A Fascist Century. Essays by Roger Griffin, Preface by Stanley G. Payne, Basingstoke 2008, S. 132–180). Thöndls Analyse hätte von solchen Einordnungen profitiert. Wer sich für Coudenhove-Kalergis Verhältnis zum italienischen Faschismus interessiert, wird in diesem Buch einen ausführlichen Gang durch die relevanten Quellen vorfinden.+TABRE+Alexander Hobe

Angela Ida De Benedictis (Ed.), Utopia, Innovation, Tradition. Bruno Maderna’s Cosmos, Woodbridge, Suffolk (Boydell & Brewer Ltd) 2023 (Paul Sacher Foundation), 480 pp., ill., ISBN 978-1-83765-030-9, GBP 25.

In the introductory paragraph, editor Angela Ida De Benedictis introduces the notion of network. Indeed, this volume of essays presents Maderna’s work as the dynamical navigating of an evolving network of people, technology, ideas, cultural infrastructure, visions of future and past – a network that has no hierarchy of orientation. Later in the book we are reminded of Massimo Mila’s description, much closer to Maderna’s life, of his work as a „selva foltissima“ –itself perhaps an allusion to the „folto giardino“ of „Le Nozze di Figaro“. Maderna’s work with the operas of Mozart will emerge as an important pillar. Loops are everywhere. A strange, variable telescoping of time emerges from the sequence of essays. Maderna seems both almost of our own time in his practice, and yet rooted in a barely recognisable cultural world. The materials occupy an analogous position: sufficiently complete to afford detailed study, but entirely on paper, tape and vinyl – a musicological Goldilocks state. Questions of authorship, intention and canonical form, posed at the start of the editor’s own initial chapter, run through the collection of essays. Notions of openness or mobility, of the „extemporised“ or performative, of the continuity of the development of his thought or identity of works, remain much more problematic for musicologists than they seem to have been for Maderna the musician. Taken together, these different perspectives constitute a study of musical decision-making, its parameters, processes and priorities. Maderna’s decision-making appears as detailed, exigent and precise – never formalist, arbitrary or capricious. It is always as close to performance as possible: dynamic and contingent. Perhaps Maderna stands as an early example of the natural state of the contemporary musician, rather than any kind of exception. The volume opens with a case study in undecidability: the ordering of elements in Maderna’s multifarious „Satyricon“, composed in stressful circumstances as his life drew to its end. De Benedictis’s own scrupulous detective work leads to the clear conclusion that beyond Maderna’s chosen sequence for the première, no canonical order should be identified. The „freezing“ of one particular order of components is an artefact of publication. Nicola Scaldaferri’s exposition of the „Tempo Libero I & II / Julliard Serenade / Pièce pour Ivry“ aggregate of 1970–1971 further illuminates the „thick forest“ of Maderna’s practice. The chapter is one of the richest in terms of its presentation of material. It also contains some undisguised clues to issues that clearly remain more problematic now than they were for Maderna. There is a reference to „Tempo Libero I“ being counted „as a real musical composition“. Space constitutes „an authentic compositional parameter“. Despite its heterogeneity, „Giardino religioso“ does not „fall within the context of an attempt at experimentation“. The centrality of text becomes a theme in this volume. Benedetta Zucconi provides a detailed study of word-setting in „Satyricon“. This close examination of Maderna’s choices provides original insight into the fine grain of his compositional practice. Despite some strange conclusions on pronunciation and accent, it opens up a valuable path to this central music-text dynamic of Maderna’s work, which subsequent authors show to be deeply rooted in his study and early development. Deep affinity with music-theatre engendered in Maderna a sense of the concert platform as a stage, as a space for the disposition of musical characters. Carlo Ciceri looks at the late orchestral works from this perspective. He notes „little evidence of an a priori structuring of the spatialization of the musical materials“; Maderna’s experience as a conductor would have taught him the irrelevance of such specific planning independently of a specific physical context. Liveness pervades Maderna’s practice. His acute awareness of performativity is the subject of Pascal Decroupet’s essay on „The Unity of Musical Practice“, which in some ways stands at the centre of the debate. The chapter itself has a certain dispersiveness, despite its title, but discussions of variant recordings by Maderna – of his own „Biogramma“ and of Earle Brown’s „Available Forms I“ – are particularly valuable. In an early essay Maderna establishes his breadth of field by quoting Montaigne: „the bees, that also plunder from the flowers here and there, but afterward they make of them honey, which is all theirs“. Michele Chiappini explores what he sets up as a polarity of writing and interpretation with some fascinating examples. The very awkwardness of this theorising points to an inappropriateness of concepts, but the friction is illuminating. In the same essay, Maderna insists (following Picasso this time) that as an artist, „I create“ is the crucial term. We are left with the conviction that this is precisely his ethos in every varied circumstance of musical activity, and that in Maderna the binary of this chapter dissolves. Zucconi confirms this unity of practice, while acknowledging the difficulty that his dual career presented for critics at the time. Mozart was central for Maderna, and she leads us through his notes for performances of operas, particularly „Don Giovanni“. Maderna produced graphical analyses of the opera as a whole: in terms of timbre, orchestration, and the degree and nature of vocalists’ interventions. These could equally be form-schemes for his own works; this material reinforces a sense of the theatre as the foundational space of Maderna’s musical imagination. Leo Izzo’s useful chapter on Maderna’s collaborations in cinema opens up another axis: his relationship with musical cultures beyond the concert hall or avant-garde. Any initial dichotomy – musica funzionale was Maderna’s early term – dissolves in later collaborations. Indeed, his technical craft in popular styles is essential to „Satyricon“. The contemporary, living nature of any music that came into Maderna’s hands is made evident in Izzo’s examination of his arrangements of popular song – from the folkloric to the commercial. Maderna’s technical skill, imagination and awareness of styles become clear, but also the seriousness, the dignity that he accords each song. Articulating the chapters of this volume must have been a challenge, when each is a different perspective on the indivisibility of Maderna’s work. When we get to a section called „Across borders: the conductor and the interpreter“ we feel as if we’ve been reading about precisely this for some time. But the border in question is the Atlantic. American musicians and students were clearly impressed not only by the breadth of his musicianship but by his collegiality as a fellow musician. For the most part, this volume presents a kaleidoscopic view of Maderna’s kaleidoscopic activity. Time and topic move freely, as befits the artist. And yet hints of chronology, of continuity of narrative, are irresistible to a reader. Maurizio Romito ends with a moving extract from a letter to Maderna’s adoptive mother that he hoped to „organize my life in a calmer way and spend more time writing music“, when his running out of time for exactly that was made clear at the outset. Final chapters loop back to Maderna’s musical beginnings, as if to establish a sense of continuity. Veniero Rizzardi considers his earliest mature works and the transformation of his musical language from about 1948. The title of this section of the book refers to „the development of a style“, but perhaps what we see emerging is a musical world-view rather than a style. Christoph Neidhöfer sets out the technical vehicles Maderna was developing to traverse his new musical universe; pre-echoes not just of techniques but styles are already present in „Composizione n. 2“. Paolo Dal Molin reveals Maderna’s deep engagement with poetry from the very outset; in his readings of D’Annunzio, Cardarelli and Verlaine, musical and literary properties are indivisible. As much as the care with which Maderna sets these texts, what emerges from this essay is the importance attached to text in composition teaching at the time. Whatever the mode or means of a specific work, the idea of the theatre – even if its walls are so distant as to be invisible – remains the containing space of musical action. And so we return to „Satyricon“ …+TABRE+Jonathan Impett

Markus Wurzer, Der lange Atem kolonialer Bilder. Visuelle Praktiken von (Ex-)Soldaten und ihren Familien in Südtirol/Alto Adige 1935–2015, Göttingen (Wallstein) 2023 (Visual History. Bilder und Bildpraxen in der Geschichte 9), 359 S., Abb., ISBN 978-3-8353-5423-4, € 39,90.

