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Sources Online: Eine nachhaltige Infrastruktur für digitale wissenschaftliche Texteditionen auf der Grundlage von TEI Publisher und IIIF

Sources Online: A Sustainable Infrastructure for Digital Scholarly Text Editions Based on TEI Publisher and IIIF
  • Andreas Kränzle

    Dr. Andreas Kränzle

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    , Gerold Ritter

    Dr. Gerold Ritter

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    and Christian Sieber

    Christian Sieber, M. A.

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Published/Copyright: August 5, 2023
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Zusammenfassung

Der Beitrag zeigt auf, wie in den letzten Jahren auf Initiative verschiedener Stakeholder eine selbsttragende, kollaborativ organisierte Infrastruktur für digitale wissenschaftliche Texteditionen aufgebaut wurde, die den Prinzipien von Standardisierung und Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Eine wachsende Zahl von Institutionen und Projekten nutzt das Angebot, wie am Beispiel des Staatsarchivs des Kantons Zürich aufgezeigt wird. Thematisiert wird auch die Kostenfrage.

Abstract

This article shows how a self-supporting, collaboratively organized infrastructure for digital scholarly text editions, committed to the principles of standardization and sustainability, has been built up in recent years on the initiative of various stakeholders. A growing number of institutions and projects are using the service, as demonstrated by the example of the State Archives of the Canton of Zurich. The question of costs is also addressed.

1 Einleitung

1.1 Wissenschaftliche Editionen

Wissenschaftliche Editionen sind ein wichtiger Teil der intellektuellen Infrastruktur der modernen Geisteswissenschaften. Diese Wissenschaften arbeiten zu einem guten Teil mit Texten, die sie als Quellen behandeln. Die Editionen bringen die Texte an den Arbeitsplatz der Forscherinnen und Forscher. Diese müssen – wenn es sich um eine zuverlässige Edition handelt – meistens nicht mehr selbst im Archiv oder in der Bibliothek die Originale konsultieren, sondern können sich auf die Editionen verlassen. Dadurch, dass die edierten Quellen allen Forscherinnen und Forschern zugänglich sind, können Aussagen über die Quellen überprüft und diskutiert werden. Editionen liefern also die Rohstoffe für den wissenschaftlichen Diskurs. Sie sind eine besonders nachhaltige Form der Grundlagenforschung.

Editionen bieten dabei mehr als nur Kopien der Originale. Sie konstituieren einen zitierbaren Text. Dazu werden die Vorlagen gesammelt, transkribiert und miteinander verglichen (kollationiert). In der Einleitung werden die Überlieferung beschrieben und die Editionsgrundsätze dargelegt, so dass die Entstehung der Edition und ihr Verhältnis zur Überlieferung der Vorlagen transparent und nachvollziehbar sind. Die Texte können mit textkritischen Anmerkungen auf Varianten oder Besonderheiten (wie zum Beispiel Streichungen) in den Vorlagen hinweisen. Häufig bieten Editionen zudem Verständnishilfen und Kommentare (Sachanmerkungen). Register ermöglichen den Forschenden einen schnellen punktuellen Zugriff auf die Texte. Editionen gewährleisten deshalb nicht nur die Verfügbarkeit der Primärtexte für die wissenschaftliche Community, sie erleichtern auch wesentlich die Lesbarkeit und den Informationszugriff auf die Inhalte der Quellen.

Das klassische Medium der Edition ist das Buch bzw. die Buchreihe. Mit der Verwissenschaftlichung im 19. Jahrhundert wurden auch große Anstrengungen unternommen, um zuverlässige Textausgaben für die Wissenschaft bereitzustellen. Noch heute aktiv sind beispielsweise die großen Editionsunternehmen der Monumenta Germaniae Historica (MGH) in Deutschland (seit 1819) und der Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen (SSRQ) in der Schweiz (seit 1898).

Bücher sind – wenn sie sorgfältig aufbewahrt werden (und die Infrastruktur dafür besteht ja bereits mit den Bibliotheken) – besonders nachhaltige Produkte, die ohne größeren Aufwand[1] noch nach Jahrzehnten einfach und ohne weitere Hilfsmittel genutzt werden können. Dass wir quellenbezogene Aussagen auch noch viele Jahre später leicht nachvollziehen können, macht dieses System besonders vertrauenswürdig und erfolgreich.

