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Die Indo-Pazifik-Einsätze europäischer Marinen im Jahr 2024: Rückblick und Bewertung

  • Sarah Kirchberger

    Wissenschaftliche Direktorin

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Published/Copyright: November 21, 2025

Zusammenfassung

Seit 2024 hat die Aktivität europäischer Seestreitkräfte im Indo-Pazifik deutlich zugenommen. Selbst europäische Länder, die – anders als Frankreich und Großbritannien – traditionell nur wenig Präsenz in dieser Region gezeigt haben, entsandten 2024 Kriegsschiffe dorthin. Im Mai 2024 führte die niederländische Fregatte HNLMS Tromp einen Hafenbesuch im vietnamesischen Hai Phong durch und verließ das Südchinesische Meer durch die Taiwanstraße. Im folgenden Monat durchquerte auch die türkische Korvette TCG Kınalıada das Südchinesische Meer und passierte auf ihrem Weg nach Japan ebenfalls die Taiwanstraße von Süd nach Nord. Im September fuhren die deutsche Fregatte Baden-Württemberg und der Einsatzgruppenversorger Frankfurt am Main von Norden her durch die Taiwanstraße in das Südchinesische Meer ein, steuerten für einen Hafenbesuch Manila an und übten gemeinsam mit der indonesischen Marine. Währenddessen wurden auch der italienische Flugzeugträger ITS Cavour, begleitet von der Fregatte ITS Alpino, im Westpazifik und im Südchinesischen Meer eingesetzt. Vor dem Hintergrund des anhaltenden Ukraine-Krieges und der sich rapide verschlechternden Sicherheitslage im Nahen Osten stellten diese Einsätze eine bemerkenswerte Verwendung knapper Ressourcen dar und werfen die Frage auf, warum sich so viele europäische Marinen auf Operationen in dieser Weltregion konzentrieren. In diesem Beitrag werden die jeweiligen Ziele dieser Einsätze und ihr kollektives Potenzial zur Wahrung der „regelbasierten internationalen Ordnung“ analysiert. Darüber hinaus wird diskutiert, ob sie zur Erhaltung des Friedens beitragen können.

Abstract

Since 2024, the activity of European naval forces in the Indo-Pacific has increased significantly. Even European countries which – unlike France and the United Kingdom – have traditionally shown little presence in this region, dispatched warships there in 2024. In May 2024, the Dutch frigate HNLMS Tromp paid a port visit to Hai Phong in Vietnam and exited the South China Sea via the Taiwan Strait. The following month, the Turkish corvette TCG Kınalıada also transited the South China Sea, passing through the Taiwan Strait from south to north en route to Japan. In September, the German frigate Baden-Württemberg and the replenishment ship Frankfurt am Main entered the South China Sea from the north, visited Manila, and conducted exercises with the Indonesian Navy. Meanwhile, the Italian aircraft carrier ITS Cavour, accompanied by the frigate ITS Alpino, was deployed in the Western Pacific and the South China Sea. Against the backdrop of the ongoing war in Ukraine and the rapidly deteriorating security situation in the Middle East, these deployments represented a remarkable use of scarce resources and raise the question of why so many European navies were focusing on operations in this part of the world. This article analyses the objectives of these deployments and their collective potential for upholding the „rules-based international order“. It also discusses whether they can contribute to the maintenance of peace.

1 Einleitung

Im vergangenen Jahr war ein bemerkenswerter Anstieg europäischer Marineeinsätze im Südchinesischen Meer zu verzeichnen. Neben Frankreich und Großbritannien – den einzigen europäischen Marinen, die regelmäßig das Südchinesische Meer (SCS) durchqueren – begannen mehrere andere Länder, Einsätze im Indo-Pazifik durchzuführen, obwohl sie traditionell nur eine geringe Präsenz in dieser Region hatten. Im Mai 2024 verließ die niederländische Fregatte HNLMS Tromp nach einem Hafenbesuch in Vietnam das Südchinesische Meer durch die Taiwanstraße. Im folgenden Monat verließ die türkische Korvette TCG Kınalıada das Südchinesische Meer auf dem Weg nach Japan ebenfalls durch die Taiwanstraße. Im September 2024 folgte ein deutscher Verband, bestehend aus der Fregatte Baden-Württemberg und dem Einsatzgruppenversorger Frankfurt am Main, diesem Beispiel: Er fuhr von Norden her über die Taiwanstraße in das Südchinesische Meer ein, besuchte Manila und setzte anschließend seine Hafenbesuche in Indonesien und Singapur fort. Zeitgleich operierte die italienische Flugzeugträgerkampfgruppe (carrier strike group – CSG) Cavour im Pazifik und durchquerte anschließend das Südchinesische Meer, ohne jedoch die Taiwanstraße zu passieren.

All diese europäischen Einsätze fanden innerhalb nur weniger Monate statt. Zu einem Zeitpunkt, an dem der russische Krieg gegen die Ukraine bereits im dritten Jahr war, keine Anzeichen einer Entspannung erkennen ließ und sich weiterhin negativ auf die Schifffahrt im Schwarzen Meer auswirkte. Gleichzeitig hatte sich die Sicherheitslage im Nahen Osten und im Roten Meer massiv verschlechtert, was zu einer Blockade wichtiger Seewege führte und die Gefahr neuer Flüchtlingswellen im Mittelmeer verstärkte. In der Ostsee erreichte die hybride Kriegführung Russlands gegen die zivile Schifffahrt und maritime Infrastrukturen ein bislang beispielloses Ausmaß.[1] Angesichts dieser kombinierten maritimen Herausforderungen in unmittelbarer Nähe stellt sich die Frage, warum die notorisch unterausgestatteten[2] und unterfinanzierten[3] europäischen NATO-Marinen gerade 2024 beschlossen, erhebliche Ressourcen für Einsätze im Indo-Pazifik einzusetzen – und ob ein solches Engagement nachhaltig sein kann.

Dieser Artikel analysiert die Gründe für die jüngste Zunahme europäischer Einsätze, die sich auch 2025 weiter fortsetzte, und versucht, eine Einschätzung der möglichen Auswirkungen dieses neuen Trends auf die Erhaltung der „regelbasierten internationalen Ordnung“ vorzunehmen. Können Marinediplomatie, maritime Präsenzfahrten und europäische Freedom of Navigation Operations (FONOPs) tatsächlich relevante Faktoren für Frieden und Sicherheit im Westpazifik sein?