Mit einer Anspielung auf Francesca Melandris „Alle, außer mir“ (2018) beginnt Markus Wurzers Studie zu den Bild- und Erinnerungspraktiken Südtiroler Kolonialsoldaten im Italienisch-Abessinischen Krieg, den das faschistische Italien unter Benito Mussolini zwischen 1935 und 1941 in Äthiopien führte. Melandris Titel könnte auch sinnbildlich für die bisherige Aufarbeitung des faschistischen Kolonialkriegs in Südtirol stehen: Ein italienisches Unterfangen, mit dem „die Südtiroler“ nichts zu tun hatten. In seiner methodisch am „Schnittpunkt zwischen Memory, Visual Culture und Postcolonial Studies“ (S. 32) angelegten Studie untersucht Wurzer nun anhand der Bildproduktion von 31 Südtiroler Kolonialsoldaten, wie diese den Krieg in Äthiopien fotografierten, und wie sie und ihre Kinder und Enkel den Kolonialkrieg anhand dieser materiellen Zeugnisse erinnerten. Wurzer zeigt ein feines Gespür für die komplexe Positionierung der Südtiroler Soldaten und analysiert die Bildpraktiken der Südtiroler Soldaten „vor dem Hintergrund ihrer ‚eigenen‘ Marginalisierung“ (S. 30), ohne in Viktimisierungsnarrative zu verfallen, die in Südtirol nach wie vor häufig die Beschäftigung mit dem Faschismus dominieren. Dezidiert wendet er sich auch gegen die von Angelo Del Boca vertretene Vorstellung, private Bildsammlungen böten einen im Gegensatz zur offiziellen Propaganda ideologiefreien Blick auf den Alltag des Kolonialkrieges (S. 315). Nach Prolog (Kapitel 1) und Einleitung (Kapitel 2) erörtert Kapitel 3 den historischen Kontext des italienischen Angriffs auf Äthiopien, visuelle Propaganda im faschistischen Italien sowie die besondere Lage Südtirols und der untersuchten Soldaten. Kapitel 4 untersucht die Bildpraktiken der Soldaten: Gefragt wird nach den (mitgebrachten) Sehgewohnheiten und Disziplinierungen des kolonialen Blicks der Soldaten, nach den unterschiedlichen Quellen der Bilder in den Bildsammlungen – neben selbst angefertigten Fotografien insbesondere von anderen Soldaten oder professionellen Agenturen gekaufte oder von der Propaganda verteilte Bilder –, den Partizipationsmöglichkeiten der Soldaten (Besitz oder Leihe eines Fotoapparates, Entwicklung, Kaufmöglichkeiten, etc.) sowie nach den Gebrauchsweisen der Bilder. Hier wird deutlich, dass die Soldaten bereits mit einem „kolonialen Blick“ nach Ostafrika kamen und zudem gerne Motive der offiziellen Propaganda des Istituto LUCE in ihre Sammlungen aufnahmen und auch reproduzierten, wenn sie selbst fotografierten. Kapitel 5 „setzt sich mit den visuellen (Re-)Produktionen sozialer In-/Differenzen auseinander“ (S. 46). Behandelt werden die Themenbereiche der (Un-)Sichtbarkeit ethnischer Differenz, militärischer Selbstdarstellung und die Bedeutung von „Rasse“ als leitender Differenzkategorie des kolonialen Raumes. Kapitel 6 schließlich widmet sich dem Nachleben der Bildbestände und kolonialer Erinnerung nach der Rückkehr der Soldaten zunächst im faschistischen Italien (Kap. 6.1), der (Nicht-)Narrativisierung des Kolonialkriegs durch die Veteranen zwischen 1936 und 1990 und dem Umgang der „Kinder“- und „Enkelgeneration“ mit dem visuellen Erbe des Kolonialkriegs. Es schließt mit dem im Rahmen des Projekts vor Wurzer betreuten „Übertritt … vom kommunikativen ins kulturelle Gedächtnis“ (S. 311) eines Großteils der Sammlungen durch die Archivierung im Tiroler Archiv für fotografische Dokumentation und Kunst und im Tiroler Landesarchiv. Hier kann Wurzer eindrücklich zeigen, wie im Rahmen der Viktimisierungsnarrative der deutschsprachigen Südtiroler Bevölkerung nach dem Krieg die Südtiroler Beteiligung im Kolonialkrieg in der Öffentlichkeit kaum erinnert wurde und selbst innerhalb der Familien teils um-kontextualisiert wurde. Der Kolonialkrieg in Ostafrika wurde so zu einer rein „italienischen“ Geschichte, in der die deutsche Bevölkerung Südtirols sich ebenso in der Opferrolle sah wie die Einwohner Äthiopiens. Es ist eine Stärke des Buches, dass es diesen klassischen Opfernarrativen widersteht und anhand empirischer Befunde deutlich machen kann, dass die Südtiroler Kolonialsoldaten zwar gelegentlich in Konflikt mit besonders faschistischen Vorgesetzten gerieten und auch etwa Treffen mit anderen Südtirolern als Momente der subversiven Gemeinschaft fotografisch festhielten, sich insgesamt in ihrer (fotografischen) Wahrnehmung des Kolonialkriegs, Äthiopiens und insbesondere der Indigenen kaum von ihren italienischen Kameraden unterschieden. Vielmehr verstanden sie sich ebenso als weiße, europäische „Kolonialherren“ und reproduzierten in ihren Fotografien und ihrer Identifikation den kolonialen Blick des faschistischen Regimes. Dass dies nicht der überraschendste Befund ist und einzelne Fotografien teils überinterpretiert werden (etwa S. 224 f.), schmälert nicht die Qualität einer ansonsten sowohl empirisch wie theoretisch hervorragend ausgearbeiteten Studie, deren Wert über ihr engeres Erkenntnisinteresse hinausgeht, indem sie neue Quellenbestände für die italienische und auch die Südtiroler Kolonialgeschichte erschlossen hat.+TABRE+Luca Scalzini

Marco Figliola, Due Nunzi nella tempesta. I documenti di Paolo Giobbe e Cesare Orsenigo negli Archivi Vaticani. L’occupazione nazista e la Chiesa olandese (1940–1943), Roma (Pontificia Università della Santa Croce) 2024 (Quaderni di Storia della Chiesa 12), 218 pp., ISBN 979-12-5482-236-4, € 25.

Marco Figliola is a doctoral researcher in Church history at the Santa Croce Faculty of Theology in Rome. He is currently preparing a research project on the Church in the Netherlands in the post-war period, the results of which are eagerly awaited. The book commented on here is the publication of his master thesis under the supervision of Mónica Fuster on relations between the Vatican and occupied Netherlands up to 1943. The study takes its place in the tumultuous historiographical debates on the role of the Vatican during the Second World War, which have been revived since the opening of the archives of the Pontificate of Pius XII in 2020. It will be of interest to all researchers studying the position of the Holy See in this global conflict. Indeed, the subject is of particular interest in that it examines the unique case of an episcopate that was head-on and uniformly condemning members of National Socialist organisations, banning them from all sacraments even before the war. In 1942, the Dutch bishops jointly condemned the anti-Semitic measures without concession or ambiguity and made protests to the occupying authorities, but to no avail. On the contrary, these stances earned the Dutch people reprisals, particularly against Catholic Jews who, like their non-baptized brethren, were sent to the extermination camps. The author has therefore chosen to pay particular attention to the reactions of curial circles to the attitude assumed by the Dutch clergy. The first chapter deals with Paolo Giobbe, the Hague internuncio, who, like his colleagues in Poland, Belgium and Norway was sent back to Rome in July 1940. For the duration of the war, Giobbe was part of a Vatican charity operation (commissione soccorsi) but he nevertheless maintained contacts with Holland and continued to produce reports for the Secretariat of State. He mainly received information from Joseph Maria Drehmanns C.SS.R, who was the side-subject of Vefie Poels’ massive biography of the Card. Willem van Rossum („De rode paus“, Valhof 2021) to whom Drehmanns was secretary and friend. Thus, despite the amputation of the Vatican’s diplomatic network, the Holy See received fairly reliable information on the Dutch situation during the years under review. Figliola’s analysis of these reports shows that Giobbe admired the frankness and courage of the Dutch episcopate. In the second chapter, the author examines the controversial figure of the nuncio in Berlin, Cesare Orsenigo, who became responsible for Holland after the departure of Giobbe. The author has chosen to highlight the differences in the approach of the two diplomats. In order to do so, he sets the general context especially with regard to the situation in Poland. In the case under review, Orsenigo took a different stance than Giobbe vis-à-vis the Dutch situation, reckoning it inopportune to enter into a confrontation with the occupier. Ultimately, a large part of the chapter is devoted to a psychological analysis of Orsenigo’s character. In the third chapter, Figliola analyses in greater detail two reports on the state of the church in occupied Netherlands. This chapter will be the most interesting for those wishing to focus on the Dutch case that we lost sight of in the previous chapter. Orsenigo enclosed in his posts the accounts of Opilio Rossi, priest and diplomat at the service of the Holy See, following his visits to the Netherlands in 1942 and 1943. These documents are transcribed in the appendix. Orsenigo was criticised by some, even within the Secretariat of State, for being excessively cautious. The author describes the Berlin nuncio as petrified by the fear of endangering Catholics in the face of the numerous persecutions that the Church was experiencing in the occupied territories in the West, but above all in the East, particularly in the dioceses like that of Chełmno-Pelplin where the clergy had been completely decimated. Orsenigo’s competence for Poland was also rejected by Berlin. Although the situation of the catholic church was far less dramatic in Holland than in Poland, accounts of clergymen being interrogated, arrested and executed continued to pour into the Nunciature in Berlin and therefore into the Secretariat of State and inevitably influenced the decision-making in Vatican circles, since „all Catholic people would have been exposed to open conflict with National Socialism, with unforeseeable consequences“ (p. 152, my translation). Both the Nunciature in Germany and the Holy See found themselves powerless in the face of the denial of their requests and had to note the ineffectiveness of diplomatic means in dealing with the Nazi apparatus. The desk-officers at the Secretariat of State shared Giobbe’s approval of the position of the Dutch ecclesiastic hierarchy. As for Pius XII, the documents examined by the author show his admiration for the frankness and courage of the Dutch episcopate. The Pope asked for the pastorals to be published in the USA, but his Secretary of State Luigi Maglione did not follow suit. With regard to the opinion of the Supreme pontiff, the author unequivocally emphasises that „all the texts found in this study agree that Pius XII and the Secretariat of State unreservedly approved of the Dutch bishops’ opposition to National Socialism“ and that „no source allows us to affirm the contrary“ (p. 148, my translation). For Figliola, the fact that Orsenigo focused on not aggravating the situation, and that Giobbe felt proud of the Dutch bishops reveals a discrepancy in their position and responsibilities, but also in the circumstances in which they had to operate. The author relies on an extensive consultation of the new documents, mostly preserved in the Apostolic Archives and in the Historical Archives of the Secretariat of State. The structure of the book leaves one somewhat confused, but its richness lies in the fact that it analyses critically and meticulously numerous unpublished documents. Figliola takes a stance without rushing to a conclusion, supporting his analysis as he goes along. Overall, the book makes a valuable contribution for the research on the Catholic church in the 20th century. Such studies have the benefit of shedding light on the situation of the Church in European countries that are often overlooked because Catholicism forms there only a minority. This research area will be supplemented by the publication in the coming months of the collective work resulting from the Conference held in 2023 „Pius XII and the Low Countries“ (ed. by Kim Christiaens et al., Turnhout 2025) to which Figliola also contributed.+TABRE+Élisabeth Bruyère

