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Doing digital. Die Universitätsbibliothek Osnabrück und die Herausforderungen der Coronakrise

Ein Werkstattbericht aus 15 Monaten Pandemie
  • Stefan Fangmeier

    Stefan Fangmeier

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    , Jost Hindersmann

    Dr. Jost Hindersmann

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    , Mathias Laubenheimer

    Mathias Laubenheimer

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    and Anneke Thiel

    Dr. Anneke Thiel

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Published/Copyright: July 10, 2021
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Zusammenfassung

Auch die Universitätsbibliothek Osnabrück wurde im März 2020 jäh von den Restriktionen zur Eindämmung der Coronapandemie betroffen und von jetzt auf gleich für Wochen geschlossen. Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Literaturversorgung, neue elektronische Services und sukzessive Öffnungsschritte nach dem Lockdown markieren eine Praxis, die im Pandemiejahr kontinuierlich nachjustiert wurde, um der Dynamik der Krise und den Bedürfnissen der Nutzer*innen gerecht zu werden. Auch da, wo neue Angebote zur Förderung von Informationskompetenz entstanden und in intensiver Kommunikation mit Nutzer*innen die Strategien im Umgang mit der Krise erklärt und nachgesteuert wurden, wird es vermutlich nachhaltige Lerneffekte geben.

Abstract

The sudden restrictions and measures implemented to contain the corona pandemic in March 2020 hit Osnabrück’s academic library unexpectedly and led to a total closure for several weeks. Ad-hoc measures to maintain research activities, provide remote electronic services and prepare for a careful phasing in of re-openings after lockdown are reflective of a practice of continuous readjustments during the pandemic to live up to the dynamics of the crisis and still meet the needs of the users. Lasting learning effects are likely to be expected where new services to promote information literacy were created and strategies for coping with the crisis were made transparent and readjusted in close dialogue with the users.

VORNEWEG: UB vs. Virus: In pandemischen Zeiten funktionieren

Wie alle Bildungseinrichtungen landauf, landab, wie öffentliches und privates Leben bei uns und überall wurde die Universitätsbibliothek (UB) Osnabrück Mitte März vergangenen Jahres schlagartig in den Krisenmodus versetzt und in nie geahnter oder nur erahnbarer Dimension in eine noch andauernde[1] Ausnahmesituation katapultiert, die Gesellschaften und Individuen überall auf der Welt mit dem Gewohnten vereinbaren mussten und müssen; zu den Gemeinplätzen (auch unseren!) aus dem Wörterbuch der Pandemie gehört derjenige vom „neuen Normal“. Wie alle allerorten verhielt sich die UB Osnabrück im Kontext ihrer Universität adäquat: also unter den Bedingungen der Pandemie, nahm Herausforderungen (notgedrungen, aber konstruktiv) an, begriff die Krise als Chance, „fuhr auf Sicht“ wie alle Institutionen und die rahmengebende Politik …

Der vorliegende Beitrag, gemeinschaftlich verfasst von Kolleg*innen, die in der UB die Dezernate Benutzung und Medienbearbeitung sowie Referate oder Stabsaufgaben wie Elektronische Informationsdienste, IK-Koordination und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich mitgestalten, ist als Erfahrungs- und Maßnahmenbericht aus 15 Monaten Corona zu lesen – mit einer Prise Selbstreflexion. Keine „best practice“ wird reklamiert für unsere mittelgroße Bibliothek einer mittelgroßen Hochschule (14.000 Studierende, rund 1.800 Beschäftigte), aber eine ums Bestmögliche bemühte Praxis, eine wesentlich adaptive, die genauso dynamisch ist wie die Situation, die sie hervorbringt und verlangt.

Handlungsfelder und Aufgabenbereiche mit Schnittstellen nach außen (zur akademischen und in zweiter Linie lokalen Klientel) markieren die Themen dieses Beitrags, es geht nicht um „interne“ Herausforderungen der Arbeitsorganisation, des Personal- und Prozessmanagements, die selbstverständlich zu gewärtigen waren und sind (und nicht minder anspruchsvoll oder relevant)[2].

1 (Re)Opening: Die Bibliothek benutzbar machen

Am Freitag, dem 13. (!) März 2020 erreichte auch die UB Osnabrück gegen Mittag aus dem niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur die „dringende Empfehlung“, die Bibliotheken „mit sofortiger Wirkung“ bis zunächst zum 19. April 2020 zu schließen. In Abstimmung mit der Universitätsleitung wurde beschlossen, diese Empfehlung ab dem Folgetag an allen fünf Standorten der UB (vier Bereichsbibliotheken und einer juristischen Forschungsbibliothek) umzusetzen. Die Benutzer*innen wurden über Durchsagen, Aushänge, die UB-Website und Social Media informiert; der Rest des Freitags gestaltete sich für die Kolleg*innen an den Ausleih- und Infoplätzen turbulent.

Als erste Sofortmaßnahmen waren im Benutzungsbereich für ausgeliehene Medien die Zahl der Verlängerungsmöglichkeiten zu erhöhen und Mahnkulanzen einzurichten; die anfängliche Hoffnung, den einzigen Buchrückgabeautomaten, der eine Außenrückgabe vom Windfang aus ermöglicht, weiterbetreiben zu können, zerschlug sich schnell, da das Gebäude rigoros geschlossen wurde.

Es sollte bis Mai 2020 dauern, bis ein regelrechter Benutzungsbetrieb wiederaufgenommen werden konnte; in der Zwischenzeit wurden dringende Bedarfe von Lehrenden und Forschenden durch den Postversand benötigter Bücher und Medien oder die individuelle Vereinbarung von Terminen zur Nutzung der Buchscanner bedient. Verständlicherweise stärker als in der Zeit vor dem Lockdown rückte das Angebot elektronischer Semesterapparate in den Blick der Dozent*innen.

