Im Baumgarten der Denkmalpflege
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Hartmut Troll
Für die Gattung der Gartendenkmalpflege sollen einige Stichworte dieses Themenheftes wie Klimakrise, Nachhaltigkeit, Ressource und Resilienz betrachtet und am Beispiel des Projekts zu Anpassungsstrategien an die Folgen des Klimawandels im Schlossgarten Schwetzingen ausgeführt und denkmaltheoretisch kontextualisiert werden.[1]
Historische Gärten und Parks sind fragile Kulturleistungen. Ihr wesentlicher Werkstoff, die Pflanze, ist Teil des steten und zyklischen Wandels der lebendigen Natur. Das ist einerseits eine Stärke dieser Denkmalgattung; der jahreszeitliche wie altersbedingte Wandel der Formen und Farben bestimmt und erweitert das Repertoire gestalterischer Möglichkeiten, er ist sozusagen von Anbeginn bedacht. Aber andererseits wirken Änderungen der Umweltbedingungen gerade mit der in der Klimakrise sich verschärfenden Dynamik unmittelbar auf die pflanzliche Ausstattung und damit auf des Kulturerbes (materiellen) Kern, auf dessen Ressource. Die Palette der Folgen ist beträchtlich, und genauso vielfältig wie die Herausforderungen sind mögliche Lösungen und Konzepte. Selbstredend bleiben andere Ausstattungs- und Gestaltungselemente wie die Gewässer in ihren vielfältigen Formen nicht unbehelligt, darüber hinaus nagen zunehmend häufig auftretende Extremwetterereignisse an der Substanz, denken wir nur an die wassergebundenen Wegeflächen vieler Parks. Dies in der Breite darzulegen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Das letztjährige Themenbuch der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur gibt als aktueller Werkstattbericht dazu einen guten Überblick.[2]
Die dichte Folge trockener und heißer Sommer ließ zumindest auf ungünstigen Standorten die massive Schädigung der Gehölzbestände in den Gärten und – für die öffentliche Aufmerksamkeit relevant – in den Forsten dramatisch sichtbar werden.[3] Die Ursachen der Schadphänomene sind multipler Natur. Gestresste und geschwächte Gehölze sind anfällig für Pflanzenkrankheiten und Schädlinge,[4] neue Gruppen phytopathogener Pilze wie die Gattung der Phytophthora setzen den Pflanzen massiv zu, Bodenverdichtungen im Wurzelbereich, oft durch Veranstaltungen oder Baumaßnahmen verursacht, verschärfen das Problem reduzierter Vitalität und damit mangelnder Resilienz (Abb. 1).
Gehölze sind – und das macht den Umstand so prekär und legitimiert den Fokus – ein besonderes Medium in dieser Denkmalgattung. Von Ihnen geht nicht nur ein großer Zauber aus, sie sind in der Gartenkunst ein Schlüssel zum Verständnis historischer Raumkonzepte, gerade wegen ihres hohen möglichen Alters das Kapital historischer Gärten und neben den von ihnen gebildeten Gartenräumen der Inbegriff der Zeugenschaft für die materielle Glaubwürdigkeit eines Gartendenkmals. In immer kürzerer Zeit werden Werke und über gärtnerische Arbeit erhaltene Werte der Gartenkultur in ihrer Substanz bedroht, »zu dessen Hervorbringen« – wie es Friedrich Ludwig von Sckell (1750–1823), ein Exponent des klassischen Landschaftsgartens, als Bewahrungsgedanken für die altehrwürdigen Alleen der symmetrischen Gartenkunst formulierte –, »die Natur ein ganzes Jahrhundert bedurfte«.[5]

Schwetzingen, Landschaftsgarten, Sterbende Rotbuche, 2019
Gleichzeitig sind die Parks in der aktuellen Krise nicht nur ein Schutzgegenstand, sondern auch ein weites Feld der Hoffnung, sind respektable Einflussgrößen im physikalisch-chemisch-biologischen Gefüge des Klimawandels mit beträchtlichen gesellschaftlichen Leistungen, wie es Michael Rohde in einem Interview unlängst formulierte: »Neben dem Kunst- und Geschichtswert binden sie ähnlich viel Kohlendioxid wie die Wälder, tragen zur Stabilität der Biodiversität bei und erbringen positive mikroklimatische Effekte. Denn die stadtnahen Parks spenden Schatten, binden Staub, sind Orte der Erholung.«[6]
Es geht also in der Frage der Klimakrise um mehr als um die historischen Gärten als in ihrer materiellen Existenz bedrohte Kulturdenkmale. Oder ist anders gefragt dieses »Mehr« gerade das Wesen dieser Denkmalgattung?
