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Anwendungsorientierter Deutschunterricht im 2 plus 3-Programm

  • Zhenhua WENG

    geboren im Mai 1968, ist Vizedekanin der Fakultät für Fremdsprachen und des Chinesisch-deutschen Instituts an der Zhejiang University of Science and Technology.

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Veröffentlicht/Copyright: 16. März 2019
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Zusammenfassung

Diese Arbeit beginnt mit der Vorstellung des 2 plus 3-Programms der Zhejiang University of Science and Technology (ZUST). Die Autorin geht der Frage anschließend nach, worin, trotz der offensichtlichen Attraktivität des Doppelstudiums, die größten Schwierigkeiten liegen. Die Ergebnisse einer Umfrage zeigen, dass sowohl die interkulturellen Schwierigkeiten als auch der mangelhafte Wortschatz den Studienalltag signifikant erschweren. Um Lösungen aufzuzeigen, wird der aktuelle Deutschunterricht im 2 plus 3-Programm erklärt. Die Erfahrungen zeigen, dass sich vor allem mit einem anwendungsorientierten Sprachenlernen die besten Ergebnisse erzielen lassen. Als Schlussbetrachtungen werden weitere Überlegungen für die Verbesserung des Programms erläutert.

Abstract

This paper first introduces the 2 plus 3 program at the ZUST. Then the author probes into the question what the greatest difficulties are, despite of the apparent attractiveness of the double degree program. The results of a questionnaire show that both the intercultural differences and the lack of vocabulary significantly complicate the students’ daily learning. To overcome the above-mentioned difficulties, effective measures have already been taken in German lessons. The German language teaching experience in ZUST suggests that application orientation in German lessons is the key to its success. In the end, further considerations for improving the program are briefly explained.

1 Die Vorstellung des 2 plus 3-Programms

1.1 Bildungsausländer in Deutschland

Die größte Gruppe der Bildungsausländer in Deutschland sind Chinesen. Und dies ungeachtet der Tatsache, dass Deutschland auf dem Wunschzettel der chinesischen Studenten erst auf Platz neun nach USA, Australien, Großbritannien, Japan, Korea, Frankreich und Hong Kong steht nach den USA (vgl. Kraußer/Günthner/Pourrahim 2016). Offensichtlich spielt die Wahl der Sprache eine große Rolle bei dieser Auswahl des Auslandsstudienplatzes. Auch in China ist Englisch in den meisten Fällen die erste Fremdsprache. Dennoch steigt die Anzahl der Bildungsausländer aus China in Deutschland seit 2012 wieder an (vgl. Tab. 1).

Tab. 1

Anzahl Bildungsausländer in Deutschland aus China (vgl. Burkhart et al. 2016)

Jahr2001200420082011201220132015
Anzahl8745240952398322828238832556430259

Die Gründe für diesen Anstieg sind vielfältig. Aus Umfragen unter chinesischen Studenten mit dem Auslandsziel Deutschland geht hervor, dass die Studenten mit einem deutschen Abschluss einen signifikanten ökonomischen Vorteil im späteren Berufsleben verbinden. Demnach gehen Studenten im Gegensatz zu früheren Umfragen (vgl. Tislerova/Zambochova 2011) zielgerichteter ihrer persönlichen und beruflichen Karriere nach.

Seit dem Anfang des 21. Jahrhunderts gibt es verschiedene bilaterale Bildungsprogramme zwischen China und Deutschland. Das wichtigste Ziel dieser Programme war und ist, neben dem Kulturaustausch, besonders seit Beginn des Bologna-Prozesses in Europa, die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen.

Das kooperative Ausbildungsprogramm mit doppelten Abschlüssen (2 plus 3-Programm) zwischen der Zhejiang University of Science and Technology (ZUST) und deutschen Hochschulen bildet über seine Geschichte seit März 2000 diesen Umstand sehr eindrucksvoll ab. Die Verbindung praxisrelevanter Ausbildung mit dem Erlernen der deutschen Sprache als integrativem Bestandteil des Studiums erzeugt entsprechend einige interessante Besonderheiten, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.

