Zusammenfassung
Der Artikel beschreibt den Werdegang des Masterstudiengangs „Information Science“, der seit einigen Jahren an der HEG Genf (die Teil der Fachhochschule Genf // HES-SO ist) angeboten wird und erläutert nach einem historischen Abriss und einer kurzen Beschreibung sämtlicher schweizerischen Weiterbildungsstudiengänge zur Informationswissenschaft die inhaltliche Gestaltung und Zusammensetzung des Studienschwerpunkts „Data Curation“.
Abstract
The article provides background information concerning the Masters programme “Information Science” that is provided since some years at the Geneva School of Business Administration (being part of the University of Applied Studies Geneva // HES-SO). It describes shortly the historical outline as well as all Swiss postgraduate programmes in information science before speaking in more detail about the design and content of the Major “Data Curation”.
1 Historischer Abriss
Der Masterstudiengang Information Science mit den Schwerpunkten Data Curation, Information Services und Data Science der Haute École de Gestion Genf (HEG, Geneva School of Business Administration) ist die aktuellste Weiterentwicklung informationswissenschaftlicher Studiengänge im Kanton Genf, die mittlerweile auf eine mehr als 100 Jahre währende ununterbrochene Geschichte verweisen können.[1]
Gegründet 1918 als Sektion der „École d’études sociales pour femmes“ (zu Deutsch etwa: Sozialwissenschaftliche Schule für Frauen!) und 1948 als selbständige „École de bibliothécaires“ etabliert, wurde den bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Studien 1990 der Status einer Hochschule als „École supérieure d’information documentaire“ zugestanden, um 1998 als einer von drei Studiengängen unter dem Namen „Information documentaire“ Teil der neugegründeten HEG zu werden. Die HEG selbst ist eine von mehreren Hochschulen der Fachhochschule Genf, die wiederum Teil des interkantonalen Verbunds der westschweizerischen Fachhochschulen HES-SO ist.
Zudem wurde von 1987 bis 2009 in Zusammenarbeit mit den Fakultäten Jura, Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften der Universität Genf ein bibliothekswissenschaftliches Weiterbildungszertifikat angeboten, das „Certificat d'études supérieures en information documentaire“ (CESID), welches als eigentlicher Vorläufer des im Folgenden vorgestellten Masterstudiengangs gelten kann.
Dieses Zertifikat wurde eingestellt, als im Zuge der auch in der Schweiz durchgeführten Bologna-Reformen 2008 der Bachelorstudiengang als Bachelor of Science „Information documentaire“ (mit einer deutschsprachiger Vertiefungsmöglichkeit „études bilingues“) und parallel dazu der erste Masterstudiengang als Master of Science „Information Science“ eingeführt wurden.
2 Abgrenzung zu anderen informationswissenschaftlichen Studiengängen in der Schweiz
Die HEG Genf ist neben der HTW Chur, die ebenfalls einen informationswissenschaftlichen Bachelor- und Masterstudiengang anbietet, die weitere Hochschule in der Schweiz, die diese Studiengänge anbietet. Sie ist somit in der französischsprachigen Schweiz die einzige Anlaufstelle für all jene Studierenden, die eine akademische Ausbildung für Bibliothekare, Archivare bzw. Informationsspezialisten absolvieren möchten.
Zu diesen in Chur und Genf angebotenen grundständigen und weiterführenden Studiengängen, die zu von der Eidgenossenschaft anerkannten und geschützten Diplomen führen, gesellen sich diverse, nicht bolognakonforme Weiterbildungszertifikate, die unter dem Label „Master of Advanced Studies“ (MAS) (oder in Abstufung als „Diploma bzw. Certificate of Advanced Studies“ DAS/CAS) kostenpflichtige Programme anbieten, die seit mehreren Jahren mit großem Zuspruch, was die Studierendenzahlen betrifft, angenommen werden. Diese Ausbildungsprogramme richten sich hauptsächlich an Quereinsteigende, die ihre berufliche Zukunft in den Arbeitsfeldern Bibliothek, Archiv, Museum und Dokumentation suchen.
Dazu zählen vor allem:
der im Auftrag der Universität Zürich von der Zentralbibliothek Zürich durchgeführte „MAS für Wissenschaftliche Bibliothekare“,
das von den Universitäten Bern und Lausanne angebotene, zweisprachige (d. h. deutsch und französische) Weiterbildungsprogramm „Archiv-, Bibliotheks- und Informationswissenschaft MAS/CAS ALIS“,
der ebenfalls von der HTW Chur angebotene „MAS Information Science“ mit einem CAS bzw. einer Vertiefung in Museumsarbeit,
der DAS-Studiengang „Intelligence Économique et Veille Stratégique“ (d. h. Competitive Intelligence) der HEG Genf.
