Abstract
Kant’s Critique of Judgement (Critik der Urtheilskraft) is being republished as part of the so-called Academy Edition. The text itself presents far fewer editorial challenges than other writings of Kant. However, this third critique contains an unusual number of examples whose sources and historical contextualisation in the contemporary discussion are the actual challenge of this edition. Last but not least, there is also the question of how to deal with the devaluing and in some cases racist statements in these examples in the context of the edition.
Kants dritte Kritik, die Critik der Urtheilskraft, wird im Zuge der Neuedition der sogenannten Akademie-Ausgabe herausgegeben.[1] Der Text ist gesetzt und die ‚Sachlichen Erläuterungen‘ sowie das Register und das Literaturverzeichnis befinden sich im Korrekturprozess. Ähnliches gilt für die zweite Kritik, die Critik der praktischen Vernunft, die von Jens Timmermann übernommen wurde. Der Abschluss der Arbeiten an beiden Kritiken ist für Ende des Jahres 2024 geplant, so dass der Band 5, der sowohl die Critik der Urtheilskraft als auch – nämlich im ersten Teil – die Critik der Praktischen Vernunft einschließt, im nächsten Jahr im Verlag De Gruyter erscheinen wird.[2]
Im Folgenden sei ein Einblick in die zentralen Anliegen der Neuedition gegeben, aber auch in konkrete Entscheidungen, die zu treffen waren; exemplarisch seien zudem die Fragen und Herausforderungen veranschaulicht, mit denen wir im Laufe der Jahre an der Edition konfrontiert waren. Dass diese wenigstens annähernd bewältigt werden konnten, liegt nicht zuletzt daran, dass die Verfasserin des vorliegenden Beitrags mit der Arbeit an diesem Projekt nicht allein war, sondern sie im Rahmen einer engagierten und kompetenten Zusammenarbeit durchführen konnte, denn seit vielen Jahren haben folgende Personen mitgetan: Andreas Eckl, der als Mitherausgeber seit vielen Jahren an Text, Apparat und Sacherläuterungen arbeitet; Maja Schepelmann, die als Koordinatorin in der Kant-Arbeitsstelle, aber ebenfalls bei den editorischen Arbeiten höchst engagiert dabei ist; und Detlef Eberhard, der die Korrektur des Textes übernommen und darüber hinaus alle Angaben und Zitate der Sacherläuterungen überprüft hat.
Die Neuedition der Akademie-Ausgabe – Bemerkungen zu Anliegen und Durchführung
Die sogenannte Akademie-Ausgabe[3] wurde 1894 unter der Leitung von Wilhelm Dilthey initiiert und in Angriff genommen. Sie war als eine ‚Musterausgabe‘ geplant und sollte editorische Maßstäbe setzen. Das Vorhaben, die Werke Kants vollständig herauszugeben, ist allerdings durch verschiedene widrige Umstände – sei es der Weltkriege, des Wechsels der Herausgeber und des Ortes der Edition – nicht zum Abschluss gelangt. Zwar haben die damaligen Herausgeber wie etwa Wilhelm Dilthey, Erich Adickes, Oswald Külpe, Paul Menzer, Paul Natorp, Karl Vorländer, Wilhelm Windelband ohne Frage viel geleistet; doch das Unternehmen erwies sich, wie viele andere große Editionen auch, als ein sogenanntes ‚Schildkrötenprojekt‘. Die Bände erschienen in dem Zeitraum von 1900–1983, und der Band 25, die Vorlesungen über Anthropologie, wurde sogar erst 1997 fertiggestellt. In Anbetracht dieses langen Entstehungszeitraums ist es nicht überraschend, dass es nicht gelungen ist, die Editionsrichtlinien einheitlich umzusetzen und eine vergleichbar hohe Qualität bei allen Bänden zu garantieren. Damit ist bereits einer von vielen Gründen genannt, die dazu führten, dass so kurze Zeit nach Abschluss der Gesamtausgabe – nämlich im Jahr 2001 – bereits eine Neuedition angestrebt wurde. Weitere Gründe ergaben sich aus Neufunden etwa von Notizen, Vorlesungsnachschriften und Briefen, aber auch aus dem über die Zeit veränderten Herausgeberselbstverständnis und den wachsenden editorischen Ansprüchen, die sich mit der Entwicklung des seinerzeit noch jungen Faches der Editionswissenschaft einstellten, und nicht zuletzt aus neuen Möglichkeiten zur elektronischen Überprüfung und Recherche möglicher Quellen. Kurz: Die Ansprüche an eine wissenschaftliche Edition haben sich im Laufe des letzten Jahrhunderts gravierend geändert.
Die Neuedition zielt nun auf eine benutzerfreundliche, in Bezug auf ihre editorischen Entscheidungen transparente historisch-kritische Ausgabe, die für Forschung und Lehre verbindlich sein soll. Im Vordergrund soll der Primärtext stehen. Er wird sprachlich nicht modernisiert und entsprechend unter dem Ideal der Originaltreue ‚konservativ‘, d. h. mit großer Zurückhaltung bezüglich der editorischen Eingriffe hergestellt. Was die sogenannten Sacherläuterungen angeht, so lauten die Richtlinien für die Neuedition sinngemäß: Sie sind auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen Textaussagen und -bezüge historisch und sprachlich nicht eindeutig verständlich sind und bei denen nicht anzunehmen ist, dass eine Leserin oder ein Leser sie sich zügig und problemlos selbstständig erarbeiten kann. Die passgenaue Auswahl der erläuterungsbedürftigen Stellen bleibt ohne Zweifel zum Teil eine Ermessensfrage. An vielen Stellen des kantischen Textes setzten die Herausgeber der ‚alten Akademie-Ausgabe‘ bei ihren Leserinnen und Lesern ein umfassendes historisches Wissen voraus, das in dem unterstellten Maße möglicherweise damals schon nicht vorhanden war; oft gaben die Sacherläuterungen nur ausgesprochen knappe Informationen und kaum Hinweise auf zeitgenössische Diskussionen, die im Hintergrund vieler Bemerkungen standen. Das Bedürfnis heutiger Leserinnen und Leser, sich die jeweiligen Hintergrunddebatten zu erschließen, ist seitdem sicherlich gewachsen. Und durch die Digitalisierung vieler Quellen und die verschiedenen, teils auch spezialisierten Suchmaschinen haben sich die Recherche- und Überprüfungsmöglichkeiten entscheidend verbessert.
