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Von Visionen, Strategien und bibliothekarischer Führungsverantwortung: Das International Library Leaders Programme an der British Library

  • Matthias Reif

    Dr. Matthias Reif

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Published/Copyright: January 30, 2025
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1 Managementherausforderungen qualifizieren – Rahmenbedingungen

Vom 3.–10. Juli 2024 fand an der British Library zum vierten Mal das sog. International Library Leaders Programme (ILLP) statt, eine einwöchige Fortbildungsveranstaltung von Vorträgen, Gruppendiskussionen, Workshops, Breakout Sessions und einem Empfang. Sie richtete sich an Bibliothekarinnen und Bibliothekare bzw. Archivarinnen und Archivare in der Mitte ihrer beruflichen Laufbahn (mid-career library and archive professionals[1]). Die Entscheidung der British Library fiel im Auswahlverfahren auf 23 Interessierte aller Altersgruppen aus verschiedenen rund über den Globus verteilten Einrichtungen: Aus Australien, Kanada und den USA, Brasilien, Peru, Trinidad bzw. Tobago, Indien und Malaysia, Aserbaidschan, Bulgarien, Slowakei, den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland.

Der berufliche Hintergrund der sog. delegates umfasste verschiedene Aufgabenschwerpunkte im zumeist bibliothekarischen Tätigkeitsspektrum. Die Beschäftigungsverhältnisse reichten von öffentlichen Bibliotheken, National- und Staatsbibliotheken, Universitäts-, Stiftungs- oder Museumsbibliotheken bis zur Wikimedia Foundation. Die Teilnehmenden einte neben dem ausgeprägten Interesse an der British Library und ihrem Wirken als einer der weltweit bedeutsamsten Bibliotheken mit einer Sammlung von über 180 Millionen Objekten[2] eine vorab definierte, persönliche und individuell je verschiedene berufliche Herausforderung (challenge), mit der sie sich im Bewerbungsverfahren für das Programm qualifiziert hatten. Die durchweg englischsprachige Veranstaltung rundete die Verleihung eines Zertifikats ab, das die erfolgreiche Teilnahme bestätigte (certificate of completion).

Die einzelnen Fortbildungstage waren unterschiedlichen Schwerpunkten in den Bereichen Bibliotheksmanagement und Leadership gewidmet: Als Themen standen u. a. die Cyber-Sicherheit, die Vision der British Library, inklusive Content- und Digitalisierungsstrategie, Digitalisierungs- und Erschließungsprojekte, präventive Konservierung und Langzeitverfügbarkeit im Vordergrund. Immer wieder waren Themenkomplexe mit Führungen verbunden, z. B. durch die Magazine, das Conservation Centre und die Sound Preservation Studios.

Der erste Nachmittag begann mit einem herzlichen Willkommen durch Sir Roly Keating, den Chief Executive, mit einer knappen strategischen Einführung sowie einer Tour durch das 1998 eröffnete Hauptgebäude des Londoner Standortes der British Library St Pancras an der Euston Road (in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof King’s Cross).[3] Dabei lernten wir nicht nur die Gründungs- und Baugeschichte der sehr jungen, offiziell am 1. Juli 1973 begründeten British Library kennen, sondern begegneten ersten Highlights aus ihrem sehr vielfältigen und bunten Sammlungsspektrum:[4] Der King’s Library Georgs III., einer auf die Aufklärung zurückgehenden Gelehrtenbibliothek, dem Codex Arundel, der eine eigenhändige Beschreibung und Zeichnung der „Geschichte der Gewichte“ durch Leonardo Da Vinci umfasst,[5] ersten Auflagen von William Shakespeare (first folio von 1623 etc.),[6] einer reich kolorierten Gutenberg-Bibel von 1455[7] oder der Blauen und Roten Mauritius aus der philatelistischen Sammlung.[8] Den Auftakt beschloss der Besuch der aktuellen Ausstellung mit dem Titel „Beyond the Bassline“, einem visuell wie auditiv immersiven Klangerleben von 500 Jahren farbiger Musik in Großbritannien, das auch Aufnahmen aus dem Sound Archive umfasste.[9]

Abb. 1: Die King’s Library Georgs III. im Hauptgebäude der British Library St Pancras (Foto: M. Reif)
Abb. 1:

Die King’s Library Georgs III. im Hauptgebäude der British Library St Pancras (Foto: M. Reif)

Recovering from the Cyber-Attack: Warum alte EDV-Systeme rechtzeitig zu erneuern und Mitarbeitende in Cyber-Risiken zu schulen sind

Mit besonderer Neugierde begegneten wir dem Bericht zu den Auswirkungen und Lehren aus der Cyber-Attacke, einem massiven Ransomware-Angriff durch die Hackergruppierung Rhysida, dessen Opfer die Bibliothek am 28. Oktober 2023 geworden war. Im Zuge dessen waren über 600 GB Dateien, darunter v. a. auch personenbezogene Informationen, zunächst kopiert und exfiltriert, Serverbestände verschlüsselt bzw. zerstört worden. Als sich die Bibliothek der Lösegeldzahlung verweigerte, wurden die erbeuteten Daten im Darknet zur Auktion angeboten. Die technische Infrastruktur der British Library befindet sich seitdem im Prozess der Wiederherstellung: Dieser soll gemäß dem auf 18 Monate angelegten Rebuild and Renew Programme bis zum 1. Quartal 2025 abgeschlossen sein. Es wird mit Kosten von ca. 6 bis 7 Millionen GBP gerechnet.[10] Der Online-Katalog ist bereits seit Januar 2024 wieder zugänglich, jedoch nur in lesbarer Form.