Ab dem 4. Mai 2020 konnte zumindest der Ausleihbetrieb – zunächst beschränkt auf Angehörige der Universität – wiederaufgenommen werden; da die UB Osnabrück als einschichtige Freihandbibliothek konzipiert ist und es nicht in Frage kam, Benutzer*innen in die Freihandbereiche „ausschwärmen“ zu lassen, wurden sämtliche Freihandbestände im Ausleihsystem zu Magazinbestand umdeklariert und über den OPAC bestellbar gemacht. Für eine kontaktlose Bereitstellung wurden an den Standorten Bibliothek Alte Münze (Philologien/Kulturwissenschaften), Bereichsbibliothek Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und Bereichsbibliothek Naturwissenschaften/Mathematik Selbstabholbereiche eingerichtet; die bestellten Medien werden entnommen und an Selbstverbuchern – die UB Osnabrück nutzt seit Jahren RFID – entliehen. Lediglich verkürzt ausleihbare Exemplare und Fernleihbände wurden und werden an den Leihstellen bereitgestellt. Die Standorte der Bibliothek waren die ersten zumindest teilweise wieder zugänglichen Gebäude der Universität, und es bedurfte zahlreicher Vorbereitungen, um dies zu ermöglichen: Neben der Erstellung eines umfassenden Hygiene- und Lüftungskonzepts und der Bereitstellung von Desinfektionsmittel mussten Laufwege festgelegt und durch Markierungen und Barrieren kenntlich gemacht werden; Info- und Leihstellenarbeitsplätze wurden durch Unterstützung der Haustischlerei mit Plexiglasschutzwänden ausgestattet, für zurückgegebene Medien wurde wie in anderen Häusern eine „Buchquarantäne“ von 24 Stunden eingerichtet (Ende Juli 2020 wieder aufgegeben), und schließlich war zu regeln, wie die Zahl der in die Gebäude eintretenden Personen zu regulieren sei: Je nach räumlichen Gegebenheiten erschien es verantwortbar, zwischen vier und zehn Personen den Zugang und gleichzeitigen Aufenthalt zu gestatten; kontrolliert wurde dies durch den Einsatz eines Wachdienstes, der während der gesamten Öffnungszeiten, die sich in der ersten Phase auf 10 bis 16 Uhr beschränkten, an den Eingängen präsent war (und noch ist) und mittels einer entsprechender Menge abgezählter Körbe die Besucherzahlen steuerte.

Abb. 1: „Quarantänebücher“ in der Bibliothek Alte Münze, Foto: UB Osnabrück.
Abb. 1:

„Quarantänebücher“ in der Bibliothek Alte Münze, Foto: UB Osnabrück.

Die Bereichsbibliothek Sozialwissenschaften konnte wegen beengter Verhältnisse und schlechter Lüftungsmöglichkeiten nicht in das Öffnungskonzept einbezogen werden; ihre Bestände werden nach wie vor über die Bibliothek Alte Münze bereitgestellt.

Um auch die Benutzung nicht ausleihbarer Bestände, vornehmlich der gedruckten Zeitschriften, zu ermöglichen, gleichzeitig aber Studierenden und Lehrenden, die im „digitalen Semester“ nicht vor Ort sein konnten, Zugang zu dringend benötigter Literatur zu verschaffen, wurde nahezu zeitgleich mit der Wiederaufnahme des Ausleihbetriebs ein Scanservice für Aufsätze und Buchauszüge völlig neu etabliert; seine Nutzung ist Angehörigen der Universität vorbehalten. Mit Unterstützung der IT-Services der UB wurde nicht nur ein Online-Bestellformular generiert, das die verschiedenen Standorte der Bibliothek berücksichtigt und die Bestellberechtigung überprüft, sondern auch ein Online-Workflow eingerichtet, der es mehreren Mitarbeitenden gleichzeitig erlaubt, die eingehenden Bestellungen auf ihre urheberrechtliche Zulässigkeit zu prüfen, nach Bedarf Mitteilungen aus dem System heraus an die Bestellenden zu versenden, Auftragszettel für die anzufertigenden Scans zu erstellen, die Digitalisate mit der jeweiligen Bestellung zu verknüpfen und bei gleichzeitiger Benachrichtigung der bestellenden Person auf einen Abholserver hochzuladen, wo sie innerhalb einer festgelegten Frist über den versandten Downloadlink heruntergeladen werden können.

Noch Ende Mai 2020 wurde ein erster Schritt getan, um wieder Lesesaalarbeitsplätze zur Verfügung stellen zu können: In Abstimmung und Kooperation mit dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität konnten juristischen Examenskandidat*innen ab dem 2. Juni 2020 zunächst 63 Arbeitsplätze in der Bereichsbibliothek Rechts- und Wirtschaftswissenschaften angeboten werden. Die Bereichsbibliothek nahm hier insofern eine Vorreiterrolle ein, als der Jura-Bestand als fast reiner Präsenzbestand (die Lehrbuchsammlung ausgenommen) seit dem 14. März 2020 faktisch nicht mehr zugänglich war und ein Lizenz-Upgrading wichtiger Datenbanken[3] zwar manches kompensierte, aber keinen vollen Ersatz bot. Kriterien für die Auswahl nutzbarer Arbeitsplätze waren vor allem strenge Abstandsregeln, denen zufolge die zur Nutzung freigegebenen Plätze mindestens vier Meter voneinander entfernt liegen mussten, das Gleiche galt für den Abstand zu Regalen und Hauptlaufwegen. Dieselben Regeln kamen später bei der Platzauswahl für die anderen geöffneten Bereichsbibliotheken zur Anwendung. An allen Standorten wurden und werden entsprechend einem Lüftungskonzept mindestens stündlich die Fenster geöffnet, und Benutzer*innen sind weiterhin verpflichtet, ausschließlich an den zugewiesenen Plätzen zu arbeiten, wo der vorgeschriebene Mund-Nasen-Schutz abgelegt werden darf, bei der Bewegung im Haus dagegen Maske zu tragen und Abstand zu Kommiliton*innen zu halten. Die Eingangskontrolle erfolgte, da es sich initial um eine eng begrenzte und definierte Gruppe von Nutzungsberechtigten handelte, „analog“ durch Kontrolle der verschickten Einladungsschreiben bzw. Abgleich mit Namenslisten angemeldeter Personen, danach Aushändigung von Platzkarten für die im Vorfeld zugewiesenen nummerierten Lesesaalarbeitsplätze. Die Plätze standen während der gesamten Öffnungszeit, die auf Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr erweitert werden konnte, zur Verfügung, eine Vergabe an andere Nutzer*innen bei Nichterscheinen war nicht vorgesehen. Anwesenheitszeiten wurden in Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten in Listen erfasst, um die eventuell erforderliche Rückverfolgungen bei Infektionsfällen zu ermöglichen. Das Nutzungsangebot wurde gut angenommen, doch musste die „Reserve“ von 15 Arbeitsplätzen in der Institutsbibliothek des European Legal Studies Institute nicht in Anspruch genommen werden.