Damit lässt sich trotz der immer zu berücksichtigenden Mehrsprachigkeit der Schweiz aufgrund der relativen Größe der einzelnen sprachlichen Regionen und der Schweiz insgesamt eine doch sehr hohe Vielfalt an Angeboten feststellen, die gerade zwangsläufig zu einer Diversität in der curricularen Ausrichtung führen muss; allein schon deshalb, um die Programme voneinander unterscheidbar zu machen. Auch aus diesem Grund lässt sich die im Folgenden genauer beschriebene inhaltliche Ausgestaltung des Masterstudiengangs „Information Science“ der HEG in Richtung „Daten“ im Allgemeinen und die Einrichtung einer Spezialisierung zum Thema „Data Curation“ erklären.
3 Verlauf des Masterstudiengangs
Die nunmehr bald zehnjährige Geschichte des 90 ECTS umfassenden in Teilzeit (donnerstags und freitags) und in französischer Sprache unterrichteten Masterstudiengangs, der im Rhythmus von zwei Jahren angeboten wird, lässt sich bis dato in drei Etappen unterteilen:
die zwei Kohorten umfassende Gründungsphase 2008-2012 im Verbund mit der Universität Montreal,
die nach erzwungener Einstellung der Kooperation von 2012 bis 2016 dauernde Konsolidierungsphase als neuausgerichteter eigenständiger Studiengang,
die 2016 vollzogene und noch andauernde konsequente Ausrichtung auf Daten als Grundlage der Informationswissenschaften mit der Schaffung der Schwerpunkte „Data Curation“, „Information Services“ und „Data Science“.
Letztere Entscheidung wurde auch getroffen, a) um eine eindeutige Abgrenzung des Masterstudiengangs gegenüber dem Bachelor zu vollziehen und b) um den Studiengang gegenüber weiteren externen Studierenden zu öffnen, die bereits Kompetenz im Bereich der Informationstechnologie besitzen und diese in den Bereich statistikintensiver Datenverarbeitung und Maschinellem Lernen vertiefen möchten. Gleichzeitig soll die Attraktivität des Studiengangs für Quereinsteigende gesteigert werden, damit all jene, die bereits einen fachfremden Universitätsabschluss erworben haben, Zusatzqualifikationen erwerben können. So soll es – vergleichbar zu den bibliothekarischen Fachreferenten – diesen Quereinsteigenden durch Kenntnisse im Bereich Forschungsdatenmanagement möglich sein, als fachbezogene Datenkuratoren (vergleichbar mit einem bibliothekarischen Fachreferenten) oder Data Stewards ihr Kompetenzprofil zu erweitern.
4 Studierendenzahlen
Die unter Abb. 1 aufgeführte Statistik erfasst die Entwicklung der Studierendenzahlen seit Beginn des eigenständig und im Rhythmus von zwei Jahren durchgeführten Studiengangs. Die Zahl der Diplome im Jahr 2012 ist die Summe der Diplome aus den ersten beiden mit Montréal durchgeführten Kohorten.

Studierendenzahlen
Zum Verständnis der Grafik ist hinzuzufügen, dass der Masterstudiengang – wie weiter oben erwähnt – auch offen ist für Studierende, die in einem vorherigen Studium einen fachfremden (in der Regel universitären und hier mehrheitlich eher geisteswissenschaftlichen) Abschluss erworben haben. Diese Studierenden beginnen ihr Masterstudium mit einem Vorbereitungsjahr (Prérequis), in dem im Fernstudium 60 ECTS aus dem Bachelorstudiengang erworben werden müssen. Der eigentliche zeitliche Aufwand umfasst für Quereinsteigende somit drei Jahre. Das erste Vorbereitungsjahr begann 2011, die Studierenden sind somit in der Grafik nicht explizit aufgeführt und Teil der 30 zum Studienjahr 2012 eingeschriebenen Studierenden.
2017 wurde zudem im Rahmen der inhaltlichen Neuausrichtung des Studiengangs und einhergehend mit Schaffung der neuen Vertiefungen „Data Curation“ und „Data Science“ beschlossen, den Studiengang für Absolventen der Fachhochschulstudiengänge Wirtschaftsinformatik zu öffnen, was – neben dem kontinuierlich steigenden Interesse der Absolventen aus dem Bereich Informationswissenschaft sowie der immer größer werdenden Gruppe der fachfremden Quereinsteiger – den vergleichsweise sprunghaften Anstieg der Studierendenzahlen ab 2018 erklärt.