Als unmittelbare Konsequenz aus dem Angriff hatte die Bibliothek ihre Services, gerade in den beiden Bereichen Sammlungskustodie und Forschung, immens einschränken müssen und war durch den Shutdown der Systeme quasi auf einen Schlag ins prädigitale Zeitalter zurückversetzt worden:

  • Die üblichen Recherche- und Nutzerdienstleistungen waren größtenteils unzugänglich, z. B. waren Website, Onlinekatalog, die EThOS-Sammlung elektronisch verfügbarer Dissertationen nicht mehr abrufbar, die Benutzerausweise funktionierten nicht, eine Nutzerregistrierung war nicht mehr möglich, die Fernleihe brach zusammen (Bücherlieferungen aus den Magazinen in Boston Spa waren ausgeschlossen) etc.

  • Zahllose grundlegende Arbeitsabläufe innerhalb der Bibliothek waren gestört, z. B. die Katalogisierung oder das automatisierte Zeitungseinstellen im National Newspaper Building, die Google-Digitalisierung, das Scannen im Digitalisierungsstudio etc. Die aus dem Public Lending Right sich ergebenden Autorenzahlungen verzögerten sich.

  • Die Kommunikation musste netzwerk- bzw. systemunabhängig erfolgen, d. h. sie erfolgte nach innen im Wesentlichen über WhatsApp, nach außen über Social Media.

  • Insgesamt wurden zahllose digitale Workflows wieder auf eine analoge Arbeitsweise umgestellt (z. B. die Buchbestellung über einen händisch auszufüllenden Leihschein und unter Konsultierung des alten Kartenkataloges). Dies war umso schwieriger, weil die prädigitalen Geschäftsgänge oftmals nur noch im Bewusstsein weniger Mitarbeitenden greifbar waren.

Die sorgfältige Analyse des Vorfalls zeigt, dass die historisch gewachsene, komplexe Technologiestruktur der British Library und der Einsatz vieler Altsysteme den Hackern einen breiteren Zugang ermöglichte, als dies bei moderneren Systemen der Fall gewesen wäre. Es wird gemutmaßt, dass die Angreifenden über einen Server eindringen konnten, der den remote-Zugang regeln sollte und in der Corona-Pandemie eingerichtet worden war. Als Hauptproblem hat sich nicht so sehr die Wiederherstellung der exfiltrierten Daten erwiesen – denn von den digitalen Daten und Sammlungen existieren Kopien, die sich auf die British Library St Pancras und die British Library Boston Spa, die National Library of Scotland und die National Library of Wales verteilen. Vielmehr fehlt eine technische Infrastruktur, die eine schnelle Wiederherstellung der Systeme ermöglicht. Hinzukommt, dass viele der Softwaresysteme ob ihres hohen Alters entweder vom Anbieter nicht mehr unterstützt werden oder mit der neuen Infrastruktur gar nicht mehr kompatibel sind.

Herzensangelegenheit der British Library war es in der Veranstaltung, uns als Vertreterinnen und Vertreter unserer jeweiligen Bibliothek eindringlich zu warnen und so ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass ein Cyber-Angriff in der heutigen Zeit jede Institution treffen kann, ja sich wohl oder übel eher als eine Frage der Zeit herausstellen dürfte. Neben dem Ratschlag, einen vergleichbaren Vorfall so offen wie möglich nach außen zu kommunizieren, gehen die Empfehlungen in technischer Hinsicht dahin:

  • primär auf cloudbasierte Systeme zu setzen, um die Risiken zu minimieren (die cloudbasierte Finanz- und Lohnbuchhaltung der British Library blieb vom Angriff verschont),

  • Netzwerke besser zu überwachen und sie grundsätzlich zu segmentieren, sodass Auswirkungen eines Angriffs lokal begrenzt bleiben (an allen Endpunkten sollte deshalb eine Multi-Faktor-Authentifizierung vorgesehen sein),

  • Lebenszyklen von Systemen mehr Beachtung zu schenken, Altsysteme also rechtzeitig abzuschalten,

  • einen Notfallplan für den Ernstfall zu entwickeln, der den institutionellen Betrieb gewährleistet,

  • in der Lage zu sein, die technologische Gesamtinfrastruktur schnell wiederherstellen zu können,

  • auf personeller Ebene ein ganzheitliches Bewusstsein für Cyber-Risiken zu schaffen (in der Management- und Geschäftsleitungsebene in gleicher Weise wie unter Mitarbeitenden der anderen Ebenen) sowie regelmäßige Schulungen anzubieten,

  • intensiv mit Branchenkolleginnen und -kollegen zusammenzuarbeiten und auch externe Sicherheitssachverständige in ein Schutzkonzept zu involvieren, das die Umsetzung der Mindeststandards für Cyber-Sicherheit berücksichtigt (z. B. Cyber Essentials Plus).

