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Perspektiven zur Didaktik und Methodik für Deutsch als Fremdsprache (DaF) in China – am Beispiel „Hochschuldeutsch“

  • Jianhua ZHU

    geb. 1956 in Shanghai, absolvierte 1978 das Hochschulstudium an der Fremdsprachenhochschule Shanghai, 1981 das Magisterstudium an der Tongji-Universität und promovierte 1987 an der Ruhr-Universität Bochum. Er war/ist Ordentlicher Professor für Germanistik an der Tongji-Universität, Shanghai (von 1993 bis heute), Humboldt-Forschungsstipendiat (1994–1995), Fellow im Internationalen Kolleg Morphomata der Universität zu Köln (2016–2018). Soziale Funktionen: Vizevorsitzender des Anleitungskomitees für Fremdsprachenlehrveranstaltungen des Erziehungsministeriums in China, Leiter des Arbeitskreises Hochschuldeutsch (von 1993 bis heute). Präsident der Internationalen Vereinigung für Germanistik (IVG) (2010–2015). Ehrenpräsident der IVG (2015–2020). Fachgebiete: Germanistische Linguistik, interkulturelle Kommunikation, Didaktik und Methodik Deutsch als Fremdsprache

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Published/Copyright: March 16, 2019

Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag fokussiert die Lehrerausbildung für Deutsch als Fremdsprache in China. Vor dem Hintergrund einer langen historischen Entwicklung und der Tendenz zur Vielsprachigkeit in der Gegenwart erfährt der Deutschunterricht heutzutage einen Boom in China. Dabei sind die Anpassung an den großen Bedarf an Lehrkräften, die Verbesserung der Lehrinhalte und Lehrmethoden sowie der Einsatz der modernen Lehrtechnik wichtige Faktoren für eine nachhaltige Entwicklung.

Abstract

The present paper focuses on teacher training of German as a foreign language in China. On the background of a long historical development and the tendency to speak multiple languages at present, teaching German language is experiencing a boom in China today. At the same time the adaptation to the great need of qualified teaching staff, the improvement of teaching content and methods of learning as well as the use of modern teaching methods are important factors for sustainable development.

1 Historische Entwicklung und gegenwärtige Situation von DaF in China im Überblick

Die institutionelle Beschäftigung mit der deutschen Sprache, Literatur und Kultur in China, vor allem an Universitäten und Hochschulen, hat eine Tradition von etwa 150 Jahren. Sie geht zurück auf die Einführung des Deutschunterrichtes in Tongwen-Guan im Jahr 1871 in Beijing und auf die 1907 eingerichtete Tongji Medizinische Schule und deutsche Sprachschule als Vorgänger der Tongji-Universität, wo hauptsächlich deutsche Muttersprachler als Lehrkräfte eingesetzt wurden.

Die Ausbildung der Deutschlehrer ist eng mit der Entwicklung des Fachs Germanistik bzw. Deutsch als Fremdsprache verbunden. Die Anfangsphase ist geprägt durch die ältere Generation der chinesischen Germanisten wie Feng Zhi von der Peking-Universität und Zhang Weilian von der Nanjing-Universität von den 30er bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Durch ihre Lehrtätigkeiten wurden Germanisten ausgebildet, die in erster Linie als Deutschlehrer, zum Teil auch als Übersetzer arbeiteten, wodurch nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch Literaten, Komponisten und Denker der deutschen Kulturgeschichte wie Goethe, Schiller, Leibniz, Schopenhauer, Mozart, Beethoven bis hin zu Marx und Engels dem chinesischen Publikum vorgestellt wurden. Wegen der gesellschaftlichen und politischen Instabilität, Isolation und Abkapselung blieb die Germanistik als Fach und somit auch die Deutschlehrerausbildung in China insgesamt bis Ende der Kulturrevolution 1976 jedoch schwach.