2 Die europäischen Seestreitkräfte im Kontext

Es gibt auf dem europäischen Kontinent insgesamt etwa 30 Seestreitkräfte, also Marinen bzw. – in Ländern ohne eigene Marine, wie Irland und Island – Küstenwachen (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Unterschiedliche Bedrohungswahrnehmungen und maritime Sicherheitsschwerpunkte europäischer Seestreitkräfte (Marinen bzw. Küstenwachen)
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 1:

Unterschiedliche Bedrohungswahrnehmungen und maritime Sicherheitsschwerpunkte europäischer Seestreitkräfte (Marinen bzw. Küstenwachen)

Quelle: eigene Darstellung

Diese Seestreitkräfte haben aufgrund ihrer jeweiligen geografischen Lage voneinander abweichende Bedrohungswahrnehmungen und sind vorwiegend mit Einsätzen in sehr unterschiedlichen Seegebieten betraut: einige vorwiegend in der Ostsee, andere in der Nordsee, im Atlantik, im Mittelmeer oder im Schwarzen Meer. Außerdem sind sie beteiligt an der Sicherung von fünf wichtigen maritimen Engpässen (maritime chokepoints): den dänischen Meerengen, dem Ärmelkanal, der Straße von Gibraltar, dem Bosporus und dem Suez-Kanal. Sie leisten wichtige Beiträge zu verschiedenen NATO- und/oder EU-Missionen, von der Überwachung des russischen U-Boot-Verkehrs durch die „Grönland-Island-Großbritannien-Lücke“ (GIUK-Gap) im hohen Norden bis hin zu Polizeieinsätzen gegen illegale Migration und Menschenhandel im Mittelmeer.

Nur eine Handvoll europäischer Seestreitkräfte sind „Hochseemarinen“ (blue-water navies) und zumindest theoretisch bzw. von ihrer Ausstattung her in der Lage, längere Einsätze in weit entfernten Einsatzgebieten durchzuführen.[4] Von diesen haben in jüngerer Zeit Frankreich, das Vereinigte Königreich, die Türkei, Italien, Deutschland und die Niederlande Fahrten durch das Südchinesische Meer unternommen. Darüber hinaus war Dänemark in letzter Zeit im Indischen Ozean aktiv, jedoch noch nicht im Südchinesischen Meer. Griechenland und Norwegen wiederum haben 2024 ihre Absicht bekundet, bald Marineeinsätze im Indo-Pazifik durchzuführen. Dänemark rechnet zumindest damit, künftig um Beiträge zu Einsätzen zur Sicherung der Freiheit der Schifffahrt (FONOPs) und damit auch zur Absicherung von Seewegen im Indo-Pazifik gebeten zu werden.[5] Spanien hat sich 2024 zwar mit Flugzeugen an der deutschen Luftwaffenmission Pacific Skies 2024 beteiligt, jedoch noch keine Marineeinheiten in den Pazifik entsandt.[6] Alle oben genannten Länder sind NATO-Mitglieder, und alle außer dem Vereinigten Königreich und der Türkei auch EU-Mitglieder.

3 Triebkräfte für europäische Indo-Pazifik-Einsätze

Mehrere Faktoren könnten zu dem jüngsten Anstieg der Einsätze im Indo-Pazifik beigetragen haben. Die EU, obschon traditionell eher mit ihren inneren Angelegenheiten beschäftigt als mit Marineeinsätzen in Übersee,[7] begann schon vor einigen Jahren damit, ihre Mitgliedstaaten zu einem stärkeren Engagement im Indo-Pazifik aufzufordern. Im September 2021 veröffentlichte sie ihre „EU-Strategie für die Zusammenarbeit im indo-pazifischen Raum“, unmittelbar nachdem Deutschland, die Niederlande und Frankreich ihre Indo-Pazifik-Leitlinien veröffentlicht hatten.[8]

Ein weiterer Faktor, der das Bewusstsein für diese Notwendigkeit geschärft hat, war die sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechternde Sicherheitslage Taiwans infolge des wachsenden militärischen Drucks durch China. Im April 2023 forderte Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, die europäischen Nationen direkt dazu auf, Kriegsschiffe durch die Taiwanstraße fahren zu lassen, um zur Aufrechterhaltung des friedlichen Status quo beizutragen. Borrell schrieb: „Europa muss sich in dieser Frage [Taiwan] sehr engagieren, da sie uns in wirtschaftlicher, kommerzieller und technologischer Hinsicht betrifft. Deshalb fordere ich die europäischen Marinen auf, in der Taiwanstraße zu patrouillieren, um das Engagement Europas für die Freiheit der Seefahrt in diesem absolut entscheidenden Gebiet zu demonstrieren.“[9]

Die Sorgen um die Sicherheitslage Taiwans haben sich seither nur vertieft. In aktuellen Studien und Simulationen werden die möglichen Folgen einer Taiwan-Krise für Europa offen diskutiert. Das Ergebnis: Eine solche Krise hätte nicht nur besorgniserregende Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wohlergehen Europas, sondern auf den Weltfrieden insgesamt.[10] Besonders rund um die Präsidentenwahlen in Taiwan Anfang 2024 und in den USA Ende des Jahres herrschte erhöhte Besorgnis über mögliche opportunistische Maßnahmen Chinas rund um diese konfliktträchtigen Termine.

Auch zeigt sich Chinas zunehmende maritime Präsenz in Europa, und dies nicht nur durch Hafeninvestitionen. Seit mindestens 2015 sind chinesische Kriegsschiffe regelmäßig in der Nähe europäischer Küsten präsent, etwa im Mittelmeer, im Ärmelkanal und in der Ostsee. Nicht selten sind sie auf dem Weg nach Russland, um gemeinsam mit den russischen Seestreitkräften zu üben.[11] Bereits 2012 hatte China eine Serie jährlicher, bilateraler Marineübungen mit Russland unter dem Namen Joint Sea begonnen – also nur wenige Jahre nach dem russischen Angriff auf Georgien im Jahr 2008, bei dem die gesamte georgische Marine versenkt wurde und Russland damit ein deutliches Signal aggressiver Machtpolitik gegenüber seinen Nachbarstaaten setzte. China führte diese bilateralen Übungen auch nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2014 und der Annexion der Krim fort. Trotz der bereits damals unbestreitbar bedrohlichen Rolle Russlands für die Sicherheit Europas wurde kein chinesisches Kriegsschiff beim Transit durch europäische Meerengen auf dem Weg nach Russland irgendwie belästigt oder behindert. Während westliche Marinen die Manöver professionell beobachteten, fanden sie in der breiteren Öffentlichkeit kaum Beachtung. Keine der chinesisch-russischen Marineübungen mit Russland, weder in der Ostsee noch im Mittelmeer, wurde in irgendeiner Weise von europäischen Ländern kritisiert oder angeprangert.

