Interkulturelles Management. Eine empirische Untersuchung chinesischer Unternehmen in Deutschland: Eine Besprechung
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Yuhuan Huang
Dr. Yuhuan Huang , Associate Professor an der Guangdong University of Foreign Studies. Forschungsschwerpunkte: Interkulturelle Kommunikation, Wissenschaftskommunikation, Gesprächsforschung und Filmstudien.
1 Einleitung
Prof. Dr. Pan Yaling greift in ihrer wissenschaftlichen Monographie, die 2024 erschien, ein zentrales gesellschaftliches Problemfeld auf: die Entwicklung und das Management von transnationalen Unternehmen sowie die Kommunikation zwischen Unternehmensangehörigen unterschiedlicher Kulturen. Im wirtschaftlichen Bereich ist die Begegnung und Zusammenarbeit verschiedener Kulturkreise längst etabliert. Seit mehr als 20 Jahren versuchen zahlreiche chinesische Unternehmen, in Deutschland zu investieren oder sich dort anzusiedeln, um den europäischen Markt zu erschließen. Dabei werden internationale Arbeitskräfte beschäftigt, länderübergreifende Kooperationen gebildet und die Kommunikation vor Herausforderungen gestellt. Dies sind zentrale Themen des Forschungsfeldes Interkulturelles Management.
Basierend auf einer qualitativen empirischen Studie mit 42 chinesischen Unternehmen und Organisationen in Deutschland zwischen 2018 und 2023 untersucht Pan die wichtigsten Herausforderungen und Probleme, mit denen chinesische Unternehmen in Deutschland im interkulturellen Management konfrontiert sind, und analysiert die Gründe dafür mittels systematischer Auswertung von Daten aus Experteninterviews. Die Studie zeigt auch, dass Multikulturalität viele Entwicklungschancen für diese Unternehmen bietet. Das Buch extrahiert interkulturelle Managementstrategien aus den wichtigen Aspekten der interkulturellen Entwicklung der Unternehmenskultur, der interkulturellen Führung und Personalentwicklung sowie des interkulturellen Marketingmanagements und stellt das Konzept der interkulturellen Harmonie und des symbiotischen Zusammenwirkens im multikulturellen Kontext durch effektive Kommunikation und Kooperation vor.
Anhand der Analyseergebnisse erstellt die Autorin das „9S-Modell“ für die „Neun Sichtweisen des interkulturellen Managements aus einer mehrdimensionalen und multi-temporalen Perspektive (多层面多时空视角下的跨文化管理9S要域)“ und konstruiert das Modell des „immergrünen Baums des interkulturellen Unternehmens (跨文化企业常青树)“, das den Rahmen des interkulturellen Managements und den Weg zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung umfassend darstellt. Darüber hinaus entwickelt die Autorin eine Bewertungsskala hinsichtlich des interkulturellen Managements für chinesische Unternehmen in Deutschland, um sie bei der nachhaltigen Entwicklung in einem komplexen kulturellen Umfeld zu unterstützen. Diese Forschungsergebnisse sind sowohl von wissenschaftlicher Bedeutung als auch von praktischer Relevanz, so dass das vorliegende Werk in beiderlei Hinsicht von großem Wert ist.
2 Hauptinhalte des Buches
Die Monografie gliedert sich insgesamt in acht Teile: die Einleitung (1.), die theoretischen Grundlagen der Forschung (2.), das Forschungsdesign und der Forschungsvorgang (3.), die Probleme und Herausforderungen des interkulturellen Managements von chinesischen Unternehmen in Deutschland (4.), die Chancen und Strategien (5.), die interkulturelle Kommunikation und das symbiotische Zusammenwirken (6.), die nachhaltige Entwicklung von chinesischen Unternehmen in Deutschland (7.) sowie der Schluss (8.).