Die Texterstellung – Originaltreue und Transparenz
Zum Text der Critik der Urtheilskraft liegt keine Handschrift vor – ausgenommen die von Kant nicht veröffentlichte Erste Einleitung, die aber entsprechend nicht im Band 5 und der Abteilung Werke, sondern in Band 20 der Akademie-Ausgabe innerhalb der Abteilung Handschriftlicher Nachlass erscheint.[4] Darüber hinaus stellt der edierte Text der dritten Kritik eine Herausgeberin bzw. einen Herausgeber nicht vor fundamentale editorische Herausforderungen, wie sie sich etwa im Fall von Kants Metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre der Metaphysik der Sitten (AA 6; Neuedition von Michael Wolff), des Opus Postumum (AA 21 und 22; Neuedition von Eckart Förster und Jacqueline Karl) oder der Vorlesungen über die Physische Geographie (AA 26,1 und 2; Neuedition von Werner Stark) eröffnen. Die Edition der Critik der Urtheilskraft der alten Akademie-Ausgabe ist seinerzeit von Wilhelm Windelband besorgt worden (und liegt in den Ausgaben/Auflagen von 1908 und 1913 vor); diese Ausgabe bildet eine solide Grundlage für die Neuedition. Von der Critik der Urtheilskraft sind zu Lebzeiten Kants drei Auflagen erschienen – die erste 1790 (A), die zweite 1793 (B) und die dritte 1799 (C). Die Referenzausgabe, die wir für die neue Edition – wie auch schon der Herausgeber der alten Akademie-Ausgabe – gewählt haben, ist die zweite Auflage (B), insofern nur von ihr nachweisbar ist, dass Kant an den Korrekturen beteiligt war und die Ergänzungen von ihm stammen bzw. befürwortet wurden. Die meisten und gravierendsten Abweichungen sind zwischen erster (A) und zweiter Auflage (B) zu beobachten; aber auch die dritte Auflage birgt nicht allein sprachliche Modernisierungen und syntaktische Vereinfachungen, sondern enthält auch einige inhaltlich ernstzunehmende Eingriffe. Für die Neuedition haben wir die Modernisierungen in Orthografie und Interpunktion der ‚alten‘ Akademie-Ausgabe zurückgenommen und folgen der Originalausgabe der zweiten Auflage von 1793 (B). Im kritischen Apparat verzeichnen wir die Varianten der ersten Auflage A (1790) und der dritten Auflage C (1799); ein Variantenverzeichnis wird zusätzlich in einer synoptischen Darstellung elektronisch verfügbar gemacht. Ferner werden die Eingriffe gängiger Editionen (insgesamt sind es 19) im Apparat verzeichnet. Auch sie werden in einer ‚Konjekturentabelle‘ elektronisch zugänglich sein, so dass nachvollziehbar ist, welcher Herausgeber sich von welcher Edition hat anregen lassen.
Erläuterung der editorischen Praxis: zwei Beispiele
Die Eingriffe der Neuedition halten sich entsprechend der Leitlinie der Originaltreue in Grenzen – sie schließen gegenwärtig insgesamt 12 eigenständige Konjekturen ein, ferner 40 Konjekturen mit Varianten aus der ersten (A) und 24 mit solchen der dritten Ausgabe (C) sowie 65 Konjekturen, die wir unter Rückgriff auf Konjekturen anderer Herausgeber, auf das Fehlerverzeichnis oder auf Rezensionen getätigt haben. Zu acht Stellen des Textes haben wir lediglich Lesevorschläge gemacht, weil wir davon überzeugt waren, dass die betreffende Stelle mit einer kleinen Lesehilfe gehalten werden kann.
Im Folgenden gebe ich kurz ein Beispiel für einen solchen Lesevorschlag. Uns erschien etwa eine Stelle aus der Teleologie der Critik der Urtheilskraft durchaus verständlich; mit gedanklicher Ergänzung der für Kant – durchaus typischen – Ellipsen und einem Lesevorschlag (Abk. V: sc.) zu Zeile 11 bedarf folgender Satz (AA 5; S. 4487–13) unserer Meinung nach keiner Korrektur:
Folglich giebt es allerdings eine moralische Teleologie; und diese [die moralische Teleologie] hängt mit der Nomothetik der Freyheit einerseits, und der [Nomothetik] der Natur andererseits, eben so nothwendig zusammen, als bürgerliche Gesetzgebung mit der Frage, wo man die executive Gewalt suchen soll, und [als] überhaupt in allem, worin die Vernunft ein Princip der Wirklichkeit einer gewissen gesetzmäßigen, nur nach Ideen möglichen, Ordnung der Dinge angeben soll, Zusammenhang ist.
Im kritischen Apparat steht:
11 und überhaupt] V: sc. und als überhaupt
13 soll, Zusammenhang ist] A: soll, zusammenhängt
Das zweite Beispiel ist komplexer und betrifft eine Stelle, an der mit einer Variante konjiziert wird. Es handelt sich um eine – in der Kant-Forschung und im Zusammenhang der Edition der dritten Kritik – vieldiskutierte Stelle: die sogenannte ‚Euler-Stelle‘ (AA 5, S. 22428). Die betreffende Stelle im Text lautet in der Neuedition (22422–31):
Nimmt man, mit Eulern, an, daß die Farben gleichzeitig auf einander folgende Schläge (pulsus) des Aethers, so wie Töne der im Schalle erschütterten Luft sind, und, was das vornehmste ist, das Gemüth nicht bloß, durch den Sinn, die Wirkung davon auf die Belebung des Organs, sondern auch, durch die Reflexion, das regelmäßige Spiel der Eindrücke (mithin die Form in der Verbindung verschiedener Vorstellungen) wahrnehme (woran ich doch gar nicht zweifle); so würde Farbe und Ton nicht bloße Empfindungen, sondern schon formale Bestimmung der Einheit eines Mannigfaltigen derselben seyn, und alsdann auch für sich zu Schönheiten gezählt werden können. [Hervorhebungen im Original]
Im kritischen Apparat wird verzeichnet:
28 gar nicht zweifle] mit C, Wi zu B: gar sehr zweifle | Siehe Editorischen Bericht
An dieser Stelle ist mit der editorischen Entscheidung unweigerlich auch die inhaltliche Entscheidung der Sachfrage verbunden, ob Kant nun an der Undulationstheorie Leonard Eulers „gar sehr“ (wie in A und B) oder „gar nicht“ (wie in C) zweifelt. Mit dieser Passage haben wir uns lange auseinandergesetzt und schließlich unsere zuerst gewonnene Überzeugung noch einmal revidiert. Interne Textbezüge haben Zweifel aufkommen lassen, ob wir an dieser Stelle den Text der ersten (A) und zweiten Auflage (B) belassen können oder nicht doch der dritten Auflage (C) folgen sollten. Am Ende haben wir uns für die Variante der dritten Auflage, für das „gar nicht“ entschieden. Die Überlegungen, die zu dieser Entscheidung geführt haben, seien im Folgenden skizziert.