Dies änderte sich erst mit dem BalticConnector-Zwischenfall im Oktober 2023: In der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober durchtrennte das unter Hongkonger Flagge fahrende, eisbrechende Containerschiff NewNew Polar Bear im Tandem mit dem russisch geflaggten, atomgetriebenen Eisbrecher Sevmorput fahrend mehrere Datenkabel und zerstörte auch die BalticConnector-Gaspipeline in der Ostsee. Die Schäden entstanden, als die NewNew Polar Bear ihren Anker mit beträchtlicher Geschwindigkeit mehr als 100 km weit über den Meeresboden schleifte. Anschließend entkam das Schiff und entzog sich einer Untersuchung. Finnische und estnische Ermittler wiesen die Hypothese eines „Unfalls“ als unglaubwürdig zurück.[12] Wenn dieser Vorfall jedoch Absicht war, würde dies bedeuten, dass zum ersten Mal europäische kritische Infrastrukturen durch die Handlungen eines unter chinesischer Flagge fahrenden zivilen Schiffes sabotiert wurde – möglicherweise auf Veranlassung Russlands. Dies würde China neben Russland zu einem zweiten Bedrohungsakteur im andauernden hybriden Krieg machen. Selbst unter der Annahme, dass die Besatzung ohne Kenntnis chinesischer Behörden vorgegangen sein könnte – Chinas mangelnde Bereitschaft, nach dem Vorfall mit den europäischen Ermittlungen zu kooperieren, lässt nichts Gutes für eine künftige konstruktive Rolle Chinas in europäischen Gewässern erahnen. Zwar räumte China im Folgejahr ein, dass der Anker der NewNew Polar Bear den Schaden verursacht hat, beharrte jedoch auf einem unbeabsichtigten Vorfall.[13] Dieses Verhalten verstärkte den Eindruck, dass Chinas aus Asien bekannte Anwendung verschiedener „Grauzonen-Aktivitäten“ (grey-zone activities) im maritimen Bereich nun auch in Europa sichtbar wird – und untergrub das Vertrauen der europäischen Staaten in die Absichten der chinesischen Regierung noch weiter. Wenig hilfreich war, dass nach der NewNew Polar Bear noch weitere Schiffe mit chinesischen Eignern oder Betreibern in ähnliche Fälle der Beschädigung von Unterseekabeln durch Anker in der Ostsee verwickelt waren. Dazu zählen die Yi Peng 3 am 17. November 2024 und die Vezhen am 26. Januar 2025; auch hier erfolgte keine vollumfängliche Kooperation mit den europäischen Polizeibehörden. Im Mai 2025 wurde dann jedoch relativ überraschend bekannt, dass in Hongkong ein Gerichtsverfahren gegen den Kapitän der NewNew Polar Bear, einen 43-jährigen chinesischen Staatsbürger namens Wan Wenguo, eröffnet wurde. Gegenstand der Anklage sind „Sachbeschädigung“ (criminal damage) an der BalticConnector-Pipeline sowie weitere Verstöße gegen maritime Vorschriften. Das Strafverfahren war zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels noch nicht abgeschlossen.[14]

Unabhängig vom Ausgang des Gerichtsverfahrens ist die Kehrtwende Chinas in der Behandlung dieses Falles bemerkenswert. Die Überstellung eines chinesischen Staatsbürgers an das Hongkonger Gericht und seine Anklage wegen einer Straftat impliziert nämlich, dass die chinesischen Behörden nicht mehr auf der zuvor geäußerten Hypothese eines Unfalls bestehen. China war also entweder nicht auf staatlicher Ebene in Kabelbrüche involviert oder versucht jetzt zumindest, den entstandenen diplomatischen Schaden in Europa zu reparieren – möglicherweise vor dem Hintergrund transatlantischer Spannungen seit Donald Trumps Amtsantritt im Januar 2025.

Tabelle 1:

Marineeinsätze „ortsfremder“ europäischer Länder im Südchinesischen Meer 2024. (VNM – Vietnam, PHP – Philippinen, IDN – Indonesien)

Quelle: Zusammengestellt aus verschiedenen Presseberichten und Websites der Streitkräfte der jeweiligen Länder

Land

Dauer

Teilnehmende Einheiten

Hafenbesuch in China

Hafenbesuch Vietnam oder Philippinen

Transit durch Taiwanstraße

Übung mit SCS- Anrainern

Niederlande

09.03.2024–13.09.2024

(6 Monate)

1x AAW-Fregatte (FFG)

Nein

Ja (VNM)

Ja

Nein

Türkei

09.04.2024–21.08.2024

(4,5 Monate)

1x ASW-Korvette (FFL)

Ja (Hongkong)

Ja (PHP)

Ja

?

Deutschland

05.2024–10.2024

(7 Monate)

Flottille aus 2 Schiffen

(1x FFG, 1x AOR)

Nein

Ja (PHP)

Ja

Ja (IDN)

Italien

01.06.2024–30.10.2024

(5 Monate)

Flugzeugträger-Kampfgruppe

(1x CV, 1x FFG)

Nein

Nein

Nein

Nein

All die oben genannten Faktoren zusammen haben vermutlich dazu beigetragen, dass selbst kleinere europäische Nationen 2024 die schwierige Entscheidung getroffen haben, Kriegsschiffe auf lange Einsätze nach Ost- und Südostasien zu entsenden. Das Kalkül: einen Beitrag zu den Bemühungen gleichgesinnter Länder zu leisten, die den friedlichen Status quo im westlichen Pazifik aufrechterhalten und die „regelbasierte internationale Ordnung“ bewahren wollen.

4 Merkmale europäischer Marineeinsätze im Indo-Pazifik 2024

Ein Vergleich der Indo-Pazifik-Einsätze verschiedener europäischer Marinen, die ansonsten nicht regelmäßig im Südchinesischen Meer vertreten sind – also die Niederlande, Türkei, Deutschland und Italien – macht einige interessante Unterschiede und Gemeinsamkeiten deutlich (siehe Tabelle 1).

Im Folgenden werden die einzelnen Einsätze kurz beschrieben und diskutiert.

4.1 Niederlande: Der Indo-Pazifik-Einsatz der Fregatte HNLMS Tromp 2024

Der sechsmonatige Einsatz der Fregatte HNLMS Tromp, eines der leistungsfähigsten auf Luftverteidigung- (anti-air warfare – AAW) spezialisierten Schiffe der niederländischen Marine, im Indo-Pazifik begann Mitte März 2024 im Rahmen einer Weltumseglung und wurde als einziger der betrachteten Einsätze von einer weiblichen Kommandantin geführt, Fregattenkapitän Yvonne van Beusekom. Die Niederlande planen, nunmehr alle zwei Jahre einen Einsatz im Indo-Pazifik durchzuführen.[15]

Die HNLMS Tromp durchquerte zunächst das Rote Meer, wo sie einen Monat lang operierte. Während dieser Zeit war sie mit Drohnenangriffen aus der Luft sowie Angriffen mit Sprengbooten, ballistischen Anti-Schiffs-Raketen und Marschflugkörpern der Houthis konfrontiert, bevor sie in das Südchinesische Meer einfuhr. Dort legte sie in Singapur, Jakarta und Hai Phong an, führte Übungen mit der US-Marine durch und durchquerte anschließend die Taiwanstraße in Richtung Ostchinesisches Meer (ESC). Am 7. Juni meldete die HNLMS Tromp Belästigungen durch chinesische Militärflugzeuge.[16] Anschließend setzte sie ihre Fahrt Richtung Osten fort, nahm an der multinationalen Übung Rim of the Pacific (RIMPAC) teil und kehrte schließlich durch den Panamakanal nach Hause zurück.

Obwohl die Niederlande als Ergebnis von Kürzungen seit dem Ende des Kalten Krieges nur noch über eine kleine Marine mit sechs Fregatten verfügen, setzten sie eines ihrer vier leistungsfähigsten Kriegsschiffe für die Mission Pacific Archer ein. Ihr Einsatz im Roten Meer und die Wahl der spezifischen Route im Südchinesischen Meer und im Ostchinesischen Meer deuten darauf hin, dass Marine-Diplomatie hier nicht im Vordergrund stand. Vielmehr kann dieser Einsatz als Präsenzfahrt und als Einsatz für die Freiheit der Schifffahrt charakterisiert werden. Durch anspruchsvolle Übungen mit NATO-Verbündeten und Partnern sowie die direkte Konfrontation mit Gefahren im Roten Meer und mit hybrider Seekriegführung im Pazifik bot diese Fahrt der niederländischen Marine viele wertvolle Erfahrungen. Diese dürften zukünftig in Training, Technologieentwicklung und Einsatzplanung einfließen und die niederländischen Marinefähigkeiten insgesamt stärken.

