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Die 365-Tage-Bibliothek von Uster (Schweiz)

Technik, Einrichtung, Signaletik und Prozesse in der Zürcher Regionalbibliothek
  • Roman Weibel

    Roman Weibel

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Published/Copyright: August 5, 2023
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Zusammenfassung

Seit 2019 funktioniert die Stadt- und Regionalbibliothek Uster (Schweiz, Kanton Zürich) als Open Library.[1] Sie ist 365 Tage geöffnet, täglich von 06–22 Uhr. Für eine Open Library braucht es viel Self Service, klare Signaletik, hohe Aufenthaltsqualität sowie neue Prozesse für Kundschaft und Personal.

Abstract

Starting in 2019, the Uster City and Regional Library (Switzerland, Canton of Zurich) has been operating as an Open Library. It is open 365 days a year, daily from 6 am to 10 pm. An open library requires a lot of self-service, clear signage, a high quality of stay and new processes for customers and staff.

1 Die Kundschaft will lange Öffnungszeiten

Im Jahr 2015 publizierte das renommierte Institut für Demoskopie Allensbach eine Studie über Bibliotheken– sie ist heute noch aktuell.[2] Darin wünschen sich 70 % der Kundinnen und Kunden lange Öffnungszeiten. Dasselbe Resultat ergab eine eigene Umfrage aus dem Jahr 2017 in der Stadtbibliothek Uster. Der schweizerische Bibliotheksverband „Bibliosuisse“ empfiehlt in seinen Richtlinien folgende Öffnungszeiten: 18 h/Woche für kleine Bibliotheken für mehr als 5 000 Einwohnerinnen und Einwohner, 40 h/Woche für größere Bibliotheken ab 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern.[3] Die Realität in der Schweiz sieht anders aus: Gemäß schweizerischer Bibliotheksstatistik des Jahres 2020 sind die Bibliotheken in der Schweiz – kleine und große zusammengenommen – im Durchschnitt nur 17 h/Woche geöffnet.[4] Bibliosuisse ruft in den Richtlinien zu noch mehr Öffnung auf: „Erweiterte Öffnungszeiten sind anzustreben, 7 Tage, 12 Stunden offen.“[5] Also Open Library!

Abb. 1: Postkarte zur Eröffnung der 365-Tage-Bibliothek der Stadt- und Regionalbibliothek Uster (Design: Isabelle Bühler, Uster)
Abb. 1:

Postkarte zur Eröffnung der 365-Tage-Bibliothek der Stadt- und Regionalbibliothek Uster (Design: Isabelle Bühler, Uster)

Abb. 2: Außenansicht des östlichen Teils der Stadt- und Regionalbibliothek Uster (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 2:

Außenansicht des östlichen Teils der Stadt- und Regionalbibliothek Uster (Foto: Roman Weibel, Uster)

2 Warum überhaupt eine Open Library einrichten?

weil …

  • Bibliotheken Dritte Orte sind oder sein wollen,

  • die Kundschaft lange Öffnungszeiten wünscht,

  • Sonntagsöffnung für Familien, vor allem im Winter, ein großes Plus bringt,

  • auch Museen und Hallenbäder am Sonntag geöffnet sind,

  • sich das Konzept der Open Library in Skandinavien und der Schweiz bewährt hat,

  • sich Open Library für alle Bibliothekstypen, für Gemeinde-, Stadt- und wissenschaftliche Bibliotheken, eignet,

  • Open Library zur heutigen 24/7-Gesellschaft passt,

  • die Kosten für die Einrichtung einer Open Library tragbar sind,

  • der Mehraufwand für das Personal klein ist,

  • eine Open Library die beste Imagewerbung für eine Bibliothek ist,

  • das Konzept der Open Library die Kundschaft begeistert.

3 Porträt der Stadt- und Regionalbibliothek Uster

Uster ist eine Stadt mit 36 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, nur gerade 15 Minuten Zugfahrt von der Stadt Zürich entfernt. Die Bibliothek Uster[6] wurde im Jahr 1876 gegründet. Heute zählt sie täglich 450 Eintritte, hat 6 000 aktive Kundinnen und Kunden und bietet 47 000 Medien an. Als Regionalbibliothek erbringt sie Dienstleistungen für 70 Gemeindebibliotheken. Im Jahr 2019 hat Uster eine kleine Open Library eingeführt, und ab Mai 2022 die 365-Tage-Bibliothek, die täglich von 6–22 Uhr geöffnet ist, auch an Sonn- und Feiertagen. Von den 112 Öffnungsstunden pro Woche sind 46 Stunden bedient und 66 Stunden unbedient.