In einer kurzen und prägnanten Einleitung gelingt es der Autorin, den Hintergrund, das Forschungsthema und die Forschungsfrage, den Forschungsstand sowie das Forschungsdesign präzise darzustellen. Ziel ist es, durch die systematische Analyse empirischer Daten Chancen, Herausforderungen und Probleme im Bereich des interkulturellen Managements zu identifizieren und entsprechende Strategien sowie konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen anzubieten (Pan 2024, S. 13). Drei Fragenkomplexe leiten die Untersuchung: 1) Welches sind die wichtigsten Herausforderungen und Probleme, mit denen chinesische Unternehmen in Deutschland aus Sicht des interkulturellen Managements konfrontiert sind? Welches sind die wichtigsten Aspekte dieser Probleme? Was sind die wichtigsten Ursachen dieser Probleme? 2) Welche Chancen und Vorteile bietet das interkulturelle Feld in einem multikulturellen Kontext für das Management chinesischer Unternehmen in Deutschland? 3) Welches sind die wichtigsten Strategien und Ansätze des interkulturellen Managements chinesischer Unternehmen in Deutschland, um diesen Herausforderungen und Chancen zu begegnen? Wie effektiv sind diese Strategien und Ansätze? (Pan 2024, S. 6)
Durch einen systematischen Überblick und eine eingehende Diskussion der theoretischen Grundlagen bietet das zweite Kapitel einen soliden theoretischen Rahmen für das Verständnis und den Umgang mit der Komplexität im interkulturellen Management und legt die Grundlage für die Konzeption und Durchführung der empirischen Forschung in den folgenden Kapiteln. Die Autorin reflektiert kritisch das akademische Verständnis des Begriffs Interkulturalität und lehnt die in der Wirtschaftskommunikation übliche Annahme ab, dass Kulturen vor allem strukturell geprägt und stabil sind und klare Grenzen haben. Neben der räumlichen Perspektive sollten auch die zeitliche Perspektive, d. h. die Fuzziness (模糊性), die Fließdynamik (流淌性), die Durchdringbarkeit (渗透性) sowie die Gemeinschaftlichkeit (共享性) zwischen verschiedenen Kulturen, berücksichtigt bzw. betont werden (Pan 2024, S. 45–46). Daher wird hier anhand des Modells des „Baums der Unternehmenskultur (企业文化之树)“ der Einfluss der kulturellen Faktoren auf die Unternehmenskultur aufgezeigt und die Vielfalt, Komplexität und Dynamik des interkulturellen Personalmanagements erläutert. Die Bedeutung des interkulturellen Marketings und die damit verbundenen Herausforderungen werden auch durch die kritische Reflexion klassischer Marketingmodelle und Forschungsergebnisse verdeutlicht.
Das dritte Kapitel dient der Darstellung des Forschungsdesigns und der Vorgehensweise der Untersuchung. Im Rahmen der qualitativen Untersuchung entscheidet sich die Autorin für die Methode des teilstandardisierten Experteninterviews sowie für die teilnehmende Beobachtung als unterstützende Methode. Mögliche Forschungsrisiken und deren Gegenmaßnahmen werden in diesem Kapitel ausführlich erörtert und diskutiert. Der Interviewleitfaden konzentriert sich auf drei Aspekte: Aufbau einer interkulturellen Unternehmenskultur, interkulturelles Personalmanagement und interkulturelles Marketing. Beeindruckend sind die Auswahl der Probanden, die Datenmenge und der Erhebungsprozess. Insgesamt wurden 55 deutsche und chinesische Führungskräfte bzw. Mitarbeiter von 42 chinesischen Unternehmen in Deutschland von der Autorin interviewt, davon wurden 48 Interviews bei persönlichen Besuchen der Autorin in den Unternehmen vor Ort durchgeführt. Als Analysemethode wendet sie die Grounded Theory an, um die Interviews als wissenschaftliche Objekte zu bearbeiten und zu interpretieren.