Weiterhin haben die Niederlande in der Region Südchinesisches Meer durchaus Exportinteressen im Bereich Marinetechnologie, da die Firma Damen Shipyards bereits Fregatten nach Indonesien exportiert und z. B. Vietnam Fregatten angeboten hat. Dennoch scheint die Förderung von Marineexporten nicht der Hauptzweck dieses speziellen Einsatzes gewesen zu sein, könnte jedoch als Nebenaspekt eine Rolle gespielt haben.

4.2 Türkei: Der Indo-Pazifik-Einsatz der Korvette TCG Kınalıada

Der Einsatz der türkischen U-Jagd-Korvette TCG Kınalıada war aus völlig anderen Gründen bemerkenswert. Die Türkei ist nämlich eines der wenigen europäischen Länder, deren Seestreitkräfte nach 1990 nicht wesentlich reduziert wurden. Während ihres etwa viereinhalbmonatigen Einsatzes lief die Korvette mehr als 20 Häfen in ebenso vielen Ländern an. Ihr Besuch in Japan anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und Japan war das erklärte Hauptziel des Einsatzes, der damit in erster Linie als diplomatische Mission der Marine gedacht war. Nach dem Besuch in Japan fuhr die TCG Kınalıada weiter Richtung Philippinen, um dort wiederum den 75. Jahrestag der türkisch-philippinischen Beziehungen zu feiern. Die Korvette durchquerte jedoch Anfang Juni auf dem Weg nach Südkorea auch die Taiwanstraße – ohne öffentliche Ankündigung vorher oder nachher. Interessanterweise tat sie dies kurz nach einem Hafenbesuch in Hongkong Ende Mai, kombinierte also ein freundliches Zeichen Richtung China mit einer robusteren Geste. Im Südchinesischen Meer lief die Korvette Häfen in Malaysia, Indonesien, Thailand und Singapur an, jedoch nicht in Vietnam. Auf der Rückreise führten dann politische Meinungsverschiedenheiten der Türkei mit Indien dazu, dass die Türkei einen geplanten Hafenbesuch in Mumbai absagte.[17]

Diese türkische Mission war ein ungewöhnliches Beispiel für eine „inklusive“ Marine-Diplomatie, da sie sowohl einen Hafenbesuch in der VR China als auch kurz danach eine Durchfahrt durch die Taiwanstraße umfasste. Als großes NATO-Mitglied, das eine für das Atlantische Bündnis wichtige Rolle zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer spielt, gerät die Türkei häufig in Konflikt mit anderen Verbündeten, insbesondere mit dem Nachbarland Griechenland und mit den USA. Aufgrund ihrer Beziehungen zu Russland hat die Türkei im Ukraine-Krieg eine vermittelnde Rolle übernommen und in der Vergangenheit auch mehrfach versucht, Kritik an Chinas Xinjiang-Politik mit einer Annäherung an China im Bereich Handel auszubalancieren.[18] Umso bemerkenswerter ist die Entscheidung, das Südchinesische Meer kurz nach einem Hafenaufenthalt in Hongkong mit einem Transit durch die Taiwanstraße zu verlassen – auch wenn diese „FONOP“ in zurückhaltender Weise durchgeführt und nicht öffentlich kommuniziert wurde.

Ein weiteres ausdrückliches Ziel der Türkei war es, auf dieser Reise die Fortschritte ihrer Marinetechnologie zu präsentieren. Die Wahl einer Korvette, also eines vergleichsweise kleinen Kriegsschiffs mit nur etwa 2.400 t Verdrängung, ist für einen so langen Einsatz ungewöhnlich. Vor allem, da die türkische Marine über eine beträchtliche Anzahl größerer Fregatten verfügt, die von ihren Eigenschaften her besser dafür geeignet wären. Die TCG Kınalıada gehört jedoch zur ersten Klasse eigenständig konstruierter und gefertigter Kriegsschiffe der Türkei, die auch bereits in mehrere Indo-Pazifik-Länder, nach Pakistan und Malaysia, exportiert wurden. Die Demonstration der Leistungsfähigkeit der TCG Kınalıada auf dieser Reise könnte diesem Schiffstyp demnach weitere Exportchancen eröffnen.

4.3 Deutschland: Der Indo-Pazifik-Einsatz Pacific Waves 24

Nach Angaben der Bundeswehr war das Indo-Pacific Deployment 2024 (IPD24) das „wichtigste Projekt der Verteidigungsdiplomatie und verstärkten Sicherheitszusammenarbeit der Deutschen Marine in diesem Jahr.“[19] Während beim vorherigen Indo-Pazifik-Einsatz 2021/2022 eine Fregatte eingesetzt worden war, stach diesmal ein kleiner Verband in See: die Fregatte Baden-Württemberg und das Versorgungsschiff Frankfurt am Main, unter dem Kommando eines Flottillenadmirals als Verbandsführer. Ähnlich wie die niederländische Route war auch dieser Indo-Pazifik-Einsatz Teil einer Weltumsegelung, nur in umgekehrter Richtung. Parallel dazu führte die deutsche Luftwaffe den Einsatz Pacific Skies im Indo-Pazifik durch und nahm, wie auch Italien, an der australischen Luftwaffenübung Pitch Black teil. Die deutschen Schiffe wiederum beteiligten sich, ebenso wie die Marinen der Niederlande und Italiens, an der pazifischen Großübung RIMPAC. Im Vergleich zum vorherigen deutschen Indo-Pazifik-Einsatz zwei Jahre zuvor war dieser Einsatz also deutlich ehrgeiziger angelegt.

Ähnlich wie in den Niederlanden waren auch die deutschen Seestreitkräfte nach dem Ende des kalten Krieges erheblich reduziert worden.[20] Und angesichts zahlreicher Verpflichtungen Deutschlands im Rahmen von NATO- und EU-Missionen in und um Europa lässt sich derzeit kaum ein Kriegsschiff entbehren – zumal Russland seine hybride Kriegführung im maritimen Raum intensiviert hat. Ein Hauptziel des Einsatzes im Indo-Pazifik 2024 war daher die Kadettenausbildung, da dies langfristig auch zu einer Stärkung der deutschen Fähigkeiten beiträgt. Damit verbunden war die ausdrückliche Hoffnung, dass die Attraktivität eines solchen Einsatzes in Übersee auch als Anreiz für die künftige Rekrutierung dienen könnte. Es wird im Rückblick interessant sein zu sehen, ob sich dies tatsächlich so auswirken wird. Ein weiteres Ziel der Deutschen Marine war es, Erfahrungen mit dem Mehrbesatzungskonzept der Fregatte Baden-Württemberg zu sammeln, bei dem während des langen Einsatzes verschiedene Besatzungen nacheinander auf dem Schiff dienen. Ein solcher Besatzungswechsel wurde während des IPD24 zweimal durchgeführt: Der erste erfolgte nach der Überquerung des Atlantiks, der zweite im Südchinesischen Meer. Hierzu ist anzumerken, dass sich die Marine im Ergebnis – auch aufgrund gestiegener Bedrohungslagen, Nachrüstungen von Systemen und des Bedarfs an zusätzlichem Personal – zur Abschaffung dieses Konzeptes entschieden hat. Auch negative Erkenntnisse sind also durchaus wertvoll.[21]