Es wird zu dieser Stelle eine Sacherläuterung zu Eulers Theorie verfasst, aber auch eine ausführliche Begründung im Editorischen Bericht gegeben. In der Sacherläuterung soll zunächst belegt werden, dass sich Kant affirmativ auf Eulers Undulationstheorie bezieht. Dazu werden die entsprechenden Abschnitte aus Eulers Schrift Nova theoria lucis et colorum und aus den Briefen an eine deutsche Prinzessinn genannt, die den Hintergrund zu Kants Bemerkung an der ‚Euler-Stelle‘ bilden.[5] Darüber hinaus wird auch die Quelle für Eulers Kritik an Louis Bertrand Castells Idee eines Farbenklaviers angegeben, weil Kant diese Kritik übernimmt. Die Sacherläuterungen lauten in der gegenwärtigen Fassung:
22422–31 Nimmt man, mit Eulern, an, daß die Farben gleichzeitig auf einander folgende Schläge (pulsus) des Aethers … sind] Kant bezieht sich an dieser Stelle, wie auch schon in früheren Schriften, affirmativ auf die Undulationstheorie von Leonhard Euler (vgl. Kant, De igne, Propositio VIII (AA 1: 369–384): „Idem ex transparentia vitrorum fit probabile“, AA 1: 378), wie sie in Eulers Nova theoria lucis et colorum, Caput I (De visio in genere), § 22, dargelegt ist: „Lumen igitur ante … quae proprietas simul plurimis aliis corporum phaenomenis explicandis inservire potest.“ (Euler 1746, 181). Zu Eulers Position vgl. auch seine Briefe an eine deutsche Prinzessin über verschiedene Gegenstände aus der Physik und Philosophie, bes., zur Bestimmung des Tones, den 28. Brief vom 15. Juli 1760: „Jede einfache Farbe, um sie von den zusammengesetzten zu unterscheiden, ist an eine gewisse Anzahl von Schwingungen gebunden, die in einer gewissen Zeit geschehen; so daß die und die Zahl die rothe Farbe bestimmt, eine andere die gelbe, eine dritte die blaue, noch eine andere die violette, welches die einfachen Farben sind, wie der Regenbogen sie uns vorstellt. […] Die Analogie zwischen Schall und Licht ist so vollkommen, daß sie sich auch in den kleinsten Umständen bestätigt.“ (Euler 1769, 1. Teil, 94). Und zur damit implizierten Kritik an Louis Bertrand Castels Idee eines Farbenklaviers, die Kant von Euler übernimmt, vgl. Eulers 31. Brief vom 27. Juli 1760: „Man kann diese Farben mit den Tönen einer Octave vergleichen, so wie ich sie hier vorgestellt habe, weil die Farben sich eben sowohl als die Töne durch Zahlen ausdrücken lassen. […] Auf diese Grundsätze wollte der Pater Castel in Frankreich eine Art von Musik der Farben gründen. Er machte ein Clavier, wo jede Taste, wenn sie berührt wird, ein Stück Tuch von einer gewissen Farbe sehen läßt; und er glaubt, daß dieses Clavier, wenn es gut gespielt würde, den Augen ein sehr angenehmes Schauspiel geben könnte. Er nennt es ein Farbenclavier, und Ew. H. werden schon zuweilen davon haben reden hören. Ich für mein Theil glaube, daß es eigentlich die Malerey sey, die für die Augen das, was die Musik für die Ohren ist; und ich sehe nicht ein, wie eine Reihe gefärbter Stücke Tuch, die in einer gewissen Ordnung vorgestellt werden, den Augen sehr angenehm seyn könnte.“ (Euler 1769, 1. Teil, 108 f.). – Zur zeitgenössischen Debatte über Eulers Theorie des Lichts und der Farben, von deren Beiträgen Kant Kenntnis haben konnte, vgl. Abraham Gotthelf Kästners ‚Auszug‘ (Kästner 1750, insbesondere 175 f.) sowie Johann Andreas Segners Einleitung in die Natur-Lehre (Segner 1754, § 579; vgl. dazu Warda 1922, 35). Ein Überblick findet sich in Giordanetti 2005, 15–48.
Die editorische Entscheidung für die Variante der dritten Auflage (C) wird aber im Editorischen Bericht begründet. Die an dieser Stelle stehende Sacherläuterung ist daher entsprechend knappgehalten:
22428 (woran ich doch gar nicht zweifle)] Nach der Vorstellung der Position von Euler (siehe Sacherläuterung 22422–31) nimmt Kant hier Stellung zur wissenschaftlichen Haltbarkeit dieser Annahme. Zur Kontroverse über Kants Positionierung in der Sache und zu der damit verbundenen editorischen Entscheidung für die Variante der dritten Auflage, die den ersten beiden widerspricht, siehe den editorischen Bericht.
Im Folgenden versuche ich, unsere Überlegungen schrittweise darzulegen und durch Unterstreichungen und Kommentare in Klammern zu zeigen, welche Gedanken an den jeweiligen Stellen zur Bekräftigung der abschließenden Entscheidung geführt hat.
Nimmt man, mit Eulern, an,
[1.] daß die Farben gleichzeitig auf einander folgende Schläge (pulsus) des Aethers, so wie Töne der im Schalle erschütterten Luft sind [unstrittig],
und,
was das vornehmste ist [hiermit betont Kant die Wichtigkeit des Folgenden mit einer sprachlichen Hervorhebung],
[2.] das Gemüth nicht bloß, durch den Sinn, die Wirkung davon auf die Belebung des Organs [unstrittig], sondern auch, [das ist der strittige Punkt] durch die Reflexion, das regelmäßige Spiel der Eindrücke (mithin die Form in der Verbindung verschiedener Vorstellungen) wahrnehme
(woran ich doch gar nicht zweifle); [dies ist die Stellungnahme Kants zur Frage der Wahrnehmungsmöglichkeit – nun in der Fassung nach C]
so würde Farbe und Ton nicht bloße Empfindungen, [diese Folge ist unstrittig]
sondern schon formale Bestimmung der Einheit eines Mannigfaltigen derselben seyn, [diese Folge ist strittig]
und alsdann auch für sich zu Schönheiten gezählt werden können. [Das ist die Konklusion aus den vorherigen Annahmen und Folgerungen, die dann – je nach editorischer Entscheidung – mit Kants Position identifiziert werden kann oder nicht.]
Die Ergebnisse dieser Analyse werden wir auch im Editorischen Bericht erläutern. Auf ihrer Grundlage soll zunächst deutlich werden, um welche Frage es bei der editorischen Entscheidung zwischen „gar sehr“ oder „gar nicht“ geht: Zur Diskussion steht, worauf sich Kants Bewertung in der Klammer bezieht. Dies ist insofern nicht offensichtlich, als die Annahme, die er vorstellt, aus zwei Teilen besteht. Grammatikalisch gehören beide Teile zu Eulers Annahme, da Kant das „daß“ nur einmal formuliert, also beide Teile einander zuordnet und damit meint,
[1.] daß die Farben gleichzeitig auf einander folgende Schläge (pulsus) des Aethers, so wie Töne der im Schalle erschütterten Luft sind […]
und
[2., daß] das Gemüth nicht bloß durch den Sinn die Wirkung davon auf die Belebung des Organs, sondern auch durch die Reflexion das regelmäßige Spiel der Eindrücke (mithin die Form in der Verbindung verschiedener Vorstellungen) wahrnehme.
Inhaltlich geht Kant im zweiten Teil der Annahme aber erkennbar über Eulers Theorie hinaus. Er wendet darin nämlich die Vorstellung einer Erschütterung von Äther und Luft auf Fragen an, die sich aus seinem eigenen Theoriezusammenhang ergeben: Darin ist es entscheidend, ob „das Gemüth […] durch die Reflexion das regelmäßige Spiel der Eindrücke (mithin die Form in der Verbindung verschiedener Vorstellungen) wahrnehme“ (AA 5, S. 22426–27) oder nicht, wobei unbestritten ist, dass „das Gemüth […] durch den Sinn die Wirkung davon auf die Belebung des Organs […] wahrnehme“ (AA 5, S. 22425). Die Einschaltung der „Reflexion“, die „Regelmäßigkeit“ im „Spiel der Eindrücke“, die „Form in der Verbindung“ (im Gegensatz zur Materie) sind nach Kants Analytik des Schönen entscheidende Momente, von denen die Geltung des darauf fußenden ästhetischen Urteils abhängt.
