Abstracts:
This paper draws on an AHRC/ESRC funded, three year multi-dimensional study of the political, cultural and pedagogical practices of religious education (Project AH/F009135/1). More specifically it draws on that material to help understand the challenges to a sense of professional identity amongst UK religious education teachers. The empirical findings are here located in and shed light on prior discussions of the extent to which teachers in general are to be considered professional. These prior discussions have seen the idea of teacher professionalism come under sustained attack with the conflation of the conceits of professional, vocation and occupation, and the opening section of the paper tries to understand how this has come to pass. This concern with professional identity is subsequently pursued into the domain of religious education and the ways in which, amongst other concerns, the rise of a deracinated examination process and the neglect of religious literacy has contributed significantly to the diminution of the religious education teacher as a professional.
Zusammenfassung:
Dieser Beitrag stützt sich auf eine multidimensionale Untersuchung der politischen, kulturellen und pädagogischen Praktiken im Religionsunterricht, die mit einer dreijährigen Laufzeit von AHRC/ESRC finanziert wurde (Project AH/F009135/1). Genauer gesagt wird dieses Material dazu genutzt, die Herausforderungen im Blick auf ein professionelles Identitätsgefühl bei Religionslehrkräften im Vereinigten Königreich zu verstehen. Die empirischen Befunde werden mit der früheren Diskussion über die Frage verbunden, in welchem Maße Lehrkräfte im allgemeinen als Profession angesehen werden können, und sie beleuchten ihrerseits diese Diskussion. Die frühere Diskussion bezieht sich darauf, wie die Vorstellung von Lehrerprofessionalität dauerhaft in die Kritik geraten ist und wie sich die Ansprüche von Professionalität, Berufung und Anstellungsverhältnissen miteinander vermischen. Die Einleitung bietet einen Interpretationsversuch zu den Gründen dafür. Die Frage professioneller Identität wird dann im Bereich des Religionsunterrichts untersucht, besonders im Blick auf die Art und Weise, wie u. a. die zunehmende Bedeutung nicht im Unterricht verwurzelter Prüfungen und die Vernachlässigung von religiöser Literacy in hohem Maße der Professionalität von Religionslehrkräften Abbruch getan hat.
1. Einleitung
I am not one of the bitter brethren.
Churches are a part of my life
…
In the crowd of a city centre street,
Suddenly to slip without warning to oneself
Into one of the hundreds of churches;
In less than four or five seconds to slip out of tumult
Into stillness – out of attitude into repose –
Out of the journalism of adulthood
Into the science fiction of childhood.
Paul Durcan. 1994. ‘The Grote Kerk, Haarlem.' 74 f in Give Me Your Hand. London: MacMillan.
Wenn man wie ich in einem kleinen irischen Dorf aufgewachsen ist, haben drei mit Professionalität ausgestattete Personen das Leben der Gemeinde dominiert – der Pfarrer oder Vikar, der Arzt und der Lehrer – und nur einer hat mit so etwas wie einer intakten professionellen Identität überlebt. Aus unterschiedlichen Gründen haben sowohl Lehrkräfte als auch Pfarrer einen weitreichenden Abstieg ihres professionellen Status erlebt. In den frühen 1980er Jahren berief ich als junger Leiter einer Abteilung für das Fach Religionsunterricht an einem englischen, katholischen „Sixth Form College“ (ähnlich der Oberstufe eines Gymnasiums) ein Treffen der damit verbundenen weiterführenden Schulen ein, um über die weitere Versorgung der Schulen zu sprechen. Während wir die intellektuellen Anforderungen des Religionsunterrichts besprachen, verkündete ein Kollege von einer der Partnerschulen, dass es seine Aufgabe als Religionslehrer sei, der „professionelle Katholik in der Schule“ zu sein. Ein Jahrzehnt später wurde ich Mitglied im Ausschuss der „Catholic Education Commission of Scotland“ (das Gremium der Bischofskonferenz zur Aufsicht der katholischen Schulen). Schon früh wies ich darauf hin, dass der ausgeprägte Einsatz von fachfremden Religionslehrkräften sowohl der intellektuellen Ehrlichkeit als auch der Wirksamkeit Abbruch tut. Die Antwort des (erzbischöflichen) Stuhls war ablehnend und geringschätzig. „Der Glaube“, meinte er, „würde besser von engagierten Gläubigen als von professionellen Fachkräften kommuniziert“. Letztere würden die Jugend vermutlich mit einem fragwürdigen Mix aus theologischem Wissen und modernen Ansichten korrumpieren. Ich war in beiden Fällen perplex und fühlte mich fehl am Platze, weil ich dies für einigermaßen komische und zweifellos „vormoderne“ Interventionen hielt. Auch etwa dreißig Jahre später hält meine Perplexität noch an. Beide Fallgeschichten beschreiben die Komplexität eines Verständnisses von Religionsunterricht als Bildungspraxis (im Unterschied zu sozialer Praxis) an kirchlichen Schulen. Diese Komplexität findet auf verschiedenen Wegen Resonanz in den Praktiken und Einstellungen anderer Schulen und dringt an diese durch (Conroy et al. 2014). Dort fallen selbst erfahrene Lehrkräfte Verwirrungen und Unklarheiten in Bezug auf ihre jeweiligen Ziele zum Opfer (Baumfield et al. 2012). Damit einhergehend finden diese Verwirrungen bezüglich des Zwecks des Religionsunterrichts unausweichlich Ausdruck in der Arbeitsidentität einer Religionslehrkraft. Während sich die Lage durch solche „lokale“ Sorgen verschlimmert, wird die Identität der Religionslehrkräfte aber zuallererst durch allgemeinere Überlegungen zur professionellen Identität in der spätindustriellen Politik geformt. Die gewissermaßen lokalen Verwirrungen sind durch substanzielle Verschiebungen im intellektuellen, politischen und bürgerschaftlichen Leben bedingt, die in den späten 1960er Jahren einsetzten und sich im darauffolgenden halben Jahrhundert beschleunigt haben. Gleichzeitig haben diese Veränderungen zu noch mehr Verwirrungen geführt. Diesen wende ich mich nun zu.
