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Denkmalkritik. Für eine zukunftsfähige Denkmalpflege. Essay

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Published/Copyright: May 1, 2025
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Hoffmann-Axthelm Dieter Denkmalkritik. Für eine zukunftsfähige Denkmalpflege. Essay Berlin ( Lukas Verlag ) 2024 95 Seiten Taschenbuchformat, Klappenbroschur, € 20,00 ISBN 978-3-86732-451-9


Der Buchtitel lässt nachfragen: Was ist mit dem negativ unterlegten Begriff »Denkmalkritik« gemeint? Geht es um eine Kritik an dem Phänomen Denkmal im Allgemeinen oder im Besonderen? Der eher positiv anmutende Untertitel »Für eine zukunftsfähige Denkmalpflege« erweckt hingegen Neugier, die zu einem Blick ins Inhaltsverzeichnis ermuntert. Und da gibt es ein Déjà-vu. Wird doch dort spontan die Erinnerung wach an jenes Gutachten, mit dem die Bündnis 90/Die Grünen-Politikerin Antje Vollmer 2000 den promovierten Theologen und Verfasser des hier vorliegenden Büchleins beauftragt hatte, zu klären, ob die Denkmalpflege entstaatlicht werden könne. An den Anfang seiner damaligen Auslassungen stellte er die Behauptung, die Denkmale gingen auch mit der Denkmalpflege zugrunde, gerade mit ihr, denn die Denkmalpflege sei vielleicht selber ihr ärgster Feind. Vor diesem Hintergrund keimt die Vorahnung auf, diese neuerliche Publikation könnte womöglich nicht mehr sein als alter Wein in neuen Schläuchen.

Diese Vermutung scheint sich zu bestätigen, wenn der Autor gleich im ersten Satz des ersten Kapitels Denkmalkrise behauptet, »die Baudenkmalpflege ist vielleicht die meistgehasste Institution der Republik«. Er glaubt das belegen zu können, indem er weiter ausführt: »in weiten Bereichen reagiert die Gesellschaft auf die Denkmalpflege nicht einmal mit Gleichgültigkeit, sondern mit Wut und Verachtung« wegen ihres autoritären Handlungsmodus. Damit bleibt er seiner Haltung treu, die er seit seines 1980 in Arch+ 54, S. 44–50 gedruckten »Plädoyer für die Abschaffung der Denkmalpflege« wiederholt vertreten hat. Zugleich wird evident, auf wen der Verfasser seine angekündigte Kritik eigentlich fokussiert, wenn er erläutert, der Angriff ziele auf die Oberen Denkmalbehörden; er meint damit die Fachämter für Denkmalpflege in den Bundesländern. Ihnen unterstellt er zudem, nahezu unheilbar zerstritten zu sein in ihrer fachlichen Methodik. Insofern ist die vorliegende Publikation nicht losgelöst zu sehen von jenem damaligen Gutachten.

Trotz seiner permanent gehegten Ressentiments gegenüber der Baudenkmalpflege, namentlich in personam der Denkmalpfleger*innen, sei der hier zu betrachtenden Veröffentlichung erst einmal eine im Ansatz gut gemeinte Absicht des Autors unterstellt. Denn er ankert mit seinen Auslassungen an den im Alltag der Denkmalpflege in der Tat nicht immer vermeidbaren, durch mindere Personal- und Finanzausstattungen forcierten Konflikten, zu deren Auflösung er beitragen möchte.