Ich habe nun zu zeigen versucht, dass sich die Bemerkung in der Klammer („gar sehr“ (A, B) / „gar nicht“ (C)) auf den zweiten Satz (siehe oben) bezieht. Die These Kants mit Beziehung auf diesen zweiten Teil der Annahme („[daß] das Gemüth nicht bloß durch den Sinn […], sondern auch durch die Reflexion das regelmäßige Spiel der Eindrücke […] wahrnehme“; AA 5, S. 22424–28) kann durch Herbeiziehung einer späteren Stelle im Text (durch die Passage AA 5, S. 32413–32521) geklärt werden. An dieser Stelle äußert sich Kant im eigenen Theoriezusammenhang noch einmal zu dem an der ‚Euler-Stelle‘ angesprochenen Sachproblem, ob nämlich „das Gemüth“ die Erschütterungen von Luft und Äther „durch den Sinn“ oder „durch die Reflexion“ „wahrnehme“, ob also die Wahrnehmungen in den Kunstgattungen Musik und Farbenkunst ästhetisch beurteilt nur etwas Angenehmes oder etwas Schönes betreffen (vgl. AA 5, S. 32413–31). Er betont, zunächst noch verhalten, dass man „nicht recht ausmachen“ und „nicht mit Gewißheit sagen“ könne: „ob eine Farbe oder ein Ton (Klang) bloß angenehme Empfindungen, oder an sich schon ein schönes Spiel von Empfindungen sei und als ein solches ein Wohlgefallen an der Form in der ästhetischen Beurteilung bei sich führe“ (AA 5, S. 32428–31). Damit ist aber die Problemlage klar umrissen: Denn je nachdem können Musik und Farbenkunst nur als angenehm empfunden oder eben auch als schön beurteilt werden. Im Anschluss an diese Exposition des Problems geht Kant zuerst auf das Argument ein, dass „mit Farben und Tönen nur Annehmlichkeit, nicht Schönheit ihrer [der Licht- und Luftbebungen; vgl. AA 5, S. 32432] Composition, verbunden“ seien (vgl. AA 5, S. 3251–2). Dann leitet er zu zwei Argumenten über, die gegen diese These und für die Annahme der Schönheitsfähigkeit von Musik und Farbenkunst sprechen, wonach „man sich genöthigt (sehen möchte), die Empfindungen von beiden nicht als bloßen Sinneneindruck, sondern als die Beurtheilung der Form im Spiele vieler Empfindungen anzusehen“ (AA 5, S. 32512–15).
Kant beendet nach diesen ausführlich erläuterten Gegenargumenten die Diskussion oder sieht sie zumindest für abgeschlossen an. Das kann man als Hinweis nehmen, dass er die vorgelegten Argumente als ausreichend beurteilt, um die Wahrnehmungen der Musik für schönheitsfähig zu halten. Jedenfalls meint er, „daß man sie [die Musik] entweder, wie wir getan haben, für das schöne Spiel der Empfindungen (durch das Gehör)“ (AA 5, S. 32515–21; Hervorh. d. Verf.in) erklären oder sie eben nur für das Spiel „angenehmer Empfindungen“ halten kann, was er allerdings nicht, wie die erste Möglichkeit, als seine eigene Position auszeichnet. In ähnlicher Weise kann die kurze Wendung bereits im § 42 verstanden werden: „Denn diese [ergänze: „Modificationen des Lichts (in der Farbengebung) oder des Schalles (in Tönen)“] sind die einzigen Empfindungen, welche nicht bloß Sinnengefühl, sondern auch Reflexion über die Form dieser Modificationen der Sinne verstatten“ (AA 5, S. 3028–10).
Würde man sich nun nach Kants Diskussion des ästhetischen Sachproblems für das „woran ich gar sehr zweifle“ der ersten beiden Auflagen der ‚Euler-Stelle‘ entscheiden, so unterstellte man Kant, dass er die beiden soeben erwähnten Argumente zugunsten der Schönheitsfähigkeit der Musik und Farbenkunst für fehlerhaft hielte, d. h. persönlich ‚gar sehr bezweifelte‘, dass Werke der Musik und der Farbenkunst als schöne Kunst beurteilt werden könnten. Das wäre aber der Sache nach unangemessen, da Kant diesen Argumenten ein deutliches Gewicht zumisst; das erste Argument, das mathematisch ausdrückbare Verhältnis der Schwingungen in der Musik und analog in der Farbenkunst, wird von Kant mit Bezug auf die Musik ohne Einschränkung und Distanzierung (vgl. AA 5, S. 3294–7) als eigene Stellungnahme wiederholt. Die Reihenfolge in der Diskussion und die stilistische ‚Zwar-aber‘-Konstruktion sprechen zudem dafür, dass er das Gegenargument am Anfang für einen unzureichenden Gegengrund hält und für ein entscheidendes Übergewicht der letzten beiden Argumente plädiert. Eine Entscheidung für das „woran ich gar nicht zweifle“ birgt deshalb die geringere Spannung, da sie lediglich Kants Erwähnung des gegen die Schönheitsfähigkeit sprechenden Arguments übergeht, im Übrigen aber dem Autor zutraut, dass er, wenn es keinen Raum für eine differenzierte Diskussion gibt, ein Votum für die Schönheitsfähigkeit abgibt (vgl. auch AA 5, S. 3028–10).
Die Sacherläuterungen – Kontextualisierung des Werkes und Überlegungen zur Funktion der Beispiele
In den folgenden Abschnitten seien Ziel und allgemeiner Charakter der Sacherläuterungen skizziert. Im Unterschied zu den anderen Kritiken arbeitet Kant in der Critik der Urtheilskraft seine Überlegungen auch an einer Vielzahl von Beispielen heraus. Dabei schöpft er seine Kenntnisse aus zeitgenössischen Reiseberichten, aus Beschreibungen von Klimaverhältnissen, Landschaften, Gesellschaften und Kulturen, insgesamt also aus Beiträgen verschiedenster wissenschaftlicher Disziplinen. Auffallend ist, dass viele, wenn auch nicht alle Beispiele schon in früheren Schriften und vor allem in Vorlesungen Verwendung fanden. Auf einige trifft man in den Beobachtungen über das Schöne und Erhabene (1764, AA 2) oder im Einzig möglichen Beweisgrund (1763, AA 2), viele sind etwa in den Vorlesungen über Anthropologie (AA 25,1) oder in den Vorlesungen zur Physischen Geographie (AA 26,1 und 2) verwendet worden. Bereits in den Vorlesungsnachschriften aus den 1770er Jahren finden sich Ausführungen über andere Ethnien, über Physiognomie, über Gartenkunst, über Verzierungen oder über Tafelmusik und Witze, die Kant darin wohl zur Veranschaulichung seiner Gedanken verwendet hat.