In spätindustriellen Gesellschaften kam es zu einer tiefgreifenden Infragestellung des „Experten“. Mit dem Zusammenbruch eines nachkriegszeitlichen Konsens darüber, was die liberale demokratische Ordnung ausgemacht hatte, ging auch eine einschneidende Veränderung der bis dahin stabilen Wahrnehmung der Verteilung sowie des relativen Wertes menschlicher Arbeit einher (Galbraith 1967). Die neue Ordnung verdrängte die traditionellen Professionen[1] von der Spitze der sozialen Hierarchie und ersetzte sie durch weniger sichtbare Private-Equity-Partner, Direktoren von Holdinggesellschaften, die ihre Niederlassungen an mysteriösen Orten haben, und so weiter; faktisch ersetzte man sie also mit Berufen, die sich um die Akkumulation von Geld drehen (Hull 2009), und überließ es den alten Professionen, sich an ihre professionelle Identität zu „klammern“ (Financial Times 2015). Unterscheidungen zwischen „work“ und „labour“, sowie zwischen unterschiedlichen Arbeitstätigkeiten verschwammen und vermischten sich freimütig miteinander. Der Anspruch der Professionellen als Experten fiel anhaltenden Angriffen zum Opfer, so dass es zu einer nicht begründeten oder begründbaren Vermischung der Ansprüche von Professionalität, Berufung und Anstellungsverhältnissen gekommen ist. Zumindest in jüngster Zeit scheint die Lehrtätigkeit in Schulen besonders anfällig für diesen Trend. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Einige von ihnen sind recht prosaisch, wie die zunehmende relative wirtschaftliche Schwäche des Lehrberufs im Vergleich zu anderen White-Collar-Berufen – eine Schwäche, die den Lauf der Zeit überdauerte, trotz Galbraiths Überzeugung, dass Bildung eine politische Kraft werden würde, da sich die Strukturen der Arbeitslosigkeit veränderten und herkömmliche Gewerkschaften an Einfluss verlieren, weil wissensbasierte Berufe aufblühten. Ebenso interessante Gründe sind die Offenheit der Arbeitswelt einer Lehrkraft (denn sie wird von allen an manchen Punkten ihres Lebens bei der Arbeit gesehen und erlebt), der Fokus ihrer Arbeit (Kinder und Jugendliche) und neue Fragen zur genauen Einschätzung der Expertise, die eine Lehrkraft für ihre Arbeit mitbringt.
Eine der Anfechtungen, wenn man Lehrkräften den Anspruch auf Professionalität zuschreibt, besteht darin, dass sie mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, die einen Schwellen- oder „Zwischen“-Status in der politischen Arena innehaben. Darüber hinaus sind Schulen Orte des Übergangs, und diejenigen, die diese Welt betreten, werden im Blick auf ihre Berufstätigkeit von der Erwachsenenwelt abgetrennt. Es gibt neben dem Unterrichten auch andere Betätigungsfelder, bei denen Menschen mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, wie Kinderrecht und Kindermedizin, aber in diesen Fällen werden die grundlegenden Qualifikationen in einem allgemeinen Fach vor der Spezialisierung erworben. Lehrkräfte hingegen werden häufig ausdrücklich dafür qualifiziert (was auch immer damit gemeint sein mag), Kinder zu unterrichten und selbst dann nur in bestimmten Phasen und/oder Fächern, deren Relevanz für die berufliche Tätigkeit des Unterrichtens selbst bestritten werden kann. Lehrkräfte leben berufsbedingt in der Welt von Kindern, während Anwältinnen und Anwälte bzw. Kinderärztinnen und Kinderärzte ihre berufliche Praxis im Verhältnis zu Kindern ausüben. Eine Lehrkraft übt ihre Unterrichtspraxis nicht im Verhältnis zu Kindern aus. Eine Lehrkraft unterrichtet Kinder (Conroy 2004). Daher sind Lehrkräfte in der Übergangszone der Kindheit und Jugend auf eine Weise positioniert, die keine Parallele zu Anwältinnen und Anwälten bzw. Kinderärztinnen und Kinderärzten aufweist. Aus diesen und damit verbundenen Gründen kann man oft den Vorwurf hören, dass „Lehrerinnen und Lehrer nicht in der realen Welt leben!“ Daher ist es durchaus schwierig, den Begriff der Professionalität auf Lehrkräfte anzuwenden. Wenn die Identitätsprobleme nicht so ausgeprägt wären, hätte der Vorwurf, dass die Lehrtätigkeit an Schulen keine Profession sei, nicht derart viel Zugkraft in der Politik und, jedenfalls in dieser Hinsicht, auch in der Wissenschaft.