Im Gegensatz zum vorherigen Indo-Pazifik-Einsatz der Fregatte Bayern 2021/2022 fuhr der deutsche Verband diesmal durch die Taiwanstraße – mit eingeschaltetem AIS-Signal – und machte die Passage damit öffentlich. In der politischen Kommunikation blieb bis zuletzt offen, ob dieser Schritt erfolgen würde. Beim vorangegangenen Einsatz der Bayern hatte die Bundesregierung hingegen frühzeitig erklärt, dass keine Durchfahrt durch die Taiwanstraße geplant sei und dass die Fregatte auch keine FONOPs im Südchinesischen Meer durchführen werde. Deutschland hatte damals sogar einen Hafenaufenthalt in China angefragt, was jedoch von China abgelehnt wurde.[22] Die deutsche Politik zu jener Zeit, einerseits verbal Unterstützung für die Freiheit der Schifffahrt zu bekunden, andererseits aber chinesischen Befindlichkeiten entgegenzukommen, wurde von den Verbündeten als unklares Signal kritisiert und als Ergebnis der starken deutschen Exportabhängigkeit vom chinesischen Markt gesehen.[23] Der Indo-Pazifik-Einsatz 2024 wich somit deutlich von der vorherigen deutschen Praxis ab, da er China nicht vorauseilend entgegenkam und den deutschen „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ endlich entsprechende Taten folgen ließ. Während der Durchfahrt durch das Südchinesische Meer legten die deutschen Kriegsschiffe zudem in Häfen der Philippinen, Singapurs, Malaysias und Indonesiens an und führten Übungen mit der indonesischen Marine durch.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieser Einsatz primär als Ausbildungsmission für Kadetten ausgewiesen und konzipiert war. Ziel war jedoch auch, deutsche Präsenz zu zeigen und in der Region Marinediplomatie zu betreiben. Im Rahmen des Einsatzes erfolgten eine FONOP in der Taiwanstraße – die erste Durchfahrt eines deutschen Kriegsschiffs seit 2002 – sowie mehrere komplexe Übungen mit NATO-Verbündeten und NATO-Partnern im Pazifik und im Südchinesischen Meer. Darüber hinaus war der Einsatz Teil einer größeren Operation zusammen mit der Deutschen Luftwaffe.

4.4 Italien: Der Indo-Pazifik-Einsatz des Flugzeugträgerverbands Cavour 2024

Der italienische Indo-Pazifik-Einsatz 2024 wies im Vergleich zu den zuvor beschriebenen Einsätzen der Niederlande, der Türkei und Deutschlands mehrere wesentliche Unterschiede auf. Zwar verfügt die italienische Marine über eine vergleichsweise große, leistungsfähige und hochseefähige Flotte und ist eine der wenigen europäischen Marinen mit einer Flugzeugträger-Fähigkeit. Gleichwohl ist ihre Haltung eher regional ausgerichtet und sie konzentriert sich in erster Linie auf NATO-Missionen und auf den Mittelmeerraum, wo sie sich insbesondere der Bekämpfung der illegalen Migration widmet.[24]

Im Unterschied zu dem niederländischen, türkischen und deutschen Einsatz entschied sich Italien dazu, mit der Trägerkampfgruppe Cavour eine offensive Machtprojektionsplattform samt Begleitschiffen zu entsenden. Begleitet wurde die ITS Cavour von der AAW/ASW-Fregatte ITS Alpino und verschiedenen anderen Schiffen. Die Teilnahme der mitgeführten Flugzeuge (F-35B) an der australischen Luftwaffenübung Pitch Black war eines der Hauptziele des Einsatzes. Zudem nahm die Trägerkampfgruppe auch an der großen multinationalen Marineübung RIMPAC teil. Die CSG Cavour kehrte schließlich durch den Indischen Ozean und das Rote Meer, wo sie den Einsatz Aspides unterstützt hatte, sowie den Suez-Kanal am 30. Oktober 2024 nach Italien zurück.[25]

Der Unterschied zwischen dem italienischen und dem türkischen Indo-Pazifik-Einsatz könnte im Hinblick auf die eingesetzten Mittel (Trägerkampfgruppe vs. Korvette) kaum größer sein. Die Wahl eines offensiven Machtprojektions-Waffensystems verlieh der italienischen Mission eine völlig andere maritime Symbolik. Statt in Küstennähe Marinediplomatie durch zahlreiche kurze Hafenbesuche zu betreiben, wie es die Korvette TCG Kınalıada getan hatte, konzentrierte sich Italien auf Hochseeoperationen, Flugtraining, Übungen mit einzelnen Schlüsselverbündeten – insbesondere den USA – sowie auf das Training von Integration und Interoperabilität mit NATO-Verbündeten und NATO-Partnern.

Italien stand einer stärkeren Zusammenarbeit mit China lange Zeit positiv gegenüber. So war das Land 2019 sogar als einziges G7-Mitglied der Seidenstraßeninitiative (Belt and Road Initiative – BRI) beigetreten. Im Dezember 2023 kündigte die neue Regierung von Giorgia Meloni jedoch ihren Rückzug daraus an, nachdem sich die Erwartungen eines stärkeren Handels und höherer chinesischer Investitionen in Italien nicht erfüllt hatten.[26] Dennoch vermied der italienische Indo-Pazifik-Einsatz als einziger europäischer Einsatz im Jahr 2024 die Fahrt durch die Taiwanstraße und beinhaltete auch sonst keine FONOP. Die Hauptmotivation für den italienischen Einsatz scheint vielmehr dreierlei gewesen zu sein: (1) Training, insbesondere für das Trägergeschwader; (2) die Herstellung einer engeren Integration und Interoperabilität mit den NATO-Verbündeten und NATO-Partnern, allen voran den USA; sowie (3) die Gelegenheit, potenziellen Exportkunden in der Region italienische Militärtechnologien vorzustellen.

Ein explizites Ziel war es, durch gemeinsame Übungen mit der US-Marine die initiale Einsatzbereitschaft (initial operational capability – IOC) der italienischen F-35B Kampfflugzeuge des italienischen Trägergeschwaders zu erreichen. Ein weiteres Ziel war die Durchführung von Übungen mit NATO-Verbündeten und NATO-Partnern im Rahmen von RIMPAC, Pitch Black und anderen multinationalen Übungen.[27] Konteradmiral Giancarlo Ciappina, der Kommandeur der Trägerkampfgruppe Cavour, sagte in einem Interview, dass diese im Verlauf des Einsatzes verschiedene Schiffe verbündeter Staaten integriert habe – so etwa die spanische Fregatte ESPS Numancia und die französische Fregatte FS Aconit im Mittelmeer, die französische Fregatte FS Forbin im Roten Meer sowie den US-Zerstörer USS Russell im Südchinesischen Meer. Eine Zeit lang wurde sie im Westpazifik auch von der ITS Raimondo Montecuccoli, einem italienischen Offshore Patrol Vessel, begleitet. Laut Konteradmiral Ciappina „ist der wichtigste Aspekt hierbei […], dass es sich um eine multinationale Initiative handelt und dass diese Schiffe unter meinem Kommando vollständig in die Trägerkampfgruppe integriert wurden […]. Unser Ziel hierbei ist es, neue Partnerschaften aufzubauen, mit unseren Partnern und Verbündeten interoperabel zu sein und auf Austauschbarkeit hinzuarbeiten.“[28] Übungen mit Anrainern des Südchinesischen Meeres waren hingegen nicht eingeplant. Auch scheint Italien über diesen Einsatz hinaus keine regelmäßige zukünftige Präsenz der CSG Cavour im Indo-Pazifik zu planen.