Doch nicht alle Beispiele, die in die dritte Kritik aufgenommen werden, dienen darin auch der Vermittlung und ‚Bebilderung‘ der abstrakten geltungstheoretischen Überlegungen. Vielmehr, so das Ergebnis unserer Auswertung der Beispielsverwendung in der Critik der Urtheilskraft, bezieht sich Kant mit ihnen oft auf ganz spezifische wissenschaftliche Positionen, die in der zeitgenössischen Debatte verhandelt werden, und nimmt schon durch die Auswahl der jeweiligen Beispiele direkt oder indirekt Stellung zu diesen Debatten. Beispielsweise nennt Kant in einer Aufzählung von Artefakten, die ein freies Spiel der Vorstellungskräfte ermöglichen, eher beiläufig den „englischen Geschmack in Gärten“ (AA 5, S. 24229) und fügt hinzu, dass dieser, wie auch der „Barockgeschmack an Möbeln“ (ebd.), „die Freyheit der Einbildungskraft wohl eher bis zur Annäherung zum Grotesken treibt, und in dieser Absonderung von allem Zwang der Regel eben den Fall setzt, wo der Geschmack in Entwürfen der Einbildungskraft seine größte Vollkommenheit zeigen kann“ (AA 5, S. 24229–33). Im Hintergrund steht eine im 18. Jahrhundert intensiv geführte Diskussion darüber, ob die sog. ‚Lustgärtnerei‘ und die Gartenkunst überhaupt als Kunst gelten könnten. Dabei loben viele der Autoren den in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts aufkommenden neuen englischen Geschmack in der Gartenkunst wegen seiner Natürlichkeit und Regellosigkeit. Dieser wird der als prunkvoll kritisierten italienischen sowie der als streng und einförmig kritisierten französischen Gartenkunst gegenübergestellt. Informativ für die Rekonstruktion dieser Debatte ist zum einen die Untersuchung von Christian Cay Lorenz Hirschfelds Theorie der Gartenkunst sowie die anonyme Rezension zu Thomas Whatelys Buch mit dem Titel Betrachtungen über das heutige Gartenwesen, durch Beyspiele erläutert, die Kant beide zu Kenntnis nahm.[6] Der englische Geschmack in Gärten wird zwar in der entsprechenden Passage der Critik der Urtheilskraft nur beiläufig erwähnt, aber vor dem Hintergrund und im Kontext der zeitgenössischen Gartenkunstdebatte wird deutlich, dass die englische Gartenkunst ein positives Beispiel für eine Gestaltung ist, die der Einbildungskraft ästhetische Freiheit eröffnet. Mit dem Verweis auf die englische Gartenkunst (und nicht auf die französische) positioniert sich Kant also trotz aller Kürze innerhalb der zeitgenössischen Diskussion.[7]
Schon weil eine ganze Reihe an Beispielen eine Stellungnahme des Autors beinhaltet, ist es wichtig, sie ernst zu nehmen und durch Explikation der Hintergrunddiskussionen ihre Funktion zu prüfen und zu erläutern. Insofern war die Arbeit an den Sacherläuterungen zum Text der Critik der Urtheilskraft aufwändiger als bei den anderen beiden Kritiken. Jene standen und stehen zwar ebenfalls vor der Aufgabe, nicht nachgewiesene direkte oder indirekte Zitate und Bezugnahmen zu entschlüsseln und die Quellen anzugeben; doch die Critik der Urtheilskraft konfrontiert ihre Leserinnen und Leser mit einer wahren Fülle an Anekdoten, Anspielungen und scheinbaren Seitenbemerkungen, deren Recherche in der Editionsarbeit die meiste Zeit und Mühe in Anspruch genommen hat – und in der auch immer noch neue Kontexte und Bezüge zu entdecken sind. Die Aufschlüsselung der zeitgenössischen Debatten dient aber nicht allein dem besseren Verständnis der kantischen Position. Vielmehr wird durch sie der Text in den zeitgenössischen Debatten und historischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen situiert. In Folge dieser Situierungen relativiert sich die oft immer noch vorherrschende, allzu starke Konzentration auf die Person Kants als das ‚große Individuum‘. Denn durch die Kontextualisierung und zeitgenössische Verortung des Textes wird deutlich: Kant hat nicht alles – weder alle Themen noch alle verwendeten Termini und Unterscheidungen – nur aus sich selbst heraus geschöpft; er ist mit seiner Theorie vielmehr in einen Austausch mit zeitgenössischen Diskussionen getreten. Dieser Dialog wird oft indirekt geführt, indem beispielsweise bestimmte Termini aufgenommen werden und andere wiederum nicht oder indem spezifische Beispiele gewählt werden und andere nicht oder indem bestimmte Themen in die eigene Theorie integriert werden und wiederum andere nicht. Wenn man den kantischen Text also vor dem Hintergrund dieses Wissens liest, wird er nicht nur lebendig, sondern vermittelt auch etwas über die kantische – nämlich dialogische – Weise des Philosophierens. Erst dadurch wird es möglich, diejenigen Elemente und Argumentationen genau zu bestimmen, in denen sich die Originalität von Kants Theorie zeigt.
Historische Situierung als kritisches Moment für die Interpretation
Mit der historischen Situierung und Rekonstruktion des zeitgenössischen Diskussionskontextes, der den Hintergrund von Terminologien, Beispielen oder Anekdoten bildet, geben die Sacherläuterungen außerdem ein Instrumentarium zur Kritik auch inhaltlicher Textinterpretationen an die Hand. Diese Kritik ist gerade dann produktiv, wenn sie Lesarten korrigieren hilft, die durch die Ausblendung oder Fehleinschätzung historischer oder ideengeschichtlicher Bezüge zu problematischen, verzerrenden oder mitunter eben auch falschen Positionen gelangen. Dies kann der Fall sein, wenn Kant an zentralen Stellen eine Originalität zugeschrieben wird, die nicht zutrifft, oder wenn ihm Positionen unterstellt werden, die sich nach Entschlüsselung der Bezüge und Hintergründe eher als Gegenpositionen oder als ironische Distanzierungen von anderen Positionen herausstellen. Die Berücksichtigung zeitgenössischer Positionen und die historisch-gesellschaftliche Situierung der Theorie scheint besonders dann wichtig, wenn sie Stellen betrifft, die in der aktuellen Diskussion um rassistische (bzw. sexistische, antisemitische, ableistische u. a.) Diskriminierung in die Kritik geraten sind. Nicht nur in den sogenannten Race-Schriften (1775; AA 2, S. 427–443, und 1785; AA 8, S. 89–106) oder in kleineren Texten wie etwa Über den Gebrauch teleologischer Principien (1788; AA 8, S. 157–187), sondern auch in den kritischen Schriften Kants finden sich eurozentristische und rassistische Herabwürdigungen ganzer Menschengruppen und Ethnien. Auch eine Reihe an Passagen und Beispielen der Critik der Urtheilskraft lässt abwertende, andere Ethnien herabwürdigende Sichtweisen erkennen. Gewisse Ausführungen scheinen darüber hinaus einer eurozentristischen Fortschrittsteleologie das Wort zu reden. Um aber nicht irrtümlich die falschen Stellen zu kritisieren und dadurch das wichtige Anliegen einer gründlichen Auseinandersetzung mit rassistischen Aussagen und Ideologien in Kants Texten zu diskreditieren, ist ein gewisser Forschungsaufwand erforderlich. Informative Sacherklärungen können dabei hilfreich sein, deren Beitrag im Folgenden auf der Grundlage von zwei Stellen, die in die Kritik geraten sind, näher erläutert wird.