2. Voraussetzungen von Professionalität
Carr (2003) vertritt die Auffassung, dass die Lehrtätigkeit in Schulen bestenfalls eine Para-Profession sei, weil sie zwischen verschiedene Definitionen fällt und es an Klarheit darüber mangelt, welches Wissen sie voraussetzt. Sie ist eindeutig kein Beruf, der auf bestimmten Fertigkeiten beruht, obwohl eine gewisse Basis von Fertigkeiten vorausgesetzt wird. Der Beruf verlangt mehr als die Kenntnis der nötigen Schritte, um eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern zu kontrollieren, oder die technische Produktion von Tönen, um synthetische Lautfolgen zu „liefern“. Ebenso wenig scheint er (zumindest in vielen Fällen), qua Lehrkraft, ein Basiswissen vorauszusetzen, wie man es von einer Ärztin bzw. einem Arzt oder einer Anwältin bzw. einem Anwalt erwarten würde. Somit stellt das Studium bestimmter theoretischer Perspektiven beispielsweise aus der Philosophie oder der Psychologie für sich genommen keine notwendige Voraussetzung dafür dar, eine effektive Lehrkraft zu sein. Ich brauche kein kompetenter Psychologe zu sein, um als Lehrer effektiv zu arbeiten, da die meisten Lehrkräfte bestenfalls eine rudimentäre Bekanntschaft mit einer Handvoll (häufig falsch angewandter) psychologischer Theorien gemacht haben. Weiterhin haben Lehrkräfte keine Kontrolle über ihre Professionsdomäne. Ärztinnen und Ärzte sowie Anwältinnen und Anwälte hingegen haben durch ihre Professionsverbände nicht nur die Kontrolle über ihre professionellen Praktiken, sondern auch über die normativen Erwartungen und die Arbeitsbedingungen gewonnen. Lehrkräfte scheinen keine vergleichbare Aufsicht und Kontrolle über ihre eigenen Praktiken sowie, noch wichtiger, über ihre normativen Arbeitsbedingungen zu haben. Ebenso wenig, argumentiert Carr, ist es selbstverständlich, dass sie dies überhaupt sollten. „Es kann wohl verneint werden“, behauptet er,
„dass das Unterrichten eine professionelle Praxis jener Art ist, bei der es angebracht ist, die in der Praxis Tätigen in Debatten und Entscheidungen über Bildungsziele und die richtige Ausrichtung der Bildungspolitik zu involvieren. Im öffentlichen Raum, in dem solch andere soziale Akteure wie Eltern, Politikerinnen und Politiker oder Arbeitnehmerinnen und -nehmer wichtige Interessenvertreter sind, [...] könnte man durchaus die Auffassung vertreten, dass weiterreichende normative Reflexionen über politische Maßnahmen nicht zu den legitimen Aufgaben von Lehrkräften zählen und dass ihre Rolle eher in der effizienten technischen Vermittlung dessen besteht, was diejenigen, denen gegenüber sie politisch (wenn auch demokratisch) rechenschaftspflichtig sind, als sozial und ökonomisch nützlich erachten.“ (Carr 2003, 41 f.)
Hier stimme ich nicht mit Carr überein. Es ist durchaus möglich, die Lehrtätigkeit als Profession zu verstehen, aber dabei zu berücksichtigen, dass ihre Praxis in unterschiedlichen konkreten Fällen den Hinsichten, die ich oben diskutiert habe, nicht gerecht wird.
Die Zunahme in der Überwachung und Kontrolle von Programmen und Kursen zur Vorbereitung von Lehrkräften erwächst aus einer Reihe von Gründen und kann in Britannien sicher auf die „Große Bildungsdebatte“ der späten 1970er Jahre zurückgeführt werden, die damals vom britischen Premierminister James Callaghan eingerichtet wurde (vgl. Lawrence 1992, 80). Zur damaligen Zeit – und bis heute unbeirrt – gab und gibt es in den Korridoren der Macht die Wahrnehmung, dass der Rückgang der britischen Konjunktur zumindest teilweise einem Versagen in der Bildung zurechenbar sei, wofür wiederum die Lehrkräfte Verantwortung tragen. Des Weiteren betreffen die vielen tief gespaltenen Ambiguitäten, die die Einstellungen von Erwachsenen gegenüber der Kindheit/Jugend generell und Schulen im Besonderen untergründig bestimmen, auch die Lehrkräfte und den Schulunterricht. Im Falle des Religionsunterrichts verstärken sich diese Ambiguitäten noch weiter, da Religion selbst als Schwellenaktivität betrachtet wird – als eine Aktivität, die sich zunehmend an den Rändern des alltäglichen sozialen Lebens findet, aber paradoxerweise Gegenstand komplexer Ängste innerhalb und außerhalb der Schule ist. Tatsächlich ist es diese beschwerliche Position der Religion in westlichen liberalen Demokratien, die Durcan so treffend beschreibt. Letzten Endes laufen sämtliche Kritikpunkte, die an die Fächer Physik oder Englische Literatur gerichtet werden können, doch kaum auf den Vorwurf hinaus, dass unsere Begegnung mit ihnen uns „aus dem Journalismus der Erwachsenenwelt heraus bzw. in die Science-Fiction-Welt der Kindheit hinein“ führen würde.
Diese Ambiguität, die durch die Schulbildung schwingt, resultierte zusammen mit der zunehmenden diskursiven Kollusion zwischen Regierung und Wirtschaftsunternehmen in immer stärker doktrinären Wahrnehmungen von Unterricht und Lehrkräften und entsprechenden politischen Entscheidungen. In liberalen Demokratien hat eine technizistische Vorstellung von Lehrkräften die Vorherrschaft gewonnen. Ironischerweise wurde dieser zutiefst modernistische Impuls gerade von manchen konservativen Kräften in der englischsprachigen Pädagogik angetrieben. Daher argumentierte der britische Philosoph Anthony O'Hear, dass es, weil Unterrichten eine auf handwerklichen Fähigkeiten beruhende Tätigkeit sei (zumindest in der Ausübung), nur wenig Bedarf dafür gibt, was er als „politisch modische Allheilmittel für Rassen- und Klassenprobleme“ (vgl. Clare 2004)[2] bezeichnet – ein Synonym für seine Verachtung des professionellen Urteils als spezifisch professionelle Antwort auf die epistemischen, gesellschaftlichen, psychologischen und kulturellen Voraussetzungen, unter denen eine Lehrkraft operiert. Ferner wird, wie ich an anderem Ort dargelegt habe, alle gegebenenfalls vorhandene technische Kompetenz durch ministeriale Anordnungen über eine Reihe von Vermittlern festgelegt und objektiv gemessen (Conroy 2004; Blake et al. 1998), und das persönliche sowie professionelle Urteil wurde durch einen Kontrollapparat ersetzt (Merson 2000; Smith 2002).