Knowledge Matters: „Wissen ist Trumpf“ als strategischer Plan im komplexen Geflecht von KI und ethischen Werten

Zu den Höhepunkten des Programms gehörten mehrere Sektionen, die sich mit der strategischen Ausrichtung der British Library beschäftigten. Dabei war die theoretische Konzeption der Strategie in gleicher Weise abgedeckt wie ihre praktische Umsetzung gegenüber Mitarbeitenden und breiter Öffentlichkeit. Beim Erstellungsprozess, u. a. in strukturierten Workshops, wurde auf eine aktive Beteiligung der Bibliotheksmitarbeitenden aller Ebenen geachtet (Belegschaft, erfahrene Führungskräfte, Direktorium), aber waren darüber hinaus auch externe Beratende und das Ministerium involviert, konkret das Department for Culture, Media and Sport.

Knowledge Matters[11] als Vision bringt die Ziele der Bibliothek für den Zeitraum 2023–2030 auf den Punkt (gegliedert nach purposes, big themes und values). Sie schließt an die zeitlich vorangehende Strategie Living Knowledge an, die hier in einer an die sich verändernde Welt angepassten Form fortgeführt wird. Liz Jolly, Chief Librarian, setzte sie in ihrer Präsentation „Why Libraries Matter“ in einen größeren, bibliotheksübergreifenden Zusammenhang. Das anschließende Rollenspiel bot einen direkten Austausch mit ihr. So rahmte dieser Themenkomplex gelungen das Programm in seiner Ausrichtung auf Führung bzw. Leadership ab.

Grundsätzlich begreift die British Library Künstliche Intelligenz derzeit als weitere entscheidende Stufe in der digitalen Transformation und Veränderung der Welt,[12] in der Informationskompetenz (information literacy) zunehmend wichtiger wird und auch der physische Dritte Ort in regionaler bzw. lokal-kommunaler Einbettung an Bedeutung gewinnt (importance of place-making[13]). Durch die Mission, das intellektuelle Erbe zu Zwecken der Forschung, für Inspiration und Erbauung wirklich jedermann zugänglich zu machen, präsentiert sich die British Library als Nationalbibliothek ganz in der Tradition einer Public Library,[14] die sich zum Ziel setzt, tatsächlich schrankenlos offen zu sein (We make our intellectual heritage accessible to everyone, for research, inspiration and enjoyment[15]). Diese Offenheit schließt ein vielfältiges soziales Engagement in Somers Town als Heimatgemeinde der British Library mit ein: Z. B. stellt die Bibliothek unentgeltlich Raum zur Verfügung, auf dem sich alle Anwohnenden, auch solche aus Minderheiten, begegnen können. So befindet sich The Last World, ein integrativer Begegnungsort (community hub), an herausgehobener Position auf der Piazza vor dem Haupteingang der Bibliothek oder auch der allgemein zugängliche und zur Nutzung frei gegebene Story Garden direkt neben dem Zentralgebäude.[16]

Jenseits dessen, dass sich die Bibliothek natürlich als Sammlung,[17] Kultur- und Gedächtnisinstitution und mit St Pancras als Zentrum für life science and data science research[18] als Forschungsbibliothek definiert,[19] die auf ein vielfältiges Publikum ausgerichtet ist, sticht die im angloamerikanischen bzw. angelsächsischen Raum so betonte, im Vergleich zu Kontinentaleuropa auffällige, fast ins Idealistische gesteigerte Werteorientierung der Bibliothek ins Auge: Diversität, Inklusion, Antirassismus spielen bei der Personalgewinnung und -entwicklung der aktuell über 1 600 Mitarbeitenden – davon sind derzeit 375 in leitender Position – genauso eine entscheidende Rolle wie bei der Ausrichtung der Services auf alle Bevölkerungsschichten bzw. -gruppen. Der ethischen Komponente kommt auch im Bereich der internationalen Kooperationen große Bedeutung zu. Hoch gewichtet sind allenthalben Respekt, Fairness und Gleichberechtigung als Werte: Die People Vision sieht Leadership Development Programmes auf unterschiedlichen Ebenen und für an der Bibliothek unterrepräsentierte gesellschaftliche Gruppen vor, z. B. für Menschen mit schwachem sozioökonomischen Hintergrund, körperlichen Einschränkungen, nicht der Norm entsprechender sexueller Orientierung oder für ethnischen Minderheiten angehörende Mitarbeitende etc. Die im Race Equality Action Plan (REAP)[20] schriftlich dokumentierten Prämissen sind bei der Konzeption der derzeitigen Ausstellung genauso spürbar wie bei Informationsvermittlungsangeboten mit dem Fokus auf lebenslangem Lernen, Kollaborationsprogrammen mit Europa, Asien oder dem Mittleren Osten bzw. der Förderung von Institutionen, die bedroht sind. Die Werteorientierung schließt Nachhaltigkeitsbestrebungen mit ein (z. B. konkret die Reduzierung der Kohlenstoffbelastung durch Bibliotheksgebäude wie Magazine).[21]