Federico Goddi (a cura di), Avvenimenti dopo l’armistizio. La relazione del tenente colonnello Antonio Zitelli (Montenegro, 1941–1944), prefazione di Amedeo Osti Guerrazzi, Milano (Biblion) 2024 (Studi di storia contemporanea 7), 236 pp., ill., ISBN 978-88-3383-386-6, € 25.

Il volume nasce come pubblicazione integrale di una corposa relazione scritta nel 1944 da Antonio Zitelli, alto ufficiale del Regio Esercito, circa il periodo fra l’armistizio dell’8 settembre 1943 e i mesi successivi, durante i quali Zitelli era in Montenegro. Il documento (oltre 300 000 battute) fa parte delle carte di famiglia: la figlia di Zitelli, Andreina, rispondendo a un „dovere morale“, ha consegnato il documento al curatore del volume affinché ne facesse un’edizione completa (p. 10). La relazione originale si trova in copia all’Archivio dell’Ufficio storico dello Stato maggiore dell’Esercito, ma la versione pubblicata include molteplici note a mano aggiunte da Zitelli negli anni ’70, che permettono di comprendere meglio risvolti e retroscena (p. 23). L’autore della relazione, all’epoca del conflitto, era tenente colonnello nel duplice ruolo di ufficiale dell’osservazione aerea e di capo dell’Ufficio informazioni del XIV Corpo d’armata italiano. Il curatore del testo, Federico Goddi, non pubblica semplicemente lo scritto di Zitelli, ma lo introduce con un saggio a parte e ne fa un’edizione critica, finemente chiosata con distacco, come si nota nei punti bui dell’argomentare di Zitelli o laddove l’ufficiale cercò di „salvare“ l’operato di colleghi che gli erano cari. Il XIV Corpo d’armata, in cui Zitelli occupava un ruolo chiave, fu protagonista di tutta la guerra in Montenegro. Le sue operazioni iniziarono nella primavera 1941 e passarono attraverso la rivolta partigiana montenegrina del luglio seguente. Gli uomini delle divisioni che lo componevano fecero l’esperienza della repressione antipartigiana e della guerra ai civili. Lo stesso Zitelli ne aveva consapevolezza, sebbene abbia cercato di sfumare le responsabilità italiane ricorrendo all’argomentazione – superata dalla storiografia – della violenza „reattiva“ (pp. 178 sg.). Dopo l’armistizio, dunque, la posizione di questi soldati divenne particolarmente precaria, poiché si trovarono di colpo ad avere per nemici sia i partigiani di Tito che la Wehrmacht. All’8 settembre Zitelli decise di sottrarsi alla cattura da parte tedesca e il 24 dello stesso mese raggiunse il Comando della Divisione Venezia, dove ritrovò il suo vecchio comandante, generale Giovanni Battista Oxilia. Zitelli individuava chiaramente il nemico nei tedeschi e giudicava inaffidabili i četnici, già alleati delle unità italiane nel controllo del territorio occupato, i quali avevano sempre avuto un contegno ambiguo (pp. 57, 77). Al contempo l’ufficiale non ammirava i partigiani né l’ideologia cui si ispiravano, ma era costretto dai fatti a vedere in loro l’unica via per la sopravvivenza (anche in virtù della loro accresciuta preparazione militare) e a riconoscere la loro coerenza di comportamento, così come accade nelle memorie di guerra italiane (un solo esempio: „Fronte jugoslavo-balcanico: c’ero anch’io“, a cura di Giulio Bedeschi, Milano 1986, pp. 361 sg., 403 e passim). Zitelli entrò in seguito a far parte della Divisione Garibaldi, sulle cui vicende offrì uno spaccato assai dettagliato, in specie in merito ai rapporti coi partigiani, vissuti sempre in una condizione di oggettiva inferiorità materiale da parte italiana. Circa l’armistizio e le settimane seguenti, la relazione di Zitelli conferma quanto la storiografia ha in buona parte appurato. Nell’ex Jugoslavia i comandi del Regio Esercito, lasciati soli dai vertici romani, rimasero sostanzialmente in attesa degli eventi, laddove azioni tempestive avrebbero permesso di contrastare efficacemente i tedeschi in virtù di una generale preponderanza numerica e di un atteggiamento da parte dell’ex alleato non ubiquitariamente ostile da subito. Il filone di studi che questo testo va ad arricchire è quello dello sfascio delle Forze armate all’armistizio dell’8 settembre e dei militari italiani all’estero nell’ambito della resistenza al nazifascismo, con autori come Elena Aga-Rossi, Maria Teresa Giusti, Luca Baldissara, Eric Gobetti e Luciano Viazzi. La relazione di Zitelli risulta particolarmente interessante perché scritta „dal suo posto d’osservazione privilegiato“, come afferma Amedeo Osti Guerrazzi nella prefazione (p. 15). Zitelli, già coinvolto nell’occupazione del Montenegro, fu protagonista e testimone delle conseguenze dell’armistizio, delle operazioni e più in generale della vita della Divisione Garibaldi („battaglioni lavoratori“ inclusi), fatta anche di ripiegamenti e di marce in condizioni proibitive che ricordano sorprendentemente le memorie della ritirata di Russia (pp. 170 sg.). Il documento da lui prodotto ha un valore che va oltre lo scopo per cui venne redatto nel 1944: fornire allo Stato maggiore dell’Esercito informazioni sul contegno dei comandi italiani sul campo in quel delicato momento. Il testo è impreziosito da una nota biografica che rende ragione anche delle motivazioni profonde che condussero Zitelli alla scelta della resistenza dopo l’8 settembre.+TABRE+Raffaello Pannacci

Sandro Menichelli, Roma e la terribile estate del ʼ43, Perugia (Morlacchi Editore) 2023 (Saggi e studi di storia risorgimentale e contemporanea), 512 S., Abb., ISBN 978-88-9392-486-3, € 25.