Dennoch können auch im Dickicht der Regulierungen, die eine Kultur des Befehlens und Kontrollierens charakterisieren, noch Überreste professioneller Identität entdeckt werden. Dieses Überbleibsel professioneller Identität im Bildungssystem des Vereinigten Königreichs ist das kompetente Verfügen über ein abgegrenztes Wissenskorpus und persönliche Handlungsfähigkeit, die sich als Urteil manifestiert, d. h. als Fähigkeit, bestimmte Vorgehensweisen unabhängig analysieren, diagnostizieren, prognostizieren und vorschreiben zu können (Conroy et al. 2013 a). Anhand dieser Kernvoraussetzungen kann die verbleibende professionelle Identität aufrecht erhalten bleiben. Dies impliziert jedoch nicht, dass die Bildungspolitik und Lehrerausbildung im Vereinigten Königreich zu einer solchen Praxis und zur Beibehaltung einer damit verbundenen professionellen Identität ermutigt.
Lassen Sie mich nun die Religionslehrkräfte in den Blick nehmen. Was nun folgt, gründet auf einer großangelegten dreijährigen Studie zum Religionsunterricht in britischen Schulen,[3] die einem komplexen vielschichtigen Ansatz folgte. Die Studie beinhaltete eine dreijährige Ethnographie in 24 Schulen, Fokusgruppen, Interviews, Fragebögen, Delphi-Seminare mit Experten, den Einsatz des Boalschen Forumtheaters, iteratives Feedback in Konferenzen, begleitende Forschung, die durch Lehrkräfte initiiert wurde, die Analyse von Schulbüchern und pädagogischen Materialien sowie von Prüfungen. Viele der genannten Themen traten im Laufe der Studie auf (vgl. Conroy et al. 2013 b).
3. Professionalität und/im Religionsunterricht
Gibt es irgendetwas ganz Besonderes an Religionslehrkräften, das darauf hindeuten würde, dass diese zwei Voraussetzungen für sie nicht gelten oder gewissermaßen anders gelten? Ohne Zweifel sorgt die verschachtelte Identität des Religionsunterrichts (Conroy et al. 2014) für eine noch kompliziertere professionelle Identität, indem diese – über die mit der Regierung und der Legislative verbundenen Überlegungen hinaus – mannigfaltigen Ansprüchen von Religions- bzw. Glaubensgemeinschaften sowie lokalen demographischen Bedingungen ausgesetzt ist. Damit meine ich, dass die religiösen Gemeinschaften ihre Glaubensinhalte, Bindungen und Praktiken in das Curriculum verschachteln und es damit den Allheilmitteln, Präferenzen und Wünschen von religiösen Gemeinschaften und anderen (humanistischen und säkularen) Ideologien aussetzen. Lehrkräfte finden sich dann bewusst oder unbewusst gefangen in den kollidierenden Impulsen, die das Fach beherrschen. Sie sind somit nicht nur den Auffassungen und der Sprache ausgesetzt, die die Rolle der Lehrkraft in der Tinktur des Ökonomie-Management-Diskurses badet, sondern auch den prägenden Diskursen religiöser Praxis selbst. Daher ist für (manche) Lehrkräfte in kirchlichen Schulen, wie dem in meinen eröffnenden Gedanken erwähnten Kollegen, Religionsunterricht eine Berufung. Aber nur Weniges in diesem Feld genießt die nötige claritas! – als einer unserer Ethnographen dies untersuchte, war die Ambiguität darüber, was eine Berufung ausmacht, sehr ausgeprägt. So herrschte etwa Unklarheit über den Unterschied zwischen einer religiösen Berufung und der Bezeichnung „beruflich“ (im Sinne beruflicher Bildung). Folgende ethnographische Notizen zu einer Diskussion in einer katholischen Schule über Berufungen zeigen abermals das konzeptionelle Durcheinander auf:
„Lehrer schreibt ‚Berufung‘ (vocation) an die Tafel. Mädchen: ‚Kann man es nicht einfach machen wollen?‘ Lehrer: ‚Naja, wenn sie es machen wollen, dann haben sie üblicherweise eine ‚Berufung‘.“
(Bp Fulton)
Angesichts der Tatsache, dass der Lehrer nicht fähig scheint, auf einem rudimentären Niveau theologisch (oder sogar semantisch) zwischen einer Berufung und einer Gabe einerseits und einem Wunsch andererseits zu unterscheiden, sollten wir nicht von den Resultaten unseres Delphi-Seminars mit hochrangigem Personal (Baumfield et al. 2012) überrascht sein. Dort herrschte große Unklarheit in Bezug auf den modus vivendi und den modus operandi des Religionsunterrichts. Solche Verwirrungen sind dort normal, wo die klar unterschiedenen Ansprüche von Berufung und Anstellung routinemäßig als austauschbare Begriffe behandelt wurden. Dort, wo die Lehrkraft auch geistlich tätig ist (z. B. in St. Bede's), treten zusätzliche Verwirrungen in Bezug auf pastorale und pädagogische Rollen auf. Diese Ambiguität geht weit über die Situation derjenigen hinaus, die religiös engagiert sind. In einem lehrreichen Beispiel ist eine Lehrerin (Segget) trotz ihres nicht-religiösen Status damit einverstanden, an einer Sonntagsschule für den lokalen Pfarrer zu unterrichten, der annimmt, dass sie auch religiös engagiert sein muss, weil sie Religionslehrerin ist. Diese Verwirrung zwischen Berufung und Profession, zwischen Bekenntnis und Neutralität, verkompliziert die zwei Kernvoraussetzungen von Professionalität. An nicht-religiösen Schulen war es nicht selten, dass Lehrkräfte sich dazu berufen sahen, über Bildung als Aufklärung hinaus in Religion einzuführen.