In der Schweiz gibt es mittlerweile 30 Open Libraries. Uster hat das Konzept am umfassendsten umgesetzt. Denn die Bibliothek Uster ist an 365 Tagen zugänglich und gewährt allen Abonnentinnen und Abonnenten, auch Kindern, den Zutritt zur Open Library. Sämtliche Geräte, wie Drucker, Kopierer, Kaffeemaschine und PC-Stationen, stehen im Self Service zur Verfügung. Das WC ist frei zugänglich. Auf einer Spezialwebsite der Bibliothek Uster sind – neben vielen anderen Themen – viele Dokumente zur 365-Tage-Bibliothek frei abrufbar, u. a. Open Library-Konzept, Reglement, Beschriftungskonzept, Notfallkonzept, Kommunikationskonzept, Pressemitteilung, Werbeflyer, Stadtratsbeschluss, Fotos.[7]

Abb. 3: Der Eingangsbereich mit Zutrittsterminal (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 3:

Der Eingangsbereich mit Zutrittsterminal (Foto: Roman Weibel, Uster)

4 Einrichtung & Gestaltung: eine hohe Aufenthaltsqualität schaffen

Das Konzept der Open Library ist eng verbunden mit dem Konzept des Dritten Orts. Eine Diplomarbeit aus dem Jahre 2016[8] listet auf, was Bibliotheken unter einem Dritten Ort verstehen: längere Aufenthaltsdauer, Platz schaffen, Raumgestaltung, Arbeitsplätze, Kaffeeangebot, stille und laute Zonen, großzügige Öffnungszeiten usw. Das war auch die Leitschnur für die Bibliothek Uster. Ziel war, mit folgenden Maßnahmen die Aufenthaltsqualität der Bibliothek zu steigern:

Abb. 4: Der renovierte Erwachsenenbereich (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 4:

Der renovierte Erwachsenenbereich (Foto: Roman Weibel, Uster)

  • Entrümpelung des Raumes: Entfernung der unpassenden und verschiedenartigen Sonderständer, Flyerdisplays, Nebengestelle sowie alten Sofas und Kleinmobiliar, Reduktion der Anzahl der Garderobenständer und Abfalleimer, Schaffung einer zentralen Infowand, Installation von einheitlichen Entsorgungsstationen.

  • Reduktion des Medienbestandes: von 60 000 auf 47 000 Medien, durchgehende Frontalpräsentation auf Augenhöhe, Anschaffung von einheitlichen pyramidenartigen Sondergestellen, Neuplatzierung der Mediengestelle.

  • Neue Bemalung: mit Beratung eines lokalen Malers, in Eigenarbeit zusammen mit 25 Freiwilligen, gründliche Bibliotheksreinigung.

  • Aufwertung des Bibliotheksraumes: Wohnzimmer-Atmosphäre in der Cafélounge mit Lesebereich, Auffrischung der WCs, zusätzliche Arbeitsplätze für Studierende, Belegung aller Tische und Studentenplätze mit einer warmfarbigen Linoleumauflage, zusätzliche PC-Stationen für die Kundschaft, Installation neuer Steckdosen, Anschaffung mehrerer hochwertiger Kunstpflanzen, Kinderbereich mit Tippis, Fatboys, Kissen, Lego, Holzspielen und einem Gamewürfel.

Was haben wir damit erreicht? Die Bibliothek ist viel luftiger, viel bunter, viel kundenfreundlicher, viel schöner und viel aufgeräumter geworden. Wir haben Platz geschaffen für Arbeitsplätze, für Tische und Lesesessel, für eine große Infowand, für eine größere Cafélounge und für einen größeren Kinderbereich. Wir können viel mehr Bücher frontal präsentieren, was dem heutigen Stöberbedürfnis der Kundschaft entgegenkommt.

Die Maßnahmen haben sich gelohnt. Die totale Anzahl Ausleihen hat, trotz verringertem Medienbestand, zugenommen. Ebenfalls zählen wir mehr Eintritte. Und die Besuchsdauer der Kundschaft hat sich erhöht. Eine wichtige Eigenschaft einer Open Library ist ihre Funktion als Aufenthaltsort. Da sind ein WC und ein (Selbstbedienungs-)Café zwingend, ebenfalls leise und laute Zonen, bequeme Lesesessel, Arbeitsplätze mit genügend Steckdosen, ein einladender Kinderbereich, Tageszeitungen und Zeitschriften im Präsenzbestand.