Mit den Bombardierungen der Ewigen Stadt am 19. Juli und 13. August, dem Sturz Mussolinis am 25. Juli, der darauffolgenden 45-tägigen Regierung Badoglio sowie der Bekanntgabe des Waffenstillstands am 8. September und dessen unmittelbaren Folgen – „Flucht“ des Königs mitsamt seiner Regierung aus der Hauptstadt, Auflösung der italienischen Armee, Beginn der deutschen Besatzung – bedeuteten die Sommerwochen des Jahres 1943 für Italien und besonders für Rom eine politische Achterbahnfahrt. Menichelli, ein nichtakademischer Historiker, hat diesen turbulenten Monaten in der Ewigen Stadt eine neue Monographie gewidmet. In der Einleitung erklärt der Autor, er wolle vor allem untersuchen, wie die römische Bürgerschaft diese Ereignisse erlebte, erlitt und auf sie reagierte. Dies gelingt ihm im ersten Kapitel „Sinistri scricchiolii“ recht gut: Vor allem anhand von OVRA-Berichten aus dem Archivio Centrale dello Stato vermag Menichelli hier überzeugend die materiellen und psychologischen Lebensbedingungen der Römer*innen zu rekonstruieren. Zwar ist der Forschung ein Gutteil sowohl dieser Dokumentation als auch der Stimmungen und politischen Meinungen der italienischen Bevölkerung während der Kriegsjahre 1940–1943 durch Arbeiten wie die Simona Colarizis und Pietro Cavallos bereits bekannt, doch erfahren Leser*innen neue Details zur diesbezüglichen Situation in der Hauptstadt. Der Autor hätte hier noch methodische Überlegungen zum Umgang mit faschistischen „Polizeiquellen“ einfließen lassen können. Die Versorgungslage in Rom war im Sommer 1943 äußerst kritisch, stundenlanges Anstehen vor den Läden die Regel, die Schwarzmarktpraxis trieb die Preise in unermessliche Höhe. Deutlich geht aus Menichellis Analyse hervor, dass zum Zeitpunkt der alliierten Landung auf Sizilien am 10. Juli 1943 „innere Front“ und „Duce-Mythos“ in Rom bereits seit Langem zerbrochen waren. Nach der Bombardierung vom 19. Juli wurde Papst Pius XII. bei seinem Besuch in San Lorenzo von der Menge willkommen geheißen, während dem König in Begleitung von Prinzessin Maria José Ablehnung entgegenschlug. Im Unterschied zu diesem ersten Kapitel erzählt der Rest des Buchs jedoch größtenteils eine traditionelle Geschichte „von oben“. Das zweite Kapitel „Il collasso del regime“ behandelt die Rolle des Königs und des Heeresstabs sowie des Großrats beim Sturz Mussolinis, liefert allerdings nichts wesentlich Neues gegenüber dem 2018 erschienenen Buch Emilio Gentiles. Menichelli vertritt die These, dass der König bereits am 19. Juli die Entscheidung getroffen hatte, Mussolini als Regierungschef durch Badoglio zu ersetzen, und die Sitzung des Großrats folglich nur beschleunigende Wirkung hatte. Auch im dritten Kapitel „La carta Badoglio“ wäre es möglich gewesen, sich anhand von Tagebüchern und Memoiren stärker auf die Perspektive der römischen Bevölkerung während der 45 Tage und unmittelbar nach dem 8. September zu fokussieren. Dazu hätte der Autor nicht einmal die Reise zum Archivio diaristico nazionale in Pieve Santo Stefano auf sich nehmen müssen, liegen doch viele römische Selbstzeugnisse – wie etwa die Aufzeichnungen Carlo Trabuccos, Corrado di Pompeos, Palma Bucarellis, Umberto Ferraris oder der unter dem Pseudonym M. De Wyss schreibenden Schweizer Journalistin – veröffentlicht vor. Stattdessen verwendet Menichelli allein das Tagebuch Umberto Zanotti Biancos und rekonstruiert vorrangig die bereits von Elena Aga Rossi en détail erforschten Waffenstillstandsverhandlungen mit den Angloamerikanern. Das vierte Kapitel „Dalla battaglia per Roma alla battaglia di Roma“ enthält in seinem vierten Teil „Le conseguenze dell’armistizio e la battaglia di Roma“, der einen Ausblick über die Ereignisse bis zur Befreiung bietet, sachliche Fehler. An dieser Stelle rächt sich die Nichtbeachtung von Ranzatos zentralem Buch „La liberazione di Roma“, in dem zahlreiche Widerstandsaktionen durch einen Abgleich mit den Polizeiakten relativiert werden. Wie auch das Buch Giorgio Guidonis von 2023 bestätigt, hat sich das von Menichelli erwähnte Massaker am Ponte dell’Industria, bei dem die Deutschen am 7. April 1944 10 Frauen getötet haben sollen, tatsächlich nie ereignet. Insgesamt scheint Menichelli den römischen Widerstand ab September 1943 zu überschätzen, denn seine Rekonstruktion ähnelt dem alten Mythos vom „popolo alla macchia“, wie er auch in Roberto Rossellinis „Roma città aperta“ propagiert wird. Dieses Bild ist in seiner Einseitigkeit, wie auch das Buch Ranzatos zeigt, historisch nicht haltbar. Das Buch enthält einen langen Anhang, der die biographischen Profile zahlreicher Protagonist*innen bietet. Unter dem abgedruckten Bildmaterial finden sich interessante zeitgenössische Photographien aus römischen und Florentiner Archiven. Weniger sinnvoll erscheint es, Faksimiles bereits im Fließtext zitierter OVRA-Berichte zu produzieren. Formal ist zu bemängeln, dass lange Anmerkungen die Lektüre des Buchs erschweren, während man Belege oftmals vermisst, wodurch die wissenschaftliche Nachprüfbarkeit vieler Aussagen nicht gegeben ist. Auch Archivquellen und Literaturangaben sind teilweise unvollständig. Zudem hätte ein Lektorat sprachliche Fehler vor allem bei deutschen Begriffen und Eigennamen (durchweg „Kesserling“ statt „Kesselring“) vermeiden können.

Pascal Oswald

Gabriele Rigano, Combattere in un museo. Vaticano, Italia, Germania e il destino dell’arte in guerra (1943–1945), Roma (Artemide) 2024, 259 pp., ill., ISBN 978-88-7575-474-7, € 30.

Una frase attribuita al generale Clark recita: „fare la guerra in Italia è come combattere in un maledetto museo“. Forse inventata, ma rivelatrice della difficoltà di dover trovare un equilibrio tra le necessità belliche e il rispetto per un patrimonio artistico inestimabile. Ma se per tedeschi e Alleati il problema era temporaneo (e alle volte ignorato), per lo stato italiano e la Chiesa cattolica, si trattava di questione di fondamentale importanza. Come salvare palazzi, chiese, castelli, monasteri, interi borghi? Come mettere al sicuro l’infinito numero di tele, pale d’altare, statue e mosaici che costellano città e paesi? Come proteggere un patrimonio che era il risultato di secoli di storia? Il libro di Gabriele Rigano racconta l’immenso sforzo svolto dalle istituzioni italiane, e soprattutto da alcuni personaggi come Marino Lazzari, direttore generale delle Antichità e belle arti del Ministero dell’educazione nazionale, e dei suoi collaboratori (tra i quali Giulio Carlo Argan, Ispettore del ministero e futuro sindaco di Roma, ed Emilio Lavagnino, anche lui Ispettore del ministero), che dovettero inventare una serie di strategie in un contesto segnato dalle difficoltà di operare in un paese sottoposto all’occupazione nazista e ai bombardamenti anglo-americani. Subito dopo l’armistizio dell’otto settembre 1943 e l’occupazione nazista, Lazzari avviò contatti con le autorità del governo pontificio per sfruttare la posizione di neutralità della Città del Vaticano allo scopo di mettere al sicuro, all’interno della città leonina, quante più opere d’arte possibile. La situazione stava precipitando: a fine settembre ci furono le razzie delle biblioteche e degli archivi della Comunità ebraica romana, mentre le operazioni di „salvataggio“ del patrimonio artistico già messo al riparo nell’abbazia di Montecassino da parte della divisione Hermann Goering potevano sembrare un primo passo per il trasferimento in Germania delle opere d’arte, con la scusa della loro „protezione“. Il progetto non fu di facile realizzazione. Il governo pontificio ebbe notevoli perplessità in quanto si pensava che mettere a disposizione gli edifici della Città del Vaticano avrebbe potuto sembrare un atto ostile nei confronti della Germania nazista, e quindi mettere in crisi la politica di assoluta neutralità dello Stato pontificio e di conseguenza esporsi ad eventuali rappresaglie naziste. Il cardinale Montini, inoltre, temeva che concentrare le opere d’arte in Vaticano avrebbe addirittura facilitato l’opera di eventuali razziatori: „Si, portate pure tutto in Vaticano, così verranno e faranno una bella retata“, pare abbia detto riferendosi alla vulnerabilità della Città leonina (p. 93). Nonostante tutte le perplessità, all’inizio di novembre arrivò il nulla osta del Papa e dei cardinali Maglione e Canali. Si dovette però avere anche il nulla osta del Kunstschutz tedesco, l’ufficio preposto dalle autorità d’occupazione, che diede un notevole contributo mettendo a disposizione lasciapassare, mezzi e benzina, e delle autorità della Repubblica sociale italiana, tutt’altro che ben disposte nei confronti di Lazzari, che non aveva obbedito all’ordine di spostarsi da Roma a Padova, nuova sede del Ministero. Lazzari e i suoi collaboratori furono quindi licenziati alla fine del 1943. „In realtà i funzionari di Roma, benché collocati a riposo … non fecero i pensionati: continuarono a operare in base agli accordi con il Vaticano, nonostante fossero ormai privati cittadini.“ (p. 122). Nei primi cinque mesi del 1944, fino alla liberazione di Roma, degli ex funzionari ministeriali, privi di qualsiasi autorità, continuarono a girare per tutta l’Italia, sotto i bombardamenti e i mitragliamenti degli aerei alleati, per portare in salvo tutto ciò che poterono, aiutati in questo dall’„incaricato d’affari“ del governo italiano presso il Vaticano, l’ambasciatore Babuscio Rizzo, che non essendo riconosciuto come tale dalla Repubblica sociale, continuava a svolgere la sua azione diplomatica in una specie di limbo giuridico. Un altro aspetto di una storia paradossale, insomma, dove soltanto la buona volontà degli uomini, e la tradizionale „elasticità“ italiana nei confronti delle regole formali, hanno permesso di mettere in sicurezza una parte consistente del patrimonio artistico del paese. Il libro di Rigano racconta queste vicende inquadrandole nella storia più ampia e complessa della tutela del patrimonio artistico durante la Guerra e delle relazioni diplomatiche della Santa sede in periodo bellico. Un libro utile e molto ben documentato, quindi, per capire in che contesto Lazzari e i suoi uomini (e donne) si trovarono ad operare, ma anche un testo che in alcune parti si legge con grande piacere, grazie all’utilizzo del diario di Lavagnino, custodito all’Archivio centrale dello Stato di Roma e già pubblicato nel 1988. Il lavoro di Rigano ha il merito di inquadrare questa storia molto complessa all’interno di un contesto storico nel quale tutti i vari „attori“ impegnati nella vicenda (autorità vaticane, tedesche, fasciste e „a-fasciste“) sono rappresentati nelle loro molteplici sfaccettature e con tutte le loro contraddizioni.+TABRE+Amedeo Osti Guerrazzi

