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David G. Victor/Bruce D. Jones: Undiplomatic Action. A practical guide to the new politics and geopolitics of climate change. Washington: Brookings, Februar 2018.

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Published/Copyright: September 7, 2019

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Victor David G. Jones Bruce D. Undiplomatic Action. A practical guide to the new politics and geopolitics of climate change. Washington Washington Brookings Februar 2018


Die vorliegende Studie stellt kritisch die Frage, inwieweit klassische formelle Diplomatie im Bereich des Klimaschutzes substantielle Ergebnisse bewirken kann oder ob nicht andere politische Handlungsformen und Ansätze effektiver sind. Die Autoren plädieren für eine neue politische Logik im Bereich des Klimaschutzes, die weniger auf globale Diplomatie und dafür mehr auf die zugrunde liegenden politischen Strukturen fokussiert.

Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, dass für das Handeln nahezu aller Staaten und Unternehmen die Klimaziele nicht der zentrale Antrieb sind. Klimaschutz ist meist eines von vielen Zielen, welches oft nur nachrangig behandelt wird, da (geo-)politische Kerninteressen oder wirtschaftliche Entwicklungen meist wichtiger sind. Um diesen Rahmenbedingungen gerecht zu werden und trotzdem substantielle Fortschritte beim Klimaschutz zu erreichen, entwickeln die Autoren das Konzept des „episodischen Multilateralismus“. Hier wird von einem Ansatz globaler Diplomatie, an dem möglichst alle Staaten im Konsens beteiligt sind, abgewichen und eher auf kleinere Gruppen (sogenannten Klubs) und die Fokussierung auf Nischenthemen sowie Innovationen im Technologie- und Policybereich gesetzt. Um Ziele zur Emissionsreduktion zu formulieren und zu vereinbaren, seien globale Governance-Ansätze wie das Abkommen von Paris 2015 grundsätzlich sinnvoll, jedoch wenig geeignet, wenn es um die Implementierung geht, auf die es letztlich ankommt.

Mit klarem strategischem Fokus wird der Blick in der Studie auf vier Frontiers gelegt, in denen der Klimaschutz mit der oben beschriebenen Logik und vergleichsweise geringen Mitteln vorangetrieben werden kann:

  1. Statt die Klimakrise allein als Problem auf globaler Ebene zu sehen, muss anerkannt werden, dass ein Großteil der Emissionen nur von einer Handvoll von Staaten produziert wird. Es ist einfacher, mit diesen wenigen Staaten zusammenzuarbeiten als möglichst viele Staaten zur Kooperation zu bewegen. Besonders kleinere Klub-Formate wie die G7, G20 oder das Major Economies Forum on Energy and Climate (MEF) bieten sich hier an und können effektiver Maßnahmen gegen den Klimawandeln beschließen und auf den Weg bringen.

  2. Der Fokus sollte auf Bereiche mit großer Hebelwirkung gelegt werden. So bieten beispielsweise die sogenannten kurzlebigen klimawirksamen Schadstoffe (short-lived climate pollutants – SLCPs) wie Ruß oder Methan einen viel effektiveren Ansatzpunkt, da die Verminderung dieser Schadstoffe sehr kurzfristig Wirkung zeigt. Sie sind meist auch leichter durchzusetzen, da sie für die Bevölkerung eine unmittelbare Gesundheitsbelastung bedeuten. Allein durch die Reduktion von Ruß- und Methanemissionen kann die globale Erwärmung bis 2050 um 0,5 °C verringert werden.

  3. Damit die möglichst vollständige Dekarbonisierung der Wirtschaft erreicht wird, soll auf High-Leverage Technologien fokussiert werden. Um diesen Wandel zu bewerkstelligen, ist nicht ein Mehr an Diplomatie notwendig, sondern ein Mehr an substantiellen Investitionen in Technologien, die den notwendigen und tiefgreifenden Wandel ermöglichen. Beispielhaft wird hier die umfassende Elektrifizierung erwähnt. Die bisherigen diplomatischen Bemühungen fokussieren zu stark auf die mehr oder weniger verbindliche Festsetzung von Emissionsreduktionszielen – ein Prozess, der aufgrund des konfliktträchtigen Themas auch mit hohen Transaktionskosten verbunden ist. Die durch Politik bzw. Diplomatie gesteuerte Entwicklung und Umsetzung von Innovationsstrategien wurde bislang eher vernachlässigt.

  4. Um die oben beschriebenen Maßnahmen besser um- und durchsetzen zu können, braucht es zudem bessere Governance. Beispielsweise durch politische Instrumente zum Informationsaustausch, zur Vertrauensbildung, Monitoring und Konfliktlösung im Bereich der Klimapolitik. Die Autoren verweisen hier auf andere Politikbereiche wie Rüstungskontrolle oder Handelspolitik, wo die Ausgangslage vergleichbar ist und deswegen die Übertragung von entsprechenden Erfahrungen zur Verbesserung der Kooperation sinnvoll erscheint. Hier bietet beispielsweise das Pariser Übereinkommen von 2015 einen guten Rahmen für ein Verifikationssystem, welches jedoch mit Leben gefüllt werden muss durch Staaten, die freiwillig eine Vorreiterrolle einnehmen und ihre Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele und deren Erfahrungen damit offenlegen und teilen.

Der Zweck von zwischenstaatlicher Zusammenarbeit ist in erster Linie Probleme zu lösen, die nur über kollektive Steuerung zu lösen sind. Um hier Erfolg zu haben, soll sich internationale Klimapolitik auf die Punkte konzentrieren, die möglichst viel Erfolg durch potentiell große Hebelwirkung versprechen. Beim Thema Klimawandel, wo es zentral um die Transformation hin zu klimaneutralen Energieversorgungen und Wirtschaftssystemen geht, kommt klassische Diplomatie im globalen Maßstab an ihre Grenzen, da sie diese Bereiche nicht direkt steuern kann und auch die grundlegenden Interessen der Staaten, die einer effektiven Klimaschutzpolitik entgegenstehen, nicht beeinflussen kann. Bislang alle größeren Erfolge im Bereich des Umwelt- bzw. Klimaschutzes sind auf Innovationen im Technologie- und/oder Policybereich und weniger auf diplomatische Bemühungen zurückzuführen. Hiervon ausgehend, plädieren die Autoren dafür, in den vier genannten Bereichen mit „undiplomatic action“ und konkrete Maßnahmen den Klimaschutz substanziell voranzubringen.

https://www.brookings.edu/research/undiplomatic-action-a-practical-guide-to-the-new-politics-and-geopolitics-of-climate-change/

Published Online: 2019-09-07
Published in Print: 2019-09-01

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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