Dass die Strategie der British Library neben den Themengebieten Custodianship, Research, Culture, Learning, International auch den Komplex Business umfasst, fügt sich ganz der Wahrnehmung des Vereinigten Königreichs aus der Perspektive einer im deutschen Sozialstaat fußenden, sicher etwas gefärbten Brille: So bietet die British Library explizit Startups wie auch sozialen Einrichtungen Unterstützung bei Geschäftsideen, beim Zugang zu Künstlicher Intelligenz, überhaupt zu Technologien, immer unter Wahrung einer ethischen Perspektive (We help businesses to innovate and grow[22]). Dass hier zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum als Ziel des United Kingdom beigetragen werden soll (net zero economy[23]), liest sich sehr schön, lässt aber offen, ob der Ausrichtung auf das Business-Modell auch die Hoffnung auf einstigen finanziellen Rückfluss an die Bibliothek zugrunde liegen könnte, insbesondere wenn man berücksichtigt, wie sehr der kulturelle Sektor auf Funding und Sponsorengewinnung angewiesen ist.

Neben der stetig notwendigen Modernisierung der Bibliotheksservices wird insbesondere der Ausbau der Partnerschaften innerhalb des Vereinigten Königsreichs wie auch über seine Grenzen hinaus als wesentlich empfunden:[24] Die Informationsversorgung wird im Süden Englands gewährleistet durch den Knotenpunkt St Pancras/London, im Norden durch den Knotenpunkt Boston Spa/Leeds (Yorkshire) sowie überhaupt durch das breite Living Knowledge Network (LKN).

Zukunftsvision Boston Spa Renewed: Next Generation Storages, Lesesaal und Digitalisierungsstudio

Ein Fortbildungstag führte weit in den Norden Englands zur Zweigstelle der British Library in Boston Spa. Auf dem ehemaligen Areal einer Waffenfabrik aus dem zweiten Weltkrieg beheimatet, war hier seit den 1960ern die National Lending Library untergebracht, aus der später die British Library Lending Divison in ihrer Zuständigkeit für die (inter)nationale Fernleihe hervorging.[25]

Heute befinden sich vor Ort neben einem Lesesaal, Verwaltungs- und Büroräumen sowie einem geräumigen Digitalisierungsstudio im Wesentlichen drei verschiedene Magazingebäude zur externen Bestandslagerung, die sukzessive entstanden sind und von denen sich das jüngste gerade seiner baulichen Vollendung nähert:[26] Im Jahre 2010 wurde der bereits bestehende Komplex um ein Additional Storage Building erweitert, ein Magazin mit ca. 268 laufenden Kilometern Regalfläche. 2015 wurde auf dem Areal zudem das National Newspaper Building errichtet, welches 33 Kilometer Zeitungen fasst (ca. 60 Millionen Ausgaben). Derzeit ist ein neues zusätzliches Magazin für Printbestände in Bau befindlich, das 225 laufende Kilometer Regalfläche bieten soll und in Leichtbauweise errichtet wird. Wie bereits die anderen Magazine ist auch das neue Gebäude technologisch höchstmodern als Next Generation Storage geplant, d. h. hier werden Bestände in absoluter Verdichtung automatisiert eingestellt bzw. ausgehoben. Auf einer Brücke im Additional Storage Building konnte man sehen, wie Kisten mit Büchern in drei Formatgrößen über Laufbänder transportiert werden (über einen Barcode dokumentiert das computergesteuerte System den Standort von Buch bzw. Kiste). Durch entsprechende Kühlung der Luft auf ca. 16 Grad Celsius, eine Feuchte von 52 Prozent und eine reduzierte Sauerstoffsättigung von nur 15 Prozent wird hier im Sinne einer präventiven Konservierung einerseits der Papieralterungsprozess gehemmt, andererseits einer potentiellen Brandgefahr vorgebeugt.

Abb. 2: Blick von der Brücke ins vollautomatisierte, die Bestände in hoher Verdichtung aufbewahrende Magazin des Additional Storage Building der British Library Boston Spa (Foto: M. Reif)
Abb. 2:

Blick von der Brücke ins vollautomatisierte, die Bestände in hoher Verdichtung aufbewahrende Magazin des Additional Storage Building der British Library Boston Spa (Foto: M. Reif)

Um maximale Nachhaltigkeit zu gewährleisten, ist das neue Next Generation Storage als Passivhaus geplant, soll also luftdicht verschlossen sein und über eine Wärmepumpe beheizt werden, die wiederum mit selbst erzeugtem Strom aus eigenen Solarpanels betrieben wird. Der gesamte Campus wird soweit möglich begrünt, auch der vorhandene alte Baumbestand wurde bei den Bauarbeiten berücksichtigt und bleibt aus umweltökologischen Gesichtspunkten erhalten. Neben dem Ziel, Raum zu gewinnen in einem Gebäude mit niedrigen Wartungskosten, stand hier eine höhere Effizienz bei der Verkehrsführung und Logistik im Vordergrund. So sind die drei Magazingebäude wie die Ecken eines in etwa gleichseitigen Dreiecks zueinander angeordnet, in dessen Mitte sich das erste zweckbestimmte, bereits in den 70ern errichtete Urquhart-Gebäude befindet. Als Zuschauermagnet soll das neue Magazin zudem über eine Schaugalerie (viewing gallery) verfügen, von der aus die Nutzenden direkt in das Magazin blicken können und die für interaktive Ausstellungen nutzbar gemacht werden soll. Visionskonform steht hier wieder der Gedanke der Zugänglichkeit für die Nutzenden im Vordergrund sowie die Vorstellung einer inklusiven verbesserten Arbeitsumgebung, in der sich Mitarbeitende wohlfühlen und die gemäß People Strategy hybrides Arbeiten ermöglicht.

