Der vergessene Trost. Über die halbierte Anthropologie der Sterbehilfe
-
Jean-Pierre Wils
Zusammenfassung
Der Autonome-Gedanke bildet das Zentrum der kontemporären Ethik der Sterbehilfe. Die Prozesse, die zu ihrer erforderlichen Liberalisierung geführt haben, waren Autonomie-geprägt. In diesem Zusammenhang ist ein Paradigma entstanden, das zur Eigenverantwortung und zur Selbstgestaltung der letzten Lebensphase auffordert. Dem Unverfügbaren sollte möglichst wenig Raum und Zeit gelassen werden. Zur Aktivität angesichts des Todes aufgerufen ist ein forderndes Modell entstanden, das seinerseits Zwang auszuüben beginnt. Die Kehrseite des dominanten Autonomie-Leitbildes ist ein Gefühl der Ohnmacht, als gäbe es zu ihm keine sinnvolle Alternative. Es wurde eine neue Ontologie des Subjekts geschaffen, eine halbierte Anthropologie, die die Anerkennung von Grenzen, das Abwarten, das Nicht-Entscheiden-Müssen, die Ergebung, das Hoffen auf Barmherzigkeit, Mitgefühl und Trost vergessen lässt. Ohne deren Berücksichtigung droht der Diskurs über die Sterbehilfe zu verarmen. Eine phänomenologische Analyse der Barmherzigkeit, des Mitgefühls und des Trostes vermag aufzuzeigen, dass ein reichhaltigeres Sprachrepertoire in der Debatte über die Sterbehilfe erforderlich ist.
Zusammenfassung
Der Autonome-Gedanke bildet das Zentrum der kontemporären Ethik der Sterbehilfe. Die Prozesse, die zu ihrer erforderlichen Liberalisierung geführt haben, waren Autonomie-geprägt. In diesem Zusammenhang ist ein Paradigma entstanden, das zur Eigenverantwortung und zur Selbstgestaltung der letzten Lebensphase auffordert. Dem Unverfügbaren sollte möglichst wenig Raum und Zeit gelassen werden. Zur Aktivität angesichts des Todes aufgerufen ist ein forderndes Modell entstanden, das seinerseits Zwang auszuüben beginnt. Die Kehrseite des dominanten Autonomie-Leitbildes ist ein Gefühl der Ohnmacht, als gäbe es zu ihm keine sinnvolle Alternative. Es wurde eine neue Ontologie des Subjekts geschaffen, eine halbierte Anthropologie, die die Anerkennung von Grenzen, das Abwarten, das Nicht-Entscheiden-Müssen, die Ergebung, das Hoffen auf Barmherzigkeit, Mitgefühl und Trost vergessen lässt. Ohne deren Berücksichtigung droht der Diskurs über die Sterbehilfe zu verarmen. Eine phänomenologische Analyse der Barmherzigkeit, des Mitgefühls und des Trostes vermag aufzuzeigen, dass ein reichhaltigeres Sprachrepertoire in der Debatte über die Sterbehilfe erforderlich ist.
Chapters in this book
- Frontmatter I
- Inhalt V
- Einleitung: Gelingende Sterbehilfe? 1
-
Ein resonanzphilosophischer Anfang
- Kann Suizidassistenz ein Sterben in Selbstachtung unterstützen? Plädoyer für eine Resonanzethik des Sterbens in Achtung vor sich selbst und den anderen 15
-
Teil I: Schwerpunkt Anthropologie: Menschliches Sterben als Beziehungsgeschehen
- Altersmedizin und Sterbebegleitung 45
- Begleiten und Loslassen, Sterben und Miteinandersterben – fiktional und autofiktional 67
- Der vergessene Trost. Über die halbierte Anthropologie der Sterbehilfe 87
- Die Zeit des Sterbens 103
-
Teil II: Schwerpunkt Sterbensethik: Was sind Formen einer gelingenden bzw. misslingenden Sterbebegleitung?
- Denkperspektiven über die Begleitung eines alten Sterbenden 129
- Die Verletzlichkeit des Sterbenden und ihre Aufforderung zur Sorge 143
- Sterbebegleitung in der medizinischen Praxis 151
- „…jede Hilfe zu spät…“ 161
-
Teil III: Schwerpunkt Suizidethik: Was sind Formen einer gelingenden bzw. misslingenden Begleitung von Menschen mit Suizidwunsch und ihrer Angehörigen?
- Assistierter Suizid: Die Bedeutung der psychiatrischen Perspektive und von Suizidprävention 181
- Andere im Ich – Psychoanalytische Reflexionen suizidaler Subjektivierungen als möglicher Beitrag der Sorge um einen freien Willen zu sterben 201
- Praxis klinischer Seelsorge bei Todeswünschen – eine besondere Herausforderung im psychiatrischen Kontext 221
- Trauer und psychische Belastungen nach einem assistierten Suizid 233
- Suizid und assistierter Suizid – ein Blick auf die Angehörigen und Zugehörigen 241
-
Teil IV: Schwerpunkt Sozialtheorie