Abb. 2: Studentinnen im Lesesaal, Foto: UB Osnabrück.
Abb. 2:

Studentinnen im Lesesaal, Foto: UB Osnabrück.

Ein weiterer, dritter Öffnungsschritt konnte zum 1. Juli 2020 mit der Nutzungsmöglichkeit von Lesesaalarbeitsplätzen an den großen Standorten Bibliothek Alte Münze und Bereichsbibliothek Naturwissenschaften/Mathematik getan werden. Für die Identifikation der nutzbaren Plätze wurden die gleichen Kriterien angelegt wie schon bei der Bereichsbibliothek Jura/Wirtschaft, zum Lüften über die Fenster kam die Konfiguration der Belüftungsanlagen auf maximale Frischluftzufuhr hinzu. Unter Anwendung der „4m-Regel“ konnten in der Bibliothek Alte Münze 41 (von über 300) und in der Bereichsbibliothek Naturwissenschaften/Mathematik 83 (von über 400) Arbeitsplätzen zur Nutzung freigegeben werden.

Nutzungsberechtigt sein sollten alle Studierenden der Universität, nicht mehr nur kleine, definierte Gruppen, weshalb eine Lösung für Platzvergabe, Zugangskontrolle und Gewährleistung der vorgeschriebenen Kontaktnachverfolgung im Infektionsfall gefunden werden musste. Das Team der Bibliotheks-IT konnte hierfür einerseits ein Tool nutzen, das zuerst an der UB Magdeburg eingesetzt wurde zur Erfassung der Ankunfts- und Verlassenszeiten mittels Scan der Bibliotheksausweise und per Verknüpfung mit dem Ausleihsystem eine Gültigkeitsprüfung der Ausweise sowie im Bedarfsfall die Bereitstellung von Kontaktdaten erlaubt. Andererseits entschied man sich nach der Sichtung verschiedener bereits im Einsatz befindlicher Buchungssysteme für den seinerzeit noch als Open Source zur Verfügung stehenden „Twinkle Toes Software Booked Scheduler“, der mit dem erstgenannten Tool verbunden werden konnte und somit den Studierenden nach einmaliger Registrierung (wobei eine Telefonnummer für eventuelle Kontaktnachverfolgungen zu hinterlegen ist) die Online-Buchung von Arbeitsplätzen innerhalb eines festgelegten Zeitraums vor dem jeweiligen Öffnungstag gestattet. Beim Bibliotheksbesuch selbst werden per Ausweisscan Beginn und Ende des Aufenthalts erfasst und das Vorhandensein einer Buchung im System überprüft. Die mit der Kontrolle beauftragten Mitarbeiter des Wachdienstes können so nicht nur die Zugangsberechtigung zum Lesesaal prüfen, sondern auch Auskunft über den jeweils konkret gebuchten Platz geben, was in der Praxis immer wieder hilfreich ist. Das Buchungssystem, das bis jetzt im Einsatz ist, erwies sich als sehr flexibel und kann veränderten Benutzungsbedingungen angepasst werden, wie sie sich zumal durch Erweiterung der Öffnungszeiten (je nach Standort zunächst bis 18, dann 20 Uhr, zwischenzeitlich sogar bis 22 Uhr, zudem samstags) oder deren Rücknahme … etwa nach Einführung der „Bundesnotbremse“ ergeben. Verschiedentlich wurden so z. B. die Zeitslots geändert, für die eine Reservierung vorgenommen werden kann, etwa von einer ganztägigen Platzbuchung bei einer Öffnungszeit nur bis 18 Uhr auf zwei „Schichten“ seit der Erweiterung der abendlichen Öffnungszeiten bis mindestens 20 Uhr. Auch Wünsche von Benutzer*innen lassen sich so umsetzen: Wiederholt wurde die anfangs um Mitternacht erfolgende Freigabe für die Buchung von Plätzen des Folgetages als zu spät kritisiert, man privilegiere Nachtschwärmer; die Vorverlegung des Buchungsstarts auf 18 Uhr schaffte hier Abhilfe.