Obwohl von seinem Essay keine Auseinandersetzung mit historischen oder zeitgenössischen Denkmaltheorien zu erwarten sei, befasst er sich in seiner umfänglichen Kritik des Sachstands mit der geschichtlichen Entwicklung der Denkmalpflege. Seine Analyse, in der er bisweilen auf die Gegenwart rekurriert, nutzt er nicht nur abermals für eine Infragestellung der Staatlichkeit der Denkmalpflege, sondern gleichzeitig für eine Kritik an dem heute etablierten Denkmalbegriff, dem er eine Entfernung vom klassischen Wertekanon vorwirft. Ebenso ablehnend verhält sich der Autor gegenüber den Industrie-, Technik- und Infrastrukturdenkmalen wie auch Bauten der jüngeren Epoche, die seriell oder industriell konzipiert und errichtet wurden. Bei der Ausweisung von Denkmalen aus der NS-Zeit und der DDR wittert er außerdem eine politisch-ideologische Komponente. Er bemängelt in diesem Zusammenhang die Verschiebung von ästhetischer hin zu historisch-wissensgestützter Bedeutsamkeit von Denkmalen. Für ihn endet die denkmalrelevante Welt vor der Moderne. Das verwundert umso mehr, da er nur eine demokratiebasierte, bürgerschaftlich getragene Denkmalpflege gelten lassen will, die sich absetzt von jener früheren, die obrigkeitsaffin handelte. Aus diesem Grund hinterfragt er auch die Berechtigung einer städtebaulichen Denkmalpflege. Spätestens jetzt wird klar, dass unter dem Titel des Buches »Denkmalkritik« jenseits der Kritik an den Denkmalpfleger*innen insbesondere eine Kritik am geltenden Denkmalbegriff zu verstehen ist.

Zwar weiß der Autor um die Zweistufigkeit, bei der die Feststellung des Denkmalwertes und die nachfolgende Unterschutzstellung eines Denkmals zu trennen sind von der Frage, wie sich der weitere Umgang mit dem Denkmal gestaltet. Bei diesem Prozess, an dem außer der Denkmalpflege Eigentümer*innen, Architekt*innen und Handwerker*innen sowie andere Behörden beteiligt sind und in dessen Verlauf in der Regel ein konsensuales Ergebnis erreicht wird, gibt es entgegen seiner Meinung sehr wohl eine Abwägung zwischen dem Belang der Denkmalpflege, anderen öffentlichen Belangen und den Interessen des Denkmaleigentümers. Zutreffend jedoch ist seine Beobachtung, dass die öffentliche Hand im Rahmen solcher Verfahren bei ihren eigenen Denkmalen nicht selten mehr Flexibilität walten lässt als bei Privaten.

Deshalb versteht sich der Autor vorrangig als Anwalt privater Denkmalbesitzer*innen, die er der Willkür der Denkmalpflege ausgeliefert wähnt. Er übersieht dabei, dass Denkmaleigentümer*innen sowohl beim Eintragungsverfahren als auch im Rahmen von denkmalpflegerischen Maßnahmen an ihrem Objekt ein Widerspruchs- und Klagerecht haben. Im Übrigen müssen Auflagen zumutbar sein. So wird seine Unterstellung, leitendes Prinzip der Denkmalpflege sei es, keine Veränderung am Denkmal zu dulden, obsolet, zumal die Denkmalschutzgesetze ausdrücklich vorgeben, Denkmale sinnvoll zu nutzen, was bauliche Veränderungen bis hin zum Abbruch oder die Erfüllung von Komfortansprüchen überhaupt nicht ausschließt.

Als einen wesentlichen Grund für das von ihm konstatierte gestörte Verhältnis von Denkmaleigentümer*innen und Denkmalpflege macht Hoffmann-Axthelm die mangelnde Qualifikation der Denkmalpfleger*innen aus, in denen er staatlich alimentierte Denkmalkommissar*innen sieht. Im Gegensatz zu älteren Denkmalpfleger*innen, die als Kunsthistoriker*innen intensiv vertraut waren mit der älteren Baugeschichte und einer entsprechenden Schulung vor Augen, seien die Denkmalpfleger*innen nunmehr Hybriden aus Denkmalfachleuten und Beamten; Erstere haben ihre Ansichten, Letztere handelten per Verwaltungsakt. Seiner damit verbundenen Klage, die Denkmalpfleger*innen seien für ihre Aufgaben unzureichend ausgebildet, ist entgegenzuhalten, dass diese heute nach einem Universitäts- oder Hochschulabschluss vorwiegend als Kunsthistoriker*innen, Architekt*innen, Ingenieur*innen, IT-Spezialist*innen, Geograf*innen oder Stadtplaner*innen, vielfach mit einem zusätzlichen Aufbaustudium Denkmalpflege, erst nach einem mehrjährigen Volontariat in einem Denkmalpflegeamt Verantwortung im Rahmen der Denkmalpflege übernehmen dürfen. So umfassend fachlich ausgerüstet sind sie gleichwohl nicht allwissend, aber wohlwissend, wann es angeraten ist, externes Expertenwissen hinzuzuziehen. Und der vom Autor bemängelten Kommunikationsunfähigkeit der Denkmalpfleger*innen stehen in den Ämtern längst die in Kommunikationsmanagement und Öffentlichkeitsarbeit ausgewiesenen Mitarbeiter*innen entgegen.