Zu diesen drei Hauptinteressegruppen (Absolventen des Bachelors Informationswissenschaften, Absolventen des Bachelors Wirtschaftsinformatik und Quereinsteigenden mit universitärem Abschluss) gesellen sich jeweils ein Handvoll internationale Studierende, die häufig bereits einen informationswissenschaftlichen Masterstudiengang in ihrem Land erworben haben, der von der Eidgenossenschaft jedoch nicht als Äquivalent anerkannt wird.
5 Abgrenzung Bachelor- vs. Masterstudiengang
Bei all diesen Betrachtungen sollte nicht vergessen werden, dass der Masterstudiengang primär als konsekutiver Aufbaustudiengang für den grundständigen Bachelor „Information documentaire“ konzipiert wurde, d. h. für Absolventen des hauseigenen Bachelor of Science. Auch aufgrund der Rückmeldungen seitens der Studierenden ist hierbei darauf zu achten, dass sich die Inhalte des Bachelorstudiengangs nicht wiederholen und – vom wissenschaftlichen Anspruch gesehen – Inhalte angeboten werden, die ein höheres Niveau haben und es den Studierenden ermöglichen, entweder Führungspositionen oder Stellen, für die eine spezifische und fachlich anspruchsvolle Qualifikation benötigt wird, anzutreten.
Nachfolgende Abbildungen zeigen schematisch die jeweils unterschiedlichen Ausrichtungen der sowohl konsekutiv aufeinander abgestimmten und voneinander abzugrenzenden Studiengänge, wie sie vom Verfasser für eine studienganginterne Strategietagung erstellt wurden.

Schematische Abgrenzung Bachelorstudiengang „Information documentaire“
Dabei soll zunächst verdeutlicht werden, dass der Bachelor sich eindeutig um die informationswissenschaftliche Ausbildung kümmert und ganz im Sinne der Bologna-Reformen, auf klassische Berufsbilder ausgerichtet ist, vor allen Dingen auf die Metiers des Bibliothekars und des Archivars sowie auf sämtliche verwandten Berufstätigkeiten im Unternehmensbereich, etwa im Bereich des Records Management. Dieses eher klassisch zu nennende Studienangebot wird dabei flankiert von Lehrveranstaltungen aus dem Bereich des Informationsmanagements und in immer stärkerem Masse der Informationstechnologie (d. h. konkret Programmier- und Beschreibungssprachen, Datenbankmodellierung usw.), um die Studierenden auf die Anforderungen der modernen Berufs- und Lebenswelten vorzubereiten.

Schematische Abgrenzung Masterstudiengang „Information Science“
Der Masterstudiengang hat hingegen seit 2016 eine Neuausrichtung auf den Bereich der Daten – als Grundlage allen informationswissenschaftlichen Forschens und Handelns – und ist mit seinen drei Hauptachsen Management, Forschung & Entwicklung sowie Innovation, nicht primär auf konkrete Berufsbilder, sondern auf transversale Kompetenzen ausgerichtet. Diese Hauptachsen schlagen sich in Lehrveranstaltungen nieder, die insb. im ersten und letzten Semester verpflichtend und gemeinsam von den Studierenden zu besuchen sind. Hinzu kommen ab dem zweiten Semester die jeweiligen Schwerpunkte oder Vertiefungen aus den Bereichen „Data Curation“, „Information Services“ und „Data Science“. Es wird davon ausgegangen, dass das Thema der Datenkuration in den kommenden Jahren von zentraler Bedeutung sein wird, um etwa den Datenwissenschaftlern (Data Scientists) ein effektiveres wissenschaftliches Arbeiten zu ermöglichen oder um neue Informationsdienstleistungen für die Data Science zu erstellen, so wie dies akademische Bibliotheken schon immer für alle Wissenschaften getan haben. Hinzu gesellen sich die im Stundenumfang etwas geringere Spezialisierung in Informationsarchitektur sowie das vom Umfang und Anspruch sehr gewichtige wissenschaftliche Projekt, dass die Studierenden, betreut von einem Professor, eigenständig durchführen, um die in den Spezialisierungen erworbenen Kenntnisse praktisch anzuwenden. Abb. 4 veranschaulicht in Grundzügen die Ausgestaltung des Masterstudiengangs mit der besonderen Stellung der Studienschwerpunkte:

Curriculare Schwerpunkte
Das gesamte Studienprogramm als konkrete Ausarbeitung dieser Schwerpunkte stellt sich mit sämtlichen Lehrveranstaltungen und allen ECTS-Punkten in französischer Sprache so dar, wie in Abb. 5 wiedergegeben.