Mit den beschriebenen Maßnahmen waren die Grundlagen für einen Benutzungsbetrieb gelegt, der einerseits kontinuierlich und problemlos Erweiterungen ermöglichte – wenn Öffnungszeiten ausgedehnt, ab Ende Juli 2020 auch wieder sogenannte Stadtnutzer*innen zur Ausleihe zugelassen wurden oder mit Beginn des Jahres 2021 die Buchungsmöglichkeit für Plätze in der einschlägigen Bereichsbibliothek allen Studierenden der Fächer Jura und Wirtschaft eingeräumt wurde. Andererseits ermöglichten die Vorkehrungen einen krisenfesten Betrieb, und weder die zweite noch die dritte Corona-Welle erforderten die Rücknahme oder auch nur Einschränkung der angebotenen Benutzungsmöglichkeiten[4]. Die Tragfähigkeit des Hygiene- und Sicherheitskonzepts, das intern auf Bildung von Teams und Einzelzimmernutzung in Verbindung mit Homeoffice setzt, findet wohl darin Bestätigung, dass trotz seit Mai 2020 durchgängigen Benutzungsbetriebs unter Mitarbeiter*innen keine Infektionen vorkamen; unter den Benutzenden gab es einen einzigen Fall, in dem die Daten zur Rückverfolgung von Kontakten abgerufen werden mussten.

2 „E-plus“, Upgrading und Co.: Medien beschaffen, Zugang gewähren

2.1 E-Book-Aktion im Lockdown

Nachdem am 16. März 2020 der erste Schock über die Komplettschließung der UB für den Benutzungsbetrieb überwunden war, musste ad hoc eine Lösung für die Literaturversorgung der studentischen Benutzer*innen her. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei denen, die sich gerade in Prüfungsphasen befanden oder Abschlussarbeiten schrieben und nun vom Zugang zu den Printbeständen abgeschnitten waren. Dass eine solche Notversorgung nur mit eBooks zu realisieren war, lag auf der Hand, aber wie ließ sich das aus dem Stand möglichst effektiv organisieren?

Nahe lag da die (Um-)Nutzung des bereits seit Jahren existierenden und häufig genutzten Online-Formulars für Anschaffungswünsche aus der Nutzerschaft. Mit Hilfe der UB-IT wurde sehr kurzfristig ein ähnliches Formular entworfen, erprobt und zentral auf der UB-Website verlinkt. Über dieses Formular gelangten nun sämtliche Benutzer*innenwünsche, anders als bisher, nicht zunächst zur Entscheidung über Kauf und Finanzierung ans jeweilige Fachreferat, sondern sofort zum eBook-Team der Erwerbungsabteilung. Das war ein Sprung ins kalte Wasser, denn wie lange eine solche Aktion mit Blick auf Umfang, Kosten und Unterverteilung im Umlageverfahren laufen könnte, war zu diesem Zeitpunkt völlig unklar.

Die Mitarbeiter*innen des Teams befanden sich zu diesem Zeitpunkt, ausgerüstet mit entsprechend konfigurierten Notebooks, bereits wechselweise im Homeoffice, so dass für die Koordination der Arbeiten untereinander der Einsatz von Messenger-Diensten, E-Mail, Telefon und Videokonferenz-Software unverzichtbar wurde. Innerhalb kürzester Zeit waren auch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten selbstverständlicher Teil des Arbeitsalltags.

Die sofort sehr zahlreich eingehenden Beschaffungswünsche – pro Kalenderwoche im Durchschnitt 144 – wurden wie folgt bearbeitet: Zunächst erhielt jede*r Benutzer*in eine automatische Bestätigungsmail, ergänzt um weiterführende Hinweise zu aktuell zusätzlich, aber nur befristet verfügbaren E-Ressourcen, die nicht im Katalog zu finden waren. Die eingegangenen E-Mails mit den Literaturwünschen wurden täglich in eine allen Teammitgliedern zugängliche Liste überführt. Dabei wurden zunächst die bibliographischen Angaben geprüft und außerdem, ob die Vorschläge von Angehörigen der Universität stammten, also aus dem adressierten Personenkreis. Es folgte die Ermittlung von Anbietern, verfügbaren Lizenzen und Preisen. Nach zügiger Durchsicht der vervollständigten Angaben erfolgte die Bestellfreigabe mit Festlegung des Lizenzmodells i. d. R. durch die Sachgebietsleitung spätestens am Folgetag. Lediglich extrem hochpreisige Titel wurden gesondert betrachtet.

Nach erfolgter Bestellung erhielten die Besteller*innen sofort Nachricht darüber. Ließ sich der gewünschte Titel nicht als eBook beschaffen, so übernahmen Kolleg*innen aus der Benutzungsabteilung die Information der Benutzer*innen und versuchten dabei, individuelle Hilfestellung zu leisten, z. B. durch das Angebot, Seiten aus einem vorhandenen Printexemplar zu kopieren. Konnte das gewünschte eBook bestellt werden, erhielt die/der Besteller*in eine weitere Mail unmittelbar nach der Freischaltung mit dem Link zum Volltext. Die erforderliche Katalogverzeichnung erfolgte unabhängig davon zu einem späteren Zeitpunkt.

Abb. 3: Diagramm „Verteilung der eBook-Wünsche auf die Fachbereiche der Universität“.
Abb. 3:

Diagramm „Verteilung der eBook-Wünsche auf die Fachbereiche der Universität“.

Aus der Praxiserfahrung seien in aller gebotenen Kürze hier nur zwei erwartbare (?) Beobachtungen nach Abschluss der Aktion geschildert:

Beobachtung 1: Zwei Drittel aller Titelwünsche entfielen inhaltlich auf die geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächer.

Beobachtung 2: Es besteht noch immer eine große Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit auf dem eBook-Markt. So konnten trotz aller Bemühungen nur ein Viertel aller Wünsche erfüllt werden.

Abb. 4: Diagramm „Auswertung: eBook-Wunschtitel …“.
Abb. 4:

Diagramm „Auswertung: eBook-Wunschtitel …“.

Nach Ende der Aktion wurden die Kosten auf die Budgets der Fachreferate umverteilt. Dazu wurde jeder beschaffte Titel inhaltlich einem Fach zugeordnet, und im Anschluss wurden die gesammelten Zuordnungen mit den Fachreferent*innen abgestimmt und ggf. korrigiert.