Italien ist ein bedeutender Exporteur von Marineschiffen, Flugzeugen, gepanzerten Fahrzeugen sowie anderen Waffen- und Sensorsystemen und ist sogar Systemlieferant für die US-Streitkräfte. Militärtechnische und industriepolitische Faktoren, darunter ein Anfang 2024 geschlossener Exportvertrag mit Indonesien über Fregatten im Wert von ca. 1,2 Mrd. US-Dollar, bestimmen in gewissem Maße die Präsenz Italiens im Indo-Pazifik.[29] Dies zeigte sich auch schon bei Italiens vorherigem Indo-Pazifik-Einsatz im Jahr 2017, als die Fregatte ITS Carabiniere Singapur, Indonesien und Malaysia besuchte und dort an der Rüstungsmesse LIMA in Langkawi teilnahm. Dass der Schwerpunkt des damaligen Einsatzes auf der Förderung italienischer Rüstungsexporte lag, wurde auf der Website der italienischen Marine explizit dargelegt.[30] Ähnliche Ziele schienen auch bei dem jüngsten Einsatz im Raum zu stehen, wenn auch in zweiter Linie.

5 Bewertung: Sind die europäischen Indo-Pazifik-Einsätze wirksame Marinediplomatie oder lediglich „Kanonenbootpolitik“?

Vor dem Hintergrund machtvoller geopolitischer Umwälzungen – nicht zuletzt hervorgerufen durch die stark veränderte Außenpolitik der neuen US-Regierung unter Trump seit Ende Januar 2025 – ist es schwierig, die genauen regionalen Auswirkungen der europäischen Einsätze im Indo-Pazifik zu bewerten und zu beurteilen. Ebenso ist unklar, ob sie insgesamt zu einer abschreckenden Wirkung beitragen können. Ihre ursprünglich positive Außenwirkung wurde mutmaßlich stark beeinträchtigt, nachdem im Juli 2025 bekannt wurde, dass einer Gruppe von Funktionären des britischen Verteidigungsministeriums bei einem Besuch im Pentagon durch den US-Unterstaatssekretär für Verteidigungspolitik Elbridge Colby mitgeteilt wurde, dass der am 22. April 2025 begonnene Einsatz einer britischen Trägerkampfgruppe im Indo-Pazifik unerwünscht sei. Hierzu berichtete Politico unter Berufung auf zwei anonyme Augenzeugen des Geschehens: „Er fragte sie [die britischen Funktionäre] im Grunde: ‚Ist es zu spät, es rückgängig zu machen? Denn wir wollen euch dort nicht.‘“[31] Dem Bericht zufolge reagierten die Adressaten geschockt, denn Colby signalisierte ihnen unterm Strich: Großbritannien habe, ungeachtet eigener Interessen, im Indo-Pazifik nichts zu suchen. In krassem Gegensatz dazu waren in den Jahren zuvor europäische Verbündete der USA insbesondere auch von Vertretern der ersten Trump-Administration stets mit Nachdruck zu mehr Engagement im Indo-Pazifik aufgefordert worden.

Trotz dieser amerikanischen Kehrtwende wurde die britische Operation High Mast planmäßig gestartet. Dabei handelt es sich um einen achtmonatigen Indo-Pazifik-Einsatz der Flugzeugträgerkampfgruppe Prince of Wales unter Einbindung von Schiffen aus Norwegen (Fregatte HNoMS Roald Amundsen und Tanker HNoMS Maud) und Kanada (Fregatte HMCS Ville de Québec). Im Verlauf des Einsatzes sollen auch Schiffe aus Australien, Japan, Indien, Malaysia und Singapur sowie weiterer Nationen eingebunden werden.[32] Zuvor war bereits ein fünfmonatiger Indo-Pazifik-Einsatz der französischen Trägerkampfgruppe Charles de Gaulle unter der Bezeichnung Clemenceau 25 durchgeführt worden.[33]

Ein britischer Experte bekräftigte 2024, dass solche Einsätze „symbolisch und substanziell“ sind: „Sie zielen darauf ab, die regelbasierte Ordnung durch die Ausübung von Transitrechten zu stärken und gleichzeitig den Seehandel vor Störungen und die Verbündeten vor Zwangsmaßnahmen zu schützen.“[34]

Vor diesem Hintergrund ist interessant, dass drei der vier europäischen Marinen, die 2024 Einsätze im Indo-Pazifik durchgeführt haben, die Taiwanstraße durchquerten, um ihre Unterstützung für die Freiheit der Schifffahrt zu demonstrieren. Dass Italien sich für eine andere Route entschied, ist angesichts der weitaus größeren Offensivfähigkeit einer Flugzeugträgerkampfgruppe mehr als verständlich. Die symbolische Bedeutung einer Durchfahrt durch die Taiwanstraße mit einer solchen Machtprojektionsplattform wäre nämlich eine deutlich aggressivere gewesen als die Durchfahrt mit kleineren Schiffen. Auch die französische Trägerkampfgruppe wählte 2025 eine andere Route, und auch der britische Träger HMS Prince of Wales plant nicht, 2025 die Taiwanstraße zu durchfahren. Stattdessen führte eine kleinere britische Einheit, das Offshore Patrol Vessel HMS Spey, im Juni eine Durchfahrt durch die Taiwanstraße durch.[35]

Betrachtet man das Gesamtbild der Staaten von außerhalb der Westpazifik-Region, die 2024 mit Kriegsschiffen die Taiwanstraße passiert haben (siehe Abbildung 2), so ist ein bemerkenswertes Wachstum zu verzeichnen. Zu den fünf Nationen, von denen bisher bekannt war, dass sie solche Durchfahrten öfter praktizieren – die USA, Kanada, Australien, Großbritannien und Frankreich –, kamen in diesem Jahr drei weitere europäische „Neulinge“ hinzu: Deutschland, die Niederlande und die Türkei. Wie Neuseeland und die regionale Macht Japan haben alle drei diese Praxis entweder erstmals aufgenommen oder nach langer Pause reaktiviert. Dies signalisiert eine deutliche Veränderung im kollektiven Verhalten all dieser unterschiedlichen Nationen, ungeachtet der vielfältigen Unterschiede in ihren Marineeinsätzen im indo-pazifischen Raum.

