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Die Bedeutung des Deutschen in wissenschaftlicher und institutioneller Kommunikation chinesischer Nachwuchsforscher in Deutschland

  • Yuhuan HUANG

    hat an der Beijing Foreign Studies University Germanistik studiert und an der Universität Göttingen in Interkulturelle Germanistik promoviert. Seit September 2017 arbeitet sie an der Guangdong University of Foreign Studies.

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Veröffentlicht/Copyright: 16. März 2019
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Zusammenfassung

Mit[1] der Internationalisierung deutscher Forschungsinstitutionen ist Deutschland ein attraktives Zielland für chinesische Nachwuchsforscher1 und junge Wissenschaftler geworden. Viele von ihnen promovieren mit geringen Deutschkenntnissen im Rahmen englischsprachiger Graduiertenprogramme. Diese Studie analysiert deren Erfahrungsaustausch untereinander und die Thematisierung von der Bedeutung fremder Sprachen in wissenschaftlicher und institutioneller Kommunikation.

Abstract

With the internationalization of German research institutions, Germany became an attractive target country for Chinese junior scientists. Many of them with limited competence in German language conduct their study and research in a PhD or Postdoc program in English. This study analyzes their experience-sharing about the importance of foreign languages in scientific and institutional communication.

1 Kommunikation in der Wissenschaft und Deutsch als Wissenschaftssprache

Die Wissenschaft ist nach dem Sprach- und Literaturwissenschaftler Harald Weinrich eine kommunikative Veranstaltung und damit ist jedes wissenschaftliche Wissen auch sprachgebunden (vgl. Weinrich 1989: 158). Diese Ansicht ist allerdings noch keine weit akzeptierte Einstellung. Das zeigt sich daran, dass Wissenschaft in der Regel als kulturneutrales Phänomen wahrgenommen wird und grenzüberschreitende Wissenschaftskommunikation nicht unbedingt als interkulturelle Thematik identifiziert oder gezielt untersucht wird (vgl. Weidemann 2007: 668).

Mit der Internationalisierung deutscher Hochschulen und Forschungsinstitute kommen zahlreiche Studierende und Nachwuchsforscher aus aller Welt für einen längeren Studien- und Forschungsaufenthalt oder ein komplettes Studium nach Deutschland. In diesem Kontext wurde einerseits die ausdrückliche Forderung danach laut, die Notwendigkeit und Wichtigkeit der Vermittlung von Deutsch als Wissenschaftssprache für internationale Studierende hervorzuheben und mögliche Strategien und Konzepte für die Vermittlung zu entwickeln (vgl. Ehlich/Heller 2006; Casper-Hehne/Ehlich 2004; Ehlich/Steets 2003), andererseits wurde auf der institutionellen Ebene angestrebt, die sprachliche „Barriere“ für die Internationalisierung bzw. den Wettbewerb um die „besten Köpfe“ abzuschaffen – z. B. durch die Einrichtung englischsprachiger Studiengänge und Graduiertenprogramme. In den letzten Jahren wiederum ist das Interesse für den Status und die Perspektive des Deutschen als internationaler Wissenschaftssprache unter der Verbreitung des Englischen in der wissenschaftlichen Kommunikation gewachsen (vgl. Ammon 2015; Goethe-Institut et al. 2013; Gnutzmann 2008; Pörksen 2005).

Vor diesem nicht widerspruchsfreien Hintergrund zählt die Diskussion über das Deutschlernen von Chinesen ebenfalls zur gesamten Debatte über Sprachenpolitik in Deutschland. He (2013a, 2013b) analysiert beispielsweise die Auswirkung englischsprachiger Hochschullehre in Deutschland auf das Deutschlernen von Chinesen. Die durch Befragungen unter Deutschlehrenden und -lernenden in China erlangten Ergebnisse zeigen zwar auf den ersten Blick keine Einbußen hinsichtlich der Bereitschaft zum Erlernen der deutschen Sprache in China, doch liegt nach Hes Ansicht die Aufrechterhaltung dieses Umstandes nur in einer bewussteren Sprachpolitik deutscher Hochschulen begründet, die bei der Förderung englischsprachiger Studiengänge den studienbegleitenden Deutschunterricht nicht außer Acht lässt (vgl. He 2013 b: 149).

2 Chinesische Nachwuchsforscher in Deutschland und ihre Diskussionen über Sprachen und Kommunikation in Wissenschaft und Institutionen

Wie für die Studierenden ist Deutschland für chinesische Nachwuchsforscher und junge Wissenschaftler ebenfalls ein attraktives Zielland. Doktoranden aus China bildeten im Jahr 2014 mit 8,5 % aller ausländischen Doktoranden die größte Gruppe in Deutschland, Postdocs und Hochschullehrer aus China mit 6,6 % die zweitgrößte Gruppe (DAAD 2016). Die Einrichtungen englischsprachiger Graduiertenprogramme – meistens in den MINT-Fächern[2] – bieten den chinesischen Nachwuchsforschern die Möglichkeit, ohne Deutschkenntnisse in Deutschland zu forschen. Sie arbeiten und leben mit Englisch als Lingua franca, was gleichzeitig Vorteil und Herausforderung für deren Integration und Forschungserfolg sowie ihre Berufsaussichten ist. Die oft mangelnden Deutschkenntnisse können zu Kommunikationsproblemen und zur Orientierungslosigkeit führen. Über die Anliegen und Schwierigkeiten der Forschenden wird allerdings noch selten wissenschaftlich diskutiert.

In verschiedenen Formen des Erfahrungsaustausches (Orientierungsveranstaltung, Forum, privates Gespräch etc.) unter chinesischen Nachwuchsforschern in Deutschland werden die sprachliche Umgebung in wissenschaftlichen Institutionen sowie die Nutzung und Nützlichkeit der Sprachen – vor allem des Englischen und des Deutschen – sehr häufig thematisiert. Solchen Austausch hat die Autorin im Rahmen des Projekts „Forschungswege im Dialog“[3] zwischen November 2013 und Juli 2014 in Göttingen mithilfe eines Tonbandgerätes mitgeschnitten. In diesen Gesprächen haben sich die neu ankommenden und erfahrenen Nachwuchsforscher aus China zu zweit über das Thema „Forschen in Deutschland“ ausgetauscht. Die vorliegende Arbeit nimmt diese Gespräche unter die Lupe, um einen exemplarischen Einblick in die wissenschaftliche und institutionelle Kommunikation chinesischer Nachwuchsforscher in Deutschland zu gewinnen.