Eloisa Betti, Monte Sole, la memoria pubblica di una strage nazista, Roma (Carocci) 2024 (Studi Storici Carocci 436), 351 pp., ISBN 978-88-290-2426-1, € 29.

„Il 25 aprile a Monte Sole è divenuto un evento pubblico di grande rilevanza negli anni Venti del Duemila, forse secondo solo al 25 aprile milanese“ (p. 259). A Monte Sole, il 29 e il 30 settembre 1944, avvenne la più sanguinosa strage nazista in Italia, quando un reparto di SS al comando di Walter Reder uccise complessivamente 770 persone, in gran parte donne, bambini e anziani. Un episodio che avrebbe dovuto essere centrale nella costruzione della memoria pubblica italiana del dopoguerra, ma che invece non ebbe da subito quella risonanza che l’importanza dei fatti gli avrebbero fatto meritare. Perfino la storiografia si è messa in moto con colpevole ritardo, tanto che la prima ricostruzione precisa della strage si è avuta soltanto nel 1995, attraverso una ricerca del Comitato regionale per le onoranze ai caduti di Marzabotto („Marzabotto. Quanti, chi e dove“) che finalmente diede un numero preciso delle vittime (fino ad allora indicate nella motivazione della medaglia d’oro erroneamente con un numero di 1830) e un nome a ciascuna di esse. Perfino i luoghi, le numerose piccole frazioni del comune di Marzabotto, sono rimaste abbandonate per decenni. Il libro di Eloisa Betti ricostruisce la storia della memoria pubblica della strage, e del progressivo affermarsi della centralità della strage per l’Italia e successivamente, attraverso le tantissime iniziative transnazionali del Comune, del Comitato per le onoranze e delle forze politiche e sociali della regione, anche per la coscienza dell’antifascismo e dei movimenti democratici e pacifisti in tutto il mondo. La ricerca dell’autrice è estremamente dettagliata, documentata e ricca di spunti, tra i quali il ruolo dei presidenti della Repubblica e delle istituzioni nella costruzione della memoria pubblica della Resistenza; la costruzione di network tra le città martiri europee ed extra europee; le campagne per la pace e il disarmo e il loro intrecciarsi con le problematiche della Guerra fredda; la musealizzazione delle rovine e la realizzazione della Scuola di pace. Iniziative che hanno visto spesso come protagonista Dante Cruicchi (sindaco di Marzabotto dal 1975 al 1985), il cui ruolo viene giustamente sottolineato nel libro. Uno dei temi che però è particolarmente significativo è quello dei rapporti tra Italia e Germania, in quanto quello di Monte Sole è un esempio virtuoso delle politiche di riconciliazione post bellica. La vicenda è particolarmente significativa in quanto Walter Reder era uno dei pochissimi nazisti processati e incarcerati in Italia per i loro crimini commessi durante la guerra e le sue vicende giudiziali furono legate inscindibilmente con la memoria della popolazione di Marzabotto. Il cammino verso una memoria il più possibile pacificata tra Italia e Germania è stato ovviamente lungo e tormentato. Basti pensare che alla nascita della rete delle città martiri europee, furono escluse quelle tedesche, come Dresda ed Amburgo. Ci furono anche momenti particolarmente difficili per i sopravvissuti e i parenti delle vittime, quando furono chiamati ad esprimersi su un’eventuale grazia richiesta da Reder, e ancora di più quando, nel 1985, l’ex SS fu liberato. Tuttavia grazie a politiche virtuose di memoria e di dialogo, nel 2002 la visita del presidente della Repubblica federale di Germania, Johannes Rau, accompagnato da Carlo Azeglio Ciampi, ha rappresentato un momento storico che ha segnato la fine di un’epoca, tanto da essere paragonata al famoso Kniefall von Warschau di Willy Brandt del 1970. Il libro di Betti ci offre una preziosa ricostruzione della storia della memoria pubblica non solo di una strage nazista, ma anche e soprattutto del difficile cammino della conoscenza del passato e del suo superamento.+TABRE+Amedeo Osti Guerrazzi

Nina Valbousquet, Les âmes tièdes. Le Vatican face à la Shoah, Paris (Éditions La Découverte) 2024, 468 pp., ill., ISBN 978-2-348-07717-3, € 26.