Abb. 5: Der renovierte und neu eingerichtete Kinderbereich (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 5:

Der renovierte und neu eingerichtete Kinderbereich (Foto: Roman Weibel, Uster)

Abb. 6: Die aufgefrischte Cafélounge (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 6:

Die aufgefrischte Cafélounge (Foto: Roman Weibel, Uster)

5 Technik & Geräte: einen Self-Service-Betrieb ermöglichen

Eine Open Library braucht viel Technik. Denn die Bibliothek muss im Self Service funktionieren. Zuerst einmal braucht es ein automatisches Zutrittssystem, damit die Besucherinnen und Besucher überhaupt in die Bibliothek eintreten können. Sind sie in der Bibliothek, wollen sie auch während der unbedienten Zeiten Medien zurückbringen und Medien ausleihen. Zusätzlich erwarten die Besucherinnen und Besucher Zugang zu WLAN und Recherchekataloge. Schließlich braucht es Licht, Zeitschaltuhren und – je nach Umsetzung der Open Library – eine Videoüberwachung. Ziel in Uster war es, einen reibungslosen und umfassenden Self Service mit folgender Technik zu gewährleisten:

Abb. 7: Das Zutrittsterminal neben der Eingangstüre (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 7:

Das Zutrittsterminal neben der Eingangstüre (Foto: Roman Weibel, Uster)

Abb. 8: Videokamera plus Bildschirm unmittelbar nach dem Eingang (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 8:

Videokamera plus Bildschirm unmittelbar nach dem Eingang (Foto: Roman Weibel, Uster)

  • Zutrittsterminal: System der Schweizer Firma Infomedis, funktioniert mittels RFID-Technik, seit vier Jahren bewährt in Uster. Jede eintretende Person drückt ihre Bibliothekskarte auf ein markiertes Feld auf der Glasfront neben der Eingangstüre. Das System prüft mittels Schnittstelle zum Bibliotheksprogramm (in Uster: Winmedio der Schweizer Firma Predata), ob die Karte gültig ist. Wenn Ja, öffnet sich die Türe. Es gibt weitere Firmen (z. B. Bibliotheca) und andere Zutrittssysteme (z. B. nicht mit RFID, sondern mittels Strichcode plus PIN realisiert, was aber den Nachteil hat, dass man Strichcodes abfotografieren und weitergeben kann).

  • Ausleihstationen: Geräte der Firma Bibliotheca, funktionieren mittels RFID-Technik, seit sechs Jahren bewährt in Uster. Zunächst den Bildschirm berühren, die Karte auf die Platte legen, danach die Medien und sich selbst eine Quittung ausdrucken. Es gibt weitere Firmen (z. B. Infomedis) und andere Ausleihsysteme (z. B. nicht mit RFID, sondern mittels Strichcode).

  • Rückgabestationen: Geräte der Firma Infomedis, benötigen keine Bibliothekskarte, seit zwei Jahren bewährt in Uster. Den Bildschirm berühren, die Medien auf die Platte und dann die Medien ins daneben platzierte Rückgabegestell legen. Ist ein Medium reserviert, ist es nicht ausleihbar und es wird an der Infotheke ein Reservationszettel ausgedruckt. Es gibt weitere Firmen (z. B. Bibliotheca) und andere Rückgabesysteme (z. B. Aktivierung der Rückgabe mittels Bibliothekskarte und Druck einer Rückgabequittung).

  • Zeitprogrammierung oder Zeitschaltuhren: aus Stromspargründen (Uster ist Energiestadt Gold) stellen sich die Geräte (Ausleih- und Rückgabestationen, Gate, OPAC-Kataloge, Kunden-PC-Stationen, Kopierer, Drucker, Bezahlstation, Kaffeemaschine, KUTI) entweder mittels Zeitprogrammierung oder mittels Zeitschaltuhren am Morgen um 5:45 Uhr selbständig ein und am Abend um 22:15 Uhr selbständig aus.