Nach der Kulturrevolution, besonders seit der Reform- und Öffnungspolitik Chinas im Jahre 1978, verbesserte sich das gesellschaftliche Umfeld für die Fremdsprachenlehre, darunter auch Germanistik oder Deutsch als Fremdsprache, als Fach in China. In den Großstädten wie Beijing, Shanghai, Nanjing usw. fing man an, ehemalige Germanistikstudenten als Postgraduiertenstudenten (auch Aspiranten genannt) aufzunehmen und in einem Aufbaustudium in Germanistik zum Magisterabschluss auszubilden. So wurden z. B. 1979 an der Tongji-Universität die ersten 18 Postgraduiertenstudenten zum Germanistikstudium mit der angewandten Linguistik und Fachsprachenforschung als Schwerpunkt aufgenommen. Da man damals schon davon ausging, dass mindestens ein Teil der Absolventen als Deutschlehrer tätig wird, wurde für diesen Bedarf das Unterrichtsfach Fremdsprachendidaktik (waiyu jiaoxuefa) eingeführt, das man bis heute als ein wichtiges Modul in der Germanistenausbildung behalten hat.

Eine strenge Deutschlehrerausbildung mit Didaktik und Methodik im DaF-Bereich oder Sprachlehrforschung als Fachrichtung im Germanistikstudium gibt es meines Wissens jedoch bis heute noch nicht, obwohl der Deutschlehrerberuf bei den Germanistikstudentinnen und -studenten als eine der wichtigen Möglichkeiten der Berufswahl betrachtet wird. Nach einer Statistik für die Berufsfelder der Absolventen an der Zweiten Fremdsprachenhochschule Beijing von 2001 bis 2004 arbeiteten zehn von 137 Absolventen als Deutschlehrerinnen und -lehrer in Universitäten und Fachhochschulen. In einer weiteren Untersuchung bei 531 Germanistikstudenten und -studentinnen über ihre Berufswünsche haben jedoch 62 Absolventen (11,67 %) den Deutschlehrerberuf gewählt (Zhu 2007: 215ff.).

Für die weitere fachliche Qualifizierung der vorhandenen Lehrkräfte wurden Lehrerfortbildungsseminare von den beiden Anleitungskomitees, meistens auch mit der Unterstützung von DAAD oder dem Goethe-Institut, organisiert. An der Tongji-Universität wurde ein Deutschlehrerfortbildungszentrum vom Anleitungskomitee für Germanistik eingerichtet, wo jedes Jahr mehrere Deutschlehrerfortbildungsseminare organisiert wurden. Nach einer Statistik wurden z. B. in den 1990er Jahren 27 Lehrerfortbildungsseminare für Germanistikstudenten bzw. Deutschlehrer aus dem ganzen Land unter der Kursleitung der deutschen Experten veranstaltet. Die Themenbereiche sind vor allem praxis- und anwendungsorientiert, wie z. B. Einführung in die moderne Linguistik, Fachsprachenforschung, Stilistik und Schreibübungen, kontrastive Linguistik, Textlinguistik, Soziolinguistik, Theorie der Valenzgrammatik, Aufsatzunterricht, Förderung der interkulturellen Kompetenz.

Heute betont man in chinesischen Hochschulen und Universitäten immer mehr, dass die Deutschlehrer nicht nur ihre Lehraufgaben erfüllen, sondern auch wissenschaftliche Forschungsarbeit leisten sollen. In den Universitäten, wo relativ viele Deutschlehrer tätig sind, werden Forschungsprojekte aktiv durchgeführt, Workshops veranstaltet und Sammelbände für bestimmte Themenbereiche publiziert. So hat man an der Fremdsprachenuniversität Shanghai z. B. in den 90er Jahren zwei Sammelbände „Arbeiten zur Germanistik“ herausgegeben, in denen Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Landeskunde, Didaktik-Methodik für Deutsch als Fremdsprache usw. thematisiert sind. 2002 wurde eine Festschrift zum 100. Geburtstag von Prof. Zhang Weilian herausgegeben, in der 34 Beiträge literaturwissenschaftliche, linguistische, übersetzungswissenschaftliche und didaktische Bereiche thematisiert haben.