Neben dem Schwerpunkt auf Magazinflächen und Logistikzentrum sind zahlreiche weitere Arbeitsbereiche in Boston Spa angesiedelt (35 Prozent der Mitarbeitenden der British Library sind in Yorkshire tätig). Dazu gehören z. B. Digitalisierung, Katalogisierung, Finanzen, Technik, Metadaten, People Team, Customer Services: Erwähnt seien in diesem Zusammenhang der für die Lage auf dem Land verblüffend große Lesesaal mit zahlreichen Leseplätzen (reading room), ein Digitalisierungsstudio mit (Hochleistungs-)Scannern in zweistelliger Zahl, die Dokumentlieferung, weitere Dienstleistungen wie die EthOS-Plattform für Dissertationen (E-Thesis Online Service), Nutzerregistrierung, Benutzerkonten (customer accounts), die Bearbeitung allgemeiner Anfragen oder Benutzerevaluationen (corporate customer feedback) etc.

Content und Digitisation Strategy: Sammlungskonzepte der British Library und zentrale Digitalisierungs- und Erschließungsprojekte

Die umfangreichen Bestände der British Library wachsen jährlich um ca. 12 laufende Kilometer Regalfläche: In ihrer Funktion als Archiv verantwortet sie insbesondere die Verwahrung der Pflichtabgaben (Legal Deposit). Allein der Zuwachs durch die Print-Pflichtabgabe beläuft sich jährlich auf ca. 8 Regalkilometer, im Bereich der digitalen Pflichtabgabe sind im Zeitraum 2022/23 ca. 2,3 Millionen Items neu dazugekommen. Die Pflichtabgabe ergänzt im Zeitraum 2019/20 ein Erwerbungsetat von ca. 12 Millionen GBP, der in etwa gleich auf die Bereiche Kulturgut (heritage material), Monographien (monographs), Print-Zeitschriftenreihen (print serials), elektronische Zeitschriftenreihen (electronic serials), Datenbanken (electronic database resources) verteilt wird.[27]

Die Content Strategy der British Library macht den Geltungsbereich deutlich, der für Erwerbungsentscheidungen maßgeblich ist:[28]

  • Grundsätzlich gelten zeitgenössische Inhalte als sammlungsrelevant, die im Vereinigten Königreich oder weltweit veröffentlicht wurden, unabhängig von Format, Fachbereich, Thema und Sprache (contemporary content published in the UK and globally).

  • Die Neuerwerbungen decken alle denkbaren Erwerbungsarten ab (Pflichtabgabe, freiwillige Abgabe, Schenkung, Tausch und Kauf).

  • Sammlungsrelevant sind auch Inhalte anderer Organisationen, mit denen die British Library dauerhaft oder für eine begrenzte Zeitspanne in Verbindung steht.

Zudem liefert die Content Strategy Transparenz über die bei der Erwerbungsentscheidung geltenden Schlüsselprinzipien:

  • Die Pflichtabgabe bildet dauerhaft das Fundament der Sammlung.

  • Jenseits der Pflichtabgabe ist ein Wert für die Forschung primäres Erwerbungskriterium, wobei derselbe Inhalt in digitaler Form der entsprechenden Printauflage vorzuziehen ist (digital content over print).

  • Im Falle, dass der British Library nicht die Verantwortung zukommt die Langzeitverfügbarkeit sicherzustellen und ein dauerhafter Zugang gewährleistet ist (persistent access), gilt es, eher zum Content zu vernetzen (z. B. durch eine Anbindung mittels Link) als die eigene Sammlung zu erweitern (to connect rather than collect).

Im Bereich der Digitalisierung war die British Library mittlerweile an mehr als 950 Projekten maßgeblich beteiligt, in denen über 150 Millionen Images entstanden sind. 2018 war im Zuge des Heritage Made Digital Programme ein neues Team ins Leben gerufen worden, das neben einer Standardisierung und Verbesserung des Digitalisierungsworkflows die strategisch sinnvolle Digitalisierung vorantreibt. Als selbstverständlich gilt heute der freie Zugang über das u. a. von der British Library kooperativ mitentwickelte International Image Interoperability Framework (IIIF-Standard),[29] in der Regel unter Verwendung des sog. Universal Viewers.[30] Kriterien für die Digitalisierung der Materialien sind ganz in Übereinstimmung mit der Knowledge Matters Strategy:

  • die (inter)nationale kulturelle Bedeutung eines Objekts

  • eine Unterrepräsentation in den digitalen Sammlungen der British Library

  • Popularität, herausragende Qualität, Einzigartigkeit, Seltenheit

  • das Füllen bestehender Lücken sowie verborgene Sammlungen (hidden collections)

  • die Begünstigung digitaler Forschung und Innovation

  • eine Unterstützung beim Auffinden weiterer Inhalte

  • Hilfestellung beim Lernen und öffentlichen Engagement

Derzeit laufen folgende kollaborative Projekte, die Digitalisierung teils mit Erschließung, teils mit Bestandserhaltung verbinden:

  1. Google Books

    2011 begannen die Planungen der British Library gemeinsam mit Google in einer Public-Private Partnership zu digitalisieren, also in einer Kooperation, die die Bayerische Staatsbibliothek bereits 2007 eingegangen war.[31] Fortlaufend digitalisiert werden urheberrechtsfreie Bestände aus der Zeitspanne 1700 bis 1870. Das Digitalisat kann dann einerseits über den Online-Katalog der British Library, andererseits über Google Books angesteuert werden. Leider war die Digitalisierung von Anfang an von unglücklichen äußeren Umständen gehemmt bzw. unterbrochen worden – durch den Brexit, die Covid-19-Pandemie und schließlich den Cyber-Angriff. Bisher wurden ungefähr 600 000 Objekte gescannt.

  2. Qatar Foundation Partnership Programme

    Gegenstand des 2012 begonnenen und nun erfolgreich in vierter Phase mit der Qatar National Library fortgeführten Projektes zur Imagedigitalisierung, Transkription und kuratorischen Aufarbeitung in englisch- wie arabischsprachigen Artikeln sind das kulturelle Erbe des persischen Golfes, die India Office Records und private Aufzeichnungen, arabische Handschriften, Karten, aber auch Ton- und Videodokumente. Die Ergebnisse, u. a. derzeit ca. 2,5 Millionen Images, sind über die Qatar Digital Library zugänglich.[32]

  3. Endangered Archives Programme (EAP)

    Zur Digitalisierung gefährdeter Bestände können weltweit von Archiven Fördermittel bei der British Library eingeworben werden. Das Programm gilt für seltene Drucke (Bücher, Karten, Zeitungen etc.) in gleicher Weise wie für Handschriften, visuelle Medien (Zeichnungen, Bilder, Fotos, Poster etc.), Tonaufnahmen oder sonstige Objekte mit Artefaktstatus. Voraussetzung für die erfolgreiche Förderung ist, dass die Bestände gefährdet sind (z. B. durch Krieg oder Klimawandel etc.), einen Forschungswert darstellen, Ortsbezug und ein entsprechendes Alter aufweisen und die Rechtslage geklärt ist (legal wie ethisch).[33] Dabei verbleibt das Originalarchiv im Ursprungsland. Das digitale Material wird von einer geeigneten Institution im jeweiligen Land archiviert, eine zweite Kopie erhält die British Library. Die British Library macht die Bilder und Tonaufnahmen in niedriger Auflösung über ihre Website kostenfrei zugänglich (keine kommerzielle Nutzung). Reuse und Access stehen im Vordergrund.[34]

  4. International Dunhuang Programme (IDP)

    Der Fokus des 1994 begonnenen und auf internationale Zusammenarbeit ausgerichteten Programmes ruht auf der Bewahrung, Dokumentation und Digitalisierung von Materialien aus Dunhuang und der Östlichen Seidenstraße mit dem Ziel, die Forschung zur Östlichen Seidenstraße zu befördern. Die entstandenen Images und Metadaten sind zugänglich über die Website des International Dunhuang Programme.[35] Bearbeitet wurden bisher die Sammlungen der British Library zur Östlichen Seidenstraße, über 45 000 Handschriften und Drucke aus Zentralasien und China, Objekte aus der Zeitspanne 100 v. Chr. bis 1200 n. Chr. Die Materialien liegen in über 20 verschiedenen Sprachen und Schriften vor (z. B. Chinesisch, Tibetisch, Sanskrit etc.). Das Programm umfasst Projekte zur Restaurierung und Digitalisierung (im Jahre 2023 z. B. 306 tibetische Manuskripte), professioneller Austausch wird angestrebt.

Präventive Konservierung und digitale Langzeitverfügbarkeit: Das Sound Archive als Alleinstellungsmerkmal der British Library

Einen weiteren Schwerpunkt der Fortbildung bildete die Bestandserhaltung, deren primäres Ziel in der Überwindung des Spagats besteht, Zugang zu den Objekten zu gewähren, gleichzeitig jedoch deren dauerhaften Erhalt zu sichern. Bei der Konservierung steht an der British Library als zentrales Prinzip ein minimal-invasives Eingreifen im Vordergrund, das reversibel und zweckdienlich sein sollte und bei dem nur bereits geprüfte Materialien zur Instandsetzung verwendet werden. Für eine erfolgreiche, fristgerechte Umsetzung der Restaurierungsmaßnahmen ist eine klare jahrweise Kalkulation und eine abstufende Bewertung des Erhaltungszustandes üblich, die eine Priorisierung unter den Objekten ermöglicht. Die Konservierung erfolgt im Zuge von Ausstellungen oder zum Zwecke der Digitalisierung und ist über verschiedene Programme geregelt (Priority Repairs Programme, Mobile Conservation Programme, External Conservation Programme etc.). Für materialwissenschaftliche Analysen werden gleichfalls ausschließlich nicht-invasive Verfahren angewandt.[36]