Ein weiteres Beispiel für die Art des professionellen/persönlichen Konflikts, der dem Religionsunterricht innewohnt, ist im folgenden Auszug aus einem Gespräch mit einem unserer Ethnographen zu finden:
„Jetzt, während ich das Gefühl habe, dass wir nach wie vor die christliche Kultur als Hintergrundkultur beibehalten müssen, geht es darum, die Balance zu finden, bei der die Schülerinnen und Schüler wirklich von einem übernehmen, was wir wirklich mit religiöser Toleranz meinen, und ich denke, wenn man eine Lehrerin hat, die versucht, ihre eigene Religion zu unterrichten und nicht teilen will [...] zum Beispiel hatten wir eine Situation, in der wir einen Buddha in einem der Klassenräume hatten, und sie musste ihn umdrehen [...] sie konnte nicht unterrichten, solange er da war, er musste einfach weggenommen werden [...] das waren ihre Überzeugungen, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass das ein gutes Beispiel für die Schülerinnen und Schüler war.“ (Longwood)
Wieder sind wir mit einem Konflikt zwischen dem Persönlichen und dem vermeintlich Professionellen konfrontiert. Der schwierigere Aspekt dieses Konflikts für die professionelle Identität kommt von der Unzulänglichkeit der epistemischen Grundlagen, auf denen solche Konstruktionen beruhen. Daher:
„Die Fachbereichsleiterin beschrieb sich selbst als ‚wirklich recht agnostisch‘. Wenn Schülerinnen und Schüler sie drängen würden, würde sie zu ihnen sagen: ‚Ich erkenne die Vorteile aller Religionen an‘, oder: ‚Ich habe mich bisher noch nicht richtig für eine davon entschieden‘. Sie erzählte den Schülerinnen und Schülern, dass sie in einer Kirche heiraten wird […] ‚Ich mache es hauptsächlich, weil mein Großvater dort begraben ist und dort hatten sie geheiratet‘. [...] Diese Lehrerin [...] würde hinzufügen: ‚Ich mag diesen Teil des Buddhismus; ich mag besonders diesen Teil des Islam [...] durch all eure Diskussionen und so ändert ihr meine Meinung am laufenden Band‘“.
Diese Beispiele illustrieren einige der Verwirrungen in Bezug auf die professionelle Identität, die durch die verschachtelte Identität des Religionsunterrichts bedingt sind. Religionslehrkräfte erscheinen hier durch die überdehnte und nur wenig klare Selbstdefinition belastet, die von der Brüchigkeit des Religionsunterrichts als sozialer Praxis herrührt.
4. Leistungsorientierung und Professionalität
In einer weiteren ethnographischen Aufzeichnung zeigt sich die zwiespältige Beziehung, die Lehrkräfte zur Leistungskultur zeitgenössischer Bildung haben. Viele der beobachteten Lehrkräfte, vor allem aber diejenigen, die nach Leistungskriterien als effektiv eingeschätzt wurden, hatten sich recht szientistische und an Leistung orientierte Technologien zu eigen gemacht bzw. wurden durch diese kolonisiert, indem sie den Religionsunterricht der dominanten Kultur anpassen. Viele der Lehrkräfte in unserer Studie gingen davon aus, dass ihr professioneller Status sich verbessern würde, wenn man sehe, wie sie die neuesten Allheilmittel der „Lernbrigaden“ aufnehmen. Der Versuch, sich inmitten dieses Technologie-Gelabers neu selbst zu behaupten, ist der Anspruch auf ein professionelles Urteil!
„Es war ein Treffen zwischen Frau Kirkcaldy, einer stellvertretenden Schulleiterin, die auch Religion unterrichtet [...], und den Lehrkräften der Religionsfachschaft. Frau Kirkcaldy erscheint mit zwei Ordnern, zwei Büchern, einem Notizbuch, einer Box mit Dokumenten und einem Funkgerät. Sie ist gekommen, um den Lehrkräften zu zeigen, wie man das ‚CAT-Ergebnis-Schüler-Leistungs-Prognosen-Management-System‘ benutzt [...]. Ihr Tonfall ist informell, aber bestimmend, sie sagt: ‚Diese Ergebnisse hatten sie an jenem Tag, in jenem Test [...] Das kann durch guten Unterricht verbessert werden.‘ – Herr D antwortet: ‚Anders gesagt, ist es also kein altmodischer Intelligenztest‘. Frau K sagt: ‚Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass Sie das um ihretwillen nutzen, nehmen Sie das mit, aber nutzen Sie Ihr professionelles Urteil.‘“
(Dickson)
Bezeichnend für die Art und Weise, wie das professionelle Urteil technizistischen Kontrollen unterstellt wird, beschreibt dieser Wortwechsel den Zustand permanenten Widerspruchs in Bezug auf die professionelle Identität. Trotz solcher bürokratischer Angriffe erlebten wir Lehrkräfte, die an dem Anspruch festhielten, Religionsunterricht als Mittel zur Kultivierung religiöser Literacy zu betrachten. Ironischerweise wurde aber die am stärksten standardisierte Leistungstechnologie – die Prüfung – von vielen Religionslehrkräften enthusiastisch angenommen, in der Hoffnung, dass dies die professionelle Identität der Lehrkräfte und des Fachs verbessern würde.
5. Die Rolle von Prüfungen und die De-Professionalisierung von Religionslehrkräften
Hat das Prüfungssystem jedoch wirklich die professionellen Verbesserungen gebracht, auf die viele im Religionsunterricht gehofft hatten? Lassen Sie mich beschreiben, wie die allgemeine Obsession mit der Vorbereitung von Prüfungen bei den Schülerinnen und Schülern zum Ausfall religiöser Literacy und bei den Lehrkräften zur De-Professionalisierung beitragen kann. In vielen der von uns untersuchten Schulen schienen die Prüfungen eine krankhafte Obsession der Lehrkräfte zu sein, in deren Vorbereitung sie viel Energie steckten, anstatt die Schülerinnen und Schüler tatsächlich in Bezug auf religiösen Glauben, Praxis oder Bindung zu bilden. Solche Vorbereitungen schlossen häufig die Beschreibung potenzieller Fragen und vermeintlicher Antworten ein. Im Folgenden wiedergegeben wird ein Beispiel für das Material zur Prüfungsvorbereitung, das in der Schule häufig genutzt wird, versehen mit einer langen Einleitung dazu, wie wichtig es sei, „das Spiel mitzuspielen“.