Die folgenden vier Kapitel, die den Hauptteil des Buches ausmachen, widmen sich der Darstellung der Forschungsergebnisse. Zunächst befasst sich das vierte Kapitel mit den Problemen und Herausforderungen des interkulturellen Managements chinesischer Unternehmen in Deutschland. Es umfasst im Wesentlichen vier Hauptbereiche: Aufbau einer Unternehmenskultur, Personalentwicklung und -management, Branding und Marketing sowie Sozialisation und Kommunikation. Anhand einer Analyse von Trends in den Werten und Verhaltensweisen von Chinesen und Deutschen zeigt die Autorin, dass Chinesen eher zu der Ansicht neigen, dass sich die Welt ständig verändert und dass die Menschen sich an diese Veränderungen anpassen müssen, um sich inmitten dieser Veränderungen besser zu positionieren sowie Märkte und Trends zu verstehen. Daher legen Chinesen großen Wert auf Flexibilität bei der Arbeit, ständiges Lernen, die Suche nach neuen Anpassungen, den Wert von Erfahrung und den Geist von Versuch und Irrtum. Dennoch seien viele Methoden und Erfahrungen, die in China gut funktionieren, in der neuen Umgebung in Deutschland nicht unbedingt anwendbar. Die Deutschen in chinesischen Unternehmen seien im Allgemeinen der Ansicht, dass sie, um die Welt zu verstehen, Transparenz von Informationen, klare Prozesse und Rationalität im Umgang mit der Welt benötigen. Sie schätzen die Regelmäßigkeit und Struktur der Dinge, die Prozeduralisierung und Institutionalisierung der Arbeit und die Notwendigkeit klarer Grenzen zwischen den Dingen, um den Überblick zu behalten und Unsicherheiten zu vermeiden. Die Autorin stellt fest, dass die interkulturellen Managementherausforderungen für chinesische Unternehmen in Deutschland vielfältig sind. Diese Herausforderungen sollten nicht nur das interne Management und die operative Effizienz der Unternehmen betreffen, sondern könnten auch tiefgreifende Auswirkungen auf ihre Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung auf dem deutschen Markt haben.
Das fünfte Kapitel ist logisch daran anknüpfend aufgebaut und bezieht sich auf die Chancen und Strategien, die weitgehend die Probleme und Herausforderungen aus Kapitel 4 widerspiegeln. Sie werden in Anlehnung an den Interviewleitfaden in drei Aspekten herausgearbeitet und dargestellt: Aufbau einer interkulturellen Unternehmenskultur, interkulturelles Personalmanagement und interkulturelles Marketing. Im Hinblick auf den Aufbau einer interkulturellen Unternehmenskultur analysiert die Autorin die Bedeutung multikultureller Integration und gemeinsamer Werte sowie die Notwendigkeit einer interkulturellen Organisationsstruktur. Darüber hinaus werden auch das institutionelle Management, die Schaffung eines interkulturellen Raums und die zwischenmenschliche Harmonie erörtert. Diese Maßnahmen sollten den Unternehmen helfen, eine gesunde und nachhaltige Unternehmenskultur im Kontext der Multikulturalität zu schaffen und das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter sowie die interkulturelle Synergie zu fördern. Außerdem sind interkulturelle Führung und Personalentwicklung der Schlüssel zum Unternehmenserfolg: Durch Personal- und Talentauswahl, Expatriate-Management und interkulturelle Trainings könnten sich Unternehmen besser auf die Bedürfnisse von Mitarbeitern mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen einstellen. Eine differenzierte Personalführung und die Teambildung sowie effektive Strategien zur Mitarbeitermotivation und Karriereentwicklung sollen deren Motivation und Loyalität stärken. Im Bereich des interkulturellen Marketingmanagements sollten Unternehmen an den lokalen Markt angepasste Marketingstrategien formulieren, ein interkulturelles Markenimage aufbauen, Produktstrategien und technologische Innovationen kombinieren, Kundenbeziehungen entwickeln und pflegen, Marketingkanäle und Kommunikationsmedien optimieren und durch effektive Marketingkommunikation die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt steigern. Durch zahlreiche Zitate aus den Interviews und typische Fallbeispiele werden die oben genannten Chancen und Strategien sehr konkret und lebendig dargestellt.