Die wenigen Fallbeispiele, die der Autor hauptsächlich aus seinem Berliner Umfeld als Kronzeugen für seine Kritik aufruft, haben keinesfalls die Beweiskraft, die es rechtfertigen könnte, die in der Denkmalpflege Handelnden in Sippenhaft zu nehmen. Verglichen mit der Wortwahl, mit der er in seinem Papier von 2000 die Denkmalpflege als schizophren, autoritär organisiert, rechthaberisch und diskussionsunfähig sowie die Denkmalpfleger*innen als Lumpensammler und Geschmackspolizisten bezeichnete, kommen seine aktuellen Auslassungen in stärker differenziertem Gewand daher. Ob das einer Altersmilde geschuldet ist oder der späten Erkenntnis, mit jenen Verbalien die Seriosität seines Gutachtens selbst konterkariert zu haben, sei dahingestellt. Mag sein, dass er nach einem Vierteljahrhundert mit der Zügelung seiner Formulierungen jetzt um mehr Akzeptanz für seine Vorstellungen buhlen möchte, nachdem er damit damals auf ein Höchstmaß an Widerspruch und Ablehnung gestoßen war.[1]

Der Verfasser anerkennt, dass dynamische Gesellschaften das Denkmal brauchen, um sich ihrer Geschichte zu vergewissern, um dann im gleichen Atemzug das grenzenlose Sammeln und Archivieren von Objekten, das die Denkmalpflege betreibe, anzuprangern. Indem sich der Autor über die zunehmende Zahl der Denkmale echauffiert, verweigert er sich der banalen Erkenntnis, dass die Menschen seit jeher für ihre jeweiligen Bedürfnisse und mit den ihnen jeweils zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten immer mehr Bauwerke und -gattungen erschaffen haben und das kontinuierlich fortsetzen werden. Diese haben in angemessenem Umfang den gleichen Anspruch auf Weitergabe an zukünftige Generationen, wie es Hoffmann-Axthelm den Zeugnissen früherer Epochen zugesteht.

Wer vom Verfasser dieser Publikation einen tragfähigen Beitrag zu zukunftsorientierten Perspektiven für die Denkmalpflege erwartet hatte, bleibt enttäuscht zurück. Nach seiner mitunter von einer Dosis Polemik begleiteten Diagnose bestehen seine Therapievorschläge, mit denen er die Denkmalpflege für die Zukunft ertüchtigen will, zum einen darin, auf der Objektseite Ballast abzuwerfen, was auf eine Einschränkung des Denkmalbegriffs und damit eine Reduzierung des Denkmalbestandes abzielt, und zugleich die Sehnsucht nach einer Zeit verrät, in der der Denkmalwert unter dem Primat der von ihm beschworenen dignitas und pulchritudo stand. Selbstverständlich wissen Denkmalpfleger*innen um die Würde und Schönheit von Denkmalen. Das aber sind wie auch ästhetische Aspekte Kategorien, die primär dem persönlichen oder zeitbedingten Geschmack unterliegen und von daher besonders anfällig sind gegenüber der im Text mehrfach beklagten Willkür.