L’apertura degli archivi vaticani di Pio XII (1939–1958), nel marzo 2020, ha rappresentato un importante evento per la storiografia riguardante il controverso pontificato pacelliano, che per decenni è stato oggetto di studi volti soprattutto ad indagare l’atteggiamento del Vaticano dinanzi alla persecuzione degli ebrei e alla Shoah. La desecretazione degli archivi pacelliani ha avuto come immediata conseguenza il rinnovarsi dell’interesse di studiosi/e per tale atteggiamento al fine di chiarirne le motivazioni. Negli ultimi anni, sono già state pubblicate le prime monografie riguardanti questo tema basate sui nuovi documenti vaticani ed è tra di esse che si colloca „Les âmes tiedes. Le Vatican face à la Shoah“ della storica Nina Valbousquet. La monografia in questione è frutto di una ricerca triennale condotta dall’autrice principalmente in alcuni archivi vaticani e in archivi complementari. La consultazione della documentazione archivistica e la sua analisi approfondita sono state guidate dall’obiettivo di comprendere più a fondo l’atteggiamento del Vaticano di fronte alla Shoah e di rintracciarne le radici. Nel perseguire tale fine, l’autrice ha dimostrato particolare cautela nell’evitare di cadere nella logica – da lei ritenuta condivisa dalla maggior parte delle pubblicazioni storico-mediatiche – di condurre un processo finalizzato a condannare o ad assolvere l’accusato, ovvero, Pio XII. Nina Valbousquet, infatti, si è ispirata all’approccio adottato dallo storico Giovanni Miccoli in „I dilemmi e i silenzi di Pio XII“ (Milano 2000), finalizzato non tanto a speculare su ciò che Pio XII avrebbe dovuto o non avrebbe dovuto fare, quanto a stabilire ciò che il pontefice e i suoi collaboratori avevano deciso di fare o non fare, come e perché. Di conseguenza, all’analisi dei silenzi si affianca necessariamente anche quella dei „dilemmi“ della gerarchia ecclesiastica, che si trova a scegliere tra intervento e neutralità, apertura e tradizione. L’autrice, inoltre, si propone di superare l’adozione di una prospettiva incentrata esclusivamente sulla figura del pontefice, condividendo la tesi dello storico Renato Moro secondo cui la generalizzazione della posizione del papa come coincidente con quella di tutti i chierici e fedeli comporterebbe il rischio di una riduzione del quadro di analisi (Renato Moro, „La Chiesa e lo sterminio degli Ebrei“, Bologna 2002). L’intento di Nina Valbousquet, dunque, non è quello di presentare il mondo cattolico come un blocco monolitico, ma, al contrario, di far emergere le diverse posizioni che si sono delineate al suo interno dinanzi alla Shoah (p. 15). Ciò risulta evidente dalle pagine della monografia, il cui nucleo argomentativo, corredato da introduzione e conclusione, è suddiviso in tre parti e copre l’arco cronologico compreso tra il 1938 e gli anni ’50. Nella prima parte, „Juifs et ‚catholiques non aryens‘ 1938–1941“, l’autrice ripercorre la lunga storia dei rapporti tra il Vaticano e gli ebrei. Questa ricostruzione è necessaria per comprendere come la memoria storica di tali rapporti abbia influenzato l’atteggiamento vaticano durante la Seconda guerra mondiale e dinanzi alla persecuzione degli ebrei. La trattazione procede poi prendendo in considerazione l’aiuto fornito dal Vaticano ai „cattolici non ariani“, analizzando in dettaglio il coinvolgimento della Santa Sede nella cosiddetta „azione brasiliana“, ovvero, nel favorirne la migrazione in Brasile. La seconda parte, „Aide et silence. Le Vatican face au génocide 1941–1944“, si concentra sull’atteggiamento di silenzio e carità del Vaticano dinanzi alla Shoah. Questa sezione delinea un quadro dettagliato delle richieste di aiuto e delle informazioni che giungevano in Vaticano, evidenziando il modo in cui venivano recepite. Essa presenta anche l’analisi della diplomazia vaticana di fronte alle persecuzioni degli ebrei nei diversi paesi europei, nonché durante l’occupazione e la liberazione della Città Eterna. La terza parte, „Après la Shoah“, analizza l’atteggiamento del Vaticano nel periodo dell’immediato secondo dopoguerra fino agli anni ’50, facendo emergere la sua limitata presa di coscienza della Shoah. Questa viene messa in relazione, da un lato, con il posizionamento del Vaticano nel più ampio quadro geopolitico alla fine del conflitto e, dall’altro, con la persistenza dei pregiudizi antigiudaici e la riluttanza a esprimere una condanna definitiva dell’antisemitismo. Dalla lettura complessiva della monografia si evince che Nina Valbousquet risponde alla domanda di partenza facendo emergere vividamente l’ambivalenza della Santa Sede nei confronti della Shoah. Difatti, sottolinea l’autrice, se da un lato il Vaticano, per varie ragioni, mantenne il silenzio, adottando un atteggiamento di riserva e di estrema prudenza, dall’altro, non rimase completamente inattivo, impegnandosi in forme di assistenza umanitaria alle vittime della guerra, seppur privilegiando l’aiuto ai cattolici e ai cosiddetti „cattolici non ariani“. La condotta contraddittoria vaticana è ulteriormente evidenziata dalla coesistenza, affianco ad una volontà di sostegno alle vittime, di un persistente condizionamento dai pregiudizi antisemiti. Grazie al vasto materiale archivistico inedito consultato, l’autrice riesce a far emergere, non solo le discussioni interne al Vaticano, ma anche le voci delle vittime, degli attivisti e degli intermediari. Si può pertanto affermare che Nina Valbousquet, con questa monografia, sia riuscita non solo nell’intento di analizzare l’atteggiamento del Vaticano di fronte alla Shoah, ma anche in quello di ricostruire la storia del genocidio attraverso i documenti degli archivi vaticani.+TABRE+Angela Cimino

Piero Ignazi, Il polo escluso. La fiamma che non si spegne: da Almirante a Meloni, Bologna (Il Mulino) 2023 (Storica paperbacks 223), 456 S., ISBN 978-88-15-38655-7, € 19.

Das Interesse an Rechtsextremismus und Neofaschismus in Italien ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Insbesondere seitdem die von vielen als rechtsradikal eingestufte Partei Fratelli d’Italia im Jahr 2022 als stärkste Kraft aus den Parlamentswahlen hervorging und Giorgia Meloni Ministerpräsidentin wurde, hat das Thema in Medien und Wissenschaft neuen Auftrieb erfahren. Unter den zahlreichen Veröffentlichungen ist auch die umfassende Studie des Politikwissenschaftlers Piero Ignazi, in der er die Entwicklung des italienischen Neofaschismus thematisiert – von Almirante bis Meloni, wie der Titel verspricht. Der mittlerweile 35 Jahre alte Originaltext der ersten Ausgabe des Buches von 1989 wurde 2023 in der dritten Auflage noch einmal beim Verlag Il Mulino aufgelegt und originalgetreu abgedruckt – ohne dass er überarbeitet worden wäre, nicht einmal im Hinblick auf die Literatur, die in der Zwischenzeit zu diesem Thema veröffentlicht wurde. In seinem knappen Vorwort spannt der Autor den inhaltlichen Bogen seines Werks von den Anfängen der 1946 von ehemaligen Funktionären und Anhängern des Faschismus gegründeten, neofaschistischen Nachkriegspartei Movimento Sociale Italiano (MSI) über die Rolle und das Vermächtnis Gianfranco Finis in seiner Position als Vorsitzender des MSI sowie der Umbenennung der Partei in Alleanza Nazionale (AN) und ihre schlussendliche Auflösung in Berlusconis Popolo della Libertà (PdL) bis hin zu Giorgia Meloni und Fratelli d’Italia (FdI). Die Analyse italienischer Parteien am rechten Rand im Hinblick auf die Kohärenz neofaschistischer Politiken über Generationen und Parteigrenzen hinweg ist ein vielversprechender Ansatz. Die Entwicklung der extremen Rechten vom MSI bis hin zu FdI mit einer Parteichefin, die sehr jung bereits Mitglied des MSI wurde (S. 439), interpretiert Ignazi als eine einzige politische Strömung. Die Flamme in den Parteilogos dient ihm sinnbildlich als verbindendes Element, ein Indiz für die Kontinuität eines „neofascismo missino“ (S. 12), über parteipolitische Dissonanzen und Grenzen hinweg. Das Bild der Flamme, die nicht erlischt (S. 5), dient dem Autor als Symbol der Kontinuität: es handelt sich dabei um das ehemalige Symbol des MSI, eine Flamme in den drei Nationalfarben Italiens, die für den Geist Mussolinis steht, der schwarze Balken darunter Symbol für seinen Sarg – ein starkes Bild, das die Gemeinschaft der Neofaschisten in der Vorstellung der Gründer des MSI wohl nach dem Tod des Duce stärken und zusammenhalten sollte. Auch im Parteilogo von FdI ist besagte Flamme noch zu finden, was vor allem 2022 vor dem Hintergrund des Erfolgs der Partei bei den Parlamentswahlen kritisiert wurde. Nicht zuletzt dieses Symbol entfachte heftige Diskussionen über die Einordnung der Partei im rechtsextremen politischen Spektrum und das tatsächliche Ausmaß ihrer neofaschistischen Ausrichtung. Obwohl der Untertitel einen großen inhaltlichen Bogen verspricht („La fiamma che non si spegne: da Almirante a Meloni“), ist die Analyse dieser Zeitspanne sehr ungleich gewichtet. Den Jahren 1990–2022 widmet der Autor im letzten, als „Postfazione“ (Nachwort) bezeichneten Kapitel des Buches nur 40 Seiten, die in einem enttäuschenden Gegensatz zu den 400 Seiten stehen, auf denen die Geschichte des MSI zwischen 1946 und 1989 zwar (sehr) detailliert entfaltet wird, jedoch leider mittlerweile nicht mehr auf dem Stand der neuesten Forschung. Ignazi analysiert in seinem Buch in erster Linie Geschichte und Ideologie des MSI, sowie politische Debatten, die die Partei bis zu ihrer Auflösung geprägt haben. Dabei gibt er einen detaillierten Überblick über Organisationsstrukturen, den politischen Rahmen sowie verschiedene Wahltrends. Nur überblickshaft wird hingegen angerissen, was zwischen 1990 und 2022 passiert, als „die Flamme, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit von einem Kreis von Veteranen wiederbelebt wurde, triumphierend in die Hallen der politischen Macht eintritt“ (S. 449, Übersetzung der Rezensentin), wie Ignazi es formuliert. Wichtige Aspekte hinsichtlich der unterschiedlichen Generationen des Neofaschismus und deren Beziehungen zueinander bleiben dabei weitgehend unberücksichtigt. Leider fehlen sowohl eine Einleitung wie ein Fazit, die es der Leser*in ermöglichen würden, die Teile des Buches in die jeweiligen zeithistorischen Kontexte ihrer Entstehung einzuordnen. Eine Zusammenfassung findet sich nur am Ende des Nachworts, ein Gesamtfazit bleibt der Autor schuldig. Und so bleibt es der Leser*in selbst überlassen, dieses Fazit zu ziehen und die ungleich gewichtete Analyse eines sehr komplexen politischen Phänomens in den wissenschaftlichen Diskurs einzuordnen.+TABRE+Lene Faust

Maria Kaika/Luca Ruggiero, Class Meets Land. The Embodied History of Land Financialization, Oakland (University of California Press) 2024 (IJURR Studies in Urban and Social Change), 218 pp., ill., ISBN 978-0-520-41008-4, USD 29,95.