Die Sorge über unkalkulierbare Kosten durch zahlreiche und/oder teure Benutzer*innenwünsche erwies sich, so das Fazit, als unbegründet. Mit einem Kostenvolumen von etwas über 21.000 Euro, die zunächst aus zentralen Mitteln vorfinanziert und erst später auf die betroffenen Fachreferate umgelegt wurden, hielt sich der finanzielle Aufwand während der sieben Wochen bis zur (Teil-)Öffnung der UB am 4. Mai 2020 in einem vertretbaren Rahmen. Auch die Befürchtung, ohne vorherige fachliche Qualitätskontrolle könnten Titel in den Bestand gelangen, deren längerfristiger Nutzen mindestens fraglich wäre, konnte mit Blick auf die mittlerweile verfügbaren Abrufzahlen weitgehend zerstreut werden. Natürlich gab es vereinzelt auch Titel, deren Nutzung nach einmaligem Gebrauch zu wünschen übrig ließ. Doch dieses Phänomen ist in Bibliotheken ja weder neu noch ungewöhnlich.

Darüber hinaus waren die zahlreichen positiven Reaktionen der Benutzer*innen – selbst dann, wenn Wünsche nicht erfüllt werden konnten – für alle Beteiligten eine Anerkennung für ihre Bemühungen in dieser ersten Phase der Pandemie und ein Zugewinn für das Image der Universitätsbibliothek.

2.2 Erweiterung der elektronischen Lizenzen

Nicht nur im Bereich der eBooks, von denen etwa 600.000 im OPAC verzeichnet waren, verfügte die UB Osnabrück auch schon vor der Pandemie über ein attraktives Angebot elektronischer Medien. Mit den Nutzungseinschränkungen in den Bibliotheksgebäuden gewannen diese Ressourcen noch einmal gesondert an Bedeutung.

Die Angehörigen des Fachbereichs Rechtswissenschaften bekamen die Auswirkungen der Pandemie schnell und besonders deutlich zu spüren. Die UB Osnabrück hatte die großen juristischen Datenbanken Beck-Online, Juris und Wolters Kluwer Online lizenziert, aber den Fernzugriff vom heimischen Rechner aus nur für fest angestellte Wissenschaftler*innen finanziert. Ein Grund für diese Restriktion lag auch in den großzügigen Öffnungszeiten der betreffenden Bereichsbibliothek. Da aber für Studierende das Arbeiten in der Bereichsbibliothek nun zeitweise gar nicht bzw. nur sehr eingeschränkt möglich war, musste die Lizenz dahingehend erweitert werden, dass alle Uni-Angehörigen vom heimischen Rechner aus auf diese Datenbanken zugreifen konnten. In einer gemeinsamen Aktion mit dem Fachbereich Rechtswissenschaften gelang es der UB, die Lizenz zunächst bis Ende 2021 aufzustocken. Während Juris und Wolters Kluwer Online einfach die IP-Adressen der VPN-Verbindungen freischalteten, beharrte Beck auf einer persönlichen Registrierung, was einen erhöhten Beratungsaufwand nach sich zog.

Neben den Zugängen via VPN oder über den Proxy-Server des Rechenzentrums setzt die Universitätsbibliothek auf Shibboleth als dritte Säule des Remote-Access-Zugangs zu lizenzierten E-Medien. Hier überprüfte das Team für Elektronische Informationsdienste noch einmal, ob inzwischen weitere Verlage diese Möglichkeit anboten, und registrierte die UB Osnabrück, sofern dem so war.

Dankenswerterweise reagierten mehrere Verlage auf die neue Situation, indem sie elektronische Ressourcen für einen bestimmten Zeitraum kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr freischalteten. Die Angebotslage war sehr unübersichtlich: Einige Verlage schalteten die Medien für alle Interessenten frei, andere nur für die IP-Adressen der Universität. Manche verlangten eine vorherige Registrierung, andere verzichteten darauf. Auch die Befristung der Angebote wurde in Einzelfällen verlängert. Idealerweise hätte man all diese Medien im OPAC nachweisen müssen, doch angesichts der unklaren Lage und der Menge an Titeln einerseits und der oftmals kurzen Zeitdauer der Freischaltung andererseits erschien diese Ideallösung von vornherein als undurchführbar. Lediglich im Holding- und Linkingmanagement des EBSCO-Discovery-Systems JOST konnten bereits verzeichnete Pakete kurzfristig angehakt werden. Die UB Osnabrück wählte daher den Weg, den auch einige andere Bibliotheken gingen, und verzeichnete diese zusätzlichen „Corona-Lizenzen“ in einem Blogbeitrag, der schnell und kontinuierlich geändert werden konnte. Wenn Studierende Anschaffungsvorschläge unterbreiteten, so wurde in der Antwort der UB auch explizit auf diesen Blogbeitrag verwiesen.

Mit überregionaler Wirkung reagierte die UB Regensburg auf die Pandemie, indem sie im Datenbank-Infosystem DBIS eine neue Sammlung mit dem Titel „bibs vs. virus“ anlegte, in der all diese zusätzlichen Lizenzen verzeichnet wurden. Die UB Osnabrück hat sie prominent in die DBIS-Kopfzeile aufgenommen. Diese zusätzlichen Lizenzen enthielten sowohl qualitativ als auch quantitativ teils sehr interessante Angebote. Hand- und Lehrbücher führender Verlage waren ebenso enthalten wie umfangreiche eBook-Sammlungen von EBSCO und ProQuest. Mehrere Verlage boten auch Kurzzeit-Modelle einer „Evidence Based Selection“ (EBS) an. Die UB Osnabrück entschied sich dafür, dieses Modell bei Beltz zu lizenzieren, weil eBooks dieses Verlags gerade bei den Studierenden erfahrungsgemäß sehr beliebt sind.