Durch die Analyse dieser Gespräche strebt diese Arbeit an, folgende Fragen zu beantworten: Inwiefern haben die Gesprächsteilnehmer die Sprachen in wissenschaftlicher und institutioneller Kommunikation thematisiert? Wie schätzen sie die Rolle des Deutschen ein? Welche Konsequenzen haben diese Einschätzungen für ihre Forschungsarbeit und ihr Deutschlernen?

Insgesamt bilden fünf Zweier-Gespräche mit einer Dauer von jeweils 58 bis 77 Minuten und vollständig transkribiert den Untersuchungskorpus. Die Gespräche wurden hauptsächlich auf Chinesisch geführt, hin und wieder fallen deutsche und englische Ausdrücke. In Anlehnung an die Ethnographie der Kommunikation von Gumperz und Hymes (1964/1972) und anhand der gesprächsanalytischen Methode nach Deppermann (2008) und Günthner (2016) werden zuerst alle Ausschnitte gesammelt, in denen Sprache und Kommunikation thematisiert werden. Durch Sequenzanalyse werden diese Ausschnitte Äußerung für Äußerung durchgegangen, um zu sehen, wie die Gesprächsteilnehmer die Rollen der Sprachen aushandeln (positionieren, vergleichen und bewerten) und welche Perspektiven, Kontexte und Hintergründe sie dazu heranziehen. Diese ersten Resultate werden dann fallübergreifend verglichen und zusammengefasst, damit die Fragestellungen beantwortet werden können. Im Folgenden werden die Analyseergebnisse mit konkreten Beispielen aus den Gesprächen dargestellt und erläutert.

3 Thematisierung von Sprachen in wissenschaftlicher und institutioneller Kommunikation

Insgesamt wurden mehr als 30 Gesprächsausschnitte gesammelt, in denen das Thema Sprachen und Kommunikation behandelt wird. Die Thematisierung verfolgt drei Aspekte: 1. Sprachkompetenz der Forscher und sprachliche Umgebung in Institutionen; 2. die Anwendung der Sprachen, hauptsächlich von Englisch und Deutsch; 3. Sprachenlernen während der Forschungsarbeit. Im folgenden Beispiel lassen sich alle Aspekte deutlich erkennen:

Beispiel[4] 1 (Zhang: Erfahrener, Xiao: neu Ankommende):

  1. Zhang: 其实你在马普所其实我觉得还好一点 eigentlich finde ich gut, dass du am max-planck-institut bist

  2. 因为马普所我觉得国际化程度更高一些 weil ich finde, dass der internationalisierungsgrad am max-planck-institut höher ist

  3. 起码比大学里国际化程度高一些 zumindest ist der höher verglichen mit dem an der uni

  4. Xiao: 大学都是德国人是吗? an der uni sind alle deutsche oder was?

  5. Zhang: 就实验室里面部分还都是德国人吧 also in den laboren sind die MEIsten noch deutsche

  6. 我不知道你们实验室情况怎样 ich weiß nicht, wie es in eurem labor ist

  7. Xiao: 我们哪国的都有 wir haben leute aus allen ländern

  8. Zhang: 以你像这样你国际化程度这么的话 RICHTIG, WEIL der internationalisierungsgrad so HOCH ist

  9. 那大家平常交流啊什么之类的那肯定都是首先都是英语对吧? sprechen alle dann zum üblichen austausch sicherlich zuerst immer englisch stimmt?

  10. Xiao: 是英语 国的英语我觉得是 ((lacht)) ja, englisch, englisch aus ALLEN ländern finde ich ((lacht))

  11. Zhang: 对啊我觉得这样进步更好一些 genau, ich finde, so ist für den fortschritt besser

  12. 们实验室 in unserem labor

  13. 那也许大家也许做个SEminar什么之类的那确实用英语 vielleicht sprechen alle im SEminar und so doch englisch

  14. 但是大家一到私下交流了 aber wenn sie zum privaten austausch kommen

  15. 那就大家大部分都转成德语了 dann wechseln die meisten zum deutsch

  16. 那你就坐在旁边就傻愣着 dann bleibst du blöd dabei sitzen

  17. Xiao: 不会德语啊? sprichst du kein deutsch?

  18. Zhang: 我不会德语还 ich kann noch nicht

  19. 虽然现在在学吧但是 zwar lerne ich jetzt gerade aber

  20. 对 还有一点就是说你 GENAU eine sache noch

  21. 议你还是学一学德语吧 ich SCHLAGE dir vor eben ein bisschen deutsch zu lernen

  22. Xiao: 我们来之前强制学了一段时间 wir haben vor der einreise als pflicht für einige zeit gelernt

  23. Zhang: 那个强制去学我觉得还挺有用 JA ich finde es sinnvoll als pflicht

  24. Xiao: 现在来了顾不上了 nun kann ich mich hier nicht mehr darum kümmern

  25. 先把英语弄弄吧 muss zuerst mein englisch verbessern

  26. 顾不过来 kann mich darum nicht scheren

  27. Zhang: 可以这么办 das kannst du so machen

  28. 但是我觉得你稍微闲下来一点还是把那个德语再巩固一下 aber ich finde, sobald du nicht mehr so beschäftigt bist, sollst du dein deutsch wieder festigen