Abb. 1: Beispiel eines Quellenstücks in der Buchausgabe der Zürcher Rechtsquellenedition (2022)
Abb. 1:

Beispiel eines Quellenstücks in der Buchausgabe der Zürcher Rechtsquellenedition (2022)

1.2 Digitale wissenschaftliche Editionen und TEI

Mit der Digitalisierung entstehen nun auch digitale Editionen. Damit sind heute Internet-Publikationen gemeint. Das digitale Paradigma verspricht einige Vorteile gegenüber der klassischen analogen Edition: Die Verfügbarkeit und Reichweite werden gesteigert. Man benötigt nur noch einen Internetanschluss, nicht mehr eine gut sortierte Bibliothek in seiner Nähe. Die digitale Realisierung ermöglicht oder vereinfacht weitere Funktionen: Volltextsuche, Verlinkungen, Einbindung von Bild- und Tonmaterial usw. Neben diesen neuen Chancen ergeben sich aber auch neue Fragen. Das größte Problem, das unseres Erachtens noch nicht gelöst – und vielleicht zurzeit auch nicht endgültig lösbar – ist, ist die Nachhaltigkeit digitaler Editionen. Die langfristige Greifbarkeit und Benutzbarkeit von Editionen ist eine ihrer wichtigsten Eigenschaften.[2] So können Argumente auch nach vielen Jahren noch anhand der Quellen nachvollzogen, überprüft und kritisiert werden. Da digitale Editionen diese Stabilität noch nicht garantieren können, gibt es ein verständliches Misstrauen gegenüber digitalen Editionen im Mainstream der Forschung (man verwendet die digitale Edition für die Recherche und zitiert dann, wenn möglich, eine gedruckte Edition[3]). Was nützen die zusätzlichen Funktionen und Möglichkeiten, wenn es die Edition selbst nach wenigen Jahren nicht mehr gibt oder wenn sich die Referenzierbarkeit komplett verändert hat, so dass ältere Angaben nicht mehr gefunden werden können?

Abb. 2: Das Quellenstück in Abb. 1 in der digitalen Version der Zürcher Rechtsquellenedition (Screenshot: https://qzh.sources-online.org. 13.06.2023)
Abb. 2:

Das Quellenstück in Abb. 1 in der digitalen Version der Zürcher Rechtsquellenedition (Screenshot: https://qzh.sources-online.org. 13.06.2023)

Als Internet-Publikationen befinden sich digitale Editionen in einem sich schnell wandelnden Umfeld. Sie müssen deshalb selbst ebenfalls regelmäßig technisch aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht werden. Das ist zunächst und vor allem ein organisatorisches Problem. Für diese Editionen muss es Institutionen geben, die langfristig die Verantwortung übernehmen, die notwendigen Ressourcen bereitstellen und die kontinuierliche Pflege organisieren. Für diese Rolle sind die öffentlichen Gedächtnisinstitutionen – insbesondere die Archive und Bibliotheken – geradezu prädestiniert. Es ist aber auch eine technische Herausforderung, wenn es um digitale Editionen und nicht nur um digitalisierte Editionen – also zum Beispiel die Ablage und Speicherung von PDFs – geht.[4]

Eine wesentliche Grundlage digitaler Editionen ist die „Verdatung“ der Texte, d. h. die Codierung der Texte in maschinenlesbarer Form. Die Daten sind der Kern und der langfristig wichtigste Output einer digitalen Edition.[5] Für die Codierung wissenschaftlicher Editionen hat sich die Text Encoding Initiative (TEI)[6] als umfassender Standard durchgesetzt. Die TEI ist aktuell (P5) als XML-Dialekt mit 585 Elementen implementiert. Die TEI-Guidelines versuchen „any kind of textual resource in digital form“ abzudecken[7] und haben sich auch keinem bestimmten Editionstyp verschrieben. Dieser umfassende Anspruch hat zur Folge, dass die TEI ein hochkomplexer Standard ist, der vielfach verschiedene Möglichkeiten bietet, editorische Befunde zu kodieren.[8] Deshalb ist für ein spezifisches Editionsprojekt immer nur ein kleiner Teil der TEI relevant. Die konkrete Verwendung der TEI wird dann im Idealfall für jedes Projekt nochmals individuell festgelegt und dokumentiert.