Ein Problem, das die UB nicht vorausgesehen hatte, ergab sich durch diese „Corona-Lizenzen“ bei der Vorakzession, genauer gesagt bei der Vorakzession von eBooks auf der Plattform EBook Central (EBC), weil hier die nur temporär freigeschalteten Titel als gekauft gekennzeichnet wurden. Bei EBC war in Pandemiezeiten außerdem eine stark erhöhte Nachfrage nach EBC-Nutzerkennungen festzustellen. Der Grund dafür liegt vermutlich darin, dass Nutzer*innen, die auf einen EBC-Link im OPAC klicken, sich aber nicht über VPN oder Proxy im IP-Bereich der Universität befinden, nicht direkt zum gewünschten eBook gelangen, sondern nur zu einer Seite, auf der sie sich mit ihrer EBC-Nutzerkennung einloggen bzw. eine derartige Kennung beantragen können. Die UB reagierte auf diese erhöhte Nachfrage, indem sie mindestens zweimal täglich die eingegangenen Anfragen bearbeitete.

Eine Gruppe, die von der neuen Situation stark betroffen wurde, waren die Bibliotheksnutzer*innen, die keine Uni-Angehörigen sind, im Bibliotheksjargon kurz „Stadtnutzer*innen“ genannt. Anders als Studierende verfügen sie aus lizenzrechtlichen Gründen nicht über die Möglichkeit zum remote access, sondern dürfen lediglich als sogenannte walk-in user die E-Medien in den Gebäuden der Bibliothek nutzen. Was aber, wenn ebendiese Gebäude nun für Nicht-Uni-Angehörige gesperrt waren und noch sind? Die Bibliothek half dieser Gruppe gleich auf zweierlei Art und Weise. Zum einen mit einem Online-Kurs „Willkommen@Universitätsbibliothek (für Externe)“[5], zum anderen durch einen Blogbeitrag zu frei verfügbaren Informationsressourcen, in dem neben Basics wie Google Scholar oder der Bielefeld Academic Search Engine (BASE) auch Tipps und Tricks wie z. B. das Browser-Plugin Unpaywall vorgestellt werden.

3 Hereinspaziert & Bildschirm frei: Kompetenzerwerb virtuell unterstützen

Als mitten im harten Lockdown am 20. April 2020 das erste „Coronasemester“ unter digitalen Vorzeichen begann, ließ sich flugs umdisponieren, denn viele der curricular verankerten oder in Lehrveranstaltungen der Fächer integrierten (Pflicht)Angebote der UB finden regelmäßig in Wintersemestern statt, im Sommersemester überwiegen i. d. R. freiwillige Formate[6], etwa zur Literaturverwaltung und zielgruppenspezifisch für Promovierende und Mitarbeitende angebotene Veranstaltungen zu forschungsunterstützenden Services (Elektronisches Publizieren, Forschungsdatenmanagement, Bibliometrie …), die einmal pro Semester und zusätzlich nach Bedarf stattfinden. Im Bereich Literaturverwaltung konnte z. T. auf vorhandene Online-Angebote, in „normalen“ Semestern nach Flipped-classroom-Konzept eingesetzt, aufgebaut werden, es gab zweiteilige Workshops mit Echtzeit-Meetings (v. a. bei Citavi). Solche synchronen Angebote für kleine bis mittlere Gruppen prägten das IK-Portfolio im Sommersemester 2020, keine Veranstaltung musste ausfallen. Neu etabliert wurden digitale Fachreferatssprechstunden nach Vereinbarung per Videokonferenz, eine „Lunch Break“ zu Forschungsdaten alle zwei Wochen. Eine größere Online-Veranstaltung im Liveformat hatte ebenfalls Premiere: Gemeinsam mit virtUOS, dem Zentrum für Digitale Lehre, Campus-Management und Hochschuldidaktik, bot das Fachreferat Jura die LV „Plagiate erkennen“ an, konzipiert als universitäres Fort- und Weiterbildungsangebot für Lehrende aller Fächer mit deutlich über 50 aktiven Teilnehmer*innen. So konnte im Sommersemester die Erfahrung mit digitalen Lehr-Lern-Formaten intensiviert werden, bevor im Sommer die Planung für das von der Hochschulleitung als hybrid proklamierte Wintersemester 2020/21 begann. Insbesondere für die vielen Studienanfänger*innen wollte die UB zweigleisig verfahren, also buchstäblich hybrid. Für alle Personen und für alle Eventualitäten der Pandemieentwicklung und des daraus resultierenden Lehrsettings sollte ein fächerübergreifender, grundständiger, asynchron zu nutzender Online-Kurs entstehen, der allen „Erstis“ einen vergleichbaren Standard ermöglichen würde und dessen Bausteine den Kolleg*innen zur Nachnutzung ad libitum für eigene fachspezifische Angebote zur Verfügung stehen sollten. In Kooperation mit dem Filmteam von virtUOS wurde je eine professionelle Tour durch die geöffneten Bereichsbibliotheken gedreht (und u. a. auf dem YouTube-Kanal der Uni veröffentlicht), in der ein*e Student*in sich die Bibliotheksnutzung in Coronazeiten erschließt und vor Ort erfragt. Koordinierte Screencasts zu Recherchetools, elektronischen Ressourcen, Fernleihe etc. wurden im Haus von Kolleg*innen aus den Infoteams und Fachreferaten produziert. Die Suite von Videos, flankiert durch kurze Texte, bildete den Kern des in Stud.IP angebotenen offenen Online-Kurses „Willkommen @Universitätsbibliothek“, für den rund 630 studentische Teilnehmer*innen eingeschrieben waren. Neben dieser „coronafesten Konserve“, deren Elemente von den Fachreferent*innen, um eigene Inhalte vermehrt, für Pflichtmodule und -sitzungen genutzt und live per Videokonferenz, Forum, Chat … oder weitere Videos flankiert wurden, gab es ein Konzept für Präsenzangebote exklusiv an Erstsemester, wie es die Uni mit einem breiten Mentoringprogramm[7] ausgelobt hatte, auch seitens der UB: Benutzung und IK-Koordination erstellten es gemeinsam mit der Bibliotheksleitung, um den Erstis die Bibliothek als akademischen Lernraum auch physisch nahezubringen (und keine lost generation in puncto UB zu produzieren). „OSKAs“ konnten mit ihrer Kleingruppe einen Slot im UB-Schulungsraum buchen, um sich dort zu treffen und auszutauschen, für Erstis wurden öffnungstäglich Plätze in Kleingruppenführungen durch UB-Personal angeboten, die Buchung erfolgte in beiden Fällen über das Platzbuchungssystem – bis wenig später die Infektionsdynamik mit Lockdown light im November und scharfem Shutdown Mitte Dezember die schönen Pläne Makulatur werden ließ.