Besonders zu erwähnen ist, dass die Zahl der Universitäten und Hochschulen, wo Germanistik als Fach eingerichtet wird, sich von etwa 20 Anfang der 1990er Jahre (vgl. Autorenkollektiv 1992) bis 2017 auf 110 erhöht hat, wobei auch viele Berufsfachhochschulen (gaozhi gaozhuan) und private Hochschulen Deutsch als Fach eingerichtet haben. Ein weiteres Beispiel ist Deutsch für Nichtgermanisten in allen anderen Studienfächern an chinesischen Universitäten und Hochschulen als erste oder zweite Fremdsprache, das in China in der Regel als „Hochschuldeutsch“ bezeichnet wird. Nach einer Statistik vom Chinesischen Deutschlehrerverband im Jahr 1997 gab es an etwa 120 Universitäten und Hochschulen Deutschunterricht für Nichtgermanisten. Nach dem Stand der landeseinheitlichen Prüfung „Hochschuldeutsch“ Stufe 4 und Stufe 6 vom Jahr 2015 kamen die Prüfungskandidaten aus über 220 Universitäten und Hochschulen (vgl. Tab. 1).

Tab. 1

(nach der Statistik vom Prüfungsbüro für „Hochschuldeutsch“ Stufe 4 und Stufe 6 von 1995 bis 2015)

JahrZahl der ProvinzenZahl der Hochschulen Zahl der Teilnehmer
19958171012
199814521202
200016701564
200317903907
2006221246048
2008251618133
2010252208617
2013252168263
2014 25 239 9024
2015252329404

Angesichts der Globalisierung der Wirtschaft und Internationalisierung der Wissenschaft und Technik und gleichzeitig der kulturplurizentrischen Entwicklung haben die Experten für Fremdsprachenpolitik in China immer mehr erkannt, dass eine Vielsprachigkeit auch für China von wichtiger Bedeutung ist. Englisch wird heutzutage zwar überall als Lingua franca verwendet, andere Fremdsprachen wie Deutsch, Französisch, Japanisch usw. sind jedoch als wichtige Kultursprachen für Chinesen in der interkulturellen Kommunikation weiterhin unentbehrlich.

Im Schulbereich hat man in den letzten Jahren in kurzer Zeit Deutsch in zahlreichen Schulen eingeführt, z. B. durch die PASCH-Initiative für Mittelschulen. Dass Deutsch als ein Prüfungsfach neben Englisch auch in die Hochschulaufnahmeprüfung (gao kao) eingeführt wird, befindet sich in Vorbereitung.

2 Bedarf an Lehrkräften

Insgesamt können wir heute die erfreuliche Erscheinung beobachten, dass die Germanistik und Deutsch als Fremdsprache in China, mit der raschen wirtschaftlichen Entwicklung Chinas Schritt haltend, einen Boom aufweisen. Gleichzeitig muss man für eine nachhaltige Entwicklung des Fachs sorgen. Unausweichlich ist der große Bedarf an hochqualifizierten Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern. Nach einer Umfrage vom Anleitungskomitee für Germanistik als Fach vom Jahr 2004 sieht die Strukturverteilung von insgesamt 500 Deutschlehrerinnen und -lehrern nach ihren fachlichen Schwerpunkten wie folgt aus (vgl. Tab. 2).