Studienplan (in französischer Sprache)
6 Studienschwerpunkt Data Curation
6.1 Begriffswahl
Bei der Suche nach einer treffenden Bezeichnung für die konsekutive Spezialisierung in Richtung Daten, wurde nach kurzer Überlegung die Entscheidung getroffen, den Begriff bzw. die Ausrichtung „Data Curation“ oder Datenkurator zu verwenden, da sie am wenigsten auf die traditionellen Berufsbilder Bibliothekar bzw. Archivar hinweist; auch um den Preis der Unverständlichkeit („Ein Kurator? Ich dachte die gibt’s im Museum? Für Daten? Wie soll das denn aussehen?“).
Diese Entscheidung lässt sich wie nachstehend begründen:
Es wird davon ausgegangen, dass das Tätigkeitsfeld des Datenkurators auch die Tätigkeiten umfasst, die im Allgemeinen von Datenbibliothekaren oder Datenarchivaren für sich beansprucht werden und der Begriff am besten die Neuausrichtung eines klassischen Berufsfelds bezeichnet und zudem über das angestammte Arbeitsgebiet hinausweist. Darüber hinaus gewinnt der Begriff zunehmend an Zustimmung und hat sich in einigen anderen Disziplinen, bspw. der Bioinformatik (wenngleich dort mit einer stärker maschinell, d. h. automatisch ausgerichteten Bedeutung) bereits fest etabliert.
Der Begriff des Datenbibliothekars wird als weniger treffend erachtet, klammert er sich doch hartnäckig an die griechische Bezeichnung für das Buch ‚biblios‘ oder im englischen mit Data Librarian an das lateinische ‚libros‘, wohingegen es doch gerade um die Primärdaten wissenschaftlicher Erkenntnis (also die Forschungsdaten) und weniger um die Sekundärdaten (also die daraus resultierenden wissenschaftlichen Publikationen in Artikeln und Büchern) geht. Akzeptabler, wenn auch etymologisch hybrid und von daher nicht ganz korrekt, wäre hier wohl der Begriff „Datothekar“, oder etymologisch korrekt dafür aber völlig unverständlich die Bezeichnung „Dedomenothekar“.
Die Alternative des Datenarchivars hingegen weist zu stark auf den Aspekt der Langzeitarchivierung hin, der zweifelsohne einen Großteil des (Forschungs-)Datenmanagement ausmacht, dabei aber den ungleich wichtigeren Aspekt der Repositorien und den damit verbundenen Aspekt des eher aus dem Bereich des Open Access stammenden Data Sharing in den Hintergrund rücken lässt.
Betrachtet man hingegen das im Bereich der Museen – die ohnehin nicht ganz bedeutungslos für die Informationswissenschaften sind – fest etablierte Berufsbild des Kurators und seine Tätigkeiten, also das „Sammeln, Bewahren, Erforschen – Präsentieren und Vermitteln“[2] von Kunst(-werken), scheint die metaphorische Übertragung auf den Bereich der Daten am geeignetsten zu sein, um die Komplexität des Arbeitsfelds am besten zu erfassen.
Was aber bedeutet der Begriff der Datenkuration über die metaphorische Ebene hinaus? Wie lässt er sich konkret erfassen, im Unterricht vermitteln und in praktischen Übungen erfahrbar machen? Im Folgenden sollen daher der Begriff „Data Curation“ definiert und eingegrenzt werden, bevor die konkrete Ausgestaltung der Unterrichtsmodule geschildert wird.