Komplett von IK-Präsenzangeboten ausgeschlossen blieb ab März 2020 eine Zielgruppe aus Stadt und Region, die üblicherweise in großer Zahl ins Haus kommt, wenn die Erstsemester „verarztet“ sind: Schüler*innen der gymnasialen Oberstufe, die in einem Seminar- bzw. Wahlpflichtfach eine Facharbeit schreiben. Präsenz kam nicht in Frage, sehr wohl indessen die inzwischen erprobten asynchronen Video- bzw. Kursformate und synchronen Meetings. Bald nach Semesterbeginn wurde eine offene, auf Stadtnutzer*innen zugeschnittene Version des neuen grundständigen Online-Kurses auf den IK-Seiten der UB veröffentlicht und in Mails an die Leitungen der umliegenden Schulen mit gymnasialer Oberstufe kommuniziert – ebenso wie das Liveangebot der offenen digitalen Facharbeitensprechstunde, die nach der Jahreswende an sechs Terminen à zwei Stunden stattfand mit im Durchschnitt acht bis neun Schüler*innen. Ein offenes und deshalb niedrigschwelliges Angebot im digitalen Raum nötigte den Beteiligten im Vorfeld durchaus Respekt und während der Sprechstunden selbst Spontaneität und eine gewisse Belastbarkeit ab: In virtuellen Sprechzimmern (Breakoutrooms der zentralen Webkonferenz) harrten i. d. R. fünf Kolleg*innen der Ratsuchenden, die sich im Hauptraum einfanden und je nach Thema und Kapazität verteilt wurden von zwei Lotsen, die Schwerpunkte erfragten, erstberieten, den Chat betreuten.

Die insgesamt positive Bilanz dieses offenen Formats ermutigte IK-Koordination und Benutzung, der Schreibwerkstatt am Sprachenzentrum der Uni, die als langjährige Partnerin der UB für die alljährliche Schreibnacht fungiert, eine wie immer offene „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ light im digitalen Raum vorzuschlagen.

Abb. 5: Poster zur Langen Nacht 2021, Grafik: UB Osnabrück.
Abb. 5:

Poster zur Langen Nacht 2021, Grafik: UB Osnabrück.

Die gemeinsame Nachtschicht im März 2021 umfasste sechs Stunden Liveprogramm non-stop (ausgenommen eine 20minütige technische Zwangspause), das neben Präsentationen, Workshops (mit interaktiven Anteilen), Beratungen auch entspannende und unterhaltsame Programmpunkte bot: Achtsamkeitsübungen, einen Kurzfilm und zum Ausklang: Livemusik eines Jazzduos, gestreamt aus dem Institut für Musik! Die Skepsis, ob sich die besondere Atmosphäre der analogen Schreibnächte mit Yoga, Snacks und Kino ins Digitale würde transponieren lassen, ob pandemie- und bildschirmmüde Studierende sich abends freiwillig eine weitere, lange (!) Videokonferenz zumuten würden, erwies sich zu Aller Freude als unbegründet: Ständige Präsenz und Ansprechbarkeit im Hauptraum, durchgängige Moderation, Interaktion im Chat mit den Nachtgästen banden die einzelnen Slots zu einem Event zusammen. Von weit über 300 Teilnehmenden in Stud.IP waren bei den Veranstaltungen live zugegen im Mittel 150 Personen, in der Spitze 200 und noch zum Farewell um 23 Uhr 50 Leute. Die durchweg positive Resonanz bei den Studierenden und den beiden Teams im Chat und in der Nachlese wird ein digitales Add-on zur Langen Nacht in der Bibliothek 2022 wahrscheinlich machen.

4 It’s the communication, stupid: Die Bibliothek erklären

„Krisenkommunikation“ gab es zunächst und kontinuierlich intern, in/mit Uni und UB, bei den vom Bund aufs Land auf Landeseinrichtungen auf die Bibliothek … heruntergebrochenen „Corona-Kabinetten“ (noch ein Neologismus, den inzwischen alle verstehen) des Präsidiums mit den Leitungen der wissenschaftsunterstützenden Einrichtungen jede Woche oder alle zwei, je nach Ernst und Dynamik der Lage, sowie der UB mit Direktion, Benutzungsdezernat, bibliotheksfachlichen Leitungen der Bereichsbibliotheken. Alle Maßnahmen zum Runterfahren ad hoc und allmählichen Hochfahren ca. sieben Wochen später, zur behutsamen Wiederöffnung Schritt für Schritt wurden kleinteilig, enggeführt kommuniziert und erklärt, über verschiedene Kanäle, primär auf der Website. Seit dem Relaunch 2017 im Corporate Design der Uni präsentiert sich die UB-Startseite visuell dynamisch; der zentrale Startseitenteaser mit großem Bild und Text wird rund alle zwei Wochen ausgetauscht, was auch bei „Stammgästen“ der Seite jeweils neue Aufmerksamkeit generiert und der UB insbesondere in der Woche vor der Wiederöffnung Anfang Mai 2020 (und dann bei allen weiteren Öffnungsschritten) zupass kam, um die neue Nutzung und ihre Spielregeln zu erklären: Tag für Tag gab es ein neues Großformat, meistens aus der Werkstatt der hauseigenen Fotografin, und Text zu einem bestimmten Aspekt der Nutzung unter Coronabedingungen[8].