Kaika and Ruggiero’s book is an historical investigation that explores the complicated relationship between industrialization and the financialization of land and social environment. The case study examined is that of the well-known Italian tire company Pirelli, located within the metropolitan area of Milan. The research aims to demonstrate how the recent cases of financial valorization of the territories once central to Pirelli’s factories have been functional to the company’s shift towards new sectors for capital remuneration. Capital accumulation remains at the heart of the company’s strategy, according to the various opportunities offered by the market. Bicocca land was Pirelli’s leading industrial site, and it became the center of workers’ everyday lives and the core of workers’ strikes and class struggles afterward. Under industrial capitalism, capital needs to exploit workers to remunerate itself. In a labor-intensive economy like Italy’s, labor is the item (or commodity, in Marxian terms) on which savings can be made to allow capital remuneration. This aspect leads industrialists to seek docile, available, and physically fit labor. To achieve this goal as much as possible, industrial companies – especially Italian ones – leverage state support (through favorable legislation but mainly through the use of public force) and the always-renewable availability of labor. The reserve army of labor also keeps workers docile and more easily willing to accept the conditions imposed by the employers. However, the concentration of labor gives rise to the formation of a social habitat highly receptive to the contradictions of its own working and living conditions. When the economic conjuncture becomes favorable or political conditions change (post-World War I, post-World War II, 1963, 1969, etc.), this social aggregation easily turns into class aggregation. The proximity between the working environment and the social environment helps facilitate unionization and the class awareness of workers. However, this connection between territory, society, and industry changes over time. The international neoliberal turn, which drives and shapes the new process of globalization, combined with wrong management choices like the failed acquisition of the German competitor Continental, put Pirelli in serious difficulty. There was a need to shift sectors and business plans to revive the struggling company, especially from an industrial production standpoint. Once again, this was made possible through public authority. The lands of the Bicocca area became new financial assets due to a change in their intended use by the municipality. Pirelli wanted to use the increased value of the land from the former industrial area as a „financial leverage“ for a new accumulation pathway, focusing not on the production of goods (such as tires) but on capital remuneration through rents and speculation. However, this transformative process was not imposed from above but was an expression of the interests of local elites, who envisioned themselves and their ability to extract value from the economic society. The process shifts from exploiting workers’ bodies within the industrial system to exploiting the bodies of residents within the urban area’s social space. The term „requalification“ does not carry with it any principle of collective social valorization; rather, it expresses the individualistic desires of capital holders to increase the profitability of land to their own advantage. As the authors rightly note, „… during the 1970s and 1980s inspired and facilitated what we call ‚land revanchism‘; a process whereby capital forcibly claimed back the land and spaces it had ‚lost‘ to workers over the previous decades. The spaces that for decades had been perceived and had functioned as workers’ social spaces were violently reclaimed and returned to capital“ (p. 7). The book, consisting of four chapters, undoubtedly deserves credit for showing the transformations of capitalism and its accumulation system through a „social“ approach rather than merely an institutional one. The local history becomes extremely useful for understanding the large-scale transformations occurring nationally and internationally. What Franco Ramella did in his classic „Terra e Telai“ (Torino 1984), describing the shift from (semi)agrarian capitalism to industrial capitalism in the Biella province of Piedmont, is mirrored by the authors as they explain the transition from industrial capitalism to financial-speculative capitalism through the prism of micro history (though perhaps future historians won’t call it that) in the metropolitan area of Milan. The return of the rentier society is one of the central challenges capitalism has to face in the years to come. Indeed, Adam Smith and David Ricardo carefully explained the danger of rent for capital accumulation and growth more than 200 years ago, on the eve of the outright capitalist revolution Europewide. The book is well-written and accessible to general readers interested not only in Milan’s urban changes but also in the worldwide transformation of capitalism.+TABRE+Giampaolo Conte

Lucrezia Ranieri, L’Italia di fronte al Modell Deutschland. Il dibattito politico-economico tra crisi della Repubblica e integrazione europea (1971–1983), Ancona (Affinità Elettive) 2023 (Il fiuto dell’orco 2), 372 S., ISBN 978-88-7326-669-3, € 22.

Als der für seine markanten Hosenträger bekannte Journalist Federico Rampini in den 1990er Jahren vor den Gefahren der „Germanizzazione“ (Roma 1996) warnte, malte er dazu das Bild einer von Stagnation und wohlfahrtsstaatlicher Sklerose geplagten Volkswirtschaft an die Wand, die sich Italien keinesfalls zum Vorbild nehmen dürfe. Um sich nicht von der ökonomischen Rückständigkeit der Bundesrepublik kontaminieren zu lassen, empfahl er stattdessen, dem amerikanischen Modell nachzueifern. Konfrontiert man die Diagnose Rampinis mit der historischen Narration, welche die in Siena lehrende Politikwissenschaftlerin Lucrezia Ranieri in ihrer Dissertationsschrift vorgelegt hat, stellen sich unweigerlich eine Reihe von Fragen: So zeigt die Autorin doch, dass noch in den langen 1970er Jahren – das aufziehende Ende von Bretton Woods (1971) und das Scheitern einer „sozialistischen Alternative europäischer Integration“ (S. 16, 1983) setzen ihrem Untersuchungszeitraum seine Grenzen – die Expansion des „Modell Deutschlands“ nach Italien ökonomischer Potenz zum Trotz aufgrund seiner restriktiven Geld- und Fiskalpolitik gefürchtet wurde. Die BRD bot demnach in nur 15 Jahren aus entgegengesetzten Gründen keine Orientierung. Wie verschob sich also die polit-ökonomische Wahrnehmung der Bundesrepublik derart dramatisch? Wie verliefen die Debatten um das „Modell Deutschland“ im „roten Jahrzehnt“ (Gerd Koenen), das in Italien von historischem Kompromiss und Blei geprägt war und das der Auftakt des Pentapartito beendete? Welche Bedeutung hatten supranationale Integration, institutionelle Diffusion und internationale Turbulenzen für die politische Entwicklung der Ersten Republik? In Kenntnis der Literatur, die sich verschiedenen Facetten des komplizierten Verhältnisses beider Ländern gewidmet hat, konzentriert die Autorin sich dabei inhaltlich auf die italienische Perspektive und polit-ökonomische Aspekte; methodisch stützt sie sich wiederum auf die Pressebericherstattung in ausgewählten Tages- (bspw. „La Stampa“, „Corriere della Sera“, „FAZ“) bzw. Wochenzeitungen (etwa „LʼEspresso“, „Panorama“, „Der Spiegel“) sowie parlamentarische Akten, Nachlässe und Archive von Parteien (PSI, Fondazione Basso & Einaudi), Organisationen (Europäische Kommission & Union) und Politikern (etwa von Romano Prodi, Mariano Rumor, Ugo La Malfa, Tommaso Padoa-Schioppa). Ihr Narrativ gliedert Ranieri dabei in drei große Abschnitte: Der erste, „Strade divergenti“ (S. 21–136), behandelt die Entwicklungen ab Ende der 1960er Jahre bis zur Entscheidung Richard Nixons, währungspolitische Probleme unilateral auf eine höhere Ebene zu heben. Die Autorin rekonstruiert die Befürchtungen italienischer Kommentatoren, ihre Ökonomie hätte hierfür „den höchsten Preis“ (S. 63) zu zahlen, und die daraus resultierende Debatte, ob die Unterschiede kapitalistischer Dynamik in Deutschland und Italien jeweils spezifische Lösungsstrategien erforderten. Hierbei zeigt sie, dass ein entgegengesetztes Plädoyer für allgemeingültige Lösungen im Rahmen der EWG schnell vor die Wahl stellte, entweder die „Italianisierung Europas“ oder der „Europäisierung Italiens“ zu fordern (S. 117–121). Die deutsche Schlagseite letzterer thematisierten wiederum die Debatten, denen sich der zweite und längste Abschnitt des Buches, „L’ascesa del Modell Deutschland“ (S. 137–250), widmet. Ranieri untersucht in ihm einerseits die wechselhafte Wahrnehmung westdeutscher Wirtschaftspolitik von Brandt zu Schmidt – die in den Augen der kommunistischen Presse einen „regresso terminale“ (S. 153) markierte – als eigenständige Antwort auf die Krisen der Jahre 1973–1977. Hierbei boten sich vielseitige Interpretationen an, konkurrierten doch mit Global- und Geldmengensteuerung, Wirtschaftsdemokratie und dem Primat sozialen Friedens konträre Ansätze miteinander. Andererseits demonstriert Ranieri, wie sich diese Diskurse zugleich nach innen kehrten und Italien als ein „zu rettendes Land“ (S. 161) thematisierten. Sie legt dabei im Detail dar, wie gerade die westdeutsche Variante betrieblicher Mitbestimmung als mögliche Lösung für die konfliktbehafteten industriellen Beziehungen angesehen wurde (S. 185). Schließlich adressiert die Autorin die Frage, inwieweit das „deutsche Modell“ angesichts der Bundestagswahlen 1976, in die Schmidt mit diesem Schlagwort zog, Vorbild oder abschreckendes Beispiel darstellte. Der dritte Abschnitt, „Apice e declino“ (S. 251–335) behandelt schließlich zeitlich die Prozesse, die Anfang der 1980er Jahre zu ihrem Abschluss kamen: Ergo zum einen die Etablierung einer neuen währungs- und geldpolitischen Ordnung auf dem alten Kontinent. In dieser erkannte der linke Ökonom Federico Caffè einen Hebel zur „Germanizzazione“ Italiens, die dem „US-amerikanischen Imperialismus“ nur bedingt vorzuziehen sei (S. 284), wohingegen Industrievertreter wie Cesare Romiti die Möglichkeit begrüßten, die Produktivität in Italien zu steigern sowie die Lohn- und Preissteigerungen unter Kontrolle zu bringen (S. 289). Zum anderen schildert Ranieri die Probleme, in die das „deutsche Modell“ Ende der 1970er Jahre zunehmend geriet, und die seine polit-ökonomische Attraktivität bereits vor dem Ende der sozial-liberalen Koalition zunehmend reduzierten (S. 322–327) – womit sich auch die eingangs gestellte Frage klärt, weshalb Mitte der 1990er Jahre die bekannten Topoi der deutschen Frage mit entgegengesetzter Argumentation aufgegriffen und öffentlichkeitswirksam verbreitet werden konnten. Ranieri hat somit nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der italienisch-deutschen Beziehungen, sondern auch zur Kulturgeschichte der italienischen Ökonomie vorgelegt.+TABRE+Lars Döpking