Diese Maßanfertigung der TEI für ein bestimmtes Projekt wird im sogenannten „One Document Does it All“ (ODD) definiert. Im ODD werden die TEI-Elemente und -Attribute definiert, die im aktuellen Projekt verwendet werden. Standard-Elemente können geändert, verfeinert oder auch entfernt werden. Es können auch neue „private“ Elemente hinzugefügt werden. Aus dem ODD kann dann sowohl eine lesbare Dokumentation als auch ein XML-Schema (Relax NG) erstellt werden.[9]

2 TEI Publisher

Für die Erarbeitung der Editionsdaten gibt es Tools und bewährte Workflows, mit denen selbst kleine Projekte und allein arbeitende Editorinnen und Editoren TEI-konforme Editionen erstellen können. TEI-Workshops und -Summer-Schools vermitteln zudem einen Einstieg in die Arbeit mit TEI.[10] Anders sieht es mit der Präsentation der Edition im Internet aus. Die soeben geschilderte Situation, dass TEI ein sehr großer, flexibel verwendbarer Standard ist,[11] der jeweils für die einzelnen Projekte angepasst wird, macht es sehr schwierig, Standardsoftware für die Publikation der Editionen zu programmieren.

Deshalb hat die TEI 2016 die Guidelines um das sogenannte TEI Processing Model erweitert.[12] Mit dem Processing Model lassen sich nun auch Informationen für die vorgesehenen Transformationen der TEI-Dokumente – also für die Darstellung einzelner Elemente – in TEI beschreiben. Diese Informationen werden ebenfalls in einem ODD gespeichert.[13] Damit ist die intendierte Darstellung ein Teil der eigentlichen Editionsdaten (sie liegt ebenfalls als standardisiertes XML/TEI vor). Die Edition kann so softwareunabhängig in den wichtigen Grundzügen rekonstruiert werden.[14] Dies ist ein großer Vorteil für die Archivierung von Editionsdaten. Außerdem wird es so möglich, dass TEI-Editionen mit Standardsoftware umgesetzt werden, da die konkrete Umsetzung der Darstellung nun in den Editionsdaten konfiguriert ist.

Als Referenzimplementierung des Processing Models wurde der TEI Publisher entwickelt.[15] Er versteht die Anweisungen im ODD und setzt damit die Darstellung der TEI-Daten um. Damit wird nicht nur die Webausgabe gesteuert, sondern es können auch Transformationen für andere Medien (E-Books, Druck usw.) umgesetzt werden.

Das Frontend des TEI Publishers besteht aus Webcomponents.[16] Webcomponents sind benutzerdefinierte HTML-Elemente, die mit dem Backend und untereinander kommunizieren können. Da viele Funktionen und Features in den verschiedenen Editionen identisch oder zumindest ähnlich sind (Blättern, Suche, Textdarstellung, Digitalisate usw.), können die Webcomponents einfach wiederverwendet und individuell konfiguriert werden. Der TEI Publisher ist also ein Baukasten, aus dem sich die einzelnen Editionen bedienen können. Fehlt eine spezifische Funktion (zum Beispiel die Darstellung mathematischer Formeln), kann eine neue Webcomponent hinzugefügt werden. Die Weiterentwicklung des TEI Publishers erfolgt kollaborativ, denn die neue Funktion steht anschließend sämtlichen Projekten zur Wiederverwendung zur Verfügung.

Verschiedenste Editionen können so einen großen Teil des programmierten Codes gemeinsam nutzen und trotzdem ihre individuellen Anforderungen realisieren. Gleichzeitig bietet der TEI Publisher die Möglichkeit, dass verschiedene Editionen auf demselben Server gehostet werden können. Der Aufwand für die Entwicklung und für den Unterhalt einzelner Editionen wird so drastisch gesenkt. Als Open Source-Projekt wird der TEI Publisher ständig weiterentwickelt, getrieben von den Anforderungen der Projekte, welche die Software benutzen. Mit Version 8[17] ist eine stabile, tragfähige Basis im Hinblick auf die Kernfunktionalität erreicht.

Zunächst war der TEI Publisher nur für die Publikation von TEI-Editionen gedacht. Mittlerweile ist er aber in einigen Projekten auch Teil des Workflows zur Erstellung der Editionsdaten. Das Processing Model und seine Umsetzung durch den TEI Publisher sind nicht auf TEI-Dokumente beschränkt. Es handelt sich dabei (funktional ähnlich wie XSLT) um eine mächtige Transformationsmaschine. Es ist zum Beispiel auch möglich, MS-Word-Dokumente zu verarbeiten und zu TEI zu wandeln. Eine weitere, bereits vielfach genutzte Funktion des TEI Publishers für die Erarbeitung von TEI-Daten soll hier noch kurz erwähnt werden: Ist ein Text strukturell bereinigt als TEI vorhanden, bietet der TEI Publisher eine komfortable Möglichkeit, den Text weiter auszuzeichnen. So lassen sich komfortabel Entities (also zum Beispiel Personen, Organisationen, Orte, Objekte) taggen und mit einer externen Datenquelle wie zum Beispiel der GND oder einer eigenen Register-Datenbank identifizieren (diese muss eine REST-API bereitstellen). Weitere Vorkommen eines markierten Namens im Text werden per Named Entity Recognition (NER)[18] gefunden und können manuell bestätigt werden, was diesen Arbeitsschritt nochmals effizienter macht.