1.2 Der Ablauf des 2 plus 3-Programms

Es gibt eine ganze Reihe von sehr unterschiedlichen binationalen Kooperationen zwischen chinesischen und deutschen Hochschulen. Zu den best entwickelten gehört das 2 plus 3-Programm zwischen der ZUST und deutschen Hochschulen. Im Folgenden soll exemplarisch auf das 2 plus 3-Programm zwischen der ZUST und der Hochschule Hannover (HsH) eingegangen werden.

Das 2 plus 3-Programm läuft seit dem Jahr 2000 an der ZUST sowie an der HsH. Das Ziel dieses Programms ist der beiderseits anerkannte Bachelor- (bzw. Diplom FH-)Abschluss der HsH sowie der Bachelor-Abschluss der ZUST. Das Programm läuft wie folgt ab (vgl. Bluemel 2009):

  1. In den ersten zwei Jahren studieren die Studenten in China. Bereits zu Beginn des 4. Semesters müssen sich die Studenten einer fachlichen Auswahlprüfung sowie einer sprachlichen Prüfung unterziehen. Diese „Feststellungsprüfung“ erfolgt für die fachliche Eignung durch eine deutsch-chinesische Fachkommission und für Deutsch durch das niedersächsische Studienkolleg der Leibniz Universität Hannover. Bestehen die Studenten diese zwei Prüfungen, dann erhalten sie die Zulassung für das 3. Fachsemester im gewählten Studiengang an der HsH. Insgesamt werden in diesen vier Semestern ca. 1000 Deutschstunden angeboten.

  2. Nach dem 4. Semester und vor dem 5. Semester findet eine Sommerschule mit deutschen Tutoren in Hangzhou (China) statt. Dabei haben die Studenten die Gelegenheit, sich miteinander auszutauschen und sich kennen zu lernen.

  3. Das 5. und 6. Semester gelten als Brückenjahre, welche zwar einerseits schon im Fachstudium angesiedelt sind, aber dennoch einen Anteil Deutschunterricht sowie begleitende Maßnahmen zur Integration durch die Lehrkräfte bzw. das internationale Büro enthalten.

  4. Ab dem 7. Semester beginnt das reguläre Fachstudium, das im Idealfall nach dem 10. Semester bzw. nach dem 11. Semester, je nach Studiengang, abgeschlossen sein soll.

  5. Das Studium endet mit der Präsentation der Bachelorarbeit an der HsH und der ZUST und den damit verbundenen Verleihungen der deutschen und chinesischen Abschlüsse.

Bis August 2017 sind insgesamt ca. 1150 chinesische Studierende im Rahmen des 2 plus 3-Programms nach Deutschland zum Studium gefahren. Während des Studiums in Deutschland haben 23 Programmstudenten verschiedene Preise gewonnen, darunter 14 Studenten den DAAD-Preis.

2 Schwierigkeiten bei der Durchführung des 2 plus 3-Programms nach den statistischen Analysen

Der Anteil der Studenten, die die Auswahl- und Feststellungsprüfungen Deutsch bestehen, bzw. derer, die ab dem 5. Semester tatsächlich in Deutschland zu studieren beginnen, liegt seit Jahren bei 50 %, in einigen Jahren sogar nur bei ca. 40 %.

Tab. 2

Aufgenommene und delegierte Studenten 2007–2017 (Statistik der ZUST)

JahrgangZahl der Studenten, die nach 4 Semestern zum Studium in deutschen Hochschulen zugelassen sindZahl der Studenten, die am Anfang an dem 2 plus 3-Programm teilnehmenProzent
20077415049,33
20088616053,75
20099118050,56
20108817550,29
20118817550,29
20129716060,60
20139416461,04
20146516938,46
20158917451,14
20167217441,38
201711217464,44

Das 2 plus 3-Programm läuft seit 17 Jahren. Hier offenbart sich auch eine der Schwierigkeiten des 2 plus 3-Programms in China. Die Studenten, die nicht delegiert wurden, können innerhalb dieses Programms „nur“ noch den Bachelor-Degree in China abschließen. Der Erwerb der deutschen Sprache innerhalb der ersten vier Semester kann meistens auf diesem Weg nicht mehr genutzt werden.