Interesselosigkeit als Instrument einer Logik des Ausschlusses?
Die erste Stelle betrifft Kants Bestimmung des ‚Ersten Moments‘ des ästhetischen Urteils, das von vielen als ‚interesseloses Wohlgefallen‘ bezeichnet wird:
Geschmack ist das Beurtheilungsvermögen eines Gegenstandes oder einer Vorstellungsart durch ein Wohlgefallen, oder Misfallen, ohne alles Interesse. Der Gegenstand eines solchen Wohlgefallens heißt Schön. (AA 5, S. 21114–16, Hervorhebungen im Original)
Diese Bestimmung hat schon seit Kants Zeiten Irritationen hervorgerufen und Widerspruch provoziert. Im Kontext aktueller, insbesondere postkolonialer Kritik wird im ‚interesselosen Wohlgefallen‘ ein Instrument erkannt, das die philosophische Ästhetik mit Bedacht von allen lebensweltlichen, ethischen und politischen Zusammenhängen isoliert und damit sowohl Ästhetik als auch Kunst entpolitisiert.[8] Einige Kritikerinnen und Kritiker erkennen in diesem Moment des ästhetischen Urteils sogar eine fundamentale und konsequent entwickelte Logik des Ausschlusses. Die Ästhetik generell, hier aber im Besonderen: diejenige Kants, sei von Anfang an – nicht zuletzt durch den Anspruch der Autonomie des ästhetischen Urteils – mit Abwertungen und Hierarchisierungen anderer Kulturen verbunden, deren Stand der Kultur sie nicht zu einem ästhetischen Urteil befähige. Diese Kritik lässt sich hier nicht weiter diskutieren, doch sollen drei Aspekte zu bedenken gegeben werden, die zu ihrer Diskussion von Bedeutung sein könnten:
1. ‚Interesselosigkeit‘ als Bedingung für ein spezifisches, also ‚reines‘ ästhetisches Urteil, ist keine Erfindung Kants. Diese Forderung war zu Zeiten Kants bereits fest im ästhetischen Diskurs etabliert: Sie findet sich unter anderem schon bei Leibniz und in der deutschsprachigen Diskussion als sprachliche Wendung bei Riedel, wie wir in der entsprechenden Sacherläuterung zu dieser Stelle angeben (werden):[9]
20519–21 als wenn wir dem reinen uninteressirten *) Wohlgefallen … dasjenige, was mit Interesse verbunden ist, entgegensetzen] Der Terminus ‚uninteressiert‘ («desinteressé»; Leibniz 2002, 172) findet sich bei Leibniz im Abschnitt XVIII der Schrift Vernünftige Grundsätze von der Natur und von der Gnade (frz. 1718 erschienen, dt. in: Leibniz 1744, 768–781) mit Beziehung auf „die Liebe zu Gott“ (l’Amour de Dieu), die „uns einen Vorschmack der zukünftigen Herrlichkeit zu kosten giebt“ (in der deutschen Übersetzung gibt Gottsched «desintéressé» mit „nicht eigennützig“ wieder, a.a.O., 780); unmittelbar davor aber, im Abschnitt XVII, wird die Uninteressiertheit auch in Zusammenhang gebracht mit dem Wohlgefallen an der Schönheit der Musik („Die Musik bezaubert uns“; ebd.), dem Vergnügen der Augenkunst und dem Vergnügen der anderen Sinne und als „Vergnügen des Geistes“ (des plaisirs intellectuels) bezeichnet. („Das Vergnügen, welches das Gesicht in den Verhältnissen der Größen findet“; „und dasjenige welches von andern Sinnen erweckt wird“, ebd.). – Kant verwendet durchweg den Ausdruck ‚uninteressiert‘, der von Riedel in die Sprache der deutschen Ästhetikdiskussion eingebracht wurde, wie Werner Strube nachgewiesen hat (Strube 1979, 158). In der Theorie der schönen Künste und Wissenschaften legt Riedel folgende Definition vor: „Schön ist also, was ohne intereßirte Absicht sinnlich gefallen und auch dann gefallen kan, wenn wir es nicht besitzen“ und „[h]ier ist die Rede von dem bloßen an sich uninteressirten sinnlichen Wohlgefallen und, um dieses genauer zu erklären, ist es nöthig, den Quellen desselben weiter nachzuspüren“ (Riedel 1767, 17), und er schreibt dem uninteressierten Wohlgefallen folgende Funktion zu: „Fragt man nach dem Probierstein der Schönheit, so ist dieser das aus der Schönheit entspringende und an sich unintereßirte Wohlgefallen“ (34 f.). – Zur Entgegensetzung des ‚uninteressierten Wohlgefallens‘ und des ‚mit Interesse verbundenen Wohlgefallens‘ vgl. auch die entsprechenden Äußerungen bei Francis Hutcheson, Edmund Burke und Henry Home, die, ebenso wie Kant in den Beobachtungen, für das Geschmacksurteil verlangen, dass man vom Interesse an der Existenz des Gegenstandes absehen bzw. den ‚Nutzen‘ hinter den ‚ästhetischen Eindruck‘ zurückstellen solle. Vgl. Hutcheson 1762, I. Abhandlung. 1. Abschnitt. Absatz XIV; Burke 1773, 3. Teil, 6. Abschnitt (S. 167–172); Home 1766, Bd. 3, Kap. XXV (S. 447), Home 1775, Bd. 2, Kap. XXV (S. 674 f.).
Mit diesem Hinweis ist noch nichts über eine damit möglicherweise verbundene ‚Logik des Ausschlusses‘ gesagt, wohl aber wird die Unangemessenheit der Personenzentrierung deutlich, die bisweilen auch den kritischen Diskurs über das rassistische Erbe der Philosophie dominiert.