Ein besonderer Teil der Analyseergebnisse ist das sechste Kapitel, in dem die Autorin Erkenntnisse aus der Hehe-Theorie (和合学Theorie der kulturellen Harmonie und des symbiotischen Zusammenwirkens) des chinesischen Philosophen Zhang Liwen (2006), für die interkulturelle Kommunikation und das interkulturelle Management ableitet und deren Anwendung in der Kommunikationspraxis erläutert. Für die interkulturelle Kommunikation werden zahlreiche praktische Anregungen in Bezug auf Kommunikationsmodi und -kanäle, Kommunikationssprachen und Ausdrucksstile, nonverbale und paraverbale Kommunikation sowie Metakommunikation mit Beispielen erläutert. Im Hinblick auf interkulturelle Harmonie und symbiotisches Zusammenwirken werden verschiedene Aspekte des interkulturellen Lernens, der Synergie und der Koexistenz analysiert und die Möglichkeit hervorgehoben, dass Mitarbeiter aus verschiedenen Kulturen voneinander lernen und zum gegenseitigen Nutzen zusammenarbeiten. Interkulturelle Synergie ist ein Schlüsselfaktor für Teamarbeit und Wettbewerbsfähigkeit, und interkulturelle Koexistenz ist der Eckpfeiler für die langfristige Entwicklung eines Unternehmens, das durch die Integration verschiedener Kulturen kontinuierlich neue Werte und Möglichkeiten schaffen kann.
In Kapitel 7 werden die zentralen Forschungsergebnisse für die nachhaltige Entwicklung interkultureller Unternehmen sehr kompakt zusammengefasst und dargestellt. Besonders hervorzuheben ist das „9S-Modell“ (Pan 2024, S. 276), die die neun Sichtweisen des interkulturellen Managements aus einer mehrdimensionalen und multi-temporalen Perspektive visualisiert und als ausführliche Zusammenfassung dient:

9 Sichtweisen des interkulturellen Managements aus einer mehrdimensionalen und multi-temporalen Perspektive (多层面多时空视角下的跨文化管理9S要域)
Kurze Erläuterung: Die „9S“ stammen von neun Begriffen, die im Chinesischen alle die Aussprache „shi“ aufweisen, und für neun wichtige Bereiche stehen, die im interkulturellen Management zu berücksichtigen sind: Auf der individuellen Ebene jeweils Wissen, Arbeit und Ziel aus historischer, gegenwärtiger und zukünftiger Sicht; auf der Unternehmensebene jeweils Erfahrung, Handeln und Vision; auf der kulturellen Ebene jeweils Geschichte, Markt und Trend. Jeder Begriff hat noch viele weitere Bedeutungen. Diese Tabelle sollte chinesischen Unternehmen in Deutschland helfen, die Herausforderungen des interkulturellen Managements besser zu verstehen und zu bewältigen. Darauf aufbauend wird das Modell des „immergrünen Baums des interkulturellen Unternehmens“ (Pan 2024, S. 277) entwickelt und vorgestellt:

Das Modell des immergrünen Baums des interkulturellen Unternehmens (跨文化企业常青树模型)
Der Baum symbolisiert, dass ein Unternehmen in seiner kulturellen Vielfalt gedeiht und langfristig erfolgreich ist. Somit stellt das Modell den Rahmen des interkulturellen Managements und den Weg zu einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung umfassend dar. Darüber hinaus entwickelt die Autorin eine „Bewertungsskala für interkulturelles Management für chinesische Unternehmen in Deutschland“ (Pan 2024, S. 279–282), um sie bei der nachhaltigen Entwicklung in einem komplexen kulturellen Umfeld zu unterstützen. In einem sehr knappen, aber präzisen Schlusskapitel fasst Pan die Hauptthesen, Innovationen, Grenzen sowie einen Ausblick ihrer Untersuchung zusammen und hofft, dass das Buch dem „Schiff“ chinesischer Unternehmen beim „Segelsetzen“ auf der Globalisierungswelle Orientierung und Unterstützung bietet (Pan 2024, S. 292).