In diesem Beispiel diskutieren die beiden Gesprächsteilnehmer also über den Internationalisierungsgrad der Institute, die Zusammensetzung der Forschergruppe, Sprachenwahl und -verwendung, Sprachkompetenz sowie Sprachenlernen und erläutern die Wirkungen der Aspekte aufeinander. Im Verlauf des Gesprächs und auch davor hat die neu ankommende Doktorandin Xiao ihre Englischkompetenz als unzureichend für die wissenschaftliche Kommunikation beurteilt und ihre Sorge darüber geäußert. Nun beginnt der Postdoc Zhang, sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen. In Zeile 01–03 führt er den Begriff „Internationalisierungsgrad“ ein, zu dem er einen Vergleich zwischen zwei verschiedenen Instituten zieht. Anschließend verbinden die beiden in Zeile 04–07 den Internationalisierungsgrad mit der Zusammensetzung der Forschergruppe bzw. der Labormitglieder, um weiterführend in Zeile 08–16 die Wahl und Anwendung der Sprachen an den zwei Instituten zu diskutieren. Danach beziehen sie sich auf ihre eigene Situation und diskutieren diese in Zeile 17–29 hinsichtlich ihres Deutschniveaus und ihres Sprachenlernens.

Der Vergleich zu Beginn zeigt auf, dass die sprachliche Umgebung bei der Forschungsarbeit, innerhalb derer es mehr internationale Forscher gibt und mehr Englisch gesprochen wird, von ihnen als international und grundlegend für die Verbesserung der englischen Sprachkenntnisse bewertet wird. In der ihrer Meinung nach weniger sprachlich-international ausgerichteten Umgebung, nämlich dem Labor von Zhang an der Universität, wird zwar Englisch als Hauptsprache für die Seminarkommunikation genutzt, aber während der alltäglichen Kommunikation bzw. der privaten Gespräche bei der Arbeit wird überwiegend Deutsch gesprochen. Dabei wird Zhang, der wenig Deutsch spricht, durch diese ‚automatische‘ Sprachenwahl der Gruppe vom Austausch ausgeschlossen. Die Aussage „dann bleibst du blöd dabei sitzen“ zeigt, dass Zhang mit dieser Situation unzufrieden ist, aber keine Lösung findet.

Die Frage „sprichst du kein Deutsch?“ von Xiao zeigt ihr Erstaunen darüber, dass Zhang mehrere Jahre in Deutschland ohne Landessprache ausgekommen ist. Zhangs Aussage „ich kann noch nicht“ widerspricht dem anschließenden „zwar lerne ich jetzt gerade“. Eine mögliche Erklärung für diesen Umstand ist, dass Zhangs Deutsch ständig auf niedrigerem Niveau bleibt und er sich nicht traut, bei der Kommunikation mit den Kollegen Deutsch zu sprechen. Daher findet er verpflichtendes Deutschlernen sinnvoll und schlägt Xiao anschließend betonend vor, neben der Forschungsarbeit zusätzlich Deutsch zu lernen – der Ratschlag speist sich aus seiner eigenen negativen Erfahrung. Allerdings meint Xiao, dass die Dringlichkeit des Deutschlernens hinter der des Englischlernens steht, sehr wahrscheinlich aus dem Grund, dass das Englische ihre Forschungsarbeit direkt beeinflusst.

Angrenzend daran wird die Frage nach der Zeitverteilung aufgeworfen. Drei Aufgabengebiete werden in Bezug dazu hervorgehoben: Forschung bzw. Promotion, Verbesserung des Englischen und Erlernen des Deutschen. Xiaos Aussage „kann mich darum nicht scheren“ zeigt ihre Entscheidung, den Fokus zunächst nicht auf das Deutschlernen zu legen. Diese prioritäre Entscheidung kann sehr wahrscheinlich auch von anderen Nachwuchsforschern getroffen werden. Langfristig gesehen ist dies allerdings problematisch, darum führt Zhang an, es sei lediglich eine vorläufige Strategie und das Deutschlernen solle möglichst bald wieder berücksichtigt werden.

Dieses kurze Gesprächs-Beispiel zeigt vieles auf: Das Thema Sprachen und Kommunikation in Wissenschaft und Institutionen wird unter verschiedenen, miteinander verbundenen Aspekten betrachtet. Im Folgenden werden die drei konkreteren Themenkomplexe eingehender betrachtet und mit Beispielen einzeln analysiert.

3.1 Sprachkompetenz und sprachliche Umgebung

Unter Sprachkompetenz sind hier vor allem die Fremdsprachenkenntnisse zu verstehen. Insbesondere das Niveau der Deutschkenntnisse wird in den Gesprächen häufig thematisiert. Die Teilnehmer interessieren sich sehr für das Deutschniveau ihrer Gesprächspartner. Fast alle neu Ankommenden haben berichtet, dass sie vor der Einreise nach Deutschland über sehr geringe oder gar keine Deutschkenntnisse verfügten. Unter den Erfahrenen berichtete nur eine Forscherin, dass sie bei der Arbeit das Deutsche gegenüber dem Englischen bevorzugt. Die anderen betrachten ihre Deutschkenntnisse als ungenügend, nicht befriedigend oder nicht kompetent genug für ihren Arbeitsbereich.

Beispiel 2 (Wu: neu Ankommender, Jin: Erfahrene):

  1. Wu: 那你德语也是非常好的是吧? dann ist dein deutsch auch sehr gut oder?

  2. Jin: 我德语很烂 mein deutsch ist sehr schlecht

  3. Wu: 我几乎就听不懂 ich kann FAST nichts verstehen

  4. Jin: 噢我刚来的时候也那样 oh, ich war damals auch so

  5. 慢慢慢慢学能听懂 langsam, langsam lernen und man kann schon verstehen

  6. 但是我还是呃流还是有问题 aber ich habe bei der kommunikaTION immer noch probleme

  7. 一般活上的交流都可以 übliche alltägliche kommunikation ist ok

  8. 但是呃要是搞学术啊或者是写什么东西啊 aber für die forschung oder fürs schreiben

  9. 那就惨了 ist es dann miserabel

  10. Wu: 嗯 mhm

  11. Jin: 因为我没有统地学过德文 weil ich deutsch nicht ORdentlich gelernt

  12. 而是在这儿学的两个学期 sondern hier nur für zwei semester gelernt habe

In diesem Ausschnitt interessiert sich der neuangekommene Doktorand Wu zuerst für das Deutschniveau seiner Vorgängerin Jin. Jin bewertet dann ihr Deutsch als „sehr schlecht“. Diese bescheidene Bewertung widerspricht aber ihren späteren Aussagen in Zeile 04–07, dass die alltägliche Kommunikation für sie eigentlich „OK“ ist. Lediglich die wissenschaftliche Kommunikation, insbesondere die schriftliche, sei für sie problematisch (Z. 08–09). Das führt Jin darauf zurück, dass sie Deutsch nicht intensiv im Voraus, sondern in Deutschland für zwei Semester nebenbei gelernt habe (Z. 11–12).