  • Beleuchtung mit Bewegungsmeldern: alle Lampen in LED-Technik, 14 Bewegungsmelder. Während der unbedienten Zeiten brennen durchgehend sechs Lampen unmittelbar beim Eingang sowie drei Lampen im Bibicafé. Das Licht signalisiert nach außen, dass die Bibliothek geöffnet ist. Die restliche Beleuchtung ist während den unbedienten Zeiten nicht total dunkel, sondern auf 10 % gedimmt. Denn niemand tritt gern in einen vollkommen dunklen Bereich. Sobald sich eine Person im Raum bewegt, erhöht sich dank der Bewegungsmelder die Lichtstärke in den einzelnen Zonen auf 100 %. Die Brenndauer pro aktivierte Zone beträgt 5 Minuten. Danach reduziert sich die Lichtstärke wieder auf 10 %. Nach Schließung der Open Library um 22 Uhr schaltet sich die Beleuchtung ganz aus. Die Bewegungsmelder sind weiterhin aktiv, damit niemand, z. B. bei einer Abendveranstaltung, im Dunkeln tappen muss.

  • Eingangstüre: Schiebetüre mit Sensor. Während der bedienten Zeiten werden das Öffnen und Schließen der Türen durch Sensoren gesteuert. Während der unbedienten Zeiten befindet sich die Türautomatik im Offline-Modus, kann aber durch eine gültige Bibliothekskarte übersteuert, also die Tür geöffnet werden. Um die Bibliothek zu verlassen, muss der Türöffner manuell betätigt werden. Laut Gesetz müssen für den Austritt aus einem Gebäude drei Varianten zur Verfügung stehen: ein Schalter mit Stromanschluss, ein Schalter mit Batteriebetrieb, ein manueller Hebel direkt an der Tür.

  • Videoüberwachung: eine Kamera mit einer Linse beim Eingang plus Bildschirm, je eine Kamera à vier Linsen im oberen und im unteren Bereich und ein Plakat „Videoüberwachung“. Für größere Bibliotheken ist eine Videoüberwachung dringend zu empfehlen, zur Sicherheit der Besucherinnen und Besucher, und um unerfreuliche Ereignisse aufzudecken. Kleine Bibliotheken können auf Kameras verzichten, weil sie meist einen Großteil ihrer Kundschaft kennen, und weil sie den Zugang zur Open Library erst dann freischalten, wenn die Person eine persönliche Instruktion erhalten und ein Formular unterschrieben hat. Bei mittelgroßen und großen Bibliotheken ist dieses Vorgehen nicht umsetzbar. Die Videoüberwachung lief in Uster zu Beginn nur während der unbedienten Zeiten, nach mehreren Diebstählen nun auch während der bedienten Zeiten. Die Daten werden nach max. 90 Tagen gelöscht bzw. überschrieben. Die Kamera beim Eingang filmt alle eintretenden und austretenden Personen. Die größte Abschreckung ist der große Bildschirm, weil sich jede eintretende Person selbst auf dem Bildschirm gefilmt sieht.

  • Lautsprecher: je ein Lautsprecher im oberen und im unteren Bereich. Um 17:50 Uhr ertönt die automatische Durchsage, dass in 10 Minuten die bediente Bibliothek schließt. Um 21:50 Uhr kommt die Durchsage, dass in 10 Minuten auch die unbediente Bibliothek schließt. Und um 22 Uhr sagt eine automatische Stimme durch, dass nun die Open Library ganz schließt.

Abb. 9: Das nach jedem Wochenende fast überfüllte Rückgabegestell (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 9:

Das nach jedem Wochenende fast überfüllte Rückgabegestell (Foto: Roman Weibel, Uster)

Unabhängig von der Größe einer Bibliothek wird für eine Open Library zwingend folgende Technik benötigt: Zutrittsterminal, automatischer Türmechanismus, Ausleihstation, Rückgabestation, Katalog-Station, Beleuchtungssteuerung. Empfehlenswert sind eine Videoüberwachung, WLAN, Zeitschaltuhren oder Zeitprogrammierung, Bewegungsmelder, automatische Lüftung. Sehr hilfreich ist zudem, Medien, Bibliothekskarten und Geräte auf RFID-Technik umzustellen.