3 Originalität und Innovationen der Forschung
Wie Prof. Pan in ihrer Einführung erwähnte, gibt es in der Wissenschaft bereits zahlreiche Forschungen und Publikationen zum interkulturellen Management und zur deutsch-chinesischen Wirtschaftskommunikation. Viele Studien beschränken sich jedoch auf allgemeine Problemdiskussionen, Argumentationen mit spontanen Fallbeispielen oder Beschreibungen des Geschäftsumfelds bzw. Kulturvergleiche. Während einige chinesische Germanisten systematische und gründliche empirische Untersuchungen zur interkulturellen Kommunikation in deutschen Unternehmen in China durchgeführt haben (Zhang 2022; Lin 2023) oder die betriebliche Interaktion zwischen deutschen und chinesischen Kollegen aus gesprächsanalytischer Perspektive untersucht haben (Chen 2016), fehlen jedoch umfassende empirische Untersuchungen zu chinesischen Unternehmen in Deutschland. Diese erkannte Forschungslücke wird durch die Arbeit von Pan nun in angemessener Weise geschlossen. Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit für das Forschungsfeld der deutsch-chinesischen Wirtschaftskommunikation von immenser Bedeutung. Insgesamt zeichnet sich das Werk zum interkulturellen Management bei der Lektüre durch folgende Besonderheiten aus.
3.1 Umfang der empirischen Daten und verständliche Darstellung der Analyse
Zur Durchführung der Studie besuchte die Autorin zwischen 2018 und 2023 insgesamt fünfmal Unternehmen in Deutschland, die durch eine gezielte Stichprobenziehung ausgewählt wurden. Durch Interviews mit 55 Experten aus 42 chinesischen Unternehmen und Organisationen in Deutschland konnten qualitativ hochwertige Primärdaten gewonnen werden, die ein breites regionales Spektrum abdecken. Die Befragten kamen aus unterschiedlichen Branchen wie Automobil, Kommunikation, Transport, Maschinenbau, Finanzen, Handel, Beratung, Tourismus, Dienstleistungen und Medizin. Die Transkription und Übersetzung der Interviews umfassten schließlich 657 743 Schriftzeichen. Die durch persönliche Besuche und intensive Gespräche erhobenen Daten sowie die sorgfältige Analyse bis zur theoretischen Sättigung garantieren die Repräsentativität der Ergebnisse. Der Umfang der Daten und die Tiefe der Analyse sind einzigartig und mit ähnlichen Studien nicht vergleichbar. Die Autorin stellt die Ergebnisse der Analyse auf unterschiedliche Weise dar: Zum einen durch direkte Zitate aus den Experteninterviews, um dem Leser das Gefühl der Präsenz und des eigenen Erlebens zu vermitteln. Zum anderen wird die Gesamtsituation durch typische Fallbeispiele veranschaulicht. Diese Fälle konkretisieren nicht nur theoretische Ideen, sondern vermitteln dem Leser durch reale Anwendungsszenarien ein praktisches Verständnis für die Komplexität und Vielfalt interkultureller Managementpraktiken. Besonders anschaulich sind die zusammenfassende „9S-Tabelle“ und das Modell des „immergrünen Baums“ sowie die Bewertungsskala im vorletzten Kapitel. Deren Inhalte sind durch die Vielzahl der Einzelergebnisse in den Kapiteln 4 bis 6 nicht immer klar vermittelt geworden, so dass die kompakte und übersichtliche Darstellung am Ende für den Leser von großem Wert ist.