3 e-editiones

Der Verein e-editiones[19] ist ein internationaler Zusammenschluss kleinerer und größerer Editionsunternehmungen, Gedächtnisinstitutionen und Einzelforschenden. Ziel ist die Förderung offener Standards und darauf basierender freier Software für digitale wissenschaftliche Editionen. Damit leistet der Verein einen wichtigen Beitrag für die Erschließung, Erhaltung und Vermittlung des Kulturerbes. e-editiones ist ein Verein nach schweizerischem Recht mit Mitgliedern aus verschiedenen Ländern, der Verein verfolgt keine kommerziellen Interessen und ist als gemeinnützig anerkannt.

Abb. 3: Die Website der mit dem TEI Publisher realisierten Karl-Barth-Gesamtausgabe (Screenshot: https://kbga.karl-barth.ch. 13.6.2023)
Abb. 3:

Die Website der mit dem TEI Publisher realisierten Karl-Barth-Gesamtausgabe (Screenshot: https://kbga.karl-barth.ch. 13.6.2023)

Ausgangspunkt für die Gründung von e-editiones war die Nutzung des TEI Publishers durch die Edition der Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen (SSRQ) der Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins, die digitale Karl-Barth-Gesamtausgabe der Karl-Barth-Stiftung und die digitale Edition Briefverkehr der Stadt St.Gallen 1400–1800 des Stadtarchivs der Ortsbürgergemeinde St.Gallen. Der Verein wurde am 4. Mai 2020 von über zwanzig internationalen Partnern gegründet. Seitdem sind weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Institutionen dem Verein beigetreten.

Strategisch konzentriert sich der Verein zurzeit auf die Förderung des TEI Publishers als Instrument für die Erarbeitung und Publikation digitaler wissenschaftlicher Editionen im Sinne einer nachhaltigen und kostengünstigen Prêt-à-Porter-Lösung[20] für digitale TEI-Editionen. Hierfür wird die Weiterentwicklung des TEI Publishers unter den Stakeholdern koordiniert. Wo möglich versucht e-editiones, neue Ressourcen einzuwerben, um auch die allgemeine Weiterentwicklung und Pflege der Software sicherzustellen.

Der Verein ist auch verantwortlich für die Bereitstellung des Quellcodes auf GitHub. e-editiones organisiert zudem Online-Meetings, bei denen sich die Community über neue Editionen und Entwicklungen austauscht. Support bei der Umsetzung von digitalen Editionen mit dem TEI Publisher findet man im Slack-Channel;[21] der rege genutzt und in dem meistens rasch reagiert wird. e-editiones bietet auch Workshops an, in denen die Grundlagen der TEI und des TEI Publishers vermittelt werden. Zahlreiche Editionsprojekte werden durch Mitglieder von e-editiones auch ganz konkret beraten.

e-editiones will auch die langfristige Verfügbarkeit von Editionen und deren Archivierung fördern. Hierfür kann der Verein allerdings keine eigene Infrastruktur betreiben und arbeitet deshalb mit Partnern zusammen. Zunächst wurde mit dem Hosting-Angebot Sources Online eine solche Kooperation vereinbart.

4 Sources Online

4.1 Trägerschaft

Die Trägerschaft Archives Online wurde 2011 von den Staatsarchiven der Kantone Zürich, Basel-Stadt, Thurgau und Zug sowie dem Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich gegründet und ist als Verein nach schweizerischem Recht organisiert. Sie betreibt seit der Gründung das Archivsuchportal Archives Online,[22] das eine gleichzeitige Suche in über 40 Archiven (vom Schweizerischen Bundesarchiv über die meisten (kantonalen) Staatsarchive und verschiedene Stadtarchive bis zu zahlreichen Spezialarchiven) ermöglicht.