6 Signaletik & Beschriftung: wenig Text, alles in Einfacher Sprache

In einer Open Library ist die Kundschaft auf sich allein gestellt. Also muss die Benutzung der Bibliothek und der Geräte selbsterklärend sein. Der Raum muss logisch eingerichtet, die Geräte müssen sinnvoll platziert sein. Wenn das gesichert ist, braucht es nur wenige Kundeninformationen. Denn die Kundschaft möchte nicht laufend Anleitungen und Plakate lesen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Kundeninfos nicht beachtet werden. Wenn jedoch eine Kundeninformation unerlässlich ist, ist wichtig, den Text am richtigen Ort zu platzieren und ihn kurz und verständlich zu formulieren. Das Ziel der sparsamen und verständlichen Information hat die Bibliothek Uster mit folgenden Maßnahmen umgesetzt:

  • Einfache Sprache: wenig Text, kurze Sätze, eine Aussage pro Satz, aktiv statt passiv formulieren, keine Fremd- und Fachwörter, keine Abkürzungen, Text mit Bildern oder Symbolen ergänzen. Die Einfache Sprache wurde nicht nur für alle Aufkleber gewählt, sondern auch für die Beschriftung der Geräte. Auch das Bibliotheksreglement und die Website sowie die Mahnbriefe, die Erinnerungsmails und die Reservationsanzeigen sind in Einfacher Sprache getextet.

  • Eingangsbereich: Die meisten Informationen braucht es im Eingangsbereich, sowohl außen als auch innen. Es muss außen erklärt werden, wann, wer und wie man in die Bibliothek reinkommt, und innen, wie man herauskommt. Wir haben mit kurzen Texten, Pfeilen und Bildern gearbeitet, alles in der Farbe Grün.

  • Geräte: Die wichtigsten Geräte (Ausleih-, Rückgabe- und Bezahlstation) sind als Verb angeschrieben, weil es eine Tätigkeit ist: ausleihen, zurückgeben, bezahlen. Am Gerät selbst befinden sich nur jene Informationen, die als Prävention zur Verhinderung der häufigsten Bedienungsfehler dienen. Die Geräte wie Kopierer, Drucker, Kaffeemaschine und Kunden-PCs, die selbsterklärend funktionieren, sind nicht beschriftet.

  • Signaletik: Unmittelbar nach dem Eingang wollen die Kundinnen und Kunden wissen, wo sich welches Serviceangebot befindet. Als am besten beachtete Platzierung für diese Information haben sich große Aufkleber mit Pfeilen am Boden erwiesen. Dort steht, wo sich die großen Mediengebiete und Alterszonen befinden. Zusätzlich haben wir Ständer aufgestellt, worauf der Bibliotheksplan abgebildet ist. Die Gestelle sind seitlich und vorne beschriftet.

Abb. 10: Die in Einfacher Sprache mit Symbolen beschrifteten Rückgabeboxen (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 10:

Die in Einfacher Sprache mit Symbolen beschrifteten Rückgabeboxen (Foto: Roman Weibel, Uster)

Eine Bibliothek ist – ähnlich einem Einkaufscenter – ein Ort, den man immer wieder aufsucht. Mit der Zeit wissen die Besucherinnen und Besucher, wo sich welches Gerät und welcher Service befinden. Ein besonderes Augenmerk muss auf jene gelegt werden, die einmalig in die Bibliothek kommen, z. B. um den Mobile Printer, den Kopierer oder das WC zu benutzen. Daher sollten diese prominent und in der Nähe des Eingangs platziert sein und das WC sollte gut und von weitem sichtbar beschriftet sein.

Abb. 11: Die Raumbeschriftung mit Bodenklebern (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 11:

Die Raumbeschriftung mit Bodenklebern (Foto: Roman Weibel, Uster)

Abb. 12: Die als Verb beschriftete Ausleihstation (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 12:

Die als Verb beschriftete Ausleihstation (Foto: Roman Weibel, Uster)

7 Personal & Kundschaft: Change-Management und Hilfe zur Selbsthilfe

Eine Open Library bringt einige Veränderungen für Personal und Kundschaft mit sich. Die Mitarbeitenden müssen bereit sein, die Kundinnen und Kunden in den Self Service zu entlassen und die Bibliothek nach den bedienten Zeiten quasi ihrem Schicksal zu überlassen. Und die Kundschaft muss bereit sein, die Bibliothek im Self Service zu nutzen und sich ohne Aufsichtspersonal in der Bibliothek aufzuhalten. Diese Ziele lassen sich mit folgenden Maßnahmen erreichen:

  • Change-Management: Vision und Ziele formulieren, Team gut informieren, auf Ängste und Kritik eingehen, Beispielbibliotheken mit Open Library besichtigen und Austausch mit jenem Team ermöglichen, Konzept ausarbeiten, Team aktiv an der Planung und Umsetzung beteiligen, Testläufe durchführen, Konzept schrittweise umsetzen, Zwischenbilanzen ziehen, Zwischenerfolge feiern, große Aktion zur Einführung der Open Library machen, Evaluationen durchführen.