„Lösungsvorschläge für eine Klassenarbeit zum Ende der Jahrgangsstufe 10
[...]
Teil A
1 a. Beschreibe zwei unterschiedliche christliche Glaubenseinstellungen zur erneuten Heirat nach einer Scheidung. 8 Punkte
Nota bene.Wenn nach zwei christlichen Ansichten gefragt wird, ist so gut wie immer eine davon römisch-katholisch.
Alle Christinnen und Christen betonen die Wichtigkeit der Ehe als ein vor Gott vollzogener Akt und mit dem Gelöbnis vor Gott, dass man zusammenbleibt, bis ‚dass der Tod uns scheidet‘. Die römisch-katholische Kirche, die die Ehe als Sakrament betrachtet, das nicht gebrochen werden kann, erkennt die Scheidung nicht an und erkennt daher auch eine erneute Ehe nicht an. Dies wird entsprechend der Lehre Jesu im Markusevangelium gleichbedeutend zum Ehebruch behandelt [...] Die einzige Möglichkeit für fromme Katholikinnen und Katholiken, die erneut heiraten möchten, besteht darin, die erste Ehe annullieren zu lassen, aber das ist sehr schwierig und kann nur in wenigen Fällen, wie z. B. einer Zwangsehe, getan werden. Protestantische Kirchen sehen die Ehe jedoch eher wie einen Vertrag an, der beendet werden kann, und sie erkennen nach und nach auch Wiederverheiratungen an. Die ‚Church of England‘ erkennt Scheidungen an und einige Pfarrerinnen und Pfarrer werden eine Person erneut verheiraten, wenn sie oder er nicht schuld an der Scheidung war [...]
1 c. ‚Das Oberhaupt einer christlichen Familie sollte der Vater sein.‘ Stimmen Sie zu etc. 5 Punkte
Diese Frage verlangt nach einer Diskussion der traditionellen Ansicht zu ehelichen Rollen und der moderneren Ansicht.
Stimme zu:
Paulus sagt: Der ‚Ehemann ist das Oberhaupt der Ehefrau, so wie Christus das Oberhaupt der Kirche ist‘ und ‚Ehefrauen sollten sich ihrem Mann in allen Dingen unterordnen‘.
Die Rolle des Ehemannes ist es, für die Familie zu sorgen und die Verantwortung zu übernehmen, während die Frau sich um Haus und Kinder kümmert. Es macht Sinn und verursacht weniger Stress, das Familienleben so aufzuteilen.
Stimme nicht zu:
Diese Ansichten spiegeln die Gesellschaft zu Paulus' Zeit wider.
Die meisten Frauen versprechen heutzutage nicht, ihrem Mann zu gehorchen, wie im traditionellen Traugottesdienst.
Die meisten Frauen arbeiten heutzutage und beide Partner sollten die Arbeit im Haushalt teilen. Ehefrauen verdienen häufig genauso viel oder mehr Geld als ihre Männer.
Paulus sagte: ‚Es gibt weder Mann noch Frau, denn ihr seid alle eins in Jesus Christus.‘“
Diese Musterantworten auf komplizierte theologische Fragen sind bestenfalls aus dem Kontext gerissen. Zwangsehe ist im Katholizismus eine der unwahrscheinlichsten Begründungen für eine Annullierung. Wahrscheinlichere Gründe sind: ein unzureichendes Verständnis der Ehe, um zu wissen, was man tut; keine vorherige Intention, treu zu bleiben; ein oder beide Partner hatten nicht vor, Kinder zu bekommen. Darüber hinaus ist es unklar, ob Vertrag und Bund richtig erläutert werden. Vertrag ist ein Begriff des Zivilrechts; Bund bezieht sich auf ein Versprechen anderer Art – zumindest auf den ersten Blick auf den Anspruch, loyal und treu zu sein. Vielleicht ist es noch problematischer, dass einige der vorgeschlagenen Antworten weder einen religiösen Inhalt noch religiöse Bedeutung haben. So ist es lächerlich, die Aussagen, dass „die meisten Frauen heutzutage arbeiten“ oder dass es „weniger Stress“ verursache, wenn die Frau zuhause bleibt, als religiöse oder theologische Antworten aufzufassen. Dies zeigt die Fragilität des Anspruchs, über ein Schlüsselmerkmal von Professionalität zu verfügen – Wissen. Der verderbliche Einfluss von Prüfungen im Blick auf dieses Problem tritt häufig durch den Mangel an einer auktorialen Stimme im Religionsunterricht zutage. Daher:
„Herr Cantle zu seiner 10. Klasse: ‚Ich werde eine Frage an die Tafel schreiben, die recht lang sein wird, und ich will, dass ihr sie abschreibt [...] Kein Grund, so ein langes Gesicht zu machen, so lang wird sie auch nicht.‘ James: ‚Ist sie wie eine Prüfungsfrage?‘ Herr C: ‚Sie sieht nicht nur so aus..., es ist auch eine.‘ Herr C schreibt an die Tafel: ‘Christliche Haltungen zu Sex sind veraltet.‘ ‚Stimmst du zu? Gib Gründe für deine Meinung an und zeige, dass du über mehr als einen Standpunkt nachgedacht hast (8).‘ Herr C: ‚Ich werde euch im vorliegenden Fall zeigen, wie dumm Prüferinnen und Prüfer sind [...] Sie haben euch gesagt, was ihr tun müsst, um gute Noten zu bekommen, darum sind sie dumm... und es geht um eure Meinung – was ist gut an eurer Meinung? Es gibt keine richtige oder falsche Antwort [er macht damit weiter, die Klasse darüber zu coachen, wie man die Frage beantwortet, und sagt, dass jeder mindestens 6 Punkte bekommen kann] ihr müsst über religiöse Standpunkte reden.‘ Herr C malt ein Diagramm an die Tafel: Ja, Nein, Nicht-religiös, Religiös. Beim Ausfüllen des Diagramms, geben die Schülerinnen und Schüler etwas weniger Gründe in der ‚Ja‘-Spalte an [d. h. ja, christliche Ansichten sind veraltet] als in der ‚Nein‘-Spalte, und insgesamt etwa doppelt so viele nicht-religiöse Gründe als religiöse Gründe. Ein Mädchen fragt: ‚Muss ich das abmalen?‘ Herr C antwortet: ‚Das ist wahrscheinlich eine gute Idee, ja, mach das.‘“
(Brockton)
Unter den vielen besorgniserregenden Eindrücken, die diese Aufzeichnung und dieser Wortwechsel hervorrufen, ist beispielsweise das „coaching“ auf oberflächliche Imperative hin, aber am wichtigsten für die professionelle Identität ist, dass Herr Cantle den Vorrang von Wissen (eine Voraussetzung professioneller Identität) vor Meinungen nicht anerkennt!