Über weitere UB-Kanäle: Blog, Twitter und Instagram wurde teils tagesaktuell in kleineren Portionen kommuniziert, zudem gibt es seit Mai 2020 ein eigenes Corona-FAQ auf der UB-Website. Und natürlich ist die Bibliothek repräsentiert in den zentralen Corona-Infos der Uni (FAQ, Links auf UB-Seiten); im Newsletter der Präsidentin (#UOSgegenCorona) wurde regelmäßig die Bibliothek betreffender Content untergebracht, darunter auch der Krimitipp eines Fachreferenten zur Ablenkung in einsamen Coronawochen. Mit einem offenen Brief (prominent verlinkt auf der Startseite) wandte sich die UB-Direktion im Frühsommer der Pandemie an die Nutzer*innen, um das sukzessive Öffnungskonzept, seine einzelnen Schritte, das eigene Balancieren zwischen größtmöglicher Offenheit und Zugänglichkeit einerseits und Sicherheit für alle Beteiligten andererseits (auch der Fürsorgepflicht fürs Team) transparent zu machen und um Verständnis für diese oder jene Restriktion zu werben. À la longue ist das der UB gelungen, nicht zuletzt dank der individuellen, ganz alltäglichen Kommunikation jenseits offizieller PR-Kanäle: mit ausführlichen Mails auf Kommentare im Blog oder Fragen & Kritik aus dem Mailpostfach, in unzähligen Telefonaten an den durchgängig besetzten Theken – und auch mal durchs geöffnete Fenster im Parterre.

HINTERHER: Nachlese: Revue passieren und Bewährtes bleiben lassen

Zuversicht ist nötig und genauso zweckrational wie das Bedürfnis, das Coronajahr nicht als komplett sinnlos zu verbuchen, sondern Positives zu verzeichnen: den Lerneffekt, den forcierten Innovationsschub in Richtung mehr Digitalität allerorten, die vielbeschworenen „Lessons learned“. Was wir in Osnabrück gelernt haben, das ist auch und vor allem Veränderbarkeit: Flexibilität, Reagibilität in einem Ausmaß und einem Tempo, das kein professionell aufgesetzter Change-Prozess aus dem Werkzeugkasten der Organisationsentwicklung anzustoßen imstande gewesen wäre.

Was galt es zu tun? Zugang zu ermöglichen, offen zu sein, kollektiv und individuell zu unterstützen in möglichst jeder Hinsicht, präsent zu sein, Namen und Gesicht zu zeigen, viel zu kommunizieren und sich zu erklären. Solche fundamentale Serviceorientierung, die sich im besten Fall nicht nur aus Benchmarking-Erwägungen und der Sorge um Reputation innerhalb und außerhalb der eigenen Uni speist, sondern aus professionellem Selbstverständnis, institutionellem und individuellem Commitment, ja: Arbeitsethos, wuchs in der Pandemie womöglich an anderen und „softeren“ Tugenden: Solidarität und Empathie angesichts gemeinsamer pandemischer Erfahrungen, die alle teilen: Konsortialität im Wortsinn gab es nicht mehr nur mit anderen Bibliotheken, denn private und professionelle Erfahrungswelten sahen und sehen sich ähnlicher als sonst. Wir vermiss(t)en Begegnung wie alle, realen privaten und kollegialen Austausch, Präsenz, wir hock(t)en in Homeoffices wie unsere Studierenden oder vereinzel(te)n uns in Büros, erleben vielleicht unsere Kinder als @home-Beschulte oder Fernstudierende im Kinderzimmer …

Lassen wir es zu, dass vom Guten im Schlechten manches bleibt.

About the authors

Stefan Fangmeier

Stefan Fangmeier

Dr. Jost Hindersmann

Dr. Jost Hindersmann

Mathias Laubenheimer

Mathias Laubenheimer

Dr. Anneke Thiel

Dr. Anneke Thiel

Published Online: 2021-07-10
Published in Print: 2021-07-27

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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  1. Frontmatter
  2. Editorial
  3. Aus den Verbänden
  4. Verabschiedung Urheberrechtsreform
  5. Deutscher Bibliotheksverband beteiligt sich am „Kultur macht stark“-Sommer des Bundesbildungsministeriums
  6. Bibliotheken: Orte der kulturellen Vielfalt und Toleranz
  7. „Kinder und Jugendliche benötigen verlässliche Bildungsangebote“
  8. Stärkung von Bibliotheken in ländlichen Räumen
  9. Wahlprüfsteine 2021
  10. Themenheft: Bibliotheken und die Herausforderungen der COVID-19-Pandemie. Teil I
  11. Die Bewältigung der Corona-Pandemie durch das Team der Hochschulbibliothek Ludwigshafen/Rhein
  12. Corona an der Universitätsbibliothek Basel: Die zwei Seiten der Digitalisierungsmedaille
  13. Doing digital. Die Universitätsbibliothek Osnabrück und die Herausforderungen der Coronakrise
  14. Lehre in Zeiten von Corona – ein Erfahrungsbericht
  15. Wissenschaftliche Weiterbildung während und nach der COVID-19-Pandemie – der Versuch einer theoretischen Annäherung
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  17. Praxis adé? Der Mangel an Praxiseinblicken während der COVID-19-Pandemie
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  19. Wenn das Leben Dir Zitronen gibt … Pandemie als Chance?
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  25. Termine
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