Tab. 2

(aus Qian u. a. 2004: 70): 1. Literaturwissenschaft 2. Sprachwissenschaft 3. Landeskunde und Diplomatie 4. Fachsprachen, Wirtschaft und Außenhandel 5. Interkulturelle Kommunikation 6. Übersetzung 7. Didaktik und Methodik 8. Sprachunterricht 9. andere

Insgesamt1.2.3.4.5.6.7.8.9.
5008958293946475811915
100 %17,8 %11,6 %5,8 %7,8 %9,2 %9,4 %11,6 %23,8 %3 %

Daraus ist ersichtlich, dass die Zahl der Lehrkräfte bei 8 überwiegt, bei 1, 2 und 7 jedoch auch einen großen Teil ausmachen. Das bedeutet, dass die Lehrkräfte einerseits in erster Linie als Sprachlehrer eingesetzt werden, andererseits weiterhin den philologischen Kern (Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft) mehr oder weniger behalten. Gleichzeitig legt man einen großen Wert auf die Didaktik und Methodik bzw. Sprachlehrforschung.

Im Bereich „Hochschuldeutsch“ für Nichtgermanisten wurde eine weitere Recherche vom Anleitungskomitee für „Hochschuldeutsch“ zwischen 2005 und 2010 mit Umfragen an repräsentativen 100 Universitäten und Hochschulen in 22 Provinzen durchgeführt. Dabei wurden 450 Deutschlehrerinnen und -lehrer für Sprachunterricht ermittelt. Die Strukturverteilung sieht wie folgt aus (vgl. Tab. 3a und 3b, Zhu 2013: 15):

Tab. 3a

Nach der Ausbildung mit Hochschulabschluss

InsgesamtPromotion Magister Bachelor
45052238160
100 %11,6 %52,9 %35,6 %
Tab 3b

Nach dem Alter

InsgesamtUnter 35Von 36–45Von 46–55Über 55
4502319310422
100 %51,3 %20,6 %23,1 %4,9 %

Außer wenigen Universitäten und Hochschulen, wie die Fremdsprachenuniversität Beijing und die Tongji-Universität, haben die meisten deutschen Fakultäten und Abteilungen nicht so viele Lehrkräfte. Viele Universitäten und Hochschulen, an denen „Hochschuldeutsch“ unterrichtet wird, haben nur ein bis zwei Lehrkräfte, so dass man oft über den Lehrermangel klagt. Da immer mehr Schulen Deutsch als 2. Fremdsprache bzw. Alternative nach Englisch einführen, wird der Bedarf an Deutschlehrerinnen und -lehrern in absehbarer Zeit auf bis zu 1000 eingeschätzt. Um diese Bedarfslücke zu füllen, ist die Aufgabe der Lehrerausbildung für Deutsch als Fremdsprache in China dringender denn je, so dass man sich in vielen Universitäten Gedanken machen muss, neben der herkömmlichen Germanistenausbildung die Deutschlehrerausbildung als neue Fachrichtung in den Magisterstudiengang einzuführen. Die Tongji-Universität ist z. B. dabei, ein gemeinsames Deutsch-Lehren-Lernen-(DLL)-Programm mit der Universität Jena vorzubereiten und in den Magisterstudiengang zu integrieren.

3 Anforderungen an Lehrinhalte

Im Prozess der Globalisierung und Internationalisierung ist das Bewusstsein der interkulturellen Kommunikation immer mehr in das Fach Germanistik und Deutsch als Fremdsprache in China eingedrungen. Seit den 1990er Jahren gibt es immer mehr Diskussionen in der Sprachdidaktik. Es geht weit über die normale kontrastive Linguistik oder Komparatistik hinaus. Ansätze der interkulturellen Kommunikation dringen in die Landeskundeforschung (z. B. Sensibilisierung für die eigene Kultur), Didaktik und Methodik von Deutsch als Fremdsprache und Fachsprache usw. ein, wobei eine interdisziplinäre Verknüpfung mit z. B. Naturwissenschaft und Technik (z. B. Fachsprachenforschung), Wirtschaftskommunikation (Wirtschaftsdeutsch), Erziehungswissenschaft (Sprachlehrforschung), mit Philosophie (taoistische, konfuzianistische und klassische Philosophie) geschieht.

