Rezensierte Publikation:
Cornelia Vonhof; Eva Haas-Betzwieser: Praxishandbuch Prozessmanagement in Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Berlin: De Gruyter, 2018. VIII, 299 S. ISBN 978-3-11-050002. 79,95 €
Das Buch „Prozessmanagement in Bibliotheken und Informationseinrichtungen“ ist als Praxishandbuch bezeichnet und auch als solches konzipiert.
Das hier rezensierte Buch umfasst fünf zentrale Kapitel:
Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
Prozessmanagement – Innovative Ansätze und
Prozessmanagement – Prozesskultur
Die Überschriften machen bereits deutlich: Es geht ausschließlich um das Thema Prozessmanagement, auch wenn der Klappentext impliziert, dass auch das Thema „Innovationen“ Berücksichtigung finden könnte. Dort heißt es: „Dienstleistungen von Bibliotheken und Informationseinrichtungen entstehen in Prozessen.“ Doch das Thema wird in dem Buch nicht zentral behandelt, vielmehr ist es das Ziel des Buches, das Handwerkszeug für die Erstellung von Prozessen und die Arbeit mit Prozessen – unabhängig von spezifischen Anwendungsbereichen – zu vermitteln, und das trotzdem möglichst praxisnah.
In der Einleitung, die als Einstieg bezeichnet ist, beantworten die Autorinnen die Frage „Was ist der Antrieb, ein Buch über Prozessmanagement in Bibliotheken und Informationseinrichtungen zu schreiben?“ Sehr klar werden die Ziele und die Konzeption formuliert. Deutlich wird auch, dass es sicher kein Buch ist, das man erwirbt, weil das Thema so „in“ ist, nein, es geht vielmehr darum, ein etwas „sperriges“ Thema Bibliothekaren näher zu bringen, das leider in vielen Bibliotheken noch unzureichend Beachtung findet, obwohl Prozessmanagement eng mit Bibliotheksstrategie bzw. dem gesamten Bibliotheksmanagement verknüpft ist. Und damit ist Prozessmanagement unverzichtbar für jede Bibliothek, denn Produkte und Dienstleistungen lassen sich ohne Prozesse weder erstellen, organisieren, verwalten noch evaluieren und verbessern.
In Kapitel zwei wird der Leser in die Thematik des Prozessmanagements als Baustein des Bibliotheksmanagements eingeführt. Das Kapitel startet mit den Motiven, Zielen und Erwartungen an das Prozessmanagement, wobei die Motive als Schalenmodell dargestellt werden. Als Verfechterin des Prozessmanagements im Bereich Innovationsmanagement hätte ich mir eine vierte Schale – außerhalb von Wissensmanagement, Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement – gewünscht: das Innovationsmanagement, zumal viele Innovationen in Bibliotheken Prozessinnovationen im Sinne von Prozessoptimierungen sind. Ja, sie wäre sogar notwendig.
Kapitel 3 stellt die praktische Umsetzung des Prozessmanagements in den Mittelpunkt. Aus eigener Sicht ist es das zentrale und wichtigste Kapitel des Buches. Den Autorinnen gelingt es hervorragend, die verschiedenen Managementstrategien und -methoden mit dem Prozessmanagement zu verknüpfen, sei es im Bereich des strategischen Marketings (Portfolio-Analyse) oder z. B. des Qualitätsmanagements (PDCA-Zyklus, Ishikawa-Technik). Es ist beachtenswert, mit welchem Detaillierungsgrad die Autorinnen das Prozessmanagement sowohl hinsichtlich der unverzichtbaren Theorie als auch der praktischen Methoden veranschaulichen.
Kapitel 4 behandelt die weiteren Anwendungsfelder des Prozessmanagements: Diese reichen von Informations- und Dokumentenmanagement über die Personalbedarfsermittlung bis hin zum Prozesscontrolling. Leider findet auch hier das Innovationsmanagement keine Erwähnung. Insbesondere im Stage-Gate-Modell wird der Innovationsprozess in sequenziell ablaufende Phasen zerlegt und nach jeder Phase durch einen Gatekeeper der Projektfortschritt überprüft sowie über den weiteren Fortgang entschieden. Insbesondere simultane Abläufe und Überlappungen der verschiedenen Phasen machen ein gutes Prozessmanagement unverzichtbar.
Kapitel 5 behandelt innovative Ansätze des Prozessmanagements. Eigentlich hat man beim Lesen des Buches schon darauf gewartet, dass der Kunde mit seiner Rolle und seinen Erwartungen im Rahmen des Prozessmanagements deutlicher in den Mittelpunkt gestellt wird. Die Autorinnen wählen dafür als geeignete Methode das Service-Blueprinting, eine der zentralen Techniken des Qualitätsmanagements im Dienstleistungsbereich. Aber auch das agile Prozessmanagement findet Erwähnung – wenn auch nur kurz.
Kapitel 6 – Prozesskultur – ist eine Art Fazit, obwohl es offener als ein Fazit daherkommt. Vielmehr ist es ein klarer Appell der Autorinnen an eine Prozesskultur in Bibliotheken und Informationseinrichtungen: Ohne sie wird es kein (funktionierendes) Prozessmanagement geben. Und in diesem Sinne ist auch das Titelbild von den Autorinnen mit Bedacht und gezielt ausgesucht worden. Es ist gewissermaßen eine Aufforderung, die Chancen und Möglichkeiten, die sich durch systematisches Prozessmanagement ergeben (können), zu nutzen.