Abbildung 2: Öffentliche Daten zu Passagen durch die Taiwanstraße durch Marinen von außerhalb der Region. (* Neu auf der Liste seit 2024)
Quelle: Darstellung basiert auf Joe Keary: Which countries challenge China’s claim to the Taiwan Strait?, The Strategist, 12.09.2024, https://www.aspistrategist.org.au/which-countries-challenge-chinas-claim-to-the-taiwan-strait/, unter Ergänzung durch Daten aus zusätzlichen Berichten
Abbildung 2:

Öffentliche Daten zu Passagen durch die Taiwanstraße durch Marinen von außerhalb der Region. (* Neu auf der Liste seit 2024)

Quelle: Darstellung basiert auf Joe Keary: Which countries challenge China’s claim to the Taiwan Strait?, The Strategist, 12.09.2024, https://www.aspistrategist.org.au/which-countries-challenge-chinas-claim-to-the-taiwan-strait/, unter Ergänzung durch Daten aus zusätzlichen Berichten

Es ist möglich, dass in Zukunft noch weitere europäische Nationen hinzukommen werden. So hat sich beispielsweise Norwegen, das zwar Mitglied der NATO, aber nicht der EU ist, 2025 mit zwei Schiffen dem Einsatz der britischen Trägerkampfgruppe Prince of Wales angeschlossen. In diesem Zusammenhang ist die am 7. Dezember 2023 verabschiedete „Gemeinsame Erklärung zur strategischen Partnerschaft zwischen der Regierung Japans und der Regierung des Königreichs Norwegen“ bemerkenswert. Neben harten Formulierungen zu China, Russland und Nordkorea in Bezug auf Sicherheit bekräftigt sie die Bedeutung eines „freien und offenen Indo-Pazifiks“, der „inklusiv, prosperierend und sicher ist, auf Rechtsstaatlichkeit basiert und gemeinsame Grundsätze wie Souveränität, territoriale Integrität, friedliche Beilegung von Streitigkeiten sowie Freiheit und grundlegende Menschenrechte schützt.“ Die Erklärung bekundet Unterstützung für die zentrale Rolle und Einheit der ASEAN sowie für den ASEAN Outlook on the Indo-Pacific (AOIP) und bietet zugleich den Aufbau einer „konstruktiven und stabilen Beziehung zu China“ an. Dabei wird sowohl die Wichtigkeit einer offenen Zusammenarbeit mit China betont als auch die Notwendigkeit, etwaige Bedenken direkt gegenüber der chinesischen Seite zu äußern. Die Partner bekräftigen weiterhin die „Bedeutung der Wahrung der Freiheit der Schifffahrt und des Überflugs gemäß dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS)“ und „lehnen jegliche einseitigen Versuche, den Status quo irgendwo auf der Welt mit Gewalt oder Zwang zu ändern, entschieden ab“. Sie bringen „ihre ernsthafte Besorgnis über die Lage im Ost- und Südchinesischen Meer“ zum Ausdruck und betonten, dass „alle maritimen Ansprüche auf den einschlägigen Bestimmungen von UNCLOS beruhen müssen.“[36]

Das NATO- und EU-Mitglied Dänemark rechnet ebenfalls mit künftigen Einsätzen im Indo-Pazifik, obwohl die begrenzten Ressourcen der dänischen Marine dies derzeit nicht zulassen. In dem dänischen Strategiepapier „Danish Security and Defence Towards 2035“ wird hierzu festgestellt, dass, falls die Erwartungen der Alliierten eine Beteiligung an Einsätzen im Südchinesischen Meer erfordern, „die Entsendung von Fregatten durch die dänischen Streitkräfte nicht kostenlos möglich sein wird […] – und angesichts einer relativ bescheidenen Flotte von fünf Fregatten wird ein solcher Einsatz erhebliche Auswirkungen auf die sonstigen Einsatzmöglichkeiten Dänemarks haben.“[37]

Griechenland ist als Mitglied von NATO und EU ein weiterer Staat, der in den kommenden Jahren eine stärkere Präsenz im Indo-Pazifik anvisiert.[38] Ein indischer Kommentator begrüßte diese Aussicht ausdrücklich, insbesondere deshalb, weil sie „das Engagement Athens für einen wirklich integrativen Indo-Pazifik widerspiegelt.“ Angesichts der Tatsache, dass Griechenland „positive Beziehungen zu China unterhält“ und die „positive Rolle“ Chinas beim Ausbau des Hafens von Piräus anerkennt, bedeute das Engagement Griechenlands für einen „freien und offenen Indo-Pazifik“ – zumindest laut diesem regionalen Beobachter –, dass dieses Konzept inklusiv und nicht exklusiv bzw. nur gegen China gerichtet sei.[39]

Während die NATO ihre Pläne zur Eröffnung eines Verbindungsbüros in Japan im Jahr 2023 aufgrund französischer Einwände zurückstellen musste, könnte die EU als Organisation zukünftig zu einem stärkeren Faktor bei europäischen Einsätzen im indo-pazifischen Raum werden. Die in Brüssel ansässige Japan-Expertin Eva Pejsova stellt fest, dass trotz der „begrenzten Fähigkeiten und des begrenzten Mehrwerts in rein operativer Hinsicht die ‚Präsenzpolitik‘ der EU im Indo-Pazifik mehrere Funktionen erfüllt“. Sie nennt hierbei vier Haupteffekte: „Erstens unterstreicht sie wachsende Besorgnis über die sich verschlechternde maritime Sicherheitslage und deren direkte Auswirkungen auf die Stabilität und den Wohlstand Europas. Zweitens sendet sie eine starke Botschaft an ‚gleichgesinnte‘ Partner der EU in der Region, insbesondere Japan, Südkorea und Indien, und bietet eine operative Grundlage für die Ausweitung politischer und sicherheitspolitischer Partnerschaften. Drittens trägt eine größere Vielfalt internationaler Akteure mit unterschiedlichen Vorgehensweisen dazu bei, die Reaktionen Pekings zu testen und dessen Grenzen besser zu verstehen. Schließlich demonstriert sie symbolisch die Entschlossenheit der EU, ihren Worten Taten folgen zu lassen und ihren Ruf als internationaler Sicherheitsakteur zu festigen.“[40]

Angesichts der sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen europäischer Marinen bei den vier oben analysierten Indo-Pazifik-Einsätzen des Jahres 2024 könnte man hinzufügen, dass lange und komplexe Einsätze außerhalb des üblichen Einsatzgebiets wertvolle Ausbildungsmöglichkeiten und Erfahrungswerte bieten. Zudem werden sie auch in der Hoffnung durchgeführt, dass die Attraktivität solcher Einsätze dazu beitragen könnte, die Rekrutierungsprobleme der Seestreitkräfte zu lindern, mit denen alle Marinen konfrontiert sind. Ein weiteres gemeinsames Ziel mehrerer dieser Einsätze war es zudem, potenziellen Exportkunden die Marinetechnologie des jeweiligen Landes zu präsentieren (dies war ausdrücklich Ziel der Türkei und Italiens und galt implizit auch für die Niederlande und Deutschland, beides führende Marineexportnationen mit Kunden im indo-pazifischen Raum). Hierzu merkt Giulio Pugliese kritisch an, dass solche kommerziellen Interessen europäischer Regierungen andere normative Ziele überschatten könnten, nämlich „die multilaterale und liberale Agenda der EU.“[41]

Ein weiterer Kritikpunkt an solchen Einsätzen betrifft – abgesehen von den pauschalen chinesischen Vorwürfen, Europa agiere „auf Betreiben der Vereinigten Staaten“, stifte „Unruhe“ und verbünde sich „gegen China“ – die Vorstellung, dass die sogenannte „Kanonenbootdiplomatie“ der Europäer „Spannungen schüren“ und China dazu veranlassen könnte, seine Marinepräsenz in Europa zu verstärken. Weitere Kritiker weisen darauf hin, dass die knappen Ressourcen der europäischen Marinen dringender in der unmittelbaren Nachbarschaft benötigt werden, um Russland, den Iran und ihre Stellvertreter abzuschrecken.