2. Interessant für die Diskussion der Frage, ob durch dieses Moment der philosophischen Ästhetik die Künste von allen lebensweltlichen, ethischen und politischen Zusammenhängen isoliert werden, könnte auch der Blick auf die zeitgenössischen gesellschaftlichen Machtverhältnisse und Kämpfe sein. Denn im Zusammenhang des gerade erst aufkommenden Bürgertums des 18. Jahrhunderts, aber auch innerhalb des internationalen Gelehrtendiskurses dieser Zeit scheint die Forderung nach einem ‚uninteressierten‘ (und damit allgemeingültigen) ästhetischen Urteil keineswegs unmittelbar zu einem gänzlich apolitischen Umgang mit der Kunst zu führen. Vielmehr eignete sich in dieser – keineswegs harmonischen – Übergangszeit das in den Städten entstehende Bürgertum etablierte Kunstformen, die als der Inbegriff der höfischen Kultur galten (wie etwa die Oper oder das Theater), in emanzipatorischer Absicht an. Ziel dieser Aneignung war es, die neue bürgerliche und ihrerseits an die Macht drängende Gesellschaftsordnung auch repräsentativ zu konsolidieren.[10]
3. Es mag auch einen kleinen semantischen Unterschied machen, ob man, wie es im kantischen Text steht, von einem „uninteressierten“ Wohlgefallen (AA 5, S. 205, 210, 380) spricht oder – wie oft in der Forschungsliteratur – von einem ‚interesselosen‘ Wohlgefallen (eine Wendung, die sich nicht im kantischen Text findet). Dieser Unterschied scheint zunächst nicht gravierend, weil an vielen Stellen der dritten Kritik auch die Rede davon ist, dass das Wohlgefallen „ohne alles Interesse“ (vgl. AA 5, S. 20421, 2113–4, 24710, 25318, 26736, 29929) sei. Der Ausdruck ‚uninteressiert‘ markiert aber deutlicher als die Wendung ‚interesselos‘, dass er keinen psychologischen Zustand beschreibt, sondern dass damit eine negativ formulierte Geltungsbedingung bezeichnet ist. Diese Bedingung richtet sich als eine Forderung an die ästhetische Reflexion und verlangt von gegebenenfalls vorliegenden Interessen als Bestimmungsgründen des Urteils zu abstrahieren. Dennoch können Interessen (insbesondere allgemeine – seien es gesellschaftliche, intellektuelle oder moralische) mit dem Geschmacksurteil und entsprechend beurteilten Gegenständen verbunden sein oder verbunden werden (s. AA 5, S. 205, 298 f.) – ausgeschlossen ist lediglich, dass sie als kontingente Bestimmungsgründe den Geltungsbereich des Urteils auf empirische und bloß subjektive Gründe einschränken. Um über die mit den Bedingungen der Theorie verbundenen Ausschlüsse zu entscheiden, wäre daher zum einen eine Auseinandersetzung über den geltungslogischen Status der Bestimmung der Uninteressiertheit als Ergebnis des sogenannten ‚Ersten Moments‘ zu führen. Diese müsste dann allerdings auch berücksichtigen, dass es sich bei der Bedingung der ‚Uninteressiertheit‘ um die Bestimmung nur eines von vier Momenten des Geschmacksurteils handelt und erst alle vier zusammengenommen die Grundlage der Geltung ästhetischer Urteile bilden. Diese Überlegungen sind jedoch nicht mehr Gegenstand der Sacherläuterungen, auch wenn diese – wie wir hoffen – Material zur weiteren Diskussion bereitstellen können.
Der Topos der Indolenz – Wie umgehen mit rassistischen Motiven in der Critik der Urtheilskraft?
Viele der Beispiele der Critik der Urtheilskraft bergen Topoi, die in den zeitgenössischen Reiseberichten weit verbreitet und in der Diskussion fest etabliert waren. Mit ihnen werden andere Ethnien, insbesondere die Bewohner heißer Klimazonen, gegenüber den Bewohnern Europas herabgewürdigt: So behauptet etwa der Topos von der Indolenz eine vorgeblich ‚natürliche Faulheit und Trägheit‘ der Bewohner solcher Zonen. Diese werden an vielen Stellen des Textes zudem mit der Bezeichnung als ‚Wilde‘ in ein frühes Stadium der Menschheit verwiesen. Bei der Erarbeitung der Sacherläuterungen zu entsprechenden Stellen in der dritten Kritik ging es uns darum, einerseits die lange Tradition solcher Vorurteile kenntlich, aber auch auf Hintergrundtheorien aufmerksam zu machen, anhand deren sich dann die indirekten Verbindungen und die unmerklich vollzogenen Übergänge von zunächst sachlichen Überlegungen, etwa zur Natur des Menschen, zu herabwürdigenden Charakterisierungen und Hierarchisierungen nachvollziehen lassen.
Für eine angemessene Interpretation dieser Stellen ist es wichtig zu wissen, dass Kant – wie viele seiner Zeitgenössen – einer Fortschrittsvorstellung anhängt, die die Entwicklung der Menschheit an Prozesse der Kultivierung, Zivilisierung und Moralisierung bindet und den jeweiligen Entwicklungsstand realer Gemeinschaften aus konkreten gesellschaftlichen oder politischen Zuständen der Zeit heraus zu rekonstruieren versucht. Als allgemeines Prinzip der Entwicklung wird vorausgesetzt: Von der ‚Wildheit‘ der Jäger und Sammler entwickelt sich der Mensch zu dem der Hirtengesellschaft und von dort zum Menschen der ‚modernen‘ oder ‚moderneren‘ Gesellschaft, der sesshaft ist und Handel treibt (ein Gedanke, der von Adam Ferguson in Versuch über die Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft dargelegt wird).[11] Aus einem inneren Antrieb heraus würde der Mensch, so betont Kant im Rahmen seiner geschichtsphilosophischen Überlegungen, eine solche Anstrengung allerdings nicht auf sich nehmen – die Natur aber zwingt ihn dazu. Sie setzt dabei auf die Leidenschaften und Affekte der Menschen und hält äußere Antriebe bereit, so genannte „Stacheln der Thätigkeit“ (AA 5, S. 37927). Diese bilden – freilich unangenehme – Anlässe, damit die Menschen aus ihrem ursprünglichen, aber auch jeweils gegenwärtigen Zustand herausgehen und in der Kultivierung und Zivilisierung fortschreiten.
In einer Sacherläuterung kann es allerdings nur darum gehen, die Hintergründe zum unmittelbaren Verständnis der jeweiligen Stelle zur Verfügung zu stellen. Das könnte Hinweise einschließen, wie sie die Edition etwa im Fall jener Stelle in der Teleologie der Critik der Urtheilskraft, an der eine Reflexion über die Zweckmäßigkeit der Moskitomücken angestellt wird, geben wird. Die Grundlage zu der teleologischen Annahme einer Natur, die den Menschen durch unangenehme Zustände antreibt, bildet eine ganze Reihe von Theorien, in denen die Motivation zum Handeln ganz allgemein aus der Vermeidung und Überwindung von Schmerz oder eines unangenehmen Zustandes und nicht aus der zu erwartenden Lust und Freude heraus erklärt wird. Es sind die Überlegungen von Pietro Verri, von John Locke oder später von Johann Nicolaus Tetens, die hier die allgemeine Grundlage bilden.[12] Von diesen ausgehend wird dann aber in der Anwendung auf den konkreten Fall, auf die so genannten ‚Wilden‘ in den Wüsten Amerikas, der Übergang zu einer Hierarchisierung der Entwicklungsstadien der Menschen gemacht, weil diese – von Kant so genannten – „angehenden Menschen“ (AA 5, S. 37928) durch die Mücken zur Entwicklung ihrer Talente angetrieben werden. In der entsprechenden Sacherläuterung versucht die Edition sowohl auf die allgemeinen Grundlagen als auch auf den damit indirekt verbundenen Topos von der vorgeblichen Indolenz knapp und sachlich hinzuweisen.