  • Step by Step:

    1. Strategie definieren,

    2. Maßnahmen für den Dritten Ort umsetzen – schöne Bibigestaltung, gute Einrichtung, Platz schaffen, Aufenthaltsqualität erhöhen,

    3. Testläufe durchführen – z. B. Sonntagsöffnung im Winter,

    4. Bibliothek Open-Library-fähig machen – z. B. RFID-Technik,

    5. Ausleih- und Rückgabestation anschaffen und Kundschaft schulen,

    6. kleine Open Library einführen – z. B. unbedient am Morgen,

    7. große Open Library einführen.

  • Sicherheitskonzept: Videoüberwachung mit Bildschirm am Eingang plus Plakat, Notallnummern auf Plakat, Registrierung jeder eintretenden Person mittels RFID-Bibliothekskarte, nirgends vollkommen dunkle Bibliothek, d. h. Dauer-Beleuchtung im Eingangsbereich sowie mind. 10 % Lichtstärke in den restlichen Räumen, Infotheke vor Start der unbedienten Zeiten aufräumen und wertvolle Kleingeräte wegschließen (E-Readers, Spiele-Chips, Handtelefon, Toniebox usw.), frei zugängliche Notfalltüren, frei zugängliche Notfallapotheke.

  • Politik, Trägerschaft: frühzeitig mit ins Boot holen, Einverständnis zu Sonntagsöffnung und Videoüberwachung schriftlich einholen.

  • Kundeninformation: jede größere Veränderung mit einer Information für die Kundschaft begleiten. Große Infokampagne zum Start der Open Library.

  • Hilfe zur Selbsthilfe: Den Kunden und Kundinnen die Anwendung der Geräte zeigen, sie aber selbst machen lassen. Konsequent auf die Geräte verweisen und immer erklären, warum wir das machen (bevorstehende Einführung der Open Library und deshalb Übergang zum Self Service).

  • Sprachregelung: Bei größeren Änderungen (z. B. Sonntagsöffnung, neue Geräte, Open Library) eine Sprachregelung für das Team festlegen und mit dem Team durchgehen. Wichtig ist, dass alle im Team gegenüber der Kundschaft gleich kommunizieren.

  • Checklisten: Liste mit sämtlichen Arbeiten vor Beginn der bedienten Zeit und vor Beginn der unbedienten Zeit, weil eine Open Library standardisierte Prozesse benötigt.

  • Bibliotheksreglement: Die Einführung einer Open Library bringt mehrere Änderungen mit sich (z. B. Videoüberwachung, Zutrittsregeln usw.). Diese müssen im Reglement erwähnt werden.

  • Kundenumfrage: alle zwei Jahre kleine, einfache Umfragen durchführen (z. B. zur Sonntagsöffnung, zur Open Library), zwei Fragen genügen: 1. Was gefällt Ihnen an der Sonntagsöffnung? 2. Was wünschen Sie sich noch?

  • Teamsitzungen und -Schulungen: regelmäßiger Austausch mit dem Team, Probleme besprechen und Lösungen definieren, Echo aus der Kundschaft ans Team weiterleiten.

  • Schülerhilfen: ev. mit Gymnasiastinnen zusammenarbeiten, welche abends während der unbedienten Zeiten die Medien einordnen.

  • Freiwillige: ev. mit Freiwilligen zusammenarbeiten, d. h. „Bibliothekswatcher“ am Sonntag und abends.

Abb. 13: Die Bibliothekskarte mit RFID-Technik (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 13:

Die Bibliothekskarte mit RFID-Technik (Foto: Roman Weibel, Uster)

Abb. 14: Checklisten fürs Personal (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 14:

Checklisten fürs Personal (Foto: Roman Weibel, Uster)

Abb. 15: Umfrage unter der Kundschaft nach 1/2 Jahr 365-Tage-Bibliothek (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 15:

Umfrage unter der Kundschaft nach 1/2 Jahr 365-Tage-Bibliothek (Foto: Roman Weibel, Uster)

Wenn eine Bibliothek eine Open Library einrichten will, muss dem Team bewusst sein, dass viel Arbeit auf die Kolleginnen und Kollegen zukommt und dass viel Unvorhersehbares passieren kann. Deshalb ist es ratsam, sich Schritt für Schritt fortzubewegen. Das hat viele Vorteile:

  • Die Kundschaft wird nicht gleichzeitig mit zu viel Neuem überfordert.