In verschiedenen Curricula für die Sprachausbildung und Germanistenausbildung wird die Förderung der interkulturellen Kompetenz als Lernziel aufgenommen. Dies ist als Schlüsselqualifikation neben der Vermittlung der Sprachkenntnisse und -fertigkeiten unentbehrlich geworden.

In Bezug auf Lehrinhalte ist insgesamt die Tendenz zur Kombination der Sprachvermittlung mit der Kulturvermittlung zu beobachten. Nach dem überarbeiteten Curriculum, z. B. für „Hochschuldeutsch“ im Jahre 2001, muss man „im Unterricht dem Studenten die notwendigen Sprachkenntnisse beibringen und zugleich ihn auch dazu führen, mit den gelernten Deutschkenntnissen und Fertigkeiten viel zu lesen und weitere sprachliche Kommunikationstätigkeiten auszuüben. Es wurde zum ersten Mal erwähnt, dass man Wert auf die Förderung der interkulturellen Kompetenz legen muss“ (Autorenkollektiv 2001). Daran kann man erkennen, dass die Sprachvermittlung und Kulturvermittlung nicht mehr wie vor 20 Jahren in der Fremdsprachenpolitik getrennt betrachtet werden sollen. Interkulturalität war für die Fremdsprachenvermittlung in China bis Anfang der 80er Jahre keine Selbstverständlichkeit. So wurden z. B. direkt nach der Kulturrevolution für die Öffnungspolitik Chinas die Vermittlung der Sprachkenntnisse und das Trainieren der Sprachfertigkeiten stark betont, jedoch gleichzeitig mit der Isolierung von der Fremdkultur im Sinne der westlichen Geistesverschmutzung. Diese naive Einstellung gegenüber Fremdsprachen ist heutzutage Geschichte geworden.

Seit mehr als zehn Jahren werden die Förderung der komplexen Sprachfertigkeiten und außerdem die Förderung der interkulturellen Kompetenz immer mehr in den Vordergrund gestellt. Durch weitere zehnjährige Arbeit in der Unterrichtspraxis wurde das Curriculum 2010 endlich reformiert zu den „Anforderungen an das Unterrichtsfach ,Hochschuldeutsch‘“ (vgl. Autorenkollektiv 2010). Es fällt dem Leser besonders auf, dass man im neuen Dokument von 2010, im Unterschied zu den vorherigen Curricula, die Förderung der umfassenden Sprachfähigkeit stark berücksichtigt und gleichzeitig die Förderung der interkulturellen Kompetenzen als Schwerpunkt betont. An dem Punkt „Förderung der interkulturellen Kompetenz“ kann man erkennen, dass die Sprachvermittlung und Kulturvermittlung nicht mehr wie vor 30 Jahren in der Fremdsprachenpolitik getrennt betrachtet werden sollen.

Die Förderung der interkulturellen Kompetenz im Deutschunterricht zielt, wie es im neuen Curriculum 2010 „Anforderungen an Lehren und Lernen im ,Hochschuldeutsch‘“ formuliert wird, „auf die Sensibilisierung für gemeinsame Grundwerte, Normen und kulturelle Ähnlichkeit sowie der Verständigung zwischen Menschen aus den deutschsprachigen Ländern und China. Es sollen Verhaltensmerkmale und Fertigkeiten entwickelt werden, die auf Anerkennung und Wertschätzung kultureller Besonderheiten, Toleranz, gegenseitiges Verstehen, Solidarität, Entdeckung von Möglichkeiten gegenseitiger Ergänzung und Bereicherung und den Aufbau eines interkulturellen Erfahrungs- und Handlungswissens orientieren. Ziel ist darüber hinaus die Sensibilisierung für fremdkulturelle Lebens-, Sicht- und Denkweisen, die es ermöglichen, Konfliktpotentiale zu minimieren und analytische Beobachtungsverfahren zu entwickeln, die eigenständiges interkulturelles Lernen mit dem Ziel von Interpretationssicherheit, Handlungssicherheit und Orientierungssicherheit ermöglichen“ (Autorenkollektiv 2010: 1). Die Anforderungen umfassen sowohl das 4-Stufen-Niveau als auch das 6-Stufen-Niveau. Dabei hat man zum ersten Mal einen Anhang interkultureller Kompetenz eingefügt.