Michael Braun, Von Berlusconi zu Meloni. Italiens Weg in den Postfaschismus, Bonn (Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH) 2024, 200 S., ISBN 978-3-8012-0685-7, € 20.

Der Wahlsieg Giorgia Melonis im September 2022 und die Stabilität ihrer Regierung sorgt im deutschsprachigen Raum für eine verlässliche Nachfrage nach politischem Orientierungswissen zum beliebten Urlaubs- und Reiseland. Gerade vor dem Hintergrund bundesrepublikanischer Erinnerungskultur scheint fraglich, wie mit einem Partner umzugehen ist, der mindestens interessiert auf den „reaktionären Weg“ in die Welt der modernen Industrie (Barrington Moore) zurückblickt. Ist Italien bereits im „Postfaschismus“ angekommen oder nur kurz davor? Nimmt das Land also erneut die Avantgarderolle ein, können wir also an dortigen Prozessen ablesen, was der liberalen Demokratie in der Bundesrepublik droht? Wen diese und andere Fragen umtreiben, kann seit Oktober 2024 zu Michael Brauns zweihundertseitigem Buch greifen – allerdings nur, wer auf Hinweise zu weiterführender Literatur oder gar detaillierte Nachweise verzichten kann. Die Wissenschaft bildet nämlich nicht das Publikum, welcher der Italien-Korrespondent der taz zuvorderst adressiert. Stattdessen will er auch Leser*innen mit wenig Vorwissen einen konzisen historischen Überblick verschaffen, den Aufstieg Melonis aus den Transitionsdynamiken der Zweiten Republik erklären und zuletzt die Maßnahmen ihrer Regierung zusammentragen und kommentieren. Indem der Autor seine Darstellung auf den Fluchtpunkt Postfaschismus zulaufen lässt und Ereignisse bis in den Sommer 2024 behandelt, füllt sein Buch im deutschsprachigen Raum eine Lücke, auch da das schmalere Buch Jens Renners („Neuer Faschismus? Der Aufstieg der Rechten in Italien“, Berlin 2020) partiell von den Ereignissen überholt wurde. Wer sich also anlässlich einer Reise o. ä. für die neuesten Entwicklungen der parlamentarischen Rechten in Italien interessiert, kann zu Brauns Beitrag greifen. Das Buch besticht dabei durch eine klar ersichtliche Gliederung. In vier Teilen schildert der Autor erst das Ende der Ersten Republik (S. 7–66), dann die ab 2013 einsetzenden Verwerfungen im Anschluss an die sogenannte Staatschuldenkrise, die Italien besonders heftig erfasste (S. 67–122). Es folgt eine konzise Schilderung des Aufstiegs Giorgia Melonis seit den Wahlen von 2018 (S. 123–150). Die Darstellung schließt mit einer informativen, siebzigseitigen Betrachtung ihrer Regierungspolitik (S. 124–196). Auffällig und angemessen ist, dass Braun in der Wirtschafts- und Fiskalpolitik der Zweiten Republik einen zentralen Erklärungsfaktor für die Transformationen der italienischen Rechten ausmacht. Wiederholt kommt er auf Steueramnestien (S. 41), den Kampf gegen Steuerhinterziehung (S. 21, 50), Steuererhöhungen (S. 56, 68) und -erleichterungen (S. 98), die Rolle von Staatsverschuldung (S. 60, 69) oder die politische Stellung „des großen Heeres der Selbstständigen und Kleinunternehmer“ (S. 148) zu sprechen. Eher anekdotisch wirken vor diesem Hintergrund die im italienischen Fall doch stets amüsanten Betrachtungen aus dem Feld der politischen Kultur – manche Leser*in mag beispielsweise vergessen haben, dass Umberto Bossi seiner Frau jahrelang vorgaukelte, als Arzt zu arbeiten und daher „seine Tage auf der Parkbank verbrachte“ (S. 25). Ohne Fußnoten oder andere Nachweise lässt sich dies alles nur schwerlich prüfen, daher seien nur drei Ungenauigkeiten angeführt, die dem Rezensenten unmittelbar auffielen: Berlusconis Erben profitierten nicht von der von ihm verantworteten „Abschaffung der Erbschaftssteuer“ (S. 42). Stattdessen wurden sie auf Basis einer Flat-Rate Tax veranlagt, die die sozialliberale Koalition im Jahr 2000 und dann 2006 erneut eingeführt hatte. Die auch in Deutschland üblichen Ausnahmen für Unternehmensanteile, von denen die Erben enorm profitierten, stammen aus dem Jahr 1990. Braun betritt daneben Neuland, wenn er das Anleihekaufprogramm der EZB nicht als direkte Folge der „Whatever it takes“-Rede Mario Draghis betrachtet (S. 69 f.). Auch ist seiner Einschätzung, dass es auf Italiens Straßen während der Regierung Montis „völlig ruhig“ (S. 71) blieb, zu widersprechen: Der Rezensent würde diese Zeit als Steuerrevolte beschreiben, deren Träger allerdings primär Selbstständige waren. Solche Textstellen beeinträchtigen die Lektüre aber kaum, da die Thesen Brauns überzeugen: die Geschichte der italienischen Rechten kennzeichnet zweifellos eine Zäsur zwischen dem „Gute-Laune-Populismus“ (S. 34) eines Silvio Berlusconis und den Attacken gegen Migranten, den Euro und politische Eliten (S. 110), mit denen der gegenwärtige „Wut-Populismus“ (S. 120) mobilisiert. Aus diesem Grund hat auch Matteo Salvini, und nicht Giorgia Meloni, den „Dammbruch eines radikal rechten Populismus“ (S. 135) herbeigeführt. Darüber hinaus wird man Braun folgen und die rasche Abschaffung des Reddito di cittadinanza als eingelöstes Wahlversprechen diskutieren müssen. Nichtsdestotrotz eröffnete es sicherlich eher einen „Krieg gegen die Armen“ als einen „Krieg gegen die Armut“ (S. 166), gerade da zugleich die Einführung eines Mindestlohns blockiert und Steueramnestien erlassen wurden. Auch das taktische Agieren in der Außen- und Europapolitik schildert der Autor nüchtern, wobei er selbstredend recht hat, dass abzuwarten bleibt, inwieweit dies in der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps Bestand haben wird: Denn die Wurzeln zum „identitären Geist“ (S. 196) hat die amtierende Ministerpräsidentin keineswegs gekappt. Fraglich bleibt am Schluss des Buches allerdings, wie denn der titelgebende Postfaschismus genauer zu bestimmen wäre. Doch diese Frage können wir womöglich der Wissenschaft überlassen.

Lars Döpking

Published Online: 2025-11-07
Published in Print: 2025-11-03

© 2025 bei den Autorinnen und den Autoren, publiziert von De Gruyter.

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