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Microsoft Fabric als Smart-Factory-Plattform für KMU

  • Sebastian Richarz

    Dr. Ing. Sebastian Richarz ist Head of Technology and Systems, und Enrico Tischer arbeitet als Projektingenieur Digitalisierung & Industrie 4.0 bei der Schlote Holding GmbH, Brandenburg.

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    und Enrico Tischer
Veröffentlicht/Copyright: 20. August 2025
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Abstract

Microsofts neue Analyselösung Fabric wurde Anfang 2024 als Game Changer für KMU angekündigt. Der mittelständische Automobilzulieferer Schlote hat den Selbstversuch unternommen und die Eckpfeiler der Plattform – Echtzeitfähigkeit, Self-Service und Datenanalyse – mit seinen Produktionsdaten getestet. Resultat: Effizienzsteigerungen, einfache Visualisierung mit Power BI, erste Ansätze zur Nutzung von KI, aber auch Herausforderungen bei der OPC-UA-Anbindung

Abstract

Microsoft‘s new Fabric analytics solution was announced as a game changer for SMEs at the beginning of 2024. The mediumsized automotive supplier Schlote conducted its own trial and tested the cornerstones of the platform – real-time capability, self-service and data analysis – with its production data. The result: increased efficiency, simple visualization with Power BI, initial approaches to using AI, but also challenges with the OPC UA connection.

Einleitung

Die Schlote Gruppe ist Serienlieferant für die Automobilindustrie und fertigt hochpräzise Bauteile in ihren Werken im europäischen und nicht-europäischen Ausland. Die Effizienz der Produktion stellt das Unternehmen durch hochautomatisierte Fertigungslinien sowie modernste Anlagen zur mechanischen Bearbeitung, Reinigungstechnik und in-Prozess Messtechnik sicher. Zunehmende Komplexitäten, hoher Kostendruck und die Herausforderungen eines sich verändernden Marktes in Richtung E-Mobilität sind Treiber für die digitale Transformation in den Fabriken.

Als passende strategische Ausrichtung für ein produzierendes KMU wurde in den letzten Jahren erfolgreich nach den Best-of-Breed-Ansatz digitalisiert und die Smart Factory ausgebaut. Um in jeder produktionsrelevanten Domäne die beste Lösung am Markt zu finden und für die Serienwerke passend einzusetzen, implementierte Schlote in den Produktionsstandorten jeweils einheitliche Lösungen für die Digitalisierungsfelder Maschinendaten, Energiedaten, Werkzeugdaten und Qualitätsdaten sowie verschiedene Analyse- und Kennzahlensysteme.

Automation vormals monotoner Tätigkeiten

Eine deutliche Erhöhung der Sichtbarkeit und Transparenz und damit der Reaktionsfähigkeit auf technische und qualitative Abweichungen waren das Resultat. Größter direkter Nutzen ist die zunehmende Automation vormals monotoner Tätigkeiten wie der manuellen Erfassung von Werkzeugverbrauchs-, Störungs- oder Performancedaten. Trotz begrenzter Personalressourcen und fehlender Zeit, bzw. Priorisierung entstehen in den Fabriken zunehmend Prozesse und Abläufe, die ausschließlich auf datenbasierten Entscheidungen und dem Verstehen von komplexen Wechselwirkungen in unseren Produktionssystemen gründen.

Größte Potenziale zur Unterstützung dieser Entwicklungen hin zu immer effizienteren datenbasierten Use Cases in der Smart Factory liegen in den Bereichen Echtzeitfähigkeit und vollständiger horizontaler Vernetzung von produktionsrelevanten Daten.

Zentrale Datenplattform

Seit 2024 beobachte Schlote intensiv die Entwicklungen von Microsoft Fabric und schloss als Starthilfe für den Einstieg eine Kooperation mit der Ceteris AG, Spezialist für Business Intelligence und Analyse-Lösungen mit Microsoft-Technologien. Das zentrale Entwicklungsteam der Schlote Gruppe erhielt zudem eine direkte Förderung durch Microsoft für einen Teil des Projektes „Smart Factory Use Case auf Basis von MS Fabric“.

Motivation des Vorhabens war es zum einen, die bereits durch einzelne gute Softwarelösungen strukturiert, aber getrennt voneinander vorliegenden Shopfloor-Daten aus den Bereichen Werkzeugmanagement, Energie- und Maschinendatenerfassung in einem übergeordneten System/Plattform zusammenzuführen. Gewünscht war außerdem eine einfache und intuitive Visualisierung und Analyse der verschiedenen Daten durch ein zentrales BI-Tool.