Die detaillierten Beschreibungen umfassen zwei Teile:

  1. Allgemeine Themen:

    1. Kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten

    2. (Höflichkeits)formen und -stile in der Interaktion:

      1. Anrede und Duzen/Siezen, Umgang miteinander, Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern, Beziehung zwischen Fremden, Beziehung zwischen den Geschlechtern, Begrüßung, Einladungen, Einstellung zur Zeit (Pünktlichkeit)

      2. Diskursstrategien, Sprachroutinen, Vermeidungsrituale

      3. Schweigen

      4. Beispiele für indirekte/direkte Rede

    3. Nicht-verbale/Non-verbale Kommunikation: Haptik und Körperkontakt, Proxemik (Raum, Distanz), Gesichtsausdruck (Mimik) und Blickkontakt, Gestik, Paralinguistik

    4. Beziehung zwischen den Menschen aus den deutschsprachigen Ländern und Menschen aus China, Bild der deutschsprachigen Länder in China, Chinabild in den deutschsprachigen Ländern

    5. Stereotypen und Vorurteile

    6. Sprache und Denken

    7. u. a.

  2. Spezielle Themen:

    1. Arbeitsgewohnheiten, Freizeitverhalten, Umgang mit Behörden, öffentliche Verkehrsmittel, Tagesablauf, Leben in der Familie

    2. Tabuthemen, Redensarten und deren Interpretation

    3. Essgewohnheiten, Kleidung, Beziehung zur Natur

    4. Geschichte, Geographie und Klima, Staatsform, nationale Symbole, Religion, Erziehungssystem, Sehenswürdigkeiten, politisches System, Geschichte der Sprache, Feste, Liedgut, Wirtschaftssystem und Exportartikel, Literatur, Musik, Kunst

    5. u. a.

Die genannten Veränderungen zur umfassenden Sprachfähigkeit und zur interkulturellen Kompetenz haben einen weitgehenden Einfluss auf die praktischen Arbeiten wie z. B. die Lehrbucharbeit, das Prüfungsverfahren sowie die Unterrichtspraxis ausgeübt, was auch die Neuorientierung der Fremdsprachenpolitik in China reflektiert.

4 Sprachdidaktische Grundlagen und Anforderungen an Lehrmethoden – am Beispiel von „Hochschuldeutsch

Im Hinblick auf die sprachwissenschaftliche und sprachdidaktische Entwicklung sind in den letzten Jahrzehnten zwei wichtige Forschungsströmungen und -richtungen vertreten: Strukturalismus und Funktionalismus. Nach den Grundprinzipien des Strukturalismus sind Sprachkenntnisse nach der grammatischen Progression systematisch zu erklären. Der Deutschunterricht wird „grammatikorientiert“ gestaltet. Dabei sind Satzmuster, Ersatzübungen, grammatische Satzumformungen usw. die häufig verwendete Lehr- und Lernmethode; der Funktionalismus legt dagegen einen größeren Schwerpunkt auf die sprachliche Kommunikationskompetenz, deswegen richtet sich das Fremdsprachenlehren und -lernen nach den kommunikativen Funktionen der Sprache, wobei die pragmatische Verwendung der Sprache nach Kommunikationssituationen und -intentionen nachdrücklich betont wird. Im Bereich „Angewandte Linguistik“ sind unterschiedliche Theorien über Fremdsprachendidaktik zustande gekommen, wie z. B.: Grammatik-Übersetzungsmethode, direkte Methode, audio-visuelle-Technik, kommunikative Methode. Jahrelange didaktische Erfahrungen in „Hochschuldeutsch“ in China haben mehrmals bewiesen: Keine einzige Methode ist das Wundermittel. Für verschiedene Lernziele, -gruppen und -inhalte sind unterschiedliche didaktische Ansätze und Methoden zu empfehlen.