Im Vergleich zu Zhang aus dem vorangegangenen Gesprächs-Beispiel verfügt Jin hier über ein höheres Deutschniveau, das ihr die alltägliche Kommunikation bei der Arbeit ermöglicht. Allerdings ist sie damit auch nicht zufrieden, weil ihr Deutsch für die wissenschaftliche Kommunikation nicht reicht. Sie ist der Meinung, dass die Wissenschaftssprache Deutsch nur durch „ordentliches“ Lernen zu erwerben ist. Das „ordentliche“ Lernen kann hier als systematisches und intensives Lernen über einen längeren Zeitraum interpretiert werden. Dies ist lediglich realisierbar durch regelmäßige Übung und Anwendung der Sprache. Da die chinesischen Nachwuchsforscher in den MINT-Fächern meistens auf Englisch promovieren und wenig Gelegenheit haben, Deutsch als Wissenschaftssprache anzuwenden, fehlt auch Jin die Motivation sowie der Anwendungsaspekt für das Erwerben der Wissenschaftssprache Deutsch. Darüber hinaus mangelt es an Zeit während des intensiven Promotionsstudiums. Als positiv bewertet sie aber die Möglichkeit, sich Deutsch zur Verwendung als Alltagssprache anzueignen.

Beispiel 3 (Tong: Erfahrener):

  1. Tong: 我当时去的时候那个组就我一个不讲德语 in der gruppe, in der ich damals war, sprach NUR ICH kein deutsch ((...))

  2. Tong: 所以去的时候也是比较难受 deshalb war mir am Anfang eben ganz unwohl

  3. 然后 我毕业的时候 dann, ALS ich fertig war und WEGGING

  4. 里的这个 war es in der GRUppe

  5. 就是说从这个语言的 international 这个环境来说就好了很also von der sprachlich internationalen umgebung her, VIEL besser

  6. 那我 我没占着这个便宜啊 aber ich, ich habe nicht davon profitiert

  7. 实际上我就吃了这个亏 in der tat war das ein verlust für mich

Hier in Beispiel 3 wird die Sprachkompetenz in Zusammenhang mit der sprachlichen Umgebung diskutiert. Der Postdoc Tong berichtet einem neu ankommenden Doktoranden von seinen eigenen Erlebnissen im Promotionsstudium. Er führt in Zeile 05 den Begriff „sprachliche Umgebung“ ein und unterscheidet in Zeile 01–05 zwei unterschiedliche emotionale Zustände jeweils am Anfang und am Ende seiner Promotion. Er bewertet seine spätere Stimmung als „viel besser“ und begründet dies damit, dass nur er anfangs kein Deutsch sprach, im späteren Verlauf seiner Promotionsphase die Gruppe aber zunehmend internationaler wurde. Er betrachtet diese internationale Sprachumgebung als einen Vorteil, von dem er allerdings leider keinen Gebrauch mehr machen konnte.

Anhand dieser Diskussion ist es nachvollziehbar, dass Tong wie Zhang in Beispiel 1 sehr wahrscheinlich vom Austausch der Gruppenmitglieder untereinander oft ausgeschlossen wurde, was anhand des von ihm gewählten Begriffes „Verlust“ sichtbar gemacht wird.

Anders als in Beispiel 2 wird in dieser Diskussion der Schwerpunkt des Problems auf die unmittelbare Umgebung gelegt, die dem Probanden nach zur enttäuschenden Kommunikation in der Forschergruppe geführt hat. Die sprachliche Umgebung wird von Mitgliedern einer Institution geprägt durch die Wahl und Anwendung der Sprachen in verschiedenen Situationen. Diese Wahl wird zum Teil bewusst getroffen – wie bei der Seminarkommunikation der Probanden, bei der üblicherweise Englisch als die Hauptsprache von den Professoren bestimmt wird. In anderen Situationen – wie Kommunikation im Labor, Büro und im Seminarraum nach dem Seminar – wird diese Wahl sehr wahrscheinlich spontan und unbewusst getroffen, weil dafür keine Vorschrift gilt. In der Tat kann diese halbstandardisierte Sprachumgebung oft durch die Zusammensetzung der Mitglieder, ihre Sprachenporträts und ihre spontane Kommunikations-Initiative geformt sein.

Hier ist erneut ein Dilemma für die chinesischen Nachwuchsforscher in Deutschland auszumachen: Für eine Kommunikation innerhalb der Forschungsgruppe ist eine möglichst „internationale“ bzw. englischsprachige Umgebung erwünscht, allerdings ist diese rein englischsprachige Umgebung für Motivation und Anwendung hinsichtlich des Deutschlernens nicht von Vorteil für die Mitglieder. Daher ist es wichtig zu hinterfragen, ob und wie eine Sprachumgebung für optimale Kommunikation bewusst gesteuert bzw. zugänglich gestaltet werden kann. Alle Akteure, insbesondere die Organisation, stehen in der Verantwortung, dieser Frage nachzugehen.

3.2 Anwendung und Bedeutung der deutschen Sprache für Forschung, Alltagsleben und Zukunftsperspektive

Eng verbunden mit der sprachlichen Umgebung sind die Anwendungsbereiche der Sprachen in wissenschaftlicher und institutioneller Kommunikation. Zu diesem Thema wird diskutiert, wann und wo welche Sprachen zu welchen Zwecken benutzt werden. Insbesondere haben sich die Gesprächsteilnehmer mit der Rolle des Deutschen auseinandergesetzt. In den meisten Fällen ist diese Auseinandersetzung mit der Frage danach verbunden, ob man sich Zeit zum Deutschlernen nehmen soll.