Mit dem Merkmal der spezifisch gartenkulturellen Biodiversität zeigt sich ein in diese Richtung zu deutendes Potenzial. Die in vielen Gärten über lange Zeiträume pflegend erhaltene und so erst ermöglichte Vielfalt an Naturausstattung umfasst auch die botanischen (Gehölz-)Sammlungen, oft Ausgangspunkt der Anlage oder Umgestaltung eines Gartens wie etwa in Schloss Dyck im rheinischen Jüchen. Sie sind neben allen herrschaftlichen, repräsentativen und symbolischen Anteilen Ausdruck der Diversifizierung gärtnerischer Kulturleistung, die exotische Baumarten aus anderen Klimazonen kultiviert, also einen Bestand globalisierter pflanzlicher Artefakte erhält, der umgekehrt eine Forschungsgrundlage für einen Strang der Klimaadaptionsstrategien bilden könnte, nämlich die Sichtung bereits gealterter Bäume, die für den Einsatz im Klimawandel geeignet wären.[7] Ein Denkmal, ein Artefakt, als Ressource betrachtet.
Beobachten, Forschen, Vernetzen
Ein kurzer Rückblick im Stakkato: Wie auch die seit 1941 im Schlossgarten Schwetzingen vorgenommenen Messungen ausgewählter Wetterdaten belegen, nahmen ab den 2000er Jahren sowohl die Verschiebung der Niederschlagsmengen und -verteilung als auch die Erwärmung deutlich an Fahrt auf. Die Folgen zeigten sich zusehends in den Gärten, und das Thema kam auf die Tagesordnung. Drei Konferenzen – Badenweiler 2008,[8] Wien 2011 und Potsdam 2014[9] – beleuchteten interdisziplinär und zunehmend international die vielfältigen Herausforderungen für historische Gärten im Klimawandel. Erste darüber angestoßene Forschungen galten an der TU Berlin dem zukunftsweisenden Umgang mit der Gehölzvegetation.[10] I n d er B erlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften bestand von 2017 bis 2019 ebenfalls eine entsprechende interdisziplinäre Arbeitsgruppe.[11] 2019 gründete sich das Initiativbündnis »Historische Gärten im Klimawandel«, das sich zum Ziel gesetzt hat, eine Plattform für den Erfahrungsaustausch zwischen den Gartenverwaltungen, Verbänden und Forschungseinrichtungen sowie für die Umsetzung von Fördermaßnahmen und begleitende Forschungsprojekte zu bieten. Die Schirmherrschaft hat das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz übernommen. 2020 konnten bereits zehn Projekte in der Förderkulisse »Anpassung urbaner Räume im Klimawandel« erfolgreich eingereicht werden.[12] Ein Forschungsprojekt KERES unter Federführung der Fraunhofer-Gesellschaft in Kooperation mit dem Climate Service Center Germany und der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten nimmt den Kulturgüterschutz vor Extremwetterereignissen und die Erhöhung der Resilienz als untersuchungsleitende Frage.[13] Die Fachgruppe Gärten der Deutschen Schlösserverwaltungen ist eingebunden. Auf internationaler Ebene ist auf den im November 2021 von ICOMOS verabschiedeten neuen wissenschaftlichen Dreijahresplan »Kulturerbe und Klimaschutz« zu verweisen. Dies ist der erste Versuch, die Arbeit aller ICOMOS-Mitglieder und -Komitees unter einem wissenschaftlichen Thema zu bündeln.[14] Die Passgenauigkeit der Untersuchungen wird größer und das Netzwerk der Beteiligung dichter. Der Fokus liegt meist auf der Resilienz der betroffenen Denkmalsubstanz, mit Blick auf die Gehölze etwa die Verbesserung der Etablierungschancen von Jungbäumen und die Stärkung der Vitalität von Altbäumen, was umfangreiche Standortsanierungen und Bodenverbesserungen miteinschließt.