6.2 Definition des Begriffs Data Curation
Ausgegangen wird von der sehr allgemeinen und doch sehr streng unterscheidenden Definition von Daten als „any information in binary digital form. It includes digital objects and data bases“.[2] Die allgemeine Ausweitung auf digitale Daten erlaubt ein ausreichend großes Arbeitsfeld, wohingegen die implizite Ausgrenzung analoger Daten den Bibliotheken und Archiven ihr klassisches Arbeitsfeld überlässt,[3] zudem bedingt der explizite Verweis auf komplexe Objekte und Datenbanken einen ausreichend großen Untersuchungsgegenstand mit einer Vielzahl ungeklärter Fragen, was ihre Kuration und Archivierung betrifft. Anknüpfend daran wird „Data Curation“ verstanden als
„[T]he active and ongoing management of data through its life cycle of interest and usefulness to scholarship, science, and education. Data curation activities enable data discovery and retrieval, maintain its quality, add value, and provide for reuse over time, and this new field includes authentication, archiving, management, preservation, retrieval, and representation.“[4]
Diese Definition zeigt gleichzeitig die Wichtigkeit eines Lebenszyklusmodells auf, etwa das in (Harvey 2010) in all seinen Bestandteilen und den daraus resultierenden Aktivitäten ausführlich beschriebene „DCC Curation Lifecycle Model“.[5]
Parallel dazu und als von mindestens gleich großer Bedeutung wird das Data Continuum Model[6] verstanden, für dessen Verständnis die sog. „Curation Boundaries“ zentral sind, welche als „decision points at which the creators of data decide what they will share, with whom, with what metadata and under what conditions.“[7] zu interpretieren sind.
6.3 Grundwissen
Ausgehend von diesen Definitionen wurde beschlossen, in den Pflichtveranstaltungen des ersten Semesters für alle Studierenden ungeachtet der späteren Spezialisierung eine Reihe grundlegender Lehrveranstaltungen einzuführen, im Einzelnen:
eine zwölfstündige Einführung in das Forschungsdatenmanagement,
eine 16-stündige Einführung in Open Science,
eine 30-stündige Lehrveranstaltung zur Angewandten Statistik mit praktischen Übungen in der Programmiersprache R,
einen Schwerpunkt zum Informationsrecht als Teil der Lehrveranstaltung „Open Science“ mit besonderem Bezug auf datenrechtliche Besonderheiten und die Datenschutz-Grundverordnung.
7 Vertiefung Data Curation
Zudem wurde entschieden, die Spezialisierung über zwei umfangreiche Module durchzuführen, genauer
ein eher theoretisches und an konzeptionellen Grundlagen ausgerichtetes Modul mit Namen „Data Governance“,
ein explizit praktisches und technologisch ausgerichtetes Modul mit der Bezeichnung „Data Curation“.
Für jedes Modul wurde in Zusammenarbeit mit den Modulverantwortlichen nach Durchführung eines vom Verfasser entwickelten Verfahrens zur Erstellung von Curricula im Bereich „Research Data Literacy“[2] eine Reihe zu erwerbender Kompetenzen und Fähigkeiten erstellt, die im Folgenden genauer erklärt werden.
7.1 Modul Data Governance
Das Modul „Data Governance“ beschäftigt sich mit den allgemeinen Modellen, Normen, Standards und Richtlinien, die sich für den Bereich „Digital Governance“ in Unternehmen und Organisationen herausgebildet haben und noch herausbilden. Diese werden zu einem großen Teil in Fallstudien und als „Return of Experience“ von Forschern und Spezialisten aus Frankreich und Kanada vor Ort oder per Videokonferenz vorgestellt. Besondere Schwerpunkte machen dabei allgemeine Sicherheitsrisiken, der Schutz sensibler Daten und geeignete Präventionsmaßnahmen aus.
Die Studierenden sind nach Absolvierung des 10 ECTS umfassenden Moduls in der Lage,
das Konzept der „Digital Governance“ zu verstehen,
dessen Normen anzuwenden
sowie die besonderen Herausforderungen und Maßnahmen zu erläutern.
Anhand praktischer Fallbeispiele erwerben sie vertiefte Kenntnisse im Bereich
der Data Policies anhand praktischer Beispiele,
des Umgangs mit Werkzeugen und Steuerungsinstrumenten des allgemeinen Datenmanagement.
7.2 Modul Data Curation
Das Modul Data Curation deckt die Schwerpunkte des Sammelns von Daten, ihre Exploration, Verarbeitung und Analyse, Filterung, Anreichung, Beschreibung und Visualisierung ab und beschäftigt sich mit ihren Formaten, der Interoperabilität, Wiederauffind- und -verwendbarkeit, dem qualitativen Erhalt und der Möglichkeit der Automatisierung der damit verbundenen Prozesse.
Ziel der 6 ECTS-umfassenden Lehrveranstaltung ist es, den Studierenden ein Verständnis für die damit verbundenen Problematiken und Lösungswege zu vermitteln und ihnen die dafür grundlegenden Methoden und Werkzeuge an die Hand zu geben.