Beispiel 4 (Cheng: neu Ankommender, Zhi: Erfahrener):

  1. Cheng: 我觉得这边学了德语 挺耗时间然后 ich finde dass deutschlernen ganz viel zeit kostet und

  2. 其实因为 大概你回国两三年之后其实你就差不多忘干净了 对吧? dann eigentlich, vielleicht wenn du zurück in china bist und nach zwei drei jahren, wirst du schon fast alles vergessen haben, oder?

  3. 去美国也是这样 wenn du nach amerika gehst ist es auch so

  4. 那现在就想 值不值得投入这个时间 so überlege ich mir jetzt, ob es sich lohnt, diese zeit zu investieren

  5. 因为研也比较忙嘛 weil ich bereits mit der FORschung sehr beschäftigt bin

  6. 像我们老板 老板倒是比较开放 wie unser chef, der ist schon relativ offen

  7. 但他有时候就暗示说 学德语也没啥用 aber manchmal deutet er an, dass deutschlernen nutzlos ist

  8. 他自己是个德国人 er ist selber ein deutscher

  9. 但他说 主要精力投入到科研上吧 aber er sagte: konzentriere bitte die energie hauptsächlich auf die forschung und

  10. 何必花时间学语言呢? wozu denn zeit für sprachlernen aufwenden?

  11. 觉得学语言没必要 又得不到什么 er findet, sprachlernen ist kein muss und lohnt sich nicht

  12. Zhi: 当然如果要从科研的方面来讲的确学德语的确帮助不是特别的大 natürlich, aus der perspektive der forschung ist das DEUTSCHlernen echt nicht so hilfreich

  13. 你的论文你完全可以用英文来表说 deine artikel kannst du komplett auf englisch schreiben

  14. 学术交流基本都是用英文 akademischer austausch ist im prinzip auf englisch

  15. 而且对英文的水平也是要求比较高一点吧 und für das englischniveau ist auch die anforderung relativ hoch

  16. 我觉得学德语主要是在生活上如果你真正想以后在德国长待下来 ich finde, deutschlernen ist vor allem für das leben, wenn du später wirklich in deutschland bleiben willst

  17. 想要融入这个德国的生活的圈子 um in die lebensweise in deutschland integriert zu sein

  18. 我觉得还是需要德语 ich glaube, deutsch ist SEHR nötig

Nach der Diskussion über ihre Zukunftsperspektive gelangen hier der erfahrene Doktorand Zhi und der neu ankommende Doktorand Cheng zu den Themen Lernen und Anwendung der englischen und deutschen Sprache während der Promotion. Der Anfänger Cheng stellt in Zeile 01–04 die Frage, ob es sich lohnt, während der Promotion Zeit in das Deutschlernen zu investieren. Sein deutscher Professor habe ihm geraten, sich auf die Forschung zu konzentrieren statt darauf, Deutsch zu lernen (Z. 06–11). Zhi vergleicht dann in Zeile 12–18 Deutsch und Englisch hinsichtlich ihrer Anwendungsbereiche und ihrer Anforderung miteinander.

Hier werden die Anwendungsbereiche bzw. die Bedeutung von Englisch und Deutsch klar getrennt: Englisch für die Forschung und Deutsch für das Alltagsleben. Die Motivation, Deutsch zusätzlich neben der Forschungstätigkeit zu erlernen, würde vom Zukunftsplan abhängen, das heißt, nur wenn man längerfristig in Deutschland bleiben und sich in die Gesellschaft integrieren wolle, seien Deutschkenntnisse notwendig. Diese Trennung von Sprachen hinsichtlich Anwendung und Nutzen für die Forscher stimmt mit den letzten Beispielen nicht völlig überein, weil dort Deutsch immerhin als wichtig für die informelle Kommunikation während der wissenschaftlichen Arbeitsphasen angesehen wird, in Beispiel 4 aber lediglich für die Integration in Deutschland nötig sei. Die Einstellung von Chengs deutschem Professor ist für ihn verwirrend. Dessen Rat, Zeit eher in die Forschungstätigkeit zu investieren als in das Deutschlernen, kann ein Grund dafür sein, dass Cheng in diesem Gespräch die Frage nach der Zeitverteilung immer wieder aufwirft.

Für die Problematik des zeitlichen Aufwands ist eine endgültige Lösung schwer zu finden. Es hängt sehr von dem Unterschied zwischen den Standpunkten der Professoren und der Doktoranden ab. Die anfängliche Motivation der meisten Doktoranden zum Deutschlernen kann nur kontinuierlich aufrechterhalten werden, wenn sie ihren eigenen zukunftsperspektivischen Standpunkt deutlich erkennen. Der vorgebrachte Vorschlag in diesem Beispiel, dass man nur mit Bleibeabsicht Deutsch lernen müsse, unterliegt einem Dilemma: Der Wunsch, im jeweiligen Land Fuß zu fassen, hängt meist von einer lukrativen Berufsperspektive sowie von einer angenehmen Lebensatmosphäre ab; für optimale Berufschancen und Integration ist Deutsch aber gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung. Daher sollte der Ansporn, das Deutsche zu erlernen, nicht nach, sondern vor die Bleibeabsicht gestellt werden.