Die ganz grundlegenden Hürden für diese Schwierigkeiten sind:

  1. Nach der Beobachtung unserer Lehrer entstammen die chinesischen jüngeren Generationen dem entwickelten Osten des Landes, meistens aus der Provinz Zhejiang und kommen meistens aus wohlhabenden Familien. Sie sind oft nicht ausreichend motiviert, große Bemühungen auf sich zu nehmen, um ins Ausland zu fahren.

  2. Die Zeit an der ZUST ist stark begrenzt. Die Programmteilnehmer müssen in dem 4. Semester die Feststellungsprüfung Deutsch auf dem Niveau B2–C1 bestehen.

  3. Die Programmteilnehmer müssen neben Deutsch auch noch die grundlegenden Fächer des Hauptstudiums bestehen. Nach der Regel des 2 plus 3-Programms dürfen die Studenten, die in den fachlichen Prüfungen zweimal durchgefallen sind, nicht mehr zu den Auswahlprüfungen zugelassen werden. Aus diesem Grund sind ca. 20 % der Studenten aus dem Programm ausgeschieden.

  4. Die chinesischen Studenten haben einen völlig anderen Ausbildungshintergrund als die deutschen Studenten, aber sie müssen dennoch eine „deutsche Auswahlprüfung“ erfolgreich absolvieren.

Der Übertritt an die deutschen Hochschulen ist natürlich noch immer keine Garantie für einen erfolgreichen Abschluss des Studiums. Die Abbrecherquote liegt durchschnittlich bei 13,52 % und ist damit erfreulich niedrig. 50 % der Abbrecher geben „mangelnde Leistungen“ an. Ein zu hoher Anteil von 30 % bricht das Studium aufgrund von „interkulturellen Schwierigkeiten“ ab. Die anderen 20 % verteilen sich auf „Sonstiges“ (finanziell, familiär, gesundheitlich etc.). Die Sprache ist erwartungsgemäß die größte anfängliche Schwierigkeit für die Studierenden. Nach einer Umfrage der Autorin gaben 52 von 82 Befragten die Sprache als das größte Problem an. Um diese Schwierigkeiten zu überwinden und auch die Konkurrenzfähigkeit des Programms zu erhöhen, ist eine Reformierung des Deutschunterrichts sehr wichtig.

3 Aufbau des Anwendungsorientierten Deutschunterrichts

Das 2 plus 3-Programm besteht weitgehend in der anfänglichen Form des Jahres 2000. Dennoch wurden seit Beginn des Programms immer wieder einzelne Teile angepasst und verbessert. Zum Teil resultierten diese Anpassungen aus neuen Gegebenheiten des Bologna-Prozesses, teilweise dienten sie aber auch der Verminderung der geschilderten Schwierigkeiten.

3.1 Die Besonderheiten des Deutschunterrichts im 2 plus 3-Programm

Der Deutschunterricht des 2 plus 3-Programms weist eine Vielzahl an Besonderheiten für die Programmstudenten im Vergleich zu anderen Formen von (Sprachunterrichts-)Programmen auf:

1. Besonderheiten für die Lerngruppe

  1. Das zweijährige Studium an der ZUST ist keine „Vorstufe“ bzw. „Orientierungsphase“ zu einem erweiterten Studium nach dem Spracherwerb. Die Studenten lernen Deutsch als erste Fremdsprache in China und gleichzeitig die grundlegenden Fächer. Sie wollen/müssen nach zwei Jahren in Deutschland weiter studieren.

  2. Die Vorbereitungszeit ist begrenzt. Die Teilnehmer des 2 plus 3-Programms müssen in diesen ersten zwei Jahren ihre Deutschkenntnisse von Null auf B2–C1-Niveau anheben. Dieses Niveau ist notwendig, um die „Feststellungsprüfung Deutsch“ zu bestehen. Die oben angegebenen 1000 Stunden müssen entsprechend effektiv durch die Studenten genutzt bzw. durch den Lehrkörper zielgerichtet angeboten werden.