  • Das Personal wird zeitlich nicht überstrapaziert, weil es an allen Ecken und Ende gefordert ist.

  • Man hat genügend Zeit, um die Tücken der Technik in den Griff zu bekommen.

  • Personal und Kundschaft können schrittweise wertvolle Erfahrungen mit Open Library sammeln.

  • Neuerungen brauchen Zeit, bis sie vom Team und von der Kundschaft akzeptiert werden. Auch der Mount Everest wurde nicht an einem Tag bestiegen.

8 Fazit & Probleme: riesengroßes positives Kundenecho, aber auch Problemfälle

Die Bilanz nach 4,5 Jahren Open Library bzw. nach 1,5 Jahren 365-Tage-Bibliothek in Uster ist sehr positiv. Die Bibliothek hat sich zu einem Lern-, Arbeits-, Lese- und Spielort für Einzelpersonen, Gruppen und Familien entwickelt. Die Aufenthaltsdauer ist gestiegen, der Sonntag ist sehr gut besucht. Stark genutzt werden die Angebote wie WLAN, Mobile Printer, Kopierer, Café und WC. Das Feedback aus der Kundenumfrage ist fantastisch und gliedert sich in vier Punkte: tolle Öffnungszeiten, schöne Bibliothek, freundliches Personal, gute Medienauswahl.

Die Problempunkte sind: teilweise zu viel Lärm von Kindern, mehrere Male ein verunreinigtes WC, markant mehr Abfall sowie Unsauberkeiten auf Tischen und am Boden, Unordnung im Kinderbereich, vier (aufgedeckte) Medien-Diebstähle während der bedienten und unbedienten Zeiten. Keine Probleme hatten wir wegen Vandalismus oder unangepasstem Verhalten von Jugendlichen.

Abb. 16: Eines der vielen positiven Feedbacks in der Kundenumfrage (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 16:

Eines der vielen positiven Feedbacks in der Kundenumfrage (Foto: Roman Weibel, Uster)

Abb. 17: Die für eine Open Library in mittleren und großen Bibliotheken unabdingbare Videoüberwachung (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 17:

Die für eine Open Library in mittleren und großen Bibliotheken unabdingbare Videoüberwachung (Foto: Roman Weibel, Uster)

Die Videoüberwachung ist Gold wert. Sobald wir Rückmeldungen von Kundinnen oder Kunden erhalten oder am kommenden Arbeitstag ein Problem entdecken, konsultieren wir die Videodaten. So können wir schnell reagieren und mit den fehlbaren Personen Kontakt aufnehmen und sie an unsere Regeln erinnern. Dazu ein paar Beispiele: mit dem Trottinett (Tretroller) in der Bibliothek herumkurvende Mädels, eine Kissenschlacht zweier Knaben, eine Gruppe von Jugendlichen, die die Bibliothek verwüsteten, ein bis 2 Uhr verweilender Mann, eine in der Bibliothek übernachtende Frau, ein alle Kabel der Kunden-PC-Stationen aussteckender Mann.

Im ersten Jahr der Open Library kommt einiges auf das Personal zu. Wichtig ist, bei nicht tolerierbarem Fehlverhalten von Kundinnen und Kunden schnell und bestimmt zu reagieren. Dieser Aufwand lohnt sich. Wir haben alle Probleme lösen können. Im Großen und Ganzen gibt es sehr wenige Probleme, denn die Besucherinnen und Besucher sind sehr dankbar für die 365-Tage-Bibliothek. Die positiven Aspekte der Open Library überwiegen die negativen Probleme bei Weitem.