Dem ersten Einwand könnte man entgegenhalten, dass Marinediplomatie und Präsenzfahrten der Marine im Einklang mit UNCLOS kaum als „Kanonenbootdiplomatie“ zu bezeichnen sind. Vielmehr stellen sie ein bewährtes und gewaltfreies Instrument der Außenpolitik dar. Zudem ist China bereits seit mindestens einem Jahrzehnt selbst mit Kriegsschiffen in europäischen Gewässern präsent und führt dort gemeinsam mit Russland militärische Übungen durch – dem Land, das die größte Sicherheitsbedrohung für Europa darstellt und seit 2022 mit Unterstützung Nordkoreas und Irans einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Zudem haben die USA, wie oben erläutert, europäischen Indo-Pazifik-Einsätzen seit Anfang 2025 offenbar ihre Unterstützung entzogen, sodass von „Anstiftung“ zumindest in der Zukunft nicht mehr die Rede sein kann. Vielmehr müssten solche Einsätze dann aus eigenen nationalen Interessen heraus begründet und womöglich gar zum Missfallen des mächtigsten Verbündeten durchgeführt werden.

Das zweite Argument, dass Europa eigentlich nicht über genügend Marinekapazitäten für Indo-Pazifik-Einsätze verfügt, ist weitaus schwerer zu entkräften. Die meisten europäischen Seestreitkräfte haben seit dem Ende des Kalten Krieges „dermaßen gravierende Einschnitte in ihrer Größe und Finanzierung hinnehmen müssen, dass sie kaum noch in der Lage sind, die ihnen übertragenen militärischen, diplomatischen und polizeilichen Aufgaben zu erfüllen“, konstatierte Jeremy Stöhs 2018 in seiner Studie über den Niedergang der europäischen Marinen. Ihm zufolge „ist es fraglich, inwieweit die europäischen Staaten zum Schutz der globalen Sea Lines of Communication (SLOCs) und damit zur Freiheit der Schifffahrt außerhalb ihres unmittelbaren Einflussbereichs beitragen können […], was die anhaltende strategische Irrelevanz Brüssels im Indo-Pazifik zeigt“.[42] In einigen Ländern macht eine einzige Fregatte oder ein einzelner Zerstörer leicht einmal 20 Prozent des Bestands an allen großen Kriegsschiffen aus. Einer Faustregel zufolge kann jedoch stets nur etwa ein Drittel aller Kriegsschiffe einer Marine zu jedem beliebigen Zeitpunkt einsatzbereit sein und befindet sich nicht gerade in Wartung, Ausbildung oder auf einer Transitfahrt von oder zum Einsatzgebiet. In einem Land mit nur sechs Fregatten kann die monatelange Bindung einer Fregatte im Indo-Pazifik somit bedeuten, dass de facto nur noch eine weitere Fregatte für andere Zwecke einsetzbar ist.

Die politische und symbolische Bedeutung der europäischen Indo-Pazifik-Einsätze sollte daher vor dem Hintergrund der begrenzt verfügbaren Kapazitäten bewertet werden: Sie stellen ein beträchtliches Opfer knapper Ressourcen dar und zeigen dadurch die Wichtigkeit der Region für Europa. Es bleibt abzuwarten, ob die Vorteile und der Erfahrungsgewinn durch Übungen und Manöver mit Verbündeten sowie die Attraktivität dieser Einsätze für Besatzungen zumindest den menschlichen Faktor der europäischen Seestreitkräfte stärken und letztlich auch zu mehr Rekrutierung, mehr Beschaffungsvorhaben und einer besseren Ausrüstung der Schiffe führen werden.

6 Fazit: Indo-Pazifik-Engagement könnte zu mehr Handlungsfähigkeit auch in Europa führen

In der Vergangenheit ähnelten die Aktivitäten verschiedener europäischer Nationen im Indo-Pazifik einem schlecht dirigierten Orchester: Sie verursachten zwar einigen Lärm, aber zeigten wenig Wirkung. Das jüngst gestiegene Interesse weiterer EU- und NATO-Mitglieder an solchen Einsätzen könnte jedoch zu einem besser koordinierten Vorgehen führen. Zwar wird jeder einzelne Einsatz auch weiterhin die nationalen Interessen des jeweiligen Landes widerspiegeln, doch ihre gemeinsame Identität (EU- und/oder NATO-Mitgliedschaft) sowie das Bekenntnis zu weitgehend identischen Werten werden voraussichtlich zu einer Angleichung der Sichtweisen, zum Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren sowie zu einer insgesamt besseren, auch zeitlichen Koordinierung ihrer Einsätze führen. Sollten solche Einsätze verstetigt werden, könnten sie auch Einfluss auf zukünftige Beschaffungsentscheidungen nehmen. Im Idealfall könnte dies zu mehr hochseefähigen Schiffen, mehr Versorgungs- und Logistikschiffen sowie möglicherweise sogar zu einer stärkeren technologischen Integration der Verbündeten beitragen. Selbst wenn das Engagement einzelner europäischer Staaten im Indo-Pazifik für sich genommen nur wenig bedeutsame Effekte erzielen kann, hat die Summe aller dieser Einsätze dennoch das Potenzial, zu einer regionalen Abschreckungskulisse unter Führung der USA und weiterer regionaler Mächte beizutragen. Angesichts der derzeitigen instabilen geopolitischen Lage ist dieser Effekt nicht zu unterschätzen, auch wenn die Volatilität im Verhalten der USA diese Wirkung derzeit infrage stellt.

Es ist möglich, dass die Haupteffekte dieser Einsätze weniger nach außen als nach innen spürbar werden. Angesichts der hybriden und kinetischen Kriegsführung Russlands, der nuklearen Aufrüstung Nordkoreas und des Irans, der Eskalationsgefahr um Taiwan sowie der zunehmend robusten „Grauzonen-Aktivitäten“ Chinas im maritimen Raum wächst in Europa das Bewusstsein für die komplexe Bedrohungslage. Dieses bessere Verständnis, verbunden mit dem engeren Austausch gleichgesinnter Partner im Indo-Pazifik, könnte letztlich dazu beitragen, dass die seit langem darbenden europäischen Marinen wieder zu einem relevanteren Faktor der europäischen Sicherheit werden.

Über den Autor / die Autorin

Dr. Sarah Kirchberger

Wissenschaftliche Direktorin

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Online erschienen: 2025-11-21
Erschienen im Druck: 2025-11-27

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

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Downloaded on 28.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/sirius-2025-2022/html
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