3.2 Anwendung dynamischer Konzepte der Unternehmenskultur und des interkulturellen Managements
Während viele existierende Bücher und Studien, die deutsche oder chinesische Unternehmenskultur als statische Objekte beschreiben (Chen 2017), führt diese Studie neben der räumlichen Perspektive von Kultur und Interkulturalität auch die zeitliche Perspektive ein. Der Vergleich von Kultur mit einem Baum, vermag die Lebendigkeit und den Erneuerungsprozess von Kultur treffend zu erklären (Pan 2024, S. 20–21). Das Konzept einer interkulturellen Unternehmenskultur sollte ihrer Meinung nach vier Schlüsselmerkmale aufweisen, nämlich Fuzziness, Fließdynamik, Durchdringbarkeit und Gemeinschaftlichkeit. Nur so kann die Vielfalt, Komplexität und Dynamik des interkulturellen Managements erklärt werden. In dieser Studie wird daher immer wieder auf den strukturellen und fließenden Charakter des interkulturellen Managements in chinesischen Unternehmen in Deutschland hingewiesen. Dieser Charakter sorgt sowohl für die Stabilität des Unternehmens in unterschiedlichen kulturellen Umfeldern als auch für seine Fähigkeit zur flexiblen Anpassung und dynamischen Veränderung. Der Managementstil, der Wandel in Stabilität und Beständigkeit im Wandel anstrebt, hilft den Unternehmen nicht nur, mit komplexen und sich verändernden internen und externen Umwelten umzugehen, sondern fördert auch die Anwendung chinesischer Managementkonzepte im modernen interkulturellen Management.
3.3 Hervorhebung der positiven Auswirkungen der Multikulturalität auf die Unternehmensführung
Im Vergleich zu den Problemen und Herausforderungen in Kapitel 4 ist das Kapitel 5 über Chancen und Strategien noch angenehmer zu lesen. Die Autorin fasst hier viele inspirierende Fälle und praktische Maßnahmen aus den Daten zusammen, die zeigen, dass multikulturelle Begegnungen nicht nur Missverständnisse und Konflikte mit sich bringen, sondern vielmehr inspirierend und nutzbar sein können. Die „Hervorbringung eines neuen Verhältnisses zwischen verschiedenen Kulturen“ (Huang 2019, S. 142) kann durchaus Quelle der Innovation und Treibkraft der Entwicklung sein. Nur um ein Beispiel in diesem Kapitel über die Organisationsstruktur zu nennen (Pan 2024, S. 168–169): Einige chinesische Unternehmen haben nach der Übernahme deutscher Unternehmen ein duales chinesisch-deutsches Managementsystem eingeführt und damit erste Erfolge erzielt. In der Anfangsphase der kulturellen Integration nach der Übernahme entsandte beispielsweise die chinesische Muttergesellschaft einen Finanzdirektor in die deutsche Tochtergesellschaft, während der deutsche Finanzdirektor aus der Zeit vor der Übernahme beibehalten wurde. Dieses Arrangement nutzte die Vertrautheit des deutschen Managers mit den lokalen Besonderheiten und Vorschriften, während gleichzeitig die Rolle des chinesischen Finanzdirektors als Brücke zwischen der Tochtergesellschaft und der chinesischen Muttergesellschaft förderlich war. In ähnlicher Weise haben manche Unternehmen eine Doppelspitze aus chinesischem und deutschem Geschäftsführer eingesetzt, was für beide Seiten gut funktioniert. Der chinesische und der deutsche Geschäftsführer drücken ihr Wohlwollen und ihre Toleranz füreinander durch eine offene und ehrliche Kommunikation aus. Der chinesische Geschäftsführer vermeidet es, sich zu sehr in das Management einzumischen und gewinnt dadurch das Vertrauen des deutschen Geschäftsführers. Der chinesische Geschäftsführer nimmt eine neutrale und objektive Haltung ein und kämpft aktiv um Ressourcen für die Tochtergesellschaft, während der deutsche Geschäftsführer seine Wertschätzung für das Unternehmen und seine Arbeitsfähigkeit durch sein eigenes Handeln demonstriert. Durch die eingehende Analyse solcher erfolgreichen Fälle werden Schlüsselstrategien vorgeschlagen, die nicht nur im interkulturellen Kontext Chinas und Deutschlands anwendbar sind, sondern auch chinesischen Unternehmen, die in andere Länder und Regionen „auswandern“, nützliche Hinweise und Anleitungen bieten.