4.2 Sources Online als neues Angebot

2021 hat die Trägerschaft Archives Online ihren Tätigkeitsbereich um zwei Angebote erweitert. Archives Quickaccess[23] ermöglicht als Ergänzung zu den vorhandenen Archivinformationssystemen thematisch eingeschränkte Suchen in besonders interessanten Beständen von einzelnen Archiven und das einfache Durchblättern von Bildersammlungen und Ähnlichem. Dieses Angebot wird inzwischen von elf Archiven genutzt.

Sources Online[24] ist eine Publikationsplattform für wissenschaftliche Editionen und will vor allem ein nachhaltiges Hosting von solchen Editionen gewährleisten. Bisher nutzen sechs Editionen das Angebot, wobei noch nicht alle öffentlich zugänglich sind:

Abb. 4: Übersichtskarte mit den über 30 bisher mit dem TEI Publisher realisierten Editionen (Screenshot: https://www.e-editiones.org/map. 13.6.2023)
Abb. 4:

Übersichtskarte mit den über 30 bisher mit dem TEI Publisher realisierten Editionen (Screenshot: https://www.e-editiones.org/map. 13.6.2023)

  • Alfred-Escher-Briefedition,

  • Rechtsquellen des Kantons Zürich,

  • Karl-Barth-Gesamtausgabe,

  • Quellen zur Zürcher Geschichte,

  • Briefverkehr der Stadt St.Gallen 1400–1800 und

  • Johann Conrad Fischer’s Travel Journals.

Weitere Publikationen sind in Arbeit oder geplant.

Durch die Trägerschaft aus vier kantonalen und einer Bundesinstitution ist ein nachhaltiger Betrieb soweit wie möglich gesichert. Sources Online gewährleistet auch den technischen Unterhalt, indem im jährlichen Preis für das Hosting auch jeweils eine Anpassung an die neueste Version des TEI Publishers enthalten ist.

4.3 Technik

Das Hosting-Angebot von Sources Online wird auf einem dedizierten Server in einem Schweizer Rechenzentrum betrieben, wo auch entsprechende Backups erstellt werden. Technisch basiert das Angebot von Sources Online auf der Software TEI Publisher und dem Bild- bzw. IIIF-Server Cantaloupe.[25] Für die Einrichtung und Betreuung des Hostings ist die Trägerschaft Archives Online eine Partnerschaft mit der Firma Jinntec[26] eingegangen, die auch maßgeblich hinter der Entwicklung des TEI Publishers steht. Wer kann eine Software besser betreuen als die Hersteller selbst?

4.4 Kosten

Wie alle Angebote der Trägerschaft Archives Online ist Sources Online nicht gewinnorientiert. Sources Online kann aber nicht auf die Infrastruktur einer Universität oder einer vergleichbaren Institution zurückgreifen, erhält keine Subventionen und muss deshalb selbsttragend sein. Die Preise mögen entsprechend recht hoch erscheinen. Allerdings ergeben die Anmietung der Serverplattform und des Speicherplatzes, der Unterhalt und das Monitoring des Servers, der Betrieb des TEI Publishers und des IIIF-Servers durch Jinntec Grundkosten, die auf die einzelnen Publikationen umgelegt werden müssen. Dazu kommt für jede Publikation das jährliche Update mit der Adaption auf die aktuelle TEI-Publisher-Version. Die individuellen Kosten sind dabei abhängig von der Komplexität der Applikation, dem Einbezug von Bildern, der Benutzung des IIIF-Servers und dem notwendigen Speicherplatz.[27]

Abb. 5: Die Startseite von Sources Online mit den bisher öffentlich zugänglichen Editionen (Screenshot: https://sources-online.org/. 13.6.2023)
Abb. 5:

Die Startseite von Sources Online mit den bisher öffentlich zugänglichen Editionen (Screenshot: https://sources-online.org/. 13.6.2023)

4.5 Zukunftspläne

Zusätzlich zur Publikation von einzelnen Editionen erstellt Sources Online ein Portal, das in erster Linie alle auf dem Sources Online-Server gehosteten Publikationen verlinkt und eine gemeinsame Suche in diesen Editionen ermöglicht. Zusätzlich wird geprüft, ob es möglich ist, über eine Schnittstelle TEI-Publisher-basierte Publikationen auf anderen Servern ebenfalls einzubinden und so eine verteilte Suche auf verschiedenen Servern bzw. in verschiedenen Publikationen zu ermöglichen. Damit würde sich Sources Online der Idee von Archives Online annähern und eine Metasuche für Editionen als Parallele zur Metasuche für Archivalien anbieten. Das ist allerdings noch Zukunftsmusik, eine Umsetzung ist für die nächsten zwei Jahre geplant.