Beispiel 5 (Wang: Erfahrene, Nan: neu Ankommender):

  1. Wang: 呃 我们的学生是可以去听音乐äh STIMMT mit unserem studienAUSWEIS kann man ins KONZERT gehen

  2. 好多都是免费的 viele sind kostenlos

  3. Nan: 是吗? ach so?

  4. Wang: 嗯 就你可以看一下比如说去看戏啊什么这些 du kannst mal schauen, zum beispiel THEATER und so ((...))

  5. Nan: 嗨我对个东西吧 ach SOLCHE sachen sind für mich...

  6. 我觉得这个德语不行 ich finde mein DEUTSCH nicht gut

  7. 我就觉得去那儿也听不懂 ich glaube, auch wenn ich dorthin gehe, kann ich nichts verstehen

  8. 听个歌剧也听不明白 kann MUSICAL auch nicht verstehen

  9. 电影也不了 kann film auch nicht SCHAUEN

  10. 学得太少了 habe ZU WEINIG gelernt

Beispiel 6 (Cheng: neu Ankommender, Zhi: Erfahrene):

  1. Cheng: 比如说学德语 你可以开拓一个很宽的视野 zum beispiel kannst du durch deutschlernen deinen horizont sehr erweitern

  2. 你跟其他一些人交流 了解的东西就会更多 ((...)) du kommunizierst mit anderen leuten und informierst dich über vieles mehr ((...))

  3. Zhi: 那确实有可能的呀 那是有可能的 das ist echt möglich, das ist möglich

  4. 你以后要在一个什么公司 wenn du später in einer firma arbeitest 如果你德语不错的话 那你完全可以在技术层面上跟人用德文交流 wenn dein deutsch nicht schlecht ist, kannst du völlig auf der technischen ebene mit leuten auf deutsch kommunizieren

  5. Cheng: 对 对这个就是 技术上面可以多了一个市场了 stimmt, ja, das bedeutet für die technologie einen weiteren markt

Beispiel 5 und 6 betonen erneut die Wichtigkeit des Deutschen für alltägliches und berufliches Leben in Deutschland, wie dies auch schon am Ende von Beispiel 4 erwähnt wurde. In Beispiel 5 empfiehlt die erfahrene Doktorandin Wang ihrem Nachfolger Nan, die Vorteile der Promotionsphase für das kulturelle Umfeld zu nutzen, um die eigene Freizeit und das eigene berufliche Leben in Deutschland zu bereichern. Nan zeigt anschließend seine Enttäuschung darüber, aufgrund des Mangels an Deutschkenntnissen an verschiedenen Freizeitaktivitäten nicht teilnehmen zu können. Dadurch wird die Bedeutung der Beherrschung von deutscher Sprache für höhere Lebensqualität veranschaulicht. Darüber hinaus lässt sich der Einfluss des Sprachniveaus auf das Selbstbewusstsein und die Zufriedenheit der Nachwuchsforscher zeigen.

In Beispiel 6 führt der Promotionsanfänger Cheng zuerst die Beherrschung des Deutschen als Möglichkeit zur Horizonterweiterung an. Diese ist für ihn gleichbedeutend mit zwischenmenschlicher Kommunikation und Informationen über berufspraktische Felder. Während Cheng hier auf einer allgemeinen Ebene bleibt, leitet Zhi davon ausgehend auf die praktische Funktion des Deutschen für den zukünftigen Beruf über. Die Horizonterweiterung mündet für Zhi in der Erschließung weiterer technologischer Berufsfelder.

Die starke Anwendungsorientierung ist nicht nur in diesem Beispiel, sondern in allen Gesprächen klar hervorzuheben. Die Motivation, Sprache als Blickwinkel und Perspektive statt als reines Werkzeug zu betrachten, ist in den untersuchten Gesprächen selten auszumachen. Daher ist das Wirkungsfeld des Deutschen für die Probanden sehr praktisch ausgelegt – aufgrund seiner nützlichen Auswirkung auf das Arbeits- und Alltagsleben sowie die Zukunftsperspektive.

3.3 Forschung und Sprachenlernen: Potenzial und Herausforderungen

Trotz des Zweifels an der Nützlichkeit des Deutschlernens entscheiden sich viele neu ankommende Nachwuchsforscher zumindest für einen Versuch. Darauf folgen weiterführende Überlegungen: Wie lernt man effektiv Deutsch und ist es möglich, die Fähigkeiten während der Zeit der Forschungsarbeit entsprechend auszubauen? Dazu tauschen die Erfahrenen im folgenden Gespräch ihre Tipps mit den neu Ankommenden aus.

Beispiel 7 (Nan: neu Kommender, Wang: Erfahrene):

  1. Nan: 就是怎么能够一点地学德语呀? also, wie kann man DEUTSCH SCHNELLER lernen?

  2. 就是说我觉得现在这课太了 also ich meine, ich finde meinen jetzigen kurs zu LANGSAM ((...))

  3. Wang: 建议既然已经德国学德语了 ICH glaube, da du schon IN deutschland bist

  4. 这不是在中国学德语嘛 ist das nicht wie deutschlernen in china

  5. 然后你不需要 ((...)) und du brauchst nicht ((...))

  6. 比如说像我当时是必须要通过考试才可以上大学 ich damals zum beispiel musste eine prüfung bestehen, um an der uni zu studieren

  7. 有这个压力的话 du hast NICHT diesen druck

  8. 你其实可以选择更轻松一点的方式来学德语 und du kannst eigentlich eine entspannte arbeitsweise zum deutschlernen wählen

  9. Nan: 噢 oh

  10. Wang: 就是你到你们实验室呀或者什么 also wenn du in eurem labor bist und so

  11. 你就尽量学了一点什么词你就跟他们VERSUCHST du alles, was du GELERNT hast, mit leuten zu ÜBEN

  12. 然后他们觉得有趣他们也会教你 dann werden sie dir was beibringen, wenn sie lust haben

  13. 就是 就更那种互动一些的 also eben eine interaktivere weise

  14. Nan: 互动一下 interaktiv sein

  15. Wang: 然后就是应用方面的学一下 und auch kannst du dann die PRAKTISCHEN sachen lernen

  16. 就是没必要说是我一定要把个语法学会个语法学会 also du musst nicht unbedingt sagen: ich muss diese und jene grammatik erlernen

  17. 然后怎样怎样我才可以跟他们说 und erst so und so kann ich mit ihnen reden

  18. 其实没必要 das ist eigentlich nicht nötig

Nachdem Nan seine Vorgängerin um Tipps für effizientes Deutschlernen gebeten hat, gibt Wang ihrem Nachfolger den Rat, Deutsch anwendungsorientiert statt prüfungsorientiert zu lernen. Sie vergleicht die zwei Lernsituationen in China und in Deutschland und empfiehlt ihm, in Deutschland eine „entspannte Weise zum Deutschlernen“ zu wählen (Z. 03–08). Anschließend erklärt sie in Zeile 10–18 diese „entspannte Weise“ mit interaktiv und praktisch: Im Arbeitsalltag solle die Sprache möglichst geübt werden, ohne sich selbst grammatikalisch darin zu sehr zu korrigieren und kontrollieren. Dabei sollten die deutschen Kollegen als Übungspartner fungieren.