Im Zuge der präventiven Konservierung unterscheidet die British Library zehn unterschiedliche Verschlechterungsfaktoren, die ein einzelnes Objekt, eine Sammlung, ein Magazin, Gebäude oder einen Standort betreffen können. Dazu gehören z. B. Faktoren wie Licht oder Strahlung, Feuer, Wasser, Vandalismus, Temperatur, Feuchtigkeit, Schädlingsbefall, physische Objektbeschädigung, Schadstoffbelastung oder sog. dissoziierende Ursachen, wenn es mit Schwierigkeiten verbunden ist, Objekte aufzufinden. Über diese zehn Faktoren erfolgt an der British Library eine Zuordnung in gewisse Konservierungsprogramme (z. B. ein rein überwachendes Monitoring, Integrated Pest Management etc.). Zudem wird für jeden Standort ein Plan mit entsprechenden Zonierungen entworfen, die sich je nach der dort üblichen Aktivität und dem für die Sammlungen bestehenden Risiko abstufen. Für die Objekte wird der für sie zutreffende Zustand klassifiziert (good condition, fair condition, poor condition und unfit, d. h. ungeeignet für die Benutzung).

Zu den besonders gefährdeten Materialien an der British Library gehörten über Jahre zahlreiche in sehr unterschiedlichen Formen vorliegende Tonträger: Das British Library Sound Archive beinhaltet in der National Sound Collection ca. 6,5 Millionen Aufnahmen (recordings), deren früheste, z. B. auf Wachszylindern, in etwa auf die Zeit um 1880 zurückgehen.[37] Von den Aufnahmen sind ungefähr 75 Prozent publiziert, 25 Prozent unpubliziert.

Die diversen Soundmedien haben zwei gemeinsame Grundprobleme, zum einen die physische Verschlechterung bzw. Abnutzung, zum anderen die technische Obsoleszenz, d. h. die zunehmende Schwierigkeit, die Tonträger abzuspielen, weil die entsprechenden Abspielgeräte nicht mehr zur Verfügung stehen. Eine 12-monatige Prüfung der Sammlung, die sich letztendlich als größer herausstellte, als von der British Library zunächst erwartet (British Library Collections Audit), ergab, dass über 40 Prozent der teils unbekannten Datenträger einem hohen Gefährdungsrisiko unterlagen (high to very high preservation risk). Es war klar, dass sich die Digitalisierung als ein Kampf gegen die Zeit erweisen würde: Mit den zunächst vorhandenen Ressourcen hätte diese mehr als 40 Jahre in Anspruch genommen, d. h. viele der Datenträger wären bis zum Zeitpunkt ihrer Digitalisierung vermutlich in so schlechtem Zustand gewesen, dass ihre Inhalte nicht mehr abspielbar gewesen wären.

Zu ihrer Rettung wurde im Jahre 2015 das auf achte Jahre angelegte Save Our Sounds Programme ins Leben gerufen, das das Ziel verfolgte, so viele der seltenen und einzigartigen Tonaufnahmen wie möglich zu bewahren und in digitale Formate zu überführen (24/96 WAV Masterdateien, 256kbps MPEG-4 für den Zugriff, METS für Strukturdaten, Katalogisierung in hausinternem MARC). Die Dateien werden zum Zwecke der Langzeitarchivierung und dauerhaften Verfügbarkeit heute je in drei Kopien vorgehalten, von denen sich zwei vor Ort und eine in der Cloud befinden. Im mit dem Programm einhergehenden Unlocking Our Sound Heritage-Projekt (UOSH)[38] haben 24 Mitarbeitende an der British Library, darunter Audioingenieure, Katalogisierende und Rechteklärende, und aus 3 Personen bestehende Teams an 10 Standorten im Vereinigten Königreich die Digitalisierung, Katalogisierung und die Copyright-Klärung von Aufnahmen der British Library und weiterer Einrichtungen vorgenommen. So konnte die einzigartige Sammlung, mit der die British Library im nationalen wie internationalen Vergleich ein Alleinstellungsmerkmal besitzt, für künftige Generationen gerettet werden: Unter den Aufnahmen finden sich Geräusche aus der Natur, der Tierwelt, überhaupt Umweltgeräusche, aber auch mündliche Überlieferung (oral histories), Musik- und Radioaufnahmen, Aufnahmen von Sprachen, von poetischen oder literarischen Darbietungen, Theateraufführungen, von Ritualen und Gebräuchen.

Das UK Web Archive (UKWA) als riesiger Datenspeicher für genuin digitales kulturelles Erbe

Mit einer Größe von heute fast 2 Petabytes und über 100 kuratierten Sammlungen ist das 2004 entstandene UK Web Archive ein beeindruckendes Beispiel für die dauerhafte Sicherung und Zugänglichkeit von Websites, überhaupt für die Präferenz digitalen Sammelns.[39] Webseiten unterliegen oftmals einem häufigen Veränderungsprozess bzw. verschwinden nach einer gewissen Zeitspanne wieder. Mit dem Grundsatz to collect, to preserve and to give access[40] versteht sich das UK Web Archive als gemeinschaftliche Kollaboration aller Bibliotheken in Großbritannien, an die die gesetzlich vorgesehene Pflichtabgabe zu erfolgen hat (Legal Deposit Libraries). Dazu gehören neben der British Library die Bodleian Libraries in Oxford, die Cambridge University Library, die National Library of Scotland, die National Library of Wales und das Trinity College in Dublin.