  3. Die 2 plus 3-Programmteilnehmer kommen alle aus verschiedenen Fachbereichen, d. h., sie lernen nicht nur Deutsch, sondern sie müssen zusätzlich mit ihrem Fachstudium in China (auf Chinesisch) anfangen. Das heißt, die deutsche Sprache hängt zum Wechsel nach Deutschland ohne direkten Fachbezug in der Luft.

2. Besonderheiten für die Lehrziele

  1. Im Curriculum des Deutschunterrichts an der ZUST sind ein kurzzeitiges und ein langfristiges Lehrziel festgelegt:

  2. Kurzfristig: Nach zweijähriger Vorbereitung sollten die Studierenden die Auswahlprüfungen bestehen. Wie oben erwähnt, gliedert sich die Auswahlprüfung im 4. Semester in eine fachliche Prüfung und eine Deutschprüfung. Die fachliche Prüfung besteht aus der Lösung einer fachbezogenen Aufgabenstellung und einem auf Deutsch geführten Interview. Bei dieser fachlichen Auswahlprüfung sollten die Studierenden ihre fachliche Eignung für das Fachstudium und ihre Interessen an dem Studium in Deutschland überzeugend darstellen. Über das Fachgespräch hinaus werden im Interview auch die Motive und die Zukunftserwartung der Studenten abgefragt. Dies dient den Professoren zur Feststellung, ob die Studierenden dem Studienbetrieb in Deutschland gewachsen sind. Die sprachliche Eignung wird mit der „Feststellungsprüfung Deutsch“ abgefragt und ist nach dem Europäischen Gemeinsamen Referenzrahmen für Sprachen (CEFR) auf dem Niveau C1.

  3. Langfristig: Die Studierenden sollen durch das Deutschlernen in der Lage sein, das Studium in Deutschland erfolgreich abzuschließen. Dazu gehören auch die Kompetenzen, mit denen sie sich an das Leben und Studium im Ausland gewöhnen, z. B. Teamarbeitsbereitschaft, Kompetenz zur interkulturellen Kommunikation usw.

3.2 Die drei Phasen der Entwicklung des Aufbaus des Deutschunterrichts

Die Entwicklung des Deutschunterrichts an der ZUST lässt sich in drei Phasen einteilen:

(1) Die Einführungsphase (2000–2005)

Zu Beginn des 2 plus 3-Programms wurde die deutsche Prüfung – die Feststellungsprüfung Deutsch – in China eingeführt. Diese deutsche Sprachprüfung unterscheidet sich sehr von chinesischen Sprachprüfungen, indem sie fast nur die Anwendungsfähigkeit der Lerner prüft. Damals gab es keine Muster, die man für den Deutschunterricht des 2 plus 3-Programms verwenden konnte. Das chinesische Lehrwerk Hochschuldeutsch wurde für das 2 plus 3-Programm eingesetzt, wie auch für anderen Deutschunterricht an chinesischen Hochschulen. Im Gegensatz zu den meisten anderen chinesischen Lernenden, müssen die Programmteilnehmer nicht nur Prüfungen bestehen, sondern die deutsche Sprache (z. B. in der Vorlesung) anwenden lernen. Schon zu Beginn wurde der U-Form-Sitzplan im Klassenraum eingeführt, damit die Studenten einfacher und effektiver miteinander kommunizieren konnten.

(2) Die Reformierungsphase (2005–2010)

In diesem Zeitraum hat sich der CEFR in Europa verbreitet, die Feststellungsprüfung, die jedes Jahr an der ZUST stattfindet, wurde seitdem ständig geändert, um sich dem CEFR anzupassen. Entsprechend wurden eine Reihe von Lehr- oder Übungsmaterialien an der ZUST von Deutschlehrern erstellt. Im Deutschunterricht wurden verschiedene kommunikative Lehrmethoden eingesetzt. Die Bewertung der Deutschleistung von Studenten wurde geändert, 30 % zählt dabei die Leistung während des Semesters, 30 % die mündliche Prüfung und 40 % die Semesterprüfung. Das heißt, der Lernprozess wurde mehr bewertet als die Abschlussprüfung. Das originale deutsche Lehrwerk Passwort wurde im Unterricht als Hauptlehrwerk eingesetzt, mit dem die Studierenden viele realitätsnahe Aufgaben im Unterricht nutzen konnten.