Kontext des kulturellen Erbes
Wenn wir über die Folgen des Klimawandels im Kontext historischer Gärten nachdenken, fokussieren wir notwendig auf und erweitern gleichzeitig den Deutungsrahmen um die Perspektive des kulturellen Erbes. Die betroffenen Bäume werden mit Blick auf die darin vergegenständlichten Denkmalwerte betrachtet, wie es in der Charta von Burra (1979) als Prinzip formuliert ist. Bedeutung und Funktion eines Baumes variieren je nach Verwendungszusammenhang, etwa als sogenanntes Füllgehölz im Boskett in einer mehr dienenden Rolle, als Teil einer fein abgestimmten Komposition in einem shrubbery oder gar als Solitär, indem die malerische Erscheinung des Baumes mit dem Denkmalwert (in dem Falle Kunst- und Bildwert) zusammenfällt.[15]
Die offene Form der Pflanzungen,[16] der Wandel der Gehölzbestände in ihrer Erscheinung und Zusammensetzung führte über die Jahrzehnte mit unterschiedlichen Bewahrungsstrategien und -haltungen zu einem Mosaik von Zeitschichten in den Pflanzgruppen und zu beträchtlichen Lücken. Die einzelnen Bäume sind so gesehen auch Indiz und Spur, in ihrer Vergesellschaftung überdauerte Reste einer immer wieder veränderten Schrift, wenn wir die etwas überstrapazierte Metapher des Palimpsests bemühen dürfen, im Sinne eines Gedächtnisses, dessen immanente Bedeutungsebenen vorhanden, aber nicht immer unmittelbar lesbar sind. Der in der Vegetationsstruktur über die Zeit verdinglichte Wandel ist sozusagen substanziell. Die unvollständige, man könnte auch sagen: manchmal unklare und wenig lehrbuchmäßige Überlieferung im Gartendenkmal ist der Maßstab der Bewahrung und der Prüfstand jeder Interpretation.
Gerät das Kulturdenkmal materiell gesehen in wesentlichen Anteilen in Gefahr, gilt die konservierungswissenschaftliche Frage auch den davon berührten (Denkmal-)Werten, die in ihren Attributen gefasst und analysiert werden sollten, wie es für KulturerbeVerträglichkeitsprüfungen bei kulturlandschaftlichen und städtebaulichen Fragestellungen bereits erfolgreich praktiziert wird.[17] Welche Denkmaleigenschaften oder – bei nicht denkmalgeschützten Gartenanlagen – welche Werte sind von den Folgen des Klimawandels tangiert, und welche werden von den Maßnahmen im Rahmen der Klimafolgenanpassung gestärkt oder wieder aktiviert?
Baumschule und immaterielles Kulturerbe
»Die Notwendigkeit der Baumschul-Anlagen ausländischer und einheimischer Bäume und Sträucher bei großen Garten-Anlagen«[18] rückt in Zeiten des Klimawandels als vielversprechende nachhaltige Strategie in den Fokus und wird gleichzeitig als verloren gegangene Tradition und kulturelles Erbe wieder belebt, so etwa in Sanssouci, in Branitz, in Bad Muskau oder auch in Schwetzingen: »Pflanzen, in loco gezogen, sind schon da, wo sie die Gärten der Natur schmücken sollen, sowohl an das Klima, wie an die Erde gewöhnt, so daß man auf Ihr Gedeihen und Fortkommen weit sicherer rechnen kann, als auf solche Pflanzen, die man erst aus entfernten Gegenden und Himmelsstrichen muß kommen lassen,«[19] beschreibt Sckell in seinen »Beiträgen zur bildenden Gartenkunst« deren Funktion. Schon damals sind Baumschulen vor Ort Stationen und Labore der Klimaanpassung für Gehölze aus der Ferne an die hiesige Situation. Heute wird dieser Gedanke auf die Erhaltung originaler, aber wenig trockenheitsstresstoleranter Baumarten wie Rotbuche, Stieleiche, Birke, Lärche und andere mehr umgemünzt. Die Kultivierung naturverjüngter Exemplare nutzt das standorterprobte epigenetisch angepasste Erbgut und gewöhnt die jungen Bäume mit zusätzlich angewandten Kultivierungstechniken, etwa mit Tonröhren zur Förderung der Pfahlwurzelausbildung oder angepassten Bewässerungsstrategien, von klein auf an die spezifischen Standortbedingungen vor Ort. Darüber hinaus können Provenienzen aus warmen, trockenen Gegenden in Deutschland und von den Rändern der geografischen Verbreitung dieser Bäume in Europa kultiviert werden, da sie eine höhere Trockenstresstoleranz erhoffen lassen, in einem ersten Schritt in Schwetzingen etwa Rotbuchen aus dem Westerwald, dem fränkisch-württembergischen Bergland, aus Nordspanien und Ostpolen (Abb. 2).