Der Promotionsanfänger Nan findet seinen Deutschkurs zu langsam und möchte Deutsch schneller lernen. Diese Auffassung führt möglicherweise auf die unterrichtsabhängige Lernstrategie zurück, die Nan in seinem Heimatland erworben hat. Wangs Meinung nach solle man auf diese Lernstrategie aus dem Grund verzichten, dass man in Deutschland auch über den Unterricht hinaus Deutsch lernen könne. Der Vorteil läge auch darin, dass man das Gelernte direkt anwendet. Diese Strategie sei, wie erwähnt, ihrer Meinung nach flexibler, interaktiver und praktischer als die rein unterrichtsorientierte Lernphase. Von dieser Strategie ausgehend würde die Langsam- oder Schnelligkeit im Verlauf des Deutschkurses nicht mehr entscheidend sein. Sehr wahrscheinlich hat Wang diese Strategie aus ihrer eigenen Erfahrung beim Deutschlernen übernommen. Verglichen mit anderen Probanden ist ihr Deutschniveau das höchste, was auf ihr Diplomstudium in Deutschland zurückzuführen sein könnte, innerhalb dessen sie ständig die Möglichkeit zum Austausch in deutscher Sprache hatte.

Beispiel 8 (Zhi: Erfahrener, Cheng: neu Ankommender):

  1. Zhi: 我觉得如果在你的精力足够的情况下 ich glaube, wenn du genug energie hast

  2. 你可以分配一定的时间去学习德语 kannst du gewisse zeit für deutschlernen aufwenden

  3. 我就讲一个例子就是 我的一个同学他是香港的 ich sage ein beispiel: also ein kollege von mir aus hong kong

  4. 然后 的德语就非常不错 und sein deutsch ist sehr gut

  5. 他就跟德国人就可以完全用德语交流 er kann eben mit den deutschen komplett auf deutsch reden

  6. Cheng: 他在这边待了多久了啊 wie lange ist er schon hier

  7. Zhi: 五年了 对 fünf jahre, ja

  8. 我的意思就是讲 如果你有一定的精力 想把德语学好是有可能的 ich meine eben wenn du gewisse energie hast, ist es doch möglich, deutsch gut zu erlernen

  9. Cheng: 但是 aber

  10. Zhi: 那如果你自己根据你的情况 如果你觉得自己在科研上已经很忙了 und wenn du nach deiner eigenen situation glaubst, dass du mit dem forschen schon sehr beschäftigt bist

  11. 就很难再分配时间去搞好德语 und es ist sehr schwer, noch zeit für das deutschlernen zu nehmen

  12. 那你就可以先把英语搞上去 kannst du zuerst dein englischniveau erhöhen

  13. 然后再把科研搞上去 ((lacht)) und dann dein forschungsniveau erhöhen ((lacht))

  14. Cheng: 但是 科研这个精力投入真不好定位啊 aber für die forschung ist der energieeinsatz schwer zu bestimmen

In diesem Ausschnitt ermutigt der Erfahrene Doktorand Zhi seinen Nachfolger Cheng darin, dass das Erlernen der deutschen Sprache parallel zur Forschungstätigkeit nicht unmöglich ist (Z. 01–08). Er führt das Beispiel eines Kollegen aus Hong Kong an, der vorbildlich Deutsch beherrscht und „komplett“, also nicht nur innerhalb alltäglicher, sondern auch wissenschaftlicher Kommunikation, Deutsch spricht. Allerdings betont Zhi gleichzeitig die Voraussetzung, dass man genug „Energie“ haben muss. Wenn diese Energie aufgrund des forschungsbezogenen Zeitaufwandes nicht vorhanden ist, solle man sich in erster Linie um das Forschungsprojekt und dann um die Qualität des englischen Sprachniveaus kümmern. Die Deutschkenntnisse würden erst danach justiert. Die Ermutigung zu Gesprächsbeginn wird durch diese Argumentation ziemlich geschwächt, weil die Problematik der zur Verfügung stehenden Zeit erneut einen hohen Stellenwert einnimmt.

In Beispiel 7 und 8 werden die Chancen und Herausforderungen des Deutschlernens parallel zum Forschungsvorhaben verdeutlicht. Die Chance besteht hauptsächlich in der unmittelbaren Nähe zu deutscher Sprache und Kultur. Die Herausforderung liegt vor allem darin begründet, dass es hohe Motivation, andauernden und zeitintensiven Einsatz sowie ideale Lernstrategien benötigt, um neben der Forschungsarbeit zusätzlich die jeweilige Landessprache zu erlernen; und hier ist anzumerken, dass das Deutsche per se als eine schwer zu beherrschende Fremdsprache für Chinesen eine Herausforderung bildet.

4 Fazit

Bei der Betrachtung von Sprachen in wissenschaftlicher und institutioneller Kommunikation stehen die Sprachkompetenz der Forschenden, die sprachliche Situation am Arbeitsort, Anwendung und Bedeutungsfeld der Sprachen sowie das Sprachenlernen in unmittelbarem Zusammenhang. Nachwuchsforscher aus China, die wenig Deutsch sprechen, bevorzugen eine englischsprachige Umgebung. Englisch wird von den Probanden als nützliche Wissenschaftssprache eingestuft, Deutsch wird dagegen eher als „alltägliche Wissenschaftssprache“ (Ehlich 1999) oder reine Alltagssprache bewertet.