Abb. 18: Spielen in der Bibliothek dank hoher Aufenthaltsqualität (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 18:

Spielen in der Bibliothek dank hoher Aufenthaltsqualität (Foto: Roman Weibel, Uster)

Abb. 19: Einige von mehreren Arbeitsplätzen für Studierende (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 19:

Einige von mehreren Arbeitsplätzen für Studierende (Foto: Roman Weibel, Uster)

Abb. 20: Freiwillige helfen einmal pro Monat bei Problemen mit Handy & Co. (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 20:

Freiwillige helfen einmal pro Monat bei Problemen mit Handy & Co. (Foto: Roman Weibel, Uster)

Abb. 21: Bequeme Sessel in Nischen laden zum Lesen ein (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 21:

Bequeme Sessel in Nischen laden zum Lesen ein (Foto: Roman Weibel, Uster)

9 Weiteres Vorgehen: mehr Aufenthaltsqualität & Bibliothek beleben

Eine Open Library ist ein Baustein – ein wichtiger Baustein – hin zur Bibliothek als Dritter Ort. Zentral ist und bleibt die Aufenthaltsqualität. Es lohnt sich, dafür Geld zu investieren. Das Ziel der Bibliothek Uster ist, die Aufenthaltsdauer der bestehenden Kunden und Kundinnen zu verlängern sowie neue dazu zu gewinnen. Wir frischen deshalb den Raum weiter auf und werden verschiedene Wände mit Graffitis gestalten, bequeme Lesesessel kaufen, mehr Pflanzen anschaffen, Kunst aufstellen und einige Decken dekorieren.

Zudem treiben wir die Belebung der Bibliothek voran, indem wir neue Aktivitäten starten und indem wir Kooperationen mit Firmen und Vereinen eingehen. Wie wäre es, wenn der Schachclub einmal pro Woche sein Vereinslokal in die Bibliothek verlegt? Oder eine Gruppe von Freiwilligen einmal pro Woche gemeinsam näht? Oder eine Rentnerin einmal pro Monat beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen hilft? Uster arbeitet schon heute mit 15 Freiwilligen zusammen. Diese Zusammenarbeit wollen wir ausbauen.

10 Schlussplädoyer: Es braucht ein Umdenken, Mut und Vertrauen

Bibliotheken sind öffentliche Institutionen. Sie sind beheizt sowie mit einer guten Infrastruktur und WLAN ausgestattet. Bibliotheken sind sicher und für alle Menschen zugänglich und erfordern keinen Konsumationszwang. Sie sind durch Steuergelder finanziert. Nicht zuletzt deshalb sollten Bibliotheken jederzeit für alle zugänglich sein, idealerweise rund um die Uhr. Wenn Bibliotheken Dritte Orte sein wollen, sind lange Öffnungszeiten unabdingbar. Mit einer Open Library ist es möglich, die Öffnungszeiten massiv auszudehnen, ohne dass mehr Personal benötigt wird. In einer zunehmend digitalen Welt werden analoge Orte immer wichtiger. Gerade in Kleinstädten bieten sich dafür die Bibliotheken an.

Für die Einrichtung einer Open Library braucht es ein Umdenken, Mut und Vertrauen. Umdenken, weil man sich vom Konzept der Ausleihtheke lösen muss, um die Kundschaft in die Autonomie des Self Services zu entlassen. Mut, dass man sich auf einen neuartigen Bibliotheksbetrieb einlässt und akzeptiert, dass man nicht mehr jederzeit sieht, was in der Bibliothek vor sich geht. Vertrauen braucht es in die Kundschaft, in die soziale Kontrolle, und dass sich die Besucherinnen und Besucher auch ohne Aufsicht rücksichtsvoll verhalten.

Es hat sich bewährt, eine Open Library Schritt für Schritt umzusetzen. So hat einerseits das Personal Zeit, Gewohnheiten und Prozesse zu ändern. Und die Kundschaft kann sich langsam an neue Abläufe und an mehr Autonomie gewöhnen.

Last but not least: Mit der Eröffnung einer Open Library erzielen Bibliotheken einen großen Imagegewinn und lösen eine Lawine an positivem Feedback aus.

Abb. 22: Kundenlob: „Es ist sooooo super“ (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 22:

Kundenlob: „Es ist sooooo super“ (Foto: Roman Weibel, Uster)

Abb. 23: Kundenlob: „Das ist der Ferrari unter den Bibliotheken“ (Foto: Roman Weibel, Uster)
Abb. 23:

Kundenlob: „Das ist der Ferrari unter den Bibliotheken“ (Foto: Roman Weibel, Uster)

Autoreninformation

Über den Autor / die Autorin

Roman Weibel

Roman Weibel

Online erschienen: 2023-08-05
Erschienen im Druck: 2023-08-03

© 2023 bei den Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 10.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/abitech-2023-0033/html
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