[20] Diese Strategie zielt letztlich auf die Erhöhung der Resilienz der von der Klimakrise bedrohten originalen Baumarten (statt ihres Ersatzes durch sogenannte klimaresiliente Arten), gilt doch mit Blick auf die Authentizität eines Kulturdenkmals und das Merkmal der »kontinuierlichen Materialität«[21] in der Gartendenkmalpflege die Regel »same species, same place«. Dieses hohe Gut originaler Ausstattungen versuchen wir mit großem handwerklichen und wissenschaftlichen Aufwand zu halten. Möglicherweise können so in den historischen Gärten – durch den Denkmalstatus legitimiert – Baumarten, die in den Forsten keine
Rolle mehr spielen, als genetische Ressource für die Zukunft, gewissermaßen als historisch gewordene Artefakte (heimischer Gehölzflora), bewahrt werden.

Schwetzingen, junge Rotbuchen kommen in der Baumschule an, 2021
Die Suche nach möglichen klimaresilienten Ersatzarten (Fagus orientalis statt Fagus sylvatica, Quercus petrea statt Quercus robur und so weiter) – hier sind vor allem auch denkmaltheoretische Aspekte zu berücksichtigen[22] – läuft in Schwetzingen parallel auf dem Level der Erprobung in der Baumschule, mehr nicht.
Die Baumschule bietet zu guter Letzt die Gelegenheit, auf der Grundlage von historischen Gehölzinventaren – das älteste bekannte in Schwetzingen stammt von 1804, als Sckell nach München ging, also gewissermaßen seine verbürgte pflanzliche Hinterlassenschaft[23] – verschwundene Bäume und Sträucher im Sinne der gartenkulturellen Tradition des Ortes wieder zu kultivieren und mithin den Pflanzenbestand in noch zu klärender Weise zu qualifizieren.
Summa summarum wird mit der Anpassungsstrategie »Eigene Baumschule« eine handwerkliche Tradition als eine Ressource des Ortes am historisch verbrieften Platz aktiviert (Abb. 3). In Schwetzingen ergaben sich während der Voruntersuchungen im Bereich der kleinen Baumschule Hinweise auf ein Wasserbecken, das mittels Geoprospektion verortet, nachfolgend archäologisch befundet wie steinrestauratorisch gesichert in die Planung integriert werden konnte (Abb. 4). Im konkreten Fall wurde also mit der Wiedersichtbarmachung der historischen Bau- und Infrastruktur als heute einziges erhaltenes Beispiel in der Ökonomie des Gartens das Gefüge der Denkmalwerte nun sowohl materiell als auch mit der gärtnerischen Produktionsweise immateriell erweitert und qualifiziert.[24]
Baumstandortsbewertung und -verbesserung
Ein erstes Gutachten zur Verbesserung der Wasserversorgung der Vegetation im Schlosspark Schwetzingen sammelte und bewertete 2009 relevante hydrologische, geologische und bodenkundliche Daten.[25] Gerade in den landschaftlichen Partien und in Teilbereichen der Boskette – auf den Ausläufern einer eiszeitlichen Düne errichtet – ist die Wasserhaltefähigkeit des Bodens gering. Sommerliche Trockenheit und Hitze können so ungepuffert auf die Bäume wirken.[26] Die vorgeschlagenen Lösungen für ein Bewässerungskonzept wurden zurückgestellt, um in einem nächsten Schritt erst einmal erweiterte meliorative Möglichkeiten zu prüfen. Wassermanagement steht am Ende der Untersuchungskaskade, um in der konkreten Bewirtschaftung einensparsamen und auf die jeweilige Situation angepassten wie eingegrenzten Einsatz zu gewährleisten.