37925–28 die Moskitomücken …, welche die Wüsten von Amerika den Wilden so beschwerlich machen, seyen so viel Stacheln der Thätigkeit für diese angehende Menschen, um die Moräste abzuleiten] Zu den Moskitomücken, „Musquitos“ oder „StechFliegen“ insbesondere in Amerika vgl. auch Kant: AA 26.2: 984. Dass ‚Stiche‘ im buchstäblichen und übertragenen Sinne als ‚Stacheln der Thätigkeit‘ wirken, führt Pietro Verri aus. Er erklärt die Empfindung von Lust und Vergnügen aus dem plötzlichen Nachlassen eines Schmerzes, den der Mensch in seinem Handeln zu überwinden versucht. So ist die Rede von einem „Stachel des Ehrgeizes“, der aus dem schmerzlichen Gedanken, möglicherweise „unbedeutend zu seyn“, hervorgeht (Verri 1777, 38). Verri erklärt die „Stiche des Schmerzes“ (73) zur Urquelle von Kunst und Wissenschaft (73 f.) und den „reinsten Freuden aufgeklärter gefühlvoller Seelen“ (74): „Viele haben behauptet, daß die Thoren glücklich wären; ich hingegen glaube, daß die Glücklichen Thoren sind, weil Menschen, die die Stiche des Schmerzes nicht fühlen, und ruhig fortvegetiren, in sich selbst nicht Trieb genug finden, ihre Trägheit zu überwinden, und mit Eifer sich an irgend einen Gegenstand zu machen“ (73). Damit wendet er sich gegen Maupertuis’ Kalkül aus Lust und Schmerz (88 und 102 f.; vgl. Maupertuis 1750a und siehe Sacherläuterung 20822–25) und gegen die Schule Epikurs (Verri 1777, 106). Dass Kant die ‚Stacheln der Thätigkeit‘ mit Verri in Verbindung bringt, belegen etwa Passagen aus der Anthropologie (1798): „Der Schmerz ist der Stachel der Thätigkeit und in dieser fühlen wir allererst unser Leben; […]. Die Schmerzen, die langsam vergehen […], haben kein lebhaftes Vergnügen zur Folge […]. – Diese Sätze des Grafen Veri unterschreibe ich mit voller Ueberzeugung.“ (Original (B), 170 f.; vgl. auch 172, 173 (Anm.) und 175 f.). Vgl. darüber hinaus die Vorlesungs-Nachschrift Menschenkunde (AA 25: 107134–107323, AA 25: 107520–22). Die Frage, ob statt einer erwarteten Lust nicht vielmehr der Schmerz bzw. die Empfindung einer ‘uneasiness’ den Antrieb zum Handeln bildet, wird von vielen zeitgenössischen Autoren diskutiert, deren Schriften aber nicht die unmittelbare Quelle zu der vorliegenden Stelle bilden: Vgl. etwa Locke im Essay: “The motive to change, is always some uneasiness” (Locke 1694, II, chap. 21, § 29) / „Der Bewegungsgrund, zu einer Aenderung, ist allezeit eine Unzufriedenheit“ (Locke 1757, II, Kap. 21, § 29, S. 249). Johann Nicolas Tetens greift Überlegungen aus Lockes Motivationslehre auf, unterscheidet dabei zwischen Schmerz und „Unbehaglichkeit (uneaseness)“ (Tetens 1777, 725) und vertritt die Auffassung, dass es „die unangenehmen lebhaften Empfindungen [sind], welche die unmittelbaren Reize für die Thätigkeitskraft in sich enthalten.“ (724). – Zu den Mosquitos als ‚beschwerlichen Insecten‘, die in Amerika eine Plage für die dort lebenden Menschen darstellen und diese zum Handeln zwingen vgl. Allgemeine Historie der Reisen 1751, 358 f. sowie zu den dortigen sumpfigen Gebieten Buffon, der meint, dass „ganz Amerika, in allen seinen Ebenen, gleichsam nichts anders, als ein einziger zusammenhangender Morast“ sei (Buffon 1785, 126; vgl. auch Kant, AA 26.1: 150 und Anm. 339). Dass die Insektenplage als zweckmäßige Einrichtung der Schöpfung verstanden werden kann, vertritt bereits Derham in seiner Physicotheologie: „Ferner haben sie, die schädlichen Creaturen, auch ihren grossen Nutzen, unser Gemüth zu bessern: Sie machen uns vorsichtig, fleißig und klug. […] Die Läuse nöthigen uns, daß wir unsern Leib reinlich halten, […].“ (Derham 1730, 162 f., Anm.). In den zeitgenössischen Reiseberichten ist der herabwürdigende Topos der vorgeblich natürlich oder klimatisch bedingten Faulheit der Bewohner heißer Erdregionen verbreitet und wird der angeblichen Aktivität und Entwicklungsfähigkeit der Europäer gegenübergestellt (vgl. zur Aufnahme dieser Klischees bei Kant: AA 26.1: 94 und AA 8: 64 f.).
Hier stellt sich allerdings die Frage, ob es nicht einer größeren Ausführlichkeit in der Erläuterung des letzten Punktes bedarf – nicht nur, weil der Topos der Indolenz keineswegs der Vergangenheit angehört und auch heute noch wirksam ist, sondern auch, weil er zur Zeit der Aufklärung ein so verbreitetes Vorurteil bildete, dass Kant auf seiner Grundlage in anderen Werken die Möglichkeit des Fortschreitens in der Kultivierung, Zivilisierung und Moralisierung bestimmter Ethnien in Zweifel zieht. Der Topos der Indolenz findet sich nicht nur in Reiseberichten (die in der Regel weniger Beschreibungen als vielmehr unkritisch-teleologische Beurteilungen sind, die sich auf europäischen Vorstellungen von Kultivierung und Zivilisierung gründen); er ist auch als vorgeblich gesichertes Wissen in viele andere zeitgenössische Werke eingegangen, so etwa in die Schriften J. J. Rousseaus, Georges-Louis Leclerc Buffons oder in die Sammlung von Albrecht von Haller – bei Letzterem schon in die Vorrede der Sammlung neuer und merkwürdiger Reisen:
Wir finden überhaupt die Einwohner südlicher Länder faul, geil, grausam und verrätherisch: Gegen den Pol nehmen diese Laster immer mehr ab, und die äußersten Theile gegen den Nordpol finden wir mit solchen Völkern […] bewohnt, die fast ohne Leidenschafften sind.[13]
In Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798) ist dann die Rede von ‚dem‘ (in der zeitgenössischen Diskussion oft und öfter angeführten) ‚Caraiben‘. Ihn zeichne vorgeblich eine „angeborene Leblosigkeit“ (Kant, AA 7, S. 23326) aus, wie es schon in zahlreichen Reiseberichten heißt. Er lebe entsprechend „in den Tag hinein (ohne Vorsicht und Besorgnis)“ (Kant, AA 7, S. 18619). ‚Dem Caraiben‘ fehlen offensichtlich die in der Critik der Urtheilskraft dem ‚Plan der Natur‘ zugeschriebenen ‚Stacheln der Tätigkeit‘, so dass am Ende zweifelhaft zu sein scheint, dass die Bewohner der karibischen Inseln in Kultivierung und Zivilisierung fortschreiten werden – von der Moralisierung ganz zu schweigen.
Ohne Frage müssen die Sacherläuterungen einer historisch-kritischen Ausgabe sich nach Möglichkeit der Wertung enthalten und die inhaltliche Auswertung der jeweiligen Stellen der Interpretation in der Forschung überlassen. Diese Zusammenhänge seien hier angeführt, um den Grad der Herabwürdigung dieses Topos, die Dimension seiner Verbreitung, aber auch um die Verbindung dieser herabwürdigenden Festschreibungen zu zentralen Begriffen der kantischen Theorie anzudeuten und darauf aufmerksam zu machen, dass die Übergänge von kritisch begründeten Begriffen wie etwa dem des Fortschrittes, der Entwicklung und der Moralisierung einer genaueren Untersuchung wert wären.
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