Konkret bedeutet dies, dass die Studierenden befähigt werden,
Daten zu säubern, zu filtern und mit angemessenen Metadaten anzureichern,
Daten unterschiedlicher Größe (vom Mega- bis zum Tera-Bereich) zu bearbeiten,
standardisierte Datenformate zu verwenden, um eine Wiederverwendung bzw. die damit verbundene Langzeitarchivierung zu ermöglichen.
Datenkuration unter kollaborativen Gesichtspunkten und sofern möglich halb-automatisch durchzuführen,
Kuratierungsprozesse aus einer „Shell“ (also aus einem Kommandozeileninterpreter) zu starten oder
dafür konzipierte elaborierte ETL (= Extract, Transform, Load) Werkzeuge zu verwenden etwa um Daten aus unterschiedlichen Datenbanken miteinander zu verarbeiten
oder aber eigenen Programmiercode zu entwickeln
und letztlich geeignete Repositorien für die Daten zu finden und diese dort abzulegen.
Einen besonderen Unterpunkt dieses Moduls macht der Bereich Langzeitarchivierung aus, in dem die Studierenden in einer zwölfstündigen Lehrveranstaltung das hierfür maßgebliche „OAIS-Modell“ kennen- und verstehen lernen und mit spezifischen Produkten, die für diese Aufgabe entwickelt wurden, vertraut gemacht werden.
7.3 Studienprojekt
Im Hinblick auf jede Vertiefung zu beachten ist auch das von den Studierenden in Gruppenarbeit durchzuführende Studienprojekt, das im zweiten und dritten Semester stattfindet und von der Anzahl der ECTS-Punkte einen größeren Umfang hat als die im vierten Semester zu erstellende Abschlussarbeit. Diese Projekte stehen häufig im Zusammenhang mit Forschungsprojekten, die von den Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern der HEG durchgeführt werden. Die Studierenden wählen hierbei in der Regel Projekte aus, die einen starken Bezug zu den von ihnen gewählten Spezialisierungen aufweisen, um die in den Lehrveranstaltungen erworbenen Kenntnisse unmittelbar in der Praxis anzuwenden.
Dazu gehört auch, dass für alle Projekte ein Datamanagementplan entworfen werden muss, in zwei wissenschaftlichen Blogbeiträgen über den Fortschritt und die Hindernisse des Projekts zu berichten ist und diese Ergebnisse sowohl als Poster in einer entsprechenden Session und in einer Abschlussarbeit, die etwa denselben Umfang wie die darauffolgende Masterarbeit hat, den wissenschaftlichen Gepflogenheiten entsprechend dargestellt werden muss.
Die im Zusammenhang mit dem Schwerpunkt „Data Curation“ im Studienzeitraum 2018 bis 2020 angebotenen Projekte betreffen die Themen: „Erstellung eines e-learning Werkzeugs für ein Langzeitarchiv für Forschungsdaten“, „Evaluation von Infrastrukturen zur Datenkuration“, „Design eines Portals zum Ablegen von Forschungsdaten“, „Entwicklung eines schweizweiten Services zur kostenfreien Vergabe von persistenten Identifikatoren“, „Identifikation und Verfolgung von Impact Factors für Open Data“, „Praktiken zum Teilen von Forschungsdaten“, „CoreTrustedSeal-konforme Gestaltung eines Datenarchivs“, „Kuration von Web Data Commons“ u. ä. m.
8 Schlussbemerkungen
Der Master „Information Science“ mit seinen Spezialisierungen „Data Curation“, „Information Services“ und „Data Science“ ist im Vergleich zur langen Geschichte der informationswissenschaftlichen Studiengänge in der Schweiz noch ein recht junges Unterfangen und sicherlich sind sowohl der Studiengang als auch die Vertiefungen weiterhin ständigen Änderungen und Anpassungen unterworfen. Dies auch, um möglichst rasch auf die Anforderungen des digitalen Wandels zu antworten und ihn kompetent zu begleiten, zu steuern und ggfs. zu beeinflussen. Durch diesen Wandel, d. h. konkret die ständige Annäherung an die rechen- und datenintensive Datenverarbeitung sowie die Verstärkung von Kompetenzen im Managementbereich spiegelt der Masterstudiengang „en miniature“ noch einmal die gesamte Entwicklung der Genfer Studiengänge zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft ab, bleibt deren Prinzipien verpflichtet und sichert deren langfristigen Fortbestand ab.
Über den Autor / die Autorin

HEG, 17, rue de la Tambourine, CH-1227 Carouge, Schweiz
Literaturverzeichnis
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© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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