5 Die Nutzung im Staatsarchiv des Kantons Zürich als Fallbeispiel

5.1 Ausgangslage

Das Staatsarchiv des Kantons Zürich verfolgt seit rund 15 Jahren die Strategie, zentrale Serien und Quellenstücke aus seinen Beständen im Volltext und mit Digitalisaten der Originale online verfügbar zu machen. Die entsprechenden Projekte sind in der Abteilung Nacherschließung und Digitalisierung (bis 2018: Abteilung Editionsprojekte) angesiedelt. Dahinter steht die bereits einleitend angesprochene Idee, dass die öffentlichen Gedächtnisinstitutionen, die die originale Überlieferung dauerhaft aufbewahren, am besten geeignet sind, in Kooperation mit Dienstleistern im technischen Bereich nachhaltige Publikationslösungen auch im digitalen Zeitalter zu garantieren. Dies schließt Kooperationen mit editorisch tätigen Projektpartnern an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen selbstverständlich nicht aus.

Im Zentrum des Publikationskonzepts des Staatsarchivs Zürich ist der Online-Archivkatalog (Query) als Frontend des Archivinformationssystems angelegt.[28] Ihm zur Seite stehen zwei externe Plattformen für die Publikation der zentralen Serien und Quellenstücke, die je nach Projekt zum Einsatz kommen: Einerseits „Read & Search“ von READ-COOP für zentrale Serien, die mit Machine Learning-Verfahren aufbereitet werden,[29] anderseits Sources Online für zentrale Quellenstücke (und zukünftig auch zentrale Serien), die in XML/TEI transkribiert bzw. ediert und deren Digitalisate über IIIF publiziert werden. Der Online-Archivkatalog mit den Metadaten der Serien und Quellenstücke und die beiden externen Plattformen sind auf Stufe Texteinheit (das heißt Band einer zentralen Serie bzw. einzelnes Quellenstück) wechselseitig aufeinander verlinkt. Zukünftig soll eine digitale Nutzungsplattform (DNP) den Online-Archivkatalog und die beiden Publikationskanäle noch stärker bündeln.[30]

Zu Beginn der Umsetzung seiner Strategie vor rund 15 Jahren setzte das Staatsarchiv Zürich, wie viele andere Institutionen und Forschungsprojekte, auf maßgeschneiderte Lösungen für die Online-Publikation seiner Quellenbestände. Dies gilt auch für ein Editionsprojekt, in dessen Stiftungsrat das Staatsarchiv Zürich vertreten war und dessen vielbeachtete Web-Lösung das Staatsarchiv seit dem Projektabschluss 2021 betreut: die Online-Edition des Briefwechsels des Zürcher Politikers und Unternehmers Alfred Escher (1819–1882). Auch hier galt es, von einer Insellösung Abschied zu nehmen, die auch im Unterhalt und der Weiterentwicklung hohe Kosten verursachte.

Abb. 6: Die Startseite der Alfred Escher-Briefedition (Screenshot: https://www.briefedition.alfred-escher.ch. 13.6.2023)
Abb. 6:

Die Startseite der Alfred Escher-Briefedition (Screenshot: https://www.briefedition.alfred-escher.ch. 13.6.2023)

5.2 Die Rechtsquellen des Kantons Zürich

In einem mehrjährigen Projekt edierten insgesamt sieben Bearbeiterinnen und Bearbeiter rund 900 Quellenstücke aus dem „alten“, d. h. vormodernen Stadtstaat Zürich im Rahmen des gesamtschweizerischen Editionsunternehmens der Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen (SSRQ). Es handelt sich dabei um eine Auswahledition, wobei Quellen nicht nur des Staatsarchivs Zürich, sondern auch der Stadtarchive Zürich und Winterthur sowie einzelner kleinerer kommunaler Archive berücksichtigt wurden. Der Begriff der „Rechtsquelle“ ist dabei sehr offen definiert und umfasst nicht nur normative Rechtstexte. Die fünf Editionseinheiten erschienen 2022 sowohl in Buchform wie auch als Online-Edition.