3.4 Berücksichtigung und Integration chinesischer Kulturperspektiven
Die Autorin hat die chinesische Kulturperspektive in ihre Forschung integriert, indem sie nicht nur europäische und amerikanische Theorien zu Kulturdimensionen kritisch reflektiert, sondern auch Managementstrategien und -methoden vorschlägt, die den kulturellen Besonderheiten chinesischer Unternehmen und den Anforderungen der internationalen Praxis gerecht werden. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das Konzept der interkulturellen Hehe (跨文化和合interkulturelle Harmonie und symbiotisches Zusammenwirken) im Kapitel 6. Die Hehe-Kultur ist die Essenz der traditionellen chinesischen Kultur (ACCWS 2023). Das erste He (和) steht für Harmonie, Frieden und Gleichgewicht. Das zweite He (合) steht für Konvergenz, Einheit und Kooperation. Diese integrative Haltung spiegelt sich in der traditionellen Denkweise wider: „Harmonie schätzen und Gleichgewicht hochhalten“, „verständnisvoll und aufgeschlossen sein“, „die Welt mit Tugend umarmen“ und „in Harmonie ohne Uniformität leben“. Das ist das kulturelle Ideal, nach dem das chinesische Volk strebt (ACCWS 2023). Die Autorin verbindet die Hehe-Theorie des chinesischen Philosophen Zhang Liwen mit interkulturellem Lernen und interkultureller Zusammenarbeit zu dem zentralen Konzept der interkulturellen Harmonie und des symbiotischen Zusammenwirkens (Pan 2024, S. 265) und weist darauf hin, dass dieses Konzept nicht nur der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung von Unternehmen im Kontext der Globalisierung ist, sondern auch ein wirksamer Weg zur internen Kulturentwicklung. Mit dieser Sichtweise bringen chinesische Wissenschaftler eine einzigartige Perspektive in die internationale Managementforschung ein und fördern den Austausch zwischen chinesischen und internationalen Managementforschern.
3.5 Praktische Anregungen und konkrete Handlungsempfehlungen für die Unternehmen
Das Buch ist nicht nur akademisch fundiert, sondern bietet dem Leser auch viele praktische Erfahrungen und Anregungen aus der Praxis. Beispielsweise kombiniert die Autorin die Ergebnisse von Datenanalysen und bisherigen Forschungsergebnissen, um ein „interkulturelles Trainingsdesign für chinesische Unternehmen in Deutschland“ (Pan 2024, S. 191) zu entwickeln. Das Design ist spezifisch und detailliert. Zudem umfasst es verschiedene Trainingsinhalte und -methoden für chinesische Mitarbeiter in den drei Phasen – vor der Entsendung, während der Entsendung und vor der Rückkehr – und schlägt die Trainingsprinzipien Interaktivität und Partizipation, Individualisierung und Offenheit, Kontinuität und Systematik vor. Als weiteres Beispiel fasst die Autorin in einer „Graphik interkulturelle Marketingstrategien für chinesische Unternehmen in Deutschland“ (Pan 2024, S. 241) zusammen und veranschaulicht anhand konkreter Fälle, auf welche Details im Marketingprozess besonders zu achten ist. Z. B. sollte bei der Vermarktung und Bewerbung von Produkten auf die kulturelle Konnotation geachtet werden, die Geschichte Deutschlands genau verstanden und sensible Inhalte vermieden werden (Pan 2024, S. 233). Auf die Gestaltung von Marketingmaterialien sollte geachtet werden, da Deutsche ein einfaches und klares Design bevorzugen und die Symbolik der Farben sich oft von der chinesischen unterscheidet (Pan 2024, S. 239–240). Bei der Marketingkommunikation ist es wichtig, mit den deutschen Kunden vor Ort auf Deutsch zu kommunizieren, insbesondere in den traditionelleren Bereichen wie Recht, Medizin, Bildung und Maschinenbau (Pan 2024, S. 237).
