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Nietzsche’s Science of Love

  • Frank Chouraqui
Published/Copyright: November 24, 2015

Abstract

In this paper, I examine the possibility of constructing an ontological phenomenology of love by tracing Nietzsche’s questioning about science. I examine how the evolution of Nietzsche’s thinking about science and his increasing suspicion towards it coincide with his interest for the question of love. Although the texts from the early and middle period praise science as an antidote to asceticism, the later texts associate the scientific spirit with asceticism. I argue that this shift is motivated by Nietzsche’s realization that asceticism and science share the same fetish of facts. It is now for Nietzsche no longer a matter of proving the so-called facts of the back worlds to be wrong (something science is very capable of doing), but a matter of rejecting the very structure of thought that reduces a shapeless reality into a series of facts, subjects and objects. It is this second attitude that Nietzsche regards as the common core of science and asceticism. From this critique of science and its correlative critique of facts, Nietzsche begins searching for a counter-attitude able to perform the reduction of the factual attitude. This is the attitude he calls love. Although Nietzsche’s concept of love has oft en been elucidated in terms of its object or its subject, I argue that such interpretations precisely defeat Nietzsche’s point, which is to recover a ground that precedes the division of the world into subjects and objects. Love becomes the name of this intra-relationship of being, opening up to new perspectives on Nietzsche’s ontology of the will to power.

Zusammenfassung

In diesem Aufsatz untersuche ich, ob eine ontologische Phänomenologie der Liebe konstruiert werden kann, indem ich Nietzsches Einstellung zur Wissenschaft nachzeichne. Dabei rekonstruiere ich den Zusammenhang zwischen der Evolution von Nietzsches Denken über die Wissenschaft, seinem ihr gegenüber zunehmenden Misstrauen und seinem Interesse an der Frage der Liebe. Obwohl seine Schriften der frühen und mittleren Schaffensphase die Wissenschaft als ein Gegenmittel zur Askese empfehlen, scheinen die späteren Texte die wissenschaftliche Geisteshaltung mit der Askese zu assoziieren. Meiner Meinung nach lasst sich dieser Wandel durch Nietzsches Erkenntnis erklären, dass die Wissenschaft und die Askese einen Fetischismus für Fakten teilen. Im späteren Werk geht es Nietzsche nicht mehr darum, die Fakten der Hinterwelten zu widerlegen (dies vermag die Wissenschaft sehr wohl). Stattdessen mochte er die Denkweise in Frage stellen, die eine formlose Wirklichkeit in eine Reihe von Fakten, Subjekten und Objekten unterteilt. Es ist diese zweite Haltung, die Nietzsche als gemeinsamen Nenner von Askese und Wissenschaft identifiziert. Ausgehend von dieser Kritik der Wissenschaft und der parallelen Kritik der Fakten sucht Nietzsche nach einer alternativen Geisteshaltung, die in der Lage sein soll, die faktenorientierte Geisteshaltung zu reduzieren. Diese Haltung nennt er Liebe. Obwohl Nietzsches Begriff der Liebe oft im Zusammenhang mit einem Subjekt und einem Objekt der Liebe behandelt wurde, mochte ich argumentieren, dass solche Interpretationen Nietzsches Intention zuwiderlaufen, einen der Einteilung der Welt in Subjekte und Objekte vorangehenden Grund zu identifizieren. Liebe wird zum Namen dieser innerhalb des Seins situierten Beziehung, die neue Perspektiven auf Nietzsches Ontologie des Willens zur Macht eröffnet.