Zunächst wurden Webseiten, die in den Bereich der Non-Print Legal Deposit Regulations von 2013 fallen, identifiziert: Alle Webseiten, deren Domainname auf „.uk“ endet, werden automatisch abgegriffen, darüber hinaus können weitere Webseiten kostenfrei von interessierten Personen zugemeldet werden. Mittels des Heritrix Web Crawlers wird ein jährlicher Abzug der Domain erstellt, wobei bestimmte Webseiten deutlich häufiger archiviert werden. Mit der Prozessierung der Web Archiv Dateien (WARC) werden die Webseiten indexiert und erhalten ein normiertes Vokabular (data dictionary), das mit jedem Datensatz und Datenblatt (datasheet) veröffentlicht wird, um Rechercheoptionen und Auffindbarkeit zu verbessern.[41] Eine spezielle Abspielsoftware ermöglicht es den Nutzenden, die archivierten Webseiten in einem emulierenden Browser anzusehen, der das reale Web imitiert.

Inspiration und Perspektivenwechsel: Die British Library als Thinktank

Unter dem Titel „Sounds and Mindfulness“ hat die British Library eine Broschüre veröffentlicht, über die mittels QR-Code drei Playlists mit Aufnahmen aus dem eigenen Sound Archive abrufbar sind. Diese sollen helfen, das eigene Wohlbefinden zu fördern und Momente der Achtsamkeit zu finden: Being mindful means paying more attention to the present moment – to your own thoughts and feelings, and to the world around you.[42] Hier wird gewissermaßen ausgedrückt, wie auch ich die British Library und das Programm wahrgenommen habe. Die spannenden Einblicke und die geweitete Sichtweise bestärken darin, sich als aktiv Gestaltenden einer im Wandel befindlichen Bibliothekswelt zu begreifen und mit neuem Schwung den eigenen Bibliotheksalltag zu bewältigen.

Der sehr schöne fachliche Ausflug und die vertieften Einblicke in eine (weitere) der ganz großen und bedeutsamen Bibliotheken der Welt hat gezeigt: Vieles ist ähnlich, manches aber anders.[43] Gerade das fortwährend so deutlich betonte und spürbare Wertebewusstsein der British Library, der starke Fokus auf Diversität, Inklusion, internationaler Kollaboration und Nachhaltigkeit, bleibt mir prägend in Erinnerung. Auch gibt sich die Bibliothek durchweg sehr jung, neudeutsch würde man wohl sagen: irgendwie „fancy“. Dem tut es keinen Abbruch, dass sie gerade auch vor dem Hintergrund ihrer Entstehung aus dem British Museum heraus als kulturelle Hüterin des Erbes des Commonwealth einen sehr vielfältigen, oft weit zurückreichenden Bestandsschatz verwaltet.[44] In dem Bestreben, offen zu sein – und das schließt die Vergangenheitsaufarbeitung durch eine inklusive, transparent reflektierende Beschreibungspraxis in den Metadaten[45] genauso mit ein wie LibraryOn als Plattform, mit der Sichtbarkeit und Zugang öffentlicher Bibliotheken in Großbritannien gestärkt werden soll[46] – agiert sie spürbar als Public Library. Ihr Bestand, ihre Mitarbeitenden, ihre Projekte werden dabei so nah greifbar, dass sie ihr strategisch gesetztes Ziel wahrhaft erfüllt, am Ende Eines zu sein: Truly open for everyone.

Über den Autor / die Autorin

Dr. Matthias Reif

Dr. Matthias Reif

Online erschienen: 2025-01-30
Erschienen im Druck: 2025-01-29

© 2025 bei den Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

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  8. Tagungsberichte
  9. Szientometrie im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz: Die European Summer School for Scientometrics (esss)
  10. Von Visionen, Strategien und bibliothekarischer Führungsverantwortung: Das International Library Leaders Programme an der British Library
  11. 2nd EPICo Conference „Importance of Print in a Digital World“ (Barcelona, 2024): Nichts ist so beständig wie der Wandel (Heraklit von Ephesus)
  12. Nachrichten
  13. Nachrichten
  14. Produktinformationen
  15. Produktinformationen
  16. ABI Technik-Frage
  17. Wie wirken sich bibliothekarische Arbeiten im Wikiversum auf die Nutzung des eigenen Bestandes aus?
  18. Rezensionen
  19. Gasser, Sonja: Digitale Sammlungen. Anforderungen an das digitalisierte Kulturerbe (Edition Museum, Bd. 81). Hrsg. von der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG). Bielefeld: transcript Verlag 2024. 164 S. – PDF (CC-by-Lizenz) e-ISBN: 978-3-8394-7021-3. ISBN: 978-3-8376-7021-9 (print). € 29,00
  20. Akademisches Lesen: Medien, Praktiken, Bibliotheken. Hrsg. von Alker-Windbichler, Stefan, Axel Kuhn, Benedikt Lodes, Günther Stocker. Göttingen: V & R unipress, 2022. (Bibliothek im Kontext; 5). 370 S., Ill. – E-Book (Open Access) e-ISBN: 978-3-7370-1397-0; ISBN: 978-3-8471-1397-3 (Festeinband) € 55,00
  21. Veranstaltungskalender
  22. Veranstaltungskalender
Downloaded on 25.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/abitech-2025-0007/html
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