6. Das Fehlen religiöser Literacy und das Unprofessionelle
Eine Reihe von Schulen in unserer Studie war auf fachfremde Lehrkräfte angewiesen, um den Religionsunterricht zu erteilen. Dies trägt, wie man begründet behaupten kann, zu dem zunehmenden Ausfall von Literacy bei, da sie häufig nur über ein begrenztes Verständnis theologischer Begriffe oder von Geschichte verfügen. In Klammern könnte darauf hingewiesen werden, dass sogar in Schottland, wo zwei Kurse auf Master-Level verlangt werden, damit ein Fach unterrichtet werden kann, diese zwei Kurse häufig aus Bereichen wie Geschichte, Soziologie bzw. Religionspsychologie oder philosophische Ethik kommen. Dies führt oft dazu, dass an vielen Schulen die Grundlagen religiöser Literacy nicht bewusst sind. Noch einmal: Falls wir davon ausgehen, dass ein kohärenter Wissensbereich Grundlage dafür ist, als professionell betrachtet zu werden, unterminiert die Abhängigkeit von fachfremden Lehrkräften, die den geforderten Wissensbereich nicht beherrschen, den Anspruch, professionell zu sein. Tatsächlich haben wir in vielen Fällen bei den fachfremden Lehrkräften den Eindruck angetroffen, dass ihr Mangel an Wissen ihr eigenes Gefühl von Professionalität untergräbt. Daher notierte einer unserer Ethnographen:
„Herr Gordon [...] findet es schwierig, weil er sich bewusst ist, dass ihm das fachliche Wissen fehlt. Es gibt einige schülergeleitete Diskussionen, mit denen er sich in Geographie wohl fühlen würde, in RMPS [Religions-, Moral-, und Philosophische Studien] hingegen nicht.“
(Kinraddie)
In Schulen, in denen fachfremde Lehrkräfte für das Angebot von Religionsunterricht zentral sind, werden Materialien für die Lehrkräfte zur Verfügung gestellt, deren Job es dann ist, sie zu unterrichten. Es könnte argumentiert werden, dass in diesem Fall die Professionalität in der Anwendung von Fertigkeiten des Unterrichtens besteht, aber dies würde lediglich dazu dienen, Carrs Feststellung zu unterstützen, dass Unterrichten eine Para-Profession sei. Wenn die Expertise in den Techniken der Vermittlung, dem Engagement und der Leistungsbeurteilung besteht, dann entfällt die Art von Professionalität, die von der Fähigkeit abhängt, sich ein Urteil über die Angemessenheit des Materials zu bilden. Tatsächlich kann ein verwandtes, wenn auch etwas anders gelagertes Beispiel darin gesehen werden, wie das professionelle Urteil von Lehrkräften der Kritik durch Eltern ausgesetzt ist, etwa wenn ein Mitglied des Kollegiums sich bei einem unserer Ethnographen beschwert, dass Eltern ihn beschimpft haben, weil er einen Teil des Films The Green Mile gezeigt hat und dieser doch anstößig sei.
7. Auf dem Weg zu Professionalität und religiöser Literacy
Soweit der Versuch unternommen wird, Professionalität neu in Anspruch zu nehmen, ist er bei denjenigen Lehrkräften zu finden, die religiöse Literacy als ihr Ziel betrachten und den Fokus darauf legen, die Schülerinnen und Schüler ins Nachdenken über Interpretationen, Symbolik oder Rituale zu bringen. Dabei bleibt jedoch die Theologie als Aktivität, die sich mit Texten oder der Entwicklung theologischer Ansprüche befasst, so gut wie immer außen vor. Bezeichnenderweise beanspruchte der Lehrplan einer Schule (Dundon), sich mit „dem menschlichen Dasein, dem Ziel des Lebens und wie man es erreicht“ zu beschäftigen. Beim Unterrichten dieser Ziele greift der Unterrichtsplan stark auf Geschichten und Mythen von außerhalb des Mainstreams religiöser Auffassungen zurück und ignoriert traditionelle religiöse Texte.
Bei anderen Beispielen verabschieden sich die Lehrkräfte regelmäßig von der Grundlage religiöser Bindungen, wenn sie mit Widerstand und Bigotterie von Schülerseite konfrontiert werden, so als ob die komplexen epistemischen Beziehungen zwischen Praktiken, Beweisen, Glauben, Wissen und Urteilen für den selbstreferenziellen Raum des Unterrichts komplett irrelevant wären.