(3) Anpassungsphase (2010 bis heute)

In der dritten Phase legt man mehr Wert darauf, wie die Studierenden in Deutschland ein erfolgreiches Studium abschließen können. Daher werden gleichzeitig die Vermittlung der Sprachkenntnisse, die Erhöhung der Kommunikationsfähigkeit und die allgemeine Bildung der Kompetenzen der Studierenden in den Fokus gerückt. Um das Ziel zu erreichen, werden mehr Aktivitäten außerhalb des Deutschunterrichtes organisiert. Das Deutschlernen erstreckt sich nun bis ins Alltagsleben.

3.3 Maßnahmen zum Aufbau des Anwendungsorientierten Deutschunterrichts

In den letzten 17 Jahren wurde an der ZUST die deutsche Prüfungsreform und seit ein paar Jahren auch der CEFR von Deutschlehrern untersucht und verschiedene Maßnahmen ergriffen, damit die zwei Lernziele des Deutschunterrichts erreicht werden können:

1. Die Änderungen des Curriculums

Da die deutsche Prüfung nach dem CEFR erstellt wird, ist für das Curriculum das Niveau für jedes Semester analog zu den CEFR-Vorgaben der „Kann-Beschreibungen“ festzulegen. Mit den Kann-Beschreibungen wissen die Studierenden, welche Aufgaben sie auf A1–C1 Niveau erledigen können sollten.

2. Anpassung der Unterrichtsorganisation

Der Deutschunterricht des 2 plus 3-Programms muss sich ständig den Änderungen der deutschen Prüfungen anpassen, damit mehr Studenten die Prüfung bestehen. Verschiedene Lehrmethoden werden zu verschiedener Zeit eingesetzt, damit die Studierenden einerseits die Sprache systematisch lernen, andererseits auch trotz des Zeitdruckes immer realistischere Übungen machen können.

3. Erfassen der eigenen Lehr- und Übungsmaterialien

Die Lehrenden stellen nach den langjährigen Erfahrungen eigene Lehr- und Übungsmaterialien zusammen, die die Lehrziele berücksichtigen, z. B. „Vorbereitungsbuch für die Feststellungsprüfung“, „Strategie für ein erfolgreiches Interview“, „Hörtexte und Übungen“, „Lesetexte und Übungen“ usw. Solche Materialien sind gute Ergänzungen zu den üblichen Standard-Lehrwerken.

4. Regelmäßige Teilnahme an Ausbildungen

Die Dozenten bzw. Experten vom DAAD und Goethe-Institut werden regelmäßig nach Hangzhou eingeladen. Sie bringen gute und neue internationale Lehrmethoden und Erfahrungen mit. Dito die Partnerhochschulen aus Deutschland, die mit erfahrenen Experten an der ZUST interkulturelle Trainings mit chinesischen Lehrenden absolvieren.

3.4 Analyse des anwendungsorientierten Deutschunterrichts

Sowohl die Besonderheit für die Lerngruppe als auch die für die Lernziele stellen die Forderung an eine effektive Organisation des Unterrichts. Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg ist die richtige Motivation der Lernenden, die Sprache proaktiv anzuwenden.

Die „Feststellungsprüfung Deutsch“ ist eine von der deutschen Seite organisierte Prüfung, die sich stark von den üblichen chinesischen Prüfungen unterscheidet. Es werden eher wenige deutsche Kenntnisse (Wortschatz, Grammatik) geprüft, sondern vielmehr die kontextbezogene Anwendung der deutschen Sprache. Damit die Studierenden die Sprache anwendungsbezogen verwenden können, wird im Deutschunterricht an der ZUST der Lehrinhalt nach den vier Sprachkompetenzen Sprechen, Hören, Verstehen und Schreiben auf unterschiedliche Module verteilt. In jedem Modul wird ein Schwerpunkt, z. B. Hören oder Schreiben gesondert geübt.