Für die Online-Edition entschied sich das Staatsarchiv Zürich 2020 für die TEI-Publisher-Lösung unter dem Dach von Sources Online.[31] Der TEI Publisher bietet Gewähr, die (von Anfang an) im TEI-Standard mit textkritischem Apparat und Sachkommentar hochwertig aufbereiteten Volltexte und Digitalisate attraktiv zu präsentieren. Dazu gehört auch die Möglichkeit, zwischen diplomatischem Text mit Digitalisat und normalisiertem Text mit den Registereinträgen zu wählen. Hinzu kommen mit Normdaten verlinkte Register der Orte und Personen, eine Zeitleiste, eine Kartendarstellung der Ortsnamen und ein auf der Bibliographie der Schweizergeschichte (BSG) der Schweizerischen Nationalbibliothek[32] basierendes Literaturverzeichnis.

5.3 Die Alfred-Escher-Briefedition

Bei der Alfred-Escher-Briefedition, deren Betreuung das Staatsarchiv Zürich wie erwähnt übernommen hat, handelt es sich um das Remake einer vielbeachteten,[33] maßgeschneiderten Weblösung im TEI Publisher ebenfalls unter dem Dach von Sources Online.[34] Das Textkorpus umfasst 5 000 Briefe, wobei eine Auswahl davon auch in Buchform publiziert wurde. Die Originale der Briefe liegen zum größten Teil im Bundesarchiv Bern und im von der Stiftung SBB Historic getragenen Archiv der Schweizerischen Bundesbahnen SBB und ihrer Vorgängerbahnen sowie in der Zentralbibliothek Zürich.

Die Überführung in den TEI Publisher erfolgte 2021 parallel zu den Arbeiten an der Zürcher Rechtsquellenedition. Von den Funktionalitäten her ist die Alfred-Escher-Briefedition mit den Zürcher Rechtsquellen grundsätzlich vergleichbar, spezifische Features betreffen zum einen das chronologische Blättern nicht nur im Gesamtkorpus, sondern auch nur in den Briefen eines einzelnen Korrespondenten von Escher. Zum anderen konnte bei der Anzeige des diplomatischen Textes in Verbindung mit dem Digitalisat die Mouse over-Funktion aus der ursprünglichen Lösung übernommen werden, die eine in der Transkription markierte Zeile auch im Digitalisat anzeigt. Neu entwickelt für den TEI Publisher wurde die Zeitleiste, die dann ohne Zusatzkosten auch bei den Zürcher Rechtsquellen implementiert werden konnte.

Die neue technische Umgebung des TEI Publishers wird auf der Startseite der Escher-Briefedition deklariert, fällt vielen Nutzenden aber gar nicht auf, da sich der „Look“ der ursprünglichen Lösung im TEI Publisher weitgehend beibehalten ließ. Auch die URL, unter der die Website aufgerufen werden kann, blieb bewusst unverändert. Die jährlichen Fixkosten für Unterhalt und Updates der Online-Edition reduzierten sich auf einen Drittel der früheren Kosten.

5.4 Quellen zur Zürcher Geschichte

Als „Klon“ der Zürcher Rechtsquellen in technischer Hinsicht konnte das Staatsarchiv Zürich im Frühjahr 2023 die neue Plattform Quellen zur Zürcher Geschichte (QZH) freischalten, wiederum unter dem Dach von Sources Online.[35] Sie steht offen einerseits für zentrale Quellenstücke aus der Editionstätigkeit des Staatsarchivs im Anschluss an das Rechtsquellenprojekt, anderseits für Transkriptionen von anderen Institutionen und Kooperationspartnern mit einem Bezug zur Geschichte des Kantons Zürich. Der Start erfolgte mit rund zwei Dutzend Quellenstücken, die einen 2022 veröffentlichten Tagungsband begleiten.[36] Von Seiten des Staatsarchivs kommen vorerst rund 30 Quellenstücke dazu, die im Zusammenhang mit regulären Nacherschließungsarbeiten der letzten Jahre ediert wurden.

Für diese Stücke gilt die bereits im Rechtsquellenprojekt definierte „Leuchtturm“-Funktion: Aufgrund ihres repräsentativen Charakters wirken sie stellvertretend für größere Bestände und Serien des Archivs, bieten den Nutzenden mittels Kommentaren und Anmerkungen einen Einstieg zu einschlägigen inhaltlichen und überlieferungsrelevanten Fragestellungen und eignen sich für quellenkundliche Untersuchungen, auch im universitären Lehrbereich.