4 Schlusswort
In einem Medieninterview 2024 sagte Fang Dongkui, Generalsekretär der China Chamber of Commerce to the EU (CCCEU), dass chinesische Unternehmen Europa weiterhin als einen wichtigen strategischen Schwerpunkt für ihre Expansion und Internationalisierung in Übersee betrachten und dass sich diese Positionierung in absehbarer Zeit nicht ändern werde (Shi 2024). Vor diesem Hintergrund ist das Buch von Professor Pan ein wertvolles Nachschlagewerk für Unternehmen, die bereits in Deutschland aktiv sind oder eine Expansion planen. Mängel und Schwächen des Buches zeigen sich bei der Lektüre vor allem in folgenden Punkten: 1. Es wäre anschaulicher, wenn der empirische Forschungsprozess dem Leser durch multimodale Darstellungen, z. B. mit Bildern der Interviewräume, vor Augen geführt würde; 2. Für die „Bewertungsskala bezüglich des interkulturellen Managements für chinesische Unternehmen in Deutschland“ fehlt eine Erläuterung ihres Entwicklungsprozesses und ein Nachweis ihrer Wirkung in der Anwendung; 3. Die Untersuchung dauerte insgesamt sechs Jahre und die Einflussfaktoren auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen, wie die Pandemie und die Veränderungen der weltpolitischen Lage, sind in der Untersuchung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Trotz dieser Unzulänglichkeiten ist die Studie insgesamt umfassend, gründlich und gelungen. Das Werk regt den Dialog zwischen Forschern und Praktikern an und fördert den Austausch von Erfahrungen und Wissen unter chinesischen Unternehmen in Übersee. Durch die Bereitstellung strategischer Ratschläge und Inspirationen für den Umgang mit interkulturellen Herausforderungen wird dieses Buch chinesischen Unternehmen im Ausland helfen, ihre interkulturellen Managementfähigkeiten zu verbessern. Daher wird mit dieser Studie die Anwendung chinesischer Managementkonzepte im modernen interkulturellen Management vorangetrieben und ein „chinesischer Beitrag“ zur interkulturellen Managementpraxis und -forschung geleistet.
Über die Autoren
Dr. Yuhuan Huang, Associate Professor an der Guangdong University of Foreign Studies. Forschungsschwerpunkte: Interkulturelle Kommunikation, Wissenschaftskommunikation, Gesprächsforschung und Filmstudien.
associate Professor
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- Die Fremdartigkeit der traditionellen chinesischen Erzählliteratur: Zur Rezeption des Liaozhai zhiyi im deutschsprachigen Raum
- Interkulturelle chinabezogene Kompetenz der neuen Generation von Chinesen mit Migrationshintergrund in Deutschland im Kontext des globalen mobilen Internets
- Die interkulturelle Übersetzungsstrategie von „Dao“ im deutschen Übersetzungswerk Laotse. Tao Te King. Das Buch des Alten vom SINN und LEBEN von Richard Wilhelm – Eine kontrastive Forschung im Hinblick auf Übersetzungsdialog der Intertextualität und Interkulturalität.
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