Als Output des kurzen PoC-Projektes entstand der eInspect line-Bericht (Bild 1), in dem alle produktionsrelevanten Daten einer Fertigungslinie zusammengezogen werden. Er unterstützt die Mitarbeitenden auf dem Shopfloor bei Schichtübergaben im 24/7-Betrieb, täglichen Analysen der Fertigung und dient als Basis für übergeordnete Berichte an Vorgesetzte oder Kunden.

Bild 1 Der eInspect Line-Bericht liefert einen transparenten Überblick über den Zustand der Produktion und lässt kritische Abweichungen vom Sollzustand schnell erkennen (Quelle: Schlote Gruppe)
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Der eInspect Line-Bericht liefert einen transparenten Überblick über den Zustand der Produktion und lässt kritische Abweichungen vom Sollzustand schnell erkennen (Quelle: Schlote Gruppe)

Die bisher in einzelnen Anwendungen getrennt voneinander vorgehaltenen Informationen stehen durch die Überführung in MS Fabric auf Knopfdruck in einheitlicher standardisierter Form bereit. Die von vielen als ineffizient und frustrierend empfundene Suche und Aufbereitung fragmentierter Daten in verschiedenen Tools hat sich deutlich reduziert.

Echtzeitnahe Abfragen von Maschinendaten

Im Rahmen des PoC Projektes wurden dafür digitale Informationen aus den etablierten Systemen Maschinendatenerfassung MPDV, Energiemonitoring Janitza und Werkzeugmanagement Zoller TMS in MS Fabric eingebunden. Dabei werden Aktualisierungsraten von mindestens jeder Stunde für die Quellsysteme SQL-Server und Sharepoint Excellisten bis hin zu echtzeitnahen Quelldatenabfragen von Maschinendaten via OPC UA/REST-API realisiert. Die Vorverarbeitung der Datenströme erfolgt je nach Aktualisierungsrate dabei über Dataflow Gen2 bzw. Eventstreams bis hin zur Ablage der strukturierten Daten in MS Fabric Lakehouses und Eventhouses.

Besonderer Fokus lag im Bereich der automatisierten Einbindung von Informationen der Fachkräfte aus der Produktion. Wertvolles und durch Systeme nicht ersetzbares Know-how wie Planungsdaten, Sollvorgaben oder Hinweise hochspezialisierter Mitarbeitender über Schichtbücher stand in Exceldateien, fein verstreut über diverse Ordnerstrukturen je nach Fachabteilung. Zunächst konsolidierte das Projektteam diese „Excel-Schätze“ zentral in Sharepoint-Ordnern, um den vollen Funktionsumfang neuer M365 Features wie die Zusammenarbeit an Dokumenten zu nutzen.

Eine Herausforderung war dann die Anbindung von Excel-Dateien in Sharepoint in Richtung Fabrics Lakehouse. Bewältigt wurde sie durch die jeweilige Anbindung via Dataflow Gen2, bevor die Datenaufbereitung mit dem aus Power BI bekannten PowerQuery durchgeführt werden konnte. Im Ergebnis können die Beschäftigten Informationen in gewohnter Weise in vorstrukturierte Excel-Tabellen eintragen. Diese „landen“ dann automatisiert und systematisch im richtigen Lakehouse und letztlich als verwertbare Information auf der Berichtsebene in Power BI (Bild 2).

Bild 2 Vereinfachte Darstellung der im Proof-of-Concept Projekt realisierten Datenarchitektur in Microsoft Fabric (Quelle: Schlote Gruppe)
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Vereinfachte Darstellung der im Proof-of-Concept Projekt realisierten Datenarchitektur in Microsoft Fabric (Quelle: Schlote Gruppe)

Nach Aufsetzen einer gemeinsamen Datenbasis konnten erstmals domainübergreifende Kenngrößen gebildet und automatisiert bereitgestellt werden. Während Energieverbrauchsdaten und Maschinendaten bisher getrennt voneinander vorlagen und im Nachgang aufwändig miteinander in Bezug gebracht werden mussten, können nun aussagekräftige Kenngrößen wie Energieverbrauch pro gefertigtes Bauteil in kWh ausgewertet werden. Darüber hinaus bildete Schlote neuartige Kennwerte wie die statusbezogene Energieproduktivität einer Maschine als Verbrauchsanteil pro Maschinenstatus (in Produktion, in ablaufbedingter Unterbrechung, in technischer Störung). Hieraus ergaben sich erste Antworten auf Fragen wie: Wie viel Energie verbraucht die Maschine, während man auf Be- und Entladung von Bauteilen wartet oder während einer technischen Störung? Daraus resultierten praktische Ansätze zur Optimierung der Ressourceneffizienz der Produktionslinien, ohne den Austausch von Maschinen oder Komponenten.