Entsprechend den Lern- und Lehrsituationen hat man seit langem in chinesischen Hochschulen und Universitäten ein Überdenken didaktischer und methodischer Leitgedanken erlebt. Zwar sind die Situationen der Universitäten und Ausbildungsmodelle für „Hochschuldeutsch“ noch ziemlich diffus und inhomogen. Aber durch verschiedene Lehrerfortbildungsseminare und den Erfahrungsaustausch bei verschiedenen Tagungen und Arbeitssitzungen kommt man zur gemeinsamen Erkenntnis, dass man den DaF-Unterricht in China neben der Einführung der fortschrittlichen Lehrmethoden auch nach den chinesischen Situationen gestalten soll. Dabei hat z. B. das Ausbildungsmodell für „Hochschuldeutsch“ in China besonders den Lernsituationen, Lerngewohnheiten sowie den muttersprachlichen sowie englischen Interferenzen bei chinesischen Studenten (vgl. Gao 1982: 45ff.; Sui 1985: 354ff.) Rechnung zu tragen. Hier ist besonders zu betonen, dass der Unterricht „Hochschuldeutsch“ wegen des Lehrkräftemangels und der ständigen Zunahme der Studentenzahl in fast allen Hochschulen und Universitäten in großen Gruppen erteilt wird, gewöhnlich über 35 Studenten, manchmal sogar über 80 bis 100 Studenten in einer Klasse. Daher ist heute eine Kombination von verschiedenen Lehrmethoden zu beobachten: lehrerzentrierter Frontalunterricht und studentenzentrierte Übungen in kleineren Gruppen, Achten auf die grammatische Progression, verstärktes Training von Hör- und Sprechfertigkeiten, Betonung der Kommunikationsintentionen, situative Einbettung der Übungstypologie in verschiedene gesellschaftliche und alltägliche Lebensumfelder nicht nur in Deutschland, sondern auch in China usw.

Aufgrund der begrenzten Stundenzahl der Lehrveranstaltungen (bei einer Gesamtzahl von 240 bis 280 Unterrichtsstunden für Nichtgermanisten) und der großen Zahl der Studierenden spielen Deutschlehrerinnen und -lehrer im Lehrprozess beim „Hochschuldeutsch“ eine wichtige Rolle. In der Lehrpraxis ist der Frontalunterricht als das häufigste Unterrichtsmodul zu bezeichnen. Neben den traditionellen vier Fertigkeiten Lesen, Hören, Sprechen und Schreiben können heutzutage das interkulturelle Bewusstsein und die interkulturelle Kompetenz der Lehrer starke und nachhaltige Wirkungen auf die der Lerner ausüben. Davon ausgehend rückt die Lehrerausbildung und -fortbildung immer mehr in den Vordergrund. Unter Zusammenarbeit und Kooperation mit dem Anleitungskomitee für „Hochschuldeutsch“ und dem Goethe-Institut Beijing hat der Verlag für Fremdsprachenlehre und -forschung in den Jahren 2003, 2006, 2007, 2009, 2010 und 2012 in Städten wie Beijing, Nanjing, Shanghai, Changchun und Wuhan insgesamt acht Fortbildungsseminare veranstaltet, deren Themen von der Landeskunde bis zur interkulturellen Kommunikation reichen. Jedes Seminar dauert durchschnittlich zwei bis drei Tage, enthält jeweils z. B. Reportagen und Referate über bestimmte Didaktik-Themen, Lehrerfahrungsaustausch, Empfehlungen der Vorbereitung auf den Unterricht und die Entfaltung des Unterrichtsplans. Durch Teilnahme an diesen Fortbildungen können sich unsere Deutschlehrerinnen und -lehrer immer mehr über die moderne Fremdsprachenlehrforschung informieren und gleichzeitig auch das interkulturelle Bewusstsein und die interkulturelle Kompetenz stärken. Das begünstigt selbstverständlich die didaktische Überlegung zur Lehrmethode.