Es handelt sich um ein Buch, das nicht nur Einsteigern ins Prozessmanagement empfohlen werden kann. Auch die erfahrene Führungskraft findet in dem Buch wichtige und nützliche Tipps, Handlungsanweisungen und vor allem Reflexionsmöglichkeiten bezogen auf das Handeln und Verhalten einer Bibliothek hinsichtlich des Prozessmanagements. Das Buch ist so konzipiert, dass man es von A bis Z durcharbeiten kann, es aber auch als Nachschlagewerk oder Informationsmittel zu einzelnen Aspekten verwenden kann. Ein strukturierter und logischer Aufbau, zahlreiche Verweise und ein schlankes Register sind dafür sehr hilfreich.
Optisch ist das Buch sehr ansprechend gestaltet. Die Beispiele sind gut erkennbar (grau abgesetzt); die Tipps und Reflexionen sind eindeutig als solche gekennzeichnet. Damit wird noch einmal der „Blick in die Praxis“ in den Mittelpunkt gerückt. Wenn es etwas zu kritisieren gibt an diesem Buch, dann sind es einige Abbildungen, die nicht bzw. schlecht lesbar sind. Dies betrifft insbesondere Fotos von Plakaten, Flipcharts etc. aus der Praxis (u. a. Abb. 3.7, 3.8, 3.9, 3.17). Auch wenn man die einzelnen Texte darauf nicht zwingend lesen können muss, man ist doch immer versucht, dies zu tun. Und schön wäre es auch gewesen, wenn mindestens diese Abbildungen farbig gedruckt worden wären. Die Bildkartenmethode z. B. (Abb. 3.8) lebt vom Einsatz farbiger Karten und farbige Abbildungen hätten die Methoden noch anschaulicher gemacht. Diese Kritik richtet sich natürlich weniger an die Autorinnen.
Fazit: Es ist ein Buch zu einem nicht gerade trendigen Thema, das in seiner Darstellung, Ausführlichkeit und Anschaulichkeit sowie Praxisbezug einzigartig und ein Muss für jede Bibliothek ist. Stellt sich nur noch am Ende die Frage: Warum haben die Autorinnen, beide ausgewiesene Spezialistinnen im Bereich Prozessmanagement, nicht über eine Kurzvita ihre Kompetenzen dargestellt? Ein bisschen Marketing in eigener Sache sollte erlaubt sein und wäre bei diesem Buch auch mehr als angebracht.
Zielpublikum: Bibliotheken oder/und Bibliotheksabteilungen mit ihren Mitarbeitern, Dozenten und Studierenden, die sich dem Thema Prozessmanagement inten-siv(er) widmen möchten.
© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Frontmatter
- Inhaltsfahne
- Schwerpunkt Data Librarian
- Studienschwerpunkt „Data Curation“ im Master „Information Science“ der HEG Genf
- Data Librarian – ein neuer Studienschwerpunkt für wissenschaftliche Bibliotheken und Forschungseinrichtungen
- Bibliotheksinformatik als Studienrichtung an der HTWK Leipzig
- IT-Kernkompetenzen im Bachelorstudiengang „Informationswissenschaften“ an der Hochschule der Medien Stuttgart
- Bibliotheksinformatik studieren heißt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans hinterher
- 90 Jahre IBI
- The Future of Information Studies: Reflections on Sociotechnical Imaginaries
- 90. Geburtstag des Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaft (IBI) in Berlin – Ein Rückblick aus der Zukunft
- Neue Entwicklungen
- Aktuelle Entwicklungen an den österreichischen Bibliotheken 2017 und 2018
- Weitere Beiträge
- Die Sammlung ist tot, es lebe die Sammlung!
- Von der elektronischen Bibliothek zur innovativen Forschungsinfrastruktur
- Aspekte digitaler Infrastrukturen
- Shared Print – Wie Bibliotheken in den Vereinigten Staaten und Kanada Zugänglichkeit und Erhalt des gedruckten Kultur- und Wissenschaftserbes sichern
- Ein neues Schaufenster des Humanismus am Oberrhein – Die Humanistenbibliothek in Schlettstadt nach dem Umbau
- Rezensionen
- Lernwelt Öffentliche Bibliothek. Dimensionen der Verortung und Konzepte. Hrsg. von Richard Stang und Konrad Umlauf. Berlin; Boston: de Gruyter, 2018. 222 S., 99,95 €
- Ressourcen für die Forschung. Spezialsammlung in Regionalbibliotheken, hrsg. von Ludger Syré anlässlich des 60. Geburtstags der Arbeitsgemeinschaft der Regionalbibliotheken, Frankfurt/Main: Vittorio Klostermann, 2018 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderband 123). 340 S., zahlreiche, z. T. farbige Abb., geb., ISBN 978-3-465-04362-1. 98 €
- Nuklearphysikalische-Verfahren zur Untersuchung von Inkunabeln – eine Erinnerung
- Cornelia Vonhof; Eva Haas-Betzwieser: Praxishandbuch Prozessmanagement in Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Berlin: De Gruyter Saur, 2018. VIII, 299 S. ISBN 978-3-11-050002. 79,95 €
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