Im Verlauf des Projektes zeigte sich, dass insbesondere die Echtzeitfähigkeit des Fabric Moduls „Real Time Analytics – RTI“ und dessen Eventstreams in KQL-Datenbanken lohnende Erweiterungen der Use Cases für die Produktionswerke darstellen.

Überwachung und Analyse der Prozessdaten

Zum aktuellen Zeitpunkt fehlte eine direkte Anbindungsmöglichkeit zum plattformunabhängigen, offenen Standard OPC-UA – eine allerdings essenzielle Verbindung zum Shopfloor eines produzierenden Unternehmens. Da die Nutzung von Azure Event Hubs nicht möglich war, wurde die Lücke zum Shopfloor (OPC-UA) mit einer skriptbasierten Lösung geschlossen, wobei eine Middleware die quellseitige Abfrage übernimmt und bis zu einem „Custom Endpoint“ in MS Fabric übersetzt. Je nach spezifischen Anforderungen realisierten sich stabile Erfassungsraten der Prozess- und Energiedaten mit Latenzzeiten zwischen 50 bis 100 ms, wobei der überwiegende Teil im Bereich der Quelle und des Netzwerkes lag.

In den auf Echtzeitdaten basierenden Visualisierungen in Power BI wurden für jede Anlage spezifische Prozessparameter ausgewählt. Visualisiert werden sie sowohl als aktuelle Live-Werte als auch im kurzfristigen Zeitverlauf innerhalb der zulässigen Grenzwerte. Die Darstellungen ermöglichen eine präzise Überwachung und Analyse der Prozessdaten, wodurch fundierte Entscheidungen in Echtzeit getroffen werden können.

Um fundierte Entscheidungen auf echtzeitnahen Daten treffen zu können, hat Schlote für die Visualisierungen mit Power BI anlagenspezifische Prozesswerte ausgewählt (Bild 3).

Bild 3 Aktuelle Live-Werte und kurzfristiger Zeitverlauf im zulässigen Grenzwertbereich, der durch die Anwendenden definiert werden kann (Quelle: Schlote Gruppe)
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Aktuelle Live-Werte und kurzfristiger Zeitverlauf im zulässigen Grenzwertbereich, der durch die Anwendenden definiert werden kann (Quelle: Schlote Gruppe)

Die resultierenden Echtzeit-Dashboards verbessern die Transparenz und liefern den Fachkräften in den Werken Anhaltspunkte für weiterführenden Analysen von Zuständen im Zeitverlauf und im direkten Vergleich unterschiedlicher Prozess- und Maschinendaten. Im Rahmen des PoC wurden alle 21 Bearbeitungszentren, Fein- und Hochdruckwaschanlagen sowie die zentralen KSS-Versorgungsanlagen eines Produktionswerkes eingebunden und damit alle relevanten echtzeitnahen Daten über MS Fabric zur Analyse und Visualisierung gebracht. Wichtige Erkenntnis: Ein hoher Anwendernutzen auf Basis von Echtzeitdaten lässt sich nicht allein durch die Visualisierung dieser hochfrequenten Informationen erzielen. Derzeit verlässt Schlote die gewohnte Welt des Self-Service und den Low-Code Ansatz, um erste Versuche im Feld der Analyse großer Datenmengen (Big Data) mittels Anomalieerkennung und einfachen ML-Modellen zu unternehmen.

Use Cases Smart Factory

Erste effizienzsteigende Use Cases stellten sich bereits sehr kurz nach der Liveschaltung ein. So konnte mit MS Fabric ein kritischer Prozesswert einer Hochdruckwaschanlage verarbeitet und als Entscheidungsunterstützung zur Verfügung gestellt werden, was sofort signifikante Auswirkungen auf Stillstände und Performance dieser engpassrelevanten Anlage zeigte (Bild 4).