Online erschienen: 2015-11-24
Erschienen im Druck: 2015-11-27

© 2015 by Walter de Gruyter Berlin/Boston

Articles in the same Issue

  1. Titelei
  2. Inhalt
  3. Verzeichnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
  4. Editorial
  5. Kontroverse zum Thema „Was heißt und wie kann man ,Werte schaffen‘?“
  6. 0.0 Einleitung
  7. 0.1–0.9 Selbstvorstellung der Teilnehmer(innen) der Kontroverse
  8. 1. Runde
  9. 1.1 Die Selbstüberschätzung des Philosophen und der Philosophie
  10. 1.2 Die Moral der anderen. Nietzsches Wertkritik
  11. 1.3 How hard is it to create values?
  12. 1.4 Der Journalist, die Presse, der informierte Leser. Nietzsche über Wertegeber, Werte und ihre Vermittlung im Medienzeitalter
  13. 1.5 „Ein Gott als Dienstbote“. Nietzsches Beitrag zu einer Ideen- und Kulturgeschichte der Dienstleistungsgesellschaft
  14. 1.6 Nietzsche’s Highest Value (Affirmation of Life) and its Limits
  15. 1.7 What we can learn from Plants about the Creation of Values
  16. 1.8 Wertschöpfung als kulturelle Praxis. Ein Beitrag Nietzsches zur Kulturphilosophie
  17. 1.9 On Creating Values
  18. 2. Runde
  19. 2.1 Die Vorzüge der Kritik und die Falle des Dekonstruktivismus
  20. 2.2 Aufwertung und Abwertung. Nietzsches Gegenhegemonie
  21. 2.3 What is it like to recognize values? (The hard problem of value 2)
  22. 2.4 Nietzsche über Werte. Zum kulturphilosophischen Aspekt der Rezeption
  23. 2.5 Nietzsches Ästhetik des Schaffens im Zeichen von Schwangerschaft und „Erfindlichkeit“
  24. 2.6 Why Nietzsche Opposes the Creation of Values
  25. 2.7 Are Values of Social or Individual Origin? And what is the Purpose of Values?
  26. 2.8 Normative Implikationen der Moralkritik. Kritische Bemerkungen zu Versuchen, Nietzsche als Metaethiker zu lesen
  27. 2.9 Defending the Creation of Values
  28. 3. Runde
  29. 3.2 Angriff als Verteidigung. Nietzsches Revolutionen
  30. 3.3 What Mary didn’t know about values (The hard problem of value 3)
  31. 3.4 Wie politische Interessen meinungsgesteuerte Werte werden. Nietzsches Kritik an massenmedialer Wertevermittlung im Kontext zeitgenössischer und aktueller Stimmen
  32. 3.9 Some Relevant Distinctions for Understanding the Creation of Values
  33. Abhandlungen
  34. Le rôle de Bacon et de Newton dans l’élaboration de la méthode de Nietzsche
  35. Die Moral eines freien Geistes
  36. What Zarathustra Whispers
  37. Nietzsche’s Science of Love
  38. Nietzsche on Objects
  39. Nietzsche, Selfhood, and the Limitations of the Transcendental Reading
  40. „Du solltest das Perspektivische in jeder Werthschätzung begreifen lernen“. Zum Problem des Perspektivischen in der Vorrede zu Menschliches, Allzumenschliches I
  41. Die Spuren von Nietzsches Schrei ben. Arbeit mit der KGW IX
  42. Orientierung an der Zeit. Logik, Paradoxie und Theorie nach Nietzsche und Luhmann
  43. Diskussion
  44. Contesting Nietzsche’s Agon. On Christa Davis Acampora’s Contesting Nietzsche
  45. Abhandlung zur Geschichte und Edition von Nietzsches Werken
  46. The ‘Entstehung’ of the second Untimely Meditation
  47. Beiträge zur Quellenforschung
  48. Editorial
  49. Nachweise
  50. Nachweis aus Plutarch, Ueber die gemeinen Begriffe. Wider die Stoiker (1861)
  51. Nachweise aus Jacob Bernays, Die Dialoge des Aristoteles in ihrem Verhältniss zu seinen übrigen Werken (1863)
  52. Nachweise aus Emil Heitz, Die verlorenen Schriften des Aristoteles (1865)
  53. Nachweise aus Erwin Rohde, Afterphilologie (1872)
  54. Abhandlung zur Rezeptionsforschung
  55. Friedrich Nietzsche and Jakob Wassermann: Brothers in Spirit?
  56. Bericht
  57. Die gegenwärtige Nietzsche-Forschung in China. Die straussianische Lesart im Fokus
  58. Miszelle
  59. Ritschl als Kollege Nietzsches in Basel? Ein Brief Friedrich Ritschls an Wilhelm Vischer-Bilfinger
  60. Rezensionen
  61. Neuerscheinungen der biographischen Nietzsche-Forschung
  62. Neuerscheinungen zu Nietzsches Denken des Politischen
  63. Furcht, Gewalt und Bejahung eines ausgesetzten Lebens
  64. Nietzsche und Benjamin als Sternbild
  65. Siglen
  66. Register
  67. Hinweise zur Gestaltung von Manuskripten für die Nietzsche-Studien
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