5 Einsatz der neuen Medien

Da wir heute in einem Informationszeitalter leben, wird auch im Unterrichtsfach „Hochschuldeutsch“ nicht versäumt, von modernen technischen Errungenschaften zu profitieren. In den meisten Hochschulen und Universitäten strebt man immer mehr danach, neben den traditionellen Lehrbüchern und Hörmaterialien neue Medien und audiovisuelle Materialien wie Multimedia, elektronische Lehr- und Übungsmaterialien, CDs, DVDs, Filme einzusetzen und Computersprachlabors einzubauen. Dadurch kann man den DaF-Unterricht angesichts des Lehrermangels effektiv machen und die Lehrqualität erhöhen.

Im Lehrwerk Klick auf Deutsch, das vom Anleitungskomitee für „Hochschuldeutsch“ als Schwerpunktprojekt im 10., 11. und 12. Fünfjahresplan auf der staatlichen Ebene Chinas organisiert wurde, beschränkt sich das Anknüpfen an das Internet nicht lediglich auf das Aufgreifen der Themen aus dem Gebiet Computer und Internet. Es wird auch die Möglichkeit angeboten, Text- und Bildmaterialien aus Webseiten mit entsprechenden Aufgaben für die außerunterrichtliche Lektüre zu nutzen (vgl. Zhu/Li 2004: 97 f.). Durch die Anwendung der modernen Technik lassen sich die Informationsquellen der Lernenden vergrößern und die Lernmotivation verstärken.

6 Schlusswort

Zusammenfassend ist ersichtlich, dass der Deutschunterricht an chinesischen Hochschulen besonders seit der Reform und der Öffnungspolitik in den letzten 30 Jahren, vor allem aber seit dem 21. Jahrhundert in den letzten 15 Jahren wichtige Veränderungen und Entwicklungen aufweist, die eine chinesische Prägung mit regionalen Besonderheiten enthalten. Angesichts der immer größeren Nachfrage nach Deutschlernen und nach Lehrkräften muss man schon jetzt für eine nachhaltige Entwicklung des Deutschunterrichts in China sorgen. Sowohl zur theoretischen Grundlage als auch zur Lehrpraxis wie curricularer Planung, (regionalspezifischen) Lehrwerken, Unterrichtsmethoden (technische Unterstützung, Multimodalität), Kontroll- und Prüfungsverfahren (Leistungsmessung) usw. steht man noch vor vielen Aufgaben, um die Lehrqualität zu bewahren und zu erhöhen. Dabei spielt die Lehrerausbildung, -fortbildung und -weiterbildung eine zentrale Rolle.

Über den Autor / die Autorin

Prof. Dr. Jianhua ZHU

geb. 1956 in Shanghai, absolvierte 1978 das Hochschulstudium an der Fremdsprachenhochschule Shanghai, 1981 das Magisterstudium an der Tongji-Universität und promovierte 1987 an der Ruhr-Universität Bochum. Er war/ist Ordentlicher Professor für Germanistik an der Tongji-Universität, Shanghai (von 1993 bis heute), Humboldt-Forschungsstipendiat (1994–1995), Fellow im Internationalen Kolleg Morphomata der Universität zu Köln (2016–2018). Soziale Funktionen: Vizevorsitzender des Anleitungskomitees für Fremdsprachenlehrveranstaltungen des Erziehungsministeriums in China, Leiter des Arbeitskreises Hochschuldeutsch (von 1993 bis heute). Präsident der Internationalen Vereinigung für Germanistik (IVG) (2010–2015). Ehrenpräsident der IVG (2015–2020). Fachgebiete: Germanistische Linguistik, interkulturelle Kommunikation, Didaktik und Methodik Deutsch als Fremdsprache

Literatur

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Online erschienen: 2019-03-16
Erschienen im Druck: 2019-03-13

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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