Bild 4 Smart Factory UseCase – Prozessdatenüberwachung ermöglicht vorausschauende Instandhaltung (Quelle: Schlote Gruppe)
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Smart Factory UseCase – Prozessdatenüberwachung ermöglicht vorausschauende Instandhaltung (Quelle: Schlote Gruppe)

Ein weiterer direkt wirksamer Smart Factory Use Case mit Echtzeitdaten zeigte sich im Bereich der transparenten Standmengenüberwachung der Zerspanungswerkzeuge auf unseren Bearbeitungszentren (Bild 5). Mit dem Ziel, papierlose, verlässliche und eindeutige Prozesse zu unterstützen, werden standortweite Dashboards mit Werkzeug-Standmengen und Reichweiten in Schichten sowohl an den Arbeitsplätzen der Werkzeugvorbereitung und der Fertigungsleitung, aber auch direkt im Shopfloor aktiv genutzt. Alle Beschäftigten greifen auf identische Informationen zu und erhalten Werkzeugdaten jeder Maschine in Echtzeit.

Bild 5 Smart Factory UseCase – Live-Standmengen reduzieren Produktionsunterbrechungen und unterstützen Shopfloormitarbeitende durch bessere Planbarkeit (Quelle: Schlote Gruppe)
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Smart Factory UseCase – Live-Standmengen reduzieren Produktionsunterbrechungen und unterstützen Shopfloormitarbeitende durch bessere Planbarkeit (Quelle: Schlote Gruppe)

Künstliche Intelligenz im Produktionsumfeld

Nach erfolgreicher Erprobung des Sammelns, Strukturierens und Bereitstellens produktionsrelevanter Daten im Fabric OneLake waren die vorhandenen Möglichkeiten der Self-Service-Datenanalyse zunächst ernüchternd. Während Fachanwender ohne SQL, Python oder Spark mit dem M365 CoPilot (bzw. ChatGPT 4o) bereits beeindruckende Analyseergebnisse auf manuell hochgeladenen Daten erzielen, bleiben die aggregierten OneLake-Daten bisher von diesem KI-Self-Service ausgeschlossen. Neueste Entwicklungen wie die AI-Skills in Fabric wurden bislang nicht getestet.

Zusammenfassung und Ausblick

Mit MS Fabric als Smart Factory Plattform für ein mittelständige Unternehmen konnte die Schlote Gruppe in kurzer Zeit und mit wenigen Ressourcen sehr gute Fortschritte erzielen. Von der Einbindung verschiedener Quellen über die Datentransformation bis hin zur Visualisierung der Informationen nutzte das Unternehmen die „Self-Service“- Funktionen des Produktes. Die Ergebnisse konnten ohne tiefe Expertise in Python, SQL und Co. erzielt werden. Blieb das Programmieren nicht gänzlich aus, war der Co-Pilot wichtiger Impulsgeber für die Lösungsansätze.

Besonders im Bereich der Integration von Echtzeitdaten mit RTI und der vollständigen horizontalen Vernetzung der Shopfloordaten über das OneLake Konzept konnten im Rhythmus von wenigen Tagen immer neue Use Cases erzeugt und zur Verprobung freigegeben werden. Vermisst wurden hingegen direkte Schnittstellen zu OPC-UA und einfachere Mechanismen zur Einbindung von MS Office-Quellen in den OneLake sowie bessere Integrationsmöglichkeiten der RTI-Echtzeitdashboards in Power BI Berichte.

Zum Unternehmen

Die Schlote Gruppe gehört zu den größten deutschen mittelständischen und technologisch führenden Unternehmen der Fahrzeugzulieferindustrie. Mit 1.500 Beschäftigten an neun Produktionsstandorten in Deutschland, Tschechien und China hat sich das Unternehmen zu einem globalen Spezialisten auf dem Gebiet der mechanischen Bearbeitung komplexer Motor-, Getriebe- und Fahrwerkskomponenten entwickelt.


Tel.: +49 (0) 151 44007446

About the author

Dr.-Ing. Sebastian Richarz

Dr. Ing. Sebastian Richarz ist Head of Technology and Systems, und Enrico Tischer arbeitet als Projektingenieur Digitalisierung & Industrie 4.0 bei der Schlote Holding GmbH, Brandenburg.

Published Online: 2025-08-20
Published in Print: 2025-08-20

© 2025 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany

Heruntergeladen am 3.10.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zwf-2025-1089/html
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