Schwetzingen, Probefläche neben der neuen Baumschule im Schlossgarten, 2021

Schwetzingen, Schlossgarten, Grabungsbefund ehemaliges Wasserbecken der sogenannten Kleinen Baumschule, 2021
Geplant sind abgestufte Bodenverbesserungsmaßnahmen mit hochwertigem Kompost, der mit Mikronährstoffen und Pflanzenkohle versetzt wird. Letztere verbessern unter anderem die bodenphysikalischen Eigenschaften und die Wasserhaltekapazität. Flächendeckende Bodenuntersuchungen bestimmen standortgenau Spielraum und Grenzen der Melioration (Abb. 5).[27]
Eine in diesem Jahr startende Biodiversitätserhebung in Kooperation mit dem Staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsruhe erweitert den Rahmen der Betrachtung. Sind biodiverse Systeme resilienter? Unter anderem werden die Ergebnisse der Erfassung sowohl der Schadpilze (Frage der Antagonisten) als auch der Mykorrhiza-Pilze (Symbiosepartner) die Maßnahmen der Bodenverbesserung flankieren. Letztlich zielen diese naturwissenschaftlichen Untersuchungsanordnungen auf eine Übersetzung in und eine Adaption der gärtnerisch-handwerklichen und konservatorischen Praxis der Bestanderhaltung. Der nachhaltige Aspekt ist die Stärkung und Erweiterung der handwerklichen Autonomie, die Transformation in Erfahrungswissen.

Schwetzingen, Schlossgarten, Standortverbesserung geschwächter Altbäume, flächiges Ausbringen zertifizierter Schwarzerde und planvolles Angießen mit Komposttee, 2021
»solte nicht allein die gewöhnliche Cultur verstehen«
Die von Friedrich Ludwig von Sckell im natürlichen Stil auf den Ausläufern der Mannheimer Düne angelegten landschaftlichen Partien im Schlossgarten sind in ihrer prägenden Gehölzausstattung in besonderem Maße von den Folgen des Klimawandels betroffen. Sein Verständnis der »bildenden Gartenkunst« und insbesondere seine Überlegungen zur Pflege und Bewahrung des Schwetzinger Schlossgartens sind mehrfach überliefert und eine wichtige Originalreferenz für die konservatorische Praxis.[28] Die Pflegehinweise im »Protocollum commissionale« betonen die Notwendigkeit kontinuierlicher, selektiver gärtnerischer Eingriffe zur sorgfältigen Erhaltung der reizenden malerischen Bilder und Ansichten.[29] Der Kunstanspruch wird insbesondere in einem Brief deutlich, in dem Sckell Vorschläge für die Qualifikation seiner Nachfolge in Schwetzingen macht: »Jener Hofgärtner der die Besorgung des hiesigen Lustgartens erhält, solte nicht allein die gewöhnliche Cultur verstehen, sondern auch, und wenigstens etwas von der bildenden Gartenkunst erlernet haben, damit die im Natürl[ichen] Gartengeschmack hier angelegte Parthien nicht durch unkunde verunstaltet, sondern in ihren urformen und als Bilder der schönen Natur erhalten werde[n]«.[30]
Der Bewahrungsauftrag umfasst mithin mehr als die beschriebenen naturwissenschaftlichen Forschungen und handwerklichen Belange, es geht um die im Denkmal begründeten Aspekte des kulturellen Erbes. In Schwetzingen sind für die Umsetzung der Adaptionsstrategien der Gehölzverwendung die aus der Entstehungszeit verbürgte Intentionalität der Komposition, das »bildlich malerische Gruppieren und Verbinden der Bäume und Sträucher«[31] sowie deren Bewahrung eine erste wesentliche Referenz, die bis auf die Bedeutung einzelner Baumarten vielfältig belegt ist.