5.5 Zentrale Serien des Kantons Zürich 19./20. Jahrhundert

Die TEI-Publisher-Lösung für die Plattform Quellen zur Zürcher Geschichte konnte das Staatsarchiv Zürich auf der Basis der Zürcher Rechtsquellen weitgehend selber realisieren. Dieses Vorgehen ist auch im aktuell laufenden Projekt Zentrale Serien des Kantons Zürich 19./20. Jahrhundert (ZSZH) das Ziel. Als zentrale Serien des modernen Kantons Zürich versteht das Staatsarchiv die 1803 bzw. 1834 einsetzenden Reihen der Offiziellen Gesetzessammlung, des Amtsblatts, der Protokolle der Legislative (Kantonsrat) und der Beschlüsse der Exekutive (Regierungsrat). Kantonsratsprotokolle und Regierungsratsbeschlüsse, die im 19. Jahrhundert handschriftlich, im 20. Jahrhundert dann gedruckt überliefert sind, und die Gesetzessammlung, die von Beginn weg gedruckt vorliegt, wurden in früheren Projekten in den Jahren 2009 bis 2017 aufbereitet und die Transkriptionen in Form von PDF-Dateien, denen Word-Dokumente zugrunde liegen, publiziert.[37] Begleitet sind die Transkriptionen von Bildern der Originale, die auf digitalisierten Mikrofilmaufnahmen basieren.

Dem Grundsatz des Kantons Zürich hinsichtlich offener Behördendaten verpflichtet, konvertierte das Staatsarchiv in den letzten Jahren die Word-Dokumente der drei zentralen Serien nach XML/TEI und publizierte sie als Open-Government-Datensätze auf der kantonalen und nationalen Plattform.[38] Damit wurden gleichzeitig die Voraussetzungen geschaffen, um die Texte zukünftig ebenfalls über den TEI Publisher unter dem Dach von Sources Online zu publizieren und damit aufzuwerten. Denkbar ist etwa die automatische Auszeichnung von Orten und Personen in den Texten (Named Entity Recognition) oder auch die Implementierung semantischer Suchfunktionen in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Amt des Kantons Zürich.

Die vierte zentrale Serie, das Amtsblatt des Kantons Zürich, wird aktuell von Beginn an in XML/TEI aufbereitet. Ab 2024 soll es als erste Serie im TEI Publisher zugänglich gemacht werden.

5.6 Bullinger Digital

Im Projekt Bullinger Digital wurde in den Jahren 2021 bis 2023 der teilweise bereits in Buchform edierte Briefwechsel von Heinrich Bullinger (1504–1575), dem Nachfolger des Zürcher Reformators Huldrych Zwingli, in XML/TEI digital aufbereitet und über eine spezifisch für das Projekt entwickelte Weblösung zugänglich gemacht.[39] Das Staatsarchiv Zürich steuerte als Projektpartner Digitalisate von rund 10 000 der etwa 12 000 überlieferten Briefe von und an Bullinger bei. Sie stammen zum größten Teil aus dem im 17. Jahrhundert begründeten sogenannten Antistitialarchiv und gelangten 1838 ins Staatsarchiv.[40]

Auf eine entsprechende Anfrage im Hinblick auf den Projektabschluss hat das Staatsarchiv Zürich den Projektverantwortlichen von Bullinger Digital den TEI Publisher in Verbindung mit Sources Online als nachhaltige Publikationslösung vorgeschlagen. Noch innerhalb der Projektlaufzeit konnten daraufhin die Daten in eine Pilotversion im TEI Publisher überführt werden, die nun als Proof of Concept dienen kann, wenn es im Rahmen eines geplanten Folgeprojekts Bullinger Digital 2.0 darum geht, die jetzige Weblösung weiter zu entwickeln, aber auch dauerhaft zu sichern.

6 Fazit und Ausblick

Das Staatsarchiv Zürich hat seit seiner Gründung in der heutigen Form im Jahr 1837 ausgewählte Bestände immer wieder auch in Editionen zugänglich gemacht, im 19. und 20. Jahrhundert in Buchform, seit rund 15 Jahren in digitaler Form. Dabei hat sich der Wechsel von der Haute Couture, d. h. maßgeschneiderten, aber ressourcenintensiven Insellösungen, zu Prêt-à-Porter-Lösungen wie dem TEI Publisher und seiner kollaborativ organisierten Weiterentwicklung als ebenso pragmatischer wie für die Zukunft vielversprechender Weg erwiesen.

Über die Autoren

Dr. Andreas Kränzle

Dr. Andreas Kränzle

Dr. Gerold Ritter

Dr. Gerold Ritter

Christian Sieber M. A.

Christian Sieber, M. A.

Online erschienen: 2023-08-05
Erschienen im Druck: 2023-08-03

© 2023 bei den Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 8.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/abitech-2023-0030/html
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