Es wird im Deutschunterricht nicht nur die Vorbereitung auf die formalen sprachlichen Anforderungen der Feststellungsprüfung behandelt, sondern darüber hinaus werden die Studierenden auf die Auswahlgespräche mit den deutschen Professoren vorbereitet. Dies geschieht, indem sie mit Themen und Fragestellungen konfrontiert werden, die sie veranlassen, sich mit ihrem zukünftigen Studienort, ihren Zielen und Studienwünschen genauer auseinanderzusetzen. In besonderem Maße wird die Fähigkeit zum freien Sprechen in verschiedensten Situationen geschult, ohne die ein erfolgreiches Studium in Deutschland fraglich wäre.

Weiterhin werden die verschiedensten Varianten der modernen Fremdsprachenmethodik und ‑didaktik angewendet, wobei auch die ohnehin vorhandene Kreativität der Studenten genutzt wird. Dies reicht von Mindmap-Erstellung, Präsentationen, Rollenspielen bis hin zu kleinen Szenestücken, Filmprojekten und so weiter. Für die Programmstudenten wurde in Hangzhou ein Methodenheft erstellt, das die wichtigsten Informationen über die Lern- und Arbeitstechniken zusammenfasst, welche für ein Studium in Deutschland von grundlegender Bedeutung sind (vgl. Kummer 2016).

4 Interkulturelles Training

Um einen anwendungsorientierten Lernprozess aufzubauen, haben wir den Deutschunterricht in den Fokus gestellt. Andererseits ist auch das interkulturelle Training außerhalb des Unterrichtes sehr wichtig.

In einer von der Autorin durchgeführten Umfrage unter 71 Programmstudenten nach den ersten drei Monaten in Deutschland antworteten immerhin 27, dass sie sowohl die Sprache als auch die Schwierigkeiten des täglichen Lebens für ihre Probleme verantwortlich machten. Zehn der Befragten machten für diese Schwierigkeiten sogar ausschließlich ihre Lebensumstände fest (Mehrfachnennungen waren möglich).

Ein besonderer Umstand und auch eine besondere Schwierigkeit für chinesische Studenten sind die Formalien für das korrekte wissenschaftliche Arbeiten. In der Umfrage geben 13 von 71 an, dass sie Probleme haben, wissenschaftliche Arbeiten oder Berichte zu verfassen. Auch diese Schwierigkeiten sind zum großen Teil in interkulturellen Unterschieden begründet.

Das interkulturelle Training ist eine der wichtigsten und kompliziertesten Komponenten des Deutschlernens für die Programmstudenten. Der Deutschunterricht an der ZUST wird von deutschen und chinesischen Deutschlehrern gleichzeitig durchgeführt. In den Lektionen wird jeweils auch ein Teil Landeskunde vermittelt.

Zum interkulturellen Training gehört auch der überaus erfolgreiche „Deutsche Stammtisch“. Neben der oben erwähnten Funktion, die Studenten sprachlich zu fördern, soll und muss der Stammtisch auf die kulturellen Gegebenheiten im Studienalltag in Deutschland vorbereiten.

5 Schlussbetrachtungen

Das 2 plus 3-Programm ist ein gelungenes Beispiel für interkulturelle und fachliche Hochschulkooperation. Es hat sich gezeigt, dass solche Programme so flexibel gestaltet werden können, dass sie den zum Teil rasanten Veränderungen Rechnung zu tragen vermögen. Damit hat sich dieses Konzept auch für die Zukunft als tragfähig erwiesen. Der Deutschunterricht ist der wichtigste Bestandteil. Ob und wie die Studenten in den ersten zwei Jahren Deutsch lernen, beeinflusst die weitere Durchführung des 2 plus 3-Programms. Dennoch gibt es Überlegungen, die Ergebnisse bzw. den Deutschunterricht durch Änderungen bzw. durch Qualitätssicherung in der Zukunft zu verbessern. Dazu gehören unter anderem:

1. Aufbau einer deutschen „Umgebung“ für die Studenten in China

Die Studenten sollen in einer „deutschen Umgebung“ Deutsch erlernen. Die „Umgebung“ heißt, dass z. B. alle Mitteilungen nur noch auf Deutsch herausgegeben werden, der Lernbereich komplett auf Deutsch umgestaltet wird. Im studentischen alltäglichen Leben sollen die Studenten zu bestimmten Zeiten nur auf Deutsch kommunizieren usw. – es soll also eine deutsche Zone innerhalb der ZUST geschaffen werden.

2. Verstärkung der Szeneunterrichtsmethode

Die 2 plus 3-Programmstudenten müssen sich auf das Leben und das Studium in Deutschland vorbereiten. D. h., es reicht nicht, wenn sie nur eine Reihe der Auswahlprüfungen bestehen, sondern sie sollen die Sprache realitätsnah anwenden können; auch, um die interkulturellen Probleme überwinden zu können. Durch die realitätsnahen Szenen können die Studierenden die Anwendung der Sprache auf einem weiteren Weg beherrschen lernen.

3. Umfangreiche interkulturelle Trainings der 2 plus 3-Programmstudenten

Um die interkulturelle Kompetenz der Programmteilnehmer zu erhöhen, werden umfangreiche Möglichkeiten zu interkulturellen Trainings angeboten, z. B.: Wir laden die deutschen Professoren ein, um eine Reihe von Vorträgen über Deutschland, über das Studium in Deutschland usw. zu halten oder wir richten eine Cafeteria ein, wo man Deutsch spricht und kostenlos Kaffee trinken kann. Außerdem findet jede Woche der deutsche Stammtisch statt, an dem ca. 15–20 deutsche Lehrer und Studenten teilnehmen und für den jeweils ein bestimmtes Thema zur deutschen Kultur festgelegt wird.

4. Vertiefung des Austauschs der deutschen und chinesischen Fach-Lehrer

Da die Teilnehmer des 2 plus 3-Programms Doppel-Abschlüsse bekommen, müssen die Fächer auf beiden Seiten weiterführend gegenseitig anerkannt werden. In der Umfrage gaben 52 von 91 Befragten an, dass der Hauptgrund, warum sie die Fachbücher nicht verstünden, sei, dass es ihnen am fachlichen Wortschatz mangele. Diese Situation kann durch eine engere Zusammenarbeit der Lehrer aus Deutschland und China verbessert werden.

Es bleibt zu hoffen, dass immer mehr Programmteilnehmer durch noch mehr Bemühungen, mit der Anwendungsorientierung im Mittelpunkt, die Schwierigkeiten überwinden und mehr Erfolge im Studium erzielen können. Mit der Globalisierung entstehen immer mehr kooperative Bildungsprogramme weltweit. Viele unserer Erfahrungen lassen sich auf andere Systeme übertragen. Wir sind uns sicher, dass diese zu mehr Erfolg solcher Kooperationen beitragen können.

Über den Autor / die Autorin

Prof. Zhenhua WENG

geboren im Mai 1968, ist Vizedekanin der Fakultät für Fremdsprachen und des Chinesisch-deutschen Instituts an der Zhejiang University of Science and Technology.

Literatur

Bluemel, Beate et al. (2009): Ohne Fleiß kein Reis – eine deutsch-chinesische Ausbildungspartnerschaft. Hannover: Fachhochschule Hannover. Online: https://www.hs-hannover.de/fileadmin/media/doc/ib/Chinaprogramm/Ohne_Fleiss_kein_Reis_2009.pdf (14.09.2017).Suche in Google Scholar

Burkhart, Simone et al. (2016): Wissenschaft Weltoffen 2016. Bielefeld: Bertelsmann. Online: http://www.wissenschaftweltoffen.de/publikation/wiwe_2016_verlinkt.pdf (14.09.2017).Suche in Google Scholar