»Sie wird daher den Eichbaum, der sich ihr in seiner ganzen Größe, mit seinem kräftigen Stamme, seinen frei beweglichen Äste- und Blätterbaue majestätisch darstellet, einem andern […] weit vorziehen. […] sie wird sich dieser vollendeten schönen Gestalten und ihres großen Genußes nie berauben lassen. Ein Waldsaum, wo bald die dunkelblätterigen, glänzenden, kolossalen Rotbuchen (Fagus sylvatica) in stolzen selbständigen Massen hervortreten, und nur allein ihre schönen Formen, ihre sich erhebenden kräftigen Stämme, die nichts versteckt, zeigen; […] ein solcher

Carl Kuntz, Die Moschee im Schwetzinger Garten, Aquarell, 1793, Ausschnitt, mit Hervorhebung der ersten drei Höhenklassen nach Sckell (1818), bearbeitet Henrike von Werder-Zyprian, 2018
Wald […] möchte wohl der Landschaftsmalerei willkommener seyn.«[32]
Der aktuell zum Teil flächige Zusammenbruch der Bestände verlässt das Feld des Ersatzes einzelner Bäume im Regime einer kontinuierlichen Regeneration, offenbart die Lücken im Bestand und in den Quellen. Das bedeutet für die ergänzend erforderliche anlagengenetische Forschung, Möglichkeiten und Grenzen artefaktischen Wissens stets aufs Neue auszuloten. Jede Frage erfordert eine Adaption des Wissens. Die italienische Charta über historische Gärten von 1981 unterstreicht diesen grundlegenden Zusammenhang in einem ihrer vier Absätze, indem sie feststellt, dass man wissen muss, um zu schützen und zu erhalten.[33]
Kleine Spurensicherung zu zwei Merkmalen der Komposition
In Schwetzingen handelt es sich um einen räumlich gesehen kleinen Landschaftsgarten, in dem die ästhetischen Folgen des Klimawandels umso gravierender sind, und es deshalb eine der Herausforderungen zu sein scheint, die inneren Übergänge der Gehölzgruppen, ein grundlegendes Raumkunstphänomen in diesem Maßstab und ein – wie jüngere Forschungen belegen – besonderes Merkmal Sckellscher Gestaltungsprinzipien, besser zu verstehen.[34] Neben den »schöne[n] Formen« ist für Sckell »das Bewirken der so mannichfaltigen übereinstimmenden bildlichen Übergänge, der Baumund Straucharten untereinander«[35] entscheidend bei der »ästhetischen Regel der Komposition ländlicher Bilder«.[36] Überlagerungen historischer Pläne zeigten deutliche Differenzen zum heutigen Bestand und eine vergleichende Analyse erlaubte eine belastbare Beschreibung der inneren Sicht- und Raumbeziehungen.[37]
Ein weiterer exemplarisch angeführter Aspekt, der für das bessere Verständnis des Gehölzbestands wichtig ist: Sckell gliedert seine Baum- und Strauchlisten nach Höhenklassen, schon aus praktischen Gründen, weil »beim Pflanzen die Massen der hohen Bäume mit jenen der minder hohen unaufhörlich wechseln müssen, um nicht allein die natürliche Wellen-Linie überall auszudrücken, sondern auch, um Abwechslung und Charakter über’s Ganze zu verbreiten« (Abb. 6).[38] Eine erste Analyse der von ihm publizierten Beispiele zeigt folgende Verteilung: 10 Prozent sind hainartig, 40 Prozent sind mit drei Höhenstufen und die Hälfte mit vier oder mehr Schichtungen in einer Pflanzgruppe. Diese kompositorischen Regeln sind auch auf den Veduten von Carl Kuntz (1770–1830) nachvollziehbar und belegen mit ihrer konkreten Verortung für Schwetzingen die dortige Verwirklichung dieses gestalterischen Entwurfsprinzips.[39] Die Realität heute ist dagegen geprägt von einer – insbesondere verursacht durch die Zeit der Forstverwaltung von 1920 bis 1970 – dominant ausgebildeten ersten Baumschicht, deren Schattendruck sekundär zu einer starken Degradierung und Vereinfachung der vertikalen Struktur führte.