Neben der rein wissenschaftlichen Kommunikation, wie sie sich in Seminar- und Laborsituationen ausmachen lässt, ist die alltägliche Kommunikation in wissenschaftlichen Institutionen (oder anders gesagt die alltägliche Wissenschaftskommunikation) wie Büros gleichermaßen wichtig für die Tätigkeitsfelder chinesischer Forscher und für ihre Zusammenarbeit mit deutschen Kollegen. Ferner spielt letztgenannte halb-wissenschaftliche Kommunikation eine entscheidende Rolle für das Gefühl der Zugehörigkeit zur entsprechenden Forschergruppe, für den Forschungserfolg sowie die gesamtberufliche Perspektive. Daher ist chinesischen Nachwuchsforschern in Deutschland zu empfehlen, Deutsch zumindest als alltägliche Wissenschaftssprache anwendungsorientiert zu erlernen.

Allerdings ist das Deutschlernen neben der im Schrift- und Sprachgebrauch auf das Englische ausgerichteten Forschungsarbeit für die meisten chinesischen Nachwuchsforscher eine große Herausforderung, obwohl sie in Deutschland leben. Die Schwierigkeiten liegen vor allem in der Motivation, der Zeiteinteilung und in der Anwendung. Die Aussage „ich kann mich darum nicht scheren“ verdeutlicht die Entscheidung mancher Nachwuchsforscher, Deutsch zunächst als weniger relevant zu betrachten. Aufgrund möglicher Ausgrenzung aus dem kommunikativen Umfeld jedoch kann diese vorübergehende Entscheidung sehr wahrscheinlich zu langfristigen Problemen führen.

Zusammengefasst sind Bemühungen von allen Seiten nötig, um diese Verhältnisse zu verbessern: 1. Gestaltung einer offenen (idealerweise einer mehrsprachigen) Sprachumgebung seitens der Institution; 2. Deutschlernen als Pflicht vor und nach der Einreise in Deutschland sowie zugängliche Angebote von Deutschkursen; 3. Bereitschaft seitens der Forscher zum Erlernen und Anwenden des Deutschen.

Die Vorstellung bzw. Hoffnung mancher Doktoranden, dass sie ohne Deutschkenntnisse problemlos in Deutschland arbeiten und leben könnten, entspricht nicht den realen Möglichkeiten. Manche Professoren versprechen bei der Anwerbung von Doktoranden eine komplett englischsprachige Arbeitsumgebung und preisen ein reibungsloses Forschen und Leben ohne Deutschkenntnisse an. Das beeinträchtigt die Notwendigkeit, bereits vor der Einreise über gewisse Deutschkenntnisse zu verfügen. Nach der Ankunft in Deutschland sollten die Betreuer ihre Doktoranden darin ermutigen, Zeit in das Deutschlernen zu investieren und Deutsch auch im unmittelbaren Arbeitsumfeld zu nutzen. Deren anfängliche Motivation zum Erlernen einer Fremdsprache sollte somit möglichst angespornt und erhalten werden.

Über den Autor / die Autorin

Dr. Yuhuan HUANG

hat an der Beijing Foreign Studies University Germanistik studiert und an der Universität Göttingen in Interkulturelle Germanistik promoviert. Seit September 2017 arbeitet sie an der Guangdong University of Foreign Studies.

Literatur

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Online erschienen: 2019-03-16
Erschienen im Druck: 2019-03-13

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Frontmatter
  2. Frontmatter
  3. Deutsch als Fremdsprache in China: Einführung in den Themenschwerpunkt
  4. Beitrag zum Themenschwerpunkt „DaF in China“ I. Germanistik und Deutsch als Fremdsprache in China
  5. Perspektiven zur Didaktik und Methodik für Deutsch als Fremdsprache (DaF) in China – am Beispiel „Hochschuldeutsch“
  6. Beitrag zum Themenschwerpunkt „DaF in China“I. Germanistik und Deutsch als Fremdsprache in China
  7. Deutschdidaktik und -methodik in China – Entwicklungen und Erfahrungen
  8. Beitrag zum Themenschwerpunkt „DaF in China“I. Germanistik und Deutsch als Fremdsprache in China
  9. Die Sprachspezialisten der philologisch ausgerichteten Germanistik in China – vom Sprachtalent zum Multitalent?
  10. Die Bedeutung des Deutschen in wissenschaftlicher und institutioneller Kommunikation chinesischer Nachwuchsforscher in Deutschland
  11. Zukunftsvisionen für die chinesische Germanistik
  12. Beitrag zum Themenschwerpunkt „DaF in China“ II. Aus- und Fortbildungsprogramme
  13. Deutschlehrerqualifizierung in China am Beispiel der Kooperationsprogramme der Fremdsprachenuniversität Guangdong und der Zweiten Fremdsprachenuniversität Peking
  14. Anwendungsorientierter Deutschunterricht im 2 plus 3-Programm
  15. Die Hochschullehrerfortbildung für junge chinesische Deutschlehrkräfte: Rückblick und Evaluation
  16. Eine rasante Entwicklung: Deutsch als Fremdsprache an chinesischen Schulen im Kontext der Programme des Goethe-Instituts China
  17. Überlegungen zur Dolmetscherausbildung an chinesischen Germanistikabteilungen
  18. Beitrag zum Themenschwerpunkt „DaF in China“ III. Deutsch als Fach- und Wissenschaftssprache
  19. Einsatzmöglichkeiten einer Bedarfsanalyse zur Curriculum-Entwicklung für berufsorientierten DaF-Unterricht in China
  20. Integration von Sprach- und Fachlernen im Kontext chinesisch-deutscher Kooperationsstudiengänge am Beispiel des Maschinenbaustudiums an der Chinesisch-Deutschen Technischen Fakultät (CDTF, Qingdao/Paderborn)
  21. DaF als Berufssprache für die Automobilfertigung in China. Zur kollaborativen Entwicklung von bedarfsorientierten DaF-Lehrmaterialien
Heruntergeladen am 20.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/infodaf-2019-0005/html
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