Zum anderen solle nach seinen Vorstellungen die Denkmalpflege je nach Denkmaltyp ihre Verantwortung teilen (gemeint ist übertragen) mit zivilen Initiativen und Organisationen wie Stiftungen, Architektenkammern und -vereinen sowie engagierten Einzelnen und nicht zuletzt den Gutwilligen unter den Denkmalbesitzer*innen. Der Autor verkennt, dass eine Verlagerung von Verantwortlichkeiten aus der fachlich ausgerichteten Zuständigkeit der Denkmalpflegeämter auf externe Akteure die Gefahr individueller Interessen in sich birgt und damit jener Willkür Vorschub leisten kann, die er den Denkmalpfleger*innen auf ihren – wie er es nennt – Kommandohöhen so gerne zum Vorwurf macht.

Wie er sich die Zukunft der Denkmalpflegeämter vorstellt, hatte er bereits in seinem Entstaatlichungs-Druckwerk kundgetan: Die Inventarisation sei viel besser in Hochschulen untergebracht, festzustellen, was ein Denkmal sei, solle einem Beirat unter anderem aus Politikern, Vertretern der Wirtschaft, der Medien, der Kulturverwaltung, aber auch Fachleuten (welchen?) übertragen werden. Die Begleitung denkmalpflegerischer Maßnahmen könne ein Netzwerk von Freiwilligen oder Beauftragten (von wem?) in Teilzeit wahrnehmen. Dem Staat möchte er die Verfahren zur Unterschutzstellung zugestehen und die Ämter für Denkmalpflege zusammenstutzen auf ein Denkmalsekretariat, das die Denkmallisten führt und wie ein Callcenter Fakten und Hinweise nach außen vermittelt.

Offenbar hat der Autor die Folgen seiner Optimierungsvorschläge ausgeblendet. Wo soll das qualifizierte Personal in den Hochschulen herkommen? Wer stimmt die von ihm in die Breite der Zivilgesellschaft verteilten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für die Denkmalerkennung und -begründung sowie bei denkmalpflegerischen Maßnahmen ab, um ein Mindestmaß an Einheitlichkeit und Fachlichkeit zu gewährleisten? Wer in dieser Gemengelage Chaos und Willkür vermeiden will, kommt um die Schaffung einer neuen administrativen und koordinierenden Institution/Behörde nicht herum.

Neben diesen in der Realität schwerlich umsetzbaren »Therapieempfehlungen« des Autors sind seine gedanklich dichten Darlegungen, die partiell Zustimmung finden dürfen, nicht frei von Inkonsequenz. So drängt er einerseits hinsichtlich des Denkmalbegriffs zur Rückkehr in eine längst vergangene, vornehmlich feudal geprägte Epoche. Andererseits fordert er den Aufbruch in eine Zukunft, in der die Denkmalpflege in den Händen einer Bürgergesellschaft mit ihren bekanntermaßen pluralistischen Ambitionen liegen soll.

Wenn der Verfasser in der Vorbemerkung seine vorurteilsfreie Reflexion über die Zukunftsfähigkeit der Denkmalpflege mit einer über ein Halbjahrhundert gehenden persönlichen Befassung in Theorie wie Praxis etikettiert, so befindet er sich mit seiner in diesem Buch eingenommenen Position ziemlich weit entfernt von jeglicher Theorie und Praxis moderner Denkmalpflege. Von den Denkmalpfleger*innen, die selbstverständlich stets über die Zukunft ihrer Profession und notwendige Veränderungen reflektieren müssen, ist ein Blick von außerhalb jederzeit ausdrücklich erwünscht, vor allem, weil er in die Zukunft führende Impulse ermöglicht. Eine solche Chance bietet diese Publikation leider überhaupt nicht.

UDO MAINZER

Published Online: 2025-05-01
Published in Print: 2025-05-26

© 2025 Udo Mainzer, published by De Gruyter

This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License.

Downloaded on 16.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/dkp-2025-1012/html?lang=en
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