Die induktiv gewonnenen Regeln etwa der Höhenstaffelung geben mit den anderen Hinweisen eine mögliche Richtung der Qualifizierung der durch den Klimawandel notwendigen Ersatz- und Ergänzungspflanzungen vor. Der am Anfang aufgestellte Denk- und Betrachtungsrahmen wurde aus der Not heraus mit Blick auf die dramatische Gefährdung der Substanz der landschaftlichen Partien im Schlossgarten Schwetzingen erweitert, um den konservatorischen Blick zu schärfen sowie die gärtnerischen Möglichkeiten auszuloten und adaptiv zu ergänzen. Work in progress.
Der Garten als Ressource
In den Denkmalcharten und -gesetzen kommt der Begriff der Ressource praktisch nicht vor, wenn ja, dann geht es um den Einsatz der externen Mittel (Burra Charter) oder um den Aufruf, im Rahmen einer nachhaltigen Ressourcennutzung schonend und werterhaltend mit dem Denkmalbestand umzugehen (Denkmalschutzgesetz Schleswig-Holstein). Ganz anders der gesellschaftliche Diskurs rund um Nachhaltigkeit, Teilhabe (shared heritage) und Gemeinsinn. Dort werden historische Gärten als Ressource bezeichnet, die in einer gleichsam choreografischen Annäherung als kulturelles Erbe aktiviert und deren Potenzial für die Verhandlung kultureller Vielfalt geöffnet wird.[40]
Eine bemerkenswerte Ausnahme gibt es. In Reaktion auf die Verabschiedung der Charta von Florenz im Jahre 1981 haben italienische Experten im selben Jahr eine eigene, die oben erwähnte »Italian Charta on Historic Gardens«, beraten und angenommen.[41] Sie fokussiert weniger auf die Gestalt und Form als auf die Besonderheit und die materielle Spezifik eines jeden Ortes. Sie fasst expressis verbis das Denkmal mehr als Dokument und begreift den Ort als architektonische und ökologische Ressource, um die Zukunft zu gestalten.[42] Konsequenterweise gilt dort in der konservatorischen Praxis das Augenmerk dem Erhalt der materiellen Spuren der Vergangenheit. Die Charta von Florenz präferiert dagegen mit dem Paradigma der Vergänglichkeit und Erneuerbarkeit (Art. 2) einen kontinuierlichen, quasi zyklischen Austausch (Art. 11).[43] Die neuerdings fast formelhafte Aussage in Parkpflegewerken oder gartendenkmalpflegerischen Zielplanungen, künftig klimaresiliente Arten zu verwenden, steht ganz in dieser Tradition. Das ist durchaus kritisch zu sehen.
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ABBILDUNGSNACHWEIS
1: Nathalie Ott, Potsdam — 2: Jürgen Köhler, Würzburg — 3, 5: Hanna Nimmenich, Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg — 4: Andreas Buschmeier, Esslingen am Neckar — 6: Wien, Albertina, bearbeitet von Henrike von Werder-Zyprian, Esslingen am Neckar
© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany
Artikel in diesem Heft
- Inhalt
- Vorwort
- Aufsätze
- Das Denkmal als Ressource?!
- Denkmalschutz und Nachhaltigkeit
- Industriebauten als Ressource
- Im Baumgarten der Denkmalpflege
- Forum
- Ein Dorf als Ressource
- Berichte
- Ressourcenschonung im Baudenkmal
- Opto-technisches Monitoring am Hochaltar in Döbeln – klimainduzierte Bewegungen sichtbar machen
- Campusuniversitäten der 1960er und 1970er Jahre und ihre bauliche Weiterentwicklung
- Aktuelles
- Kurzberichte aus den Ländern
- Rezensionen
- Die Instandsetzung der ehemaligen Klosterkirche St. Georg in Prüfening
- Corona – [Klima] – Denkmalpflege. Ein System im Folgensog der Katastrophen
Artikel in diesem Heft
- Inhalt
- Vorwort
- Aufsätze
- Das Denkmal als Ressource?!
- Denkmalschutz und Nachhaltigkeit
- Industriebauten als Ressource
- Im Baumgarten der Denkmalpflege
- Forum
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- Berichte
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