Colson, Thomas (2016): The Top 10 Countries where Chinese Students Study Abroad. New York: Business Insider. Online: http://www.businessinsider.de/knight-frank-ranking-countries-where-chinese-students-study-abroad-2016-9 (14.09.2017).Suche in Google Scholar

Kraußer, Sebastian; Günthner, Susanne; Pourrahim, Sanaz Rassuli (2016): China-Daten & Analysen zum Hochschul- und Wissenschaftsstandort. Bonn: DAAD. Online: https://www.daad.de/medien/der-daad/analysen-studien/bildungssystemanalyse/china_daad_bsa.pdf (14.09.2017).Suche in Google Scholar

Kummer, Imme (2016): Zweijährige Vorbereitung an der ZUST (China) aus der Sicht einer Deutschlehrerin aus Deutschland. Hannover: Hochschule Hannover. Online: https://www.hs-hannover.de/?id=21439 (14.09.2017).Suche in Google Scholar

Tislerova, Kamila; Zambochova, Marta (2011): Study Abroad: are Expectations of Chinese Students Different? Singapore: IACSIT Press. Online: http://textychybejici.wz.cz/Study_abroad_are_expectations_of_Chinese_students_different.pdf (14.09.2017).Suche in Google Scholar

Online erschienen: 2019-03-16
Erschienen im Druck: 2019-03-13

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Frontmatter
  2. Frontmatter
  3. Deutsch als Fremdsprache in China: Einführung in den Themenschwerpunkt
  4. Beitrag zum Themenschwerpunkt „DaF in China“ I. Germanistik und Deutsch als Fremdsprache in China
  5. Perspektiven zur Didaktik und Methodik für Deutsch als Fremdsprache (DaF) in China – am Beispiel „Hochschuldeutsch“
  6. Beitrag zum Themenschwerpunkt „DaF in China“I. Germanistik und Deutsch als Fremdsprache in China
  7. Deutschdidaktik und -methodik in China – Entwicklungen und Erfahrungen
  8. Beitrag zum Themenschwerpunkt „DaF in China“I. Germanistik und Deutsch als Fremdsprache in China
  9. Die Sprachspezialisten der philologisch ausgerichteten Germanistik in China – vom Sprachtalent zum Multitalent?
  10. Die Bedeutung des Deutschen in wissenschaftlicher und institutioneller Kommunikation chinesischer Nachwuchsforscher in Deutschland
  11. Zukunftsvisionen für die chinesische Germanistik
  12. Beitrag zum Themenschwerpunkt „DaF in China“ II. Aus- und Fortbildungsprogramme
  13. Deutschlehrerqualifizierung in China am Beispiel der Kooperationsprogramme der Fremdsprachenuniversität Guangdong und der Zweiten Fremdsprachenuniversität Peking
  14. Anwendungsorientierter Deutschunterricht im 2 plus 3-Programm
  15. Die Hochschullehrerfortbildung für junge chinesische Deutschlehrkräfte: Rückblick und Evaluation
  16. Eine rasante Entwicklung: Deutsch als Fremdsprache an chinesischen Schulen im Kontext der Programme des Goethe-Instituts China
  17. Überlegungen zur Dolmetscherausbildung an chinesischen Germanistikabteilungen
  18. Beitrag zum Themenschwerpunkt „DaF in China“ III. Deutsch als Fach- und Wissenschaftssprache
  19. Einsatzmöglichkeiten einer Bedarfsanalyse zur Curriculum-Entwicklung für berufsorientierten DaF-Unterricht in China
  20. Integration von Sprach- und Fachlernen im Kontext chinesisch-deutscher Kooperationsstudiengänge am Beispiel des Maschinenbaustudiums an der Chinesisch-Deutschen Technischen Fakultät (CDTF, Qingdao/Paderborn)
  21. DaF als Berufssprache für die Automobilfertigung in China. Zur kollaborativen Entwicklung von bedarfsorientierten DaF-Lehrmaterialien
Heruntergeladen am 20.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/infodaf-2019-0008/html
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