„Frau Shalima fragt die Mädchen, was ‚allwissend‘ bedeutet [...] Frau Shalima fragt: ‚Wenn Gott allwissend ist, macht es dann etwas aus, was man tut, um zu zeigen, dass man an ihn glaubt?‘ [...] Um zu versuchen, eine Debatte ohne Urteile anzustoßen, sagt Frau Shalima, dass es ‚egal ist, ob man daran glaubt.‘“
(Brockton)
Es ist schon eine Herausforderung zu verstehen, was eine Debatte ohne Urteile sein könnte, und dennoch spielt hier und im unten dargestellten Interview die Verwirrung in Bezug auf Wissen und Glauben, Bindung und Objektivität, dauerhaft mit der professionellen Identität der Religionslehrerin, die sich unsicher zeigt, wie sie etwas phänomenologischen Abstand von ihren eigenen Erfahrungen und Bindungen gewinnen kann. Bei dieser epistemischen Verwirrung sehen wir, wie es zu der Herausforderung der Identität kommt, inmitten des Hin und Her zwischen professionellen, berufungsbezogenen und technischen Erfordernissen des Religionsunterrichts.
„Auf einer professionellen Ebene denke ich nicht, dass es dies ist, wovon der Religionsunterricht handeln sollte, OK! Auf einer persönlichen Ebene kann ich verstehen, warum es passiert und kann verstehen [...] wissen Sie, ich meine die Mehrzahl der Leute, die Religionslehrer oder -lehrerin sein wollen, haben einen eigenen religiösen Glauben und einen sehr spezifischen Standpunkt. Das habe ich auch, aber [...]. Ich sehe keinen Bedarf zu sagen, dass ich recht habe und alle anderen falsch liegen. Wobei ich denke, dass womöglich [...] Religionsunterricht manchmal so gesehen wird, dass er vorschreibe, was man glauben muss oder glauben soll. Ich weiß nicht, nimmt das den Leuten die Lust? Lässt es die Leute sich eher abkehren, als dass es ihnen tatsächlich hilft, ihre eigene Spiritualität zu entwickeln, ich weiß nicht, vielleicht liege ich ja falsch.“ (NorthWest)
8. Schlussfolgerungen
Es ist wichtig festzuhalten, dass die epistemischen Herausforderungen durch die soziale (professionelle) Hierarchie innerhalb des Bildungsbetriebs weiter gesteigert werden. In einer signifikanten Anzahl der Schulen äußerten Lehrkräfte ihre Unzufriedenheit darüber, dass ihnen die erforderliche Ausstattung fehle (eine Klage, die durch unsere Studie bestätigt wird). Vielleicht war es noch bezeichnender für die professionelle Identität, wie Religionslehrkräfte regelmäßig hinnehmen mussten, dass ihre Kolleginnen und Kollegen das Fach verleumden. Dabei wurde auch sichtbar, dass der professionelle Status, der einer Lehrkraft sonst vielleicht zugeschrieben wird, kaum gleichermaßen für Religionslehrkräfte gelten würde. Die Gefühle, die namhaft in Michael Goves (zu der Zeit Bildungsminister) Brief an Ed Balls (seinen Vorgänger) zum Ausdruck gebracht wurden, indem er ihm mitteilte, dass die Erhöhung des Standards von Religionsunterricht nicht länger Priorität habe, spiegeln Ansichten, die auch in Schulen und bei leitenden Mitgliedern im Lehrerkollegium anzutreffen waren. Dazu zählen auch Klagen über die verpflichtende Stellung des Religionsunterrichts und dass die Organisation von Ressourcen und Stundenplänen so viel leichter fiele, wenn der verpflichtende Status des Fachs aufgehoben würde.
Dieser Mangel an Wertschätzung hat zusammen mit der schwachen Stellung von Religionspädagogik als Studienfach dazu geführt, dass eine steigende Anzahl von Religionslehrkräften auf Philosophie zurückgreift, um ihr professionelles Ansehen wieder zu stärken. Für manche ist Religionsunterricht eine Art Überbleibsel aus der Grundschule; während formeller religiöser Glaube immer mehr unter Druck gerät, fühlen sich Religionslehrkräfte zunehmend exponiert und beginnen, sich der Philosophie oder Ethik zuzuwenden. Diese Abkehr von der Religion kann als Konsequenz des Verschwindens der epistemischen Grundlagen von Religionsunterricht verstanden werden, wobei das Wissenskorpus, über das eine Religionslehrkraft verfügen muss, durch die Angst vor dem Transzendenten und der Reduktion des Religionsunterrichts auf Meinungen unterminiert wurde. Für viele Religionslehrkräfte ist der Unterschied zwischen Fakten und Werten in sich zusammengebrochen und damit auch ihre Identität als professionelle Religionslehrkraft nach den hier aufgestellten Kriterien. Die allgemeinen Bedingungen des sozialen Wandels untergraben den Anspruch, dass Unterrichten eine vollwertige professionelle Tätigkeit sei. Dieser Trend hat im Fall des Religionsunterrichts einen besonders deutlichen Ausdruck gefunden. Ironischerweise reden viele Lehrkräfte ständig davon, den Status des Fachs und ihren eigenen Status als professionelle Religionslehrkräfte verbessern zu wollen, und verwässern dabei gerade jdie Voraussetzungen, die ihnen einen vollwertigen professionellen Status verleihen würden.
Anmerkung: Die englische Fassung des Artikels wurde publiziert in: James C. Conroy (2016), Religious Education and religious literacy – a professional aspiration?, British Journal of Religious Education, 38:2, 163--176, DOI: 10.1080/01416200.2016.1139891, © Christian Education, reprinted by permission of Taylor.
Anmerkung:
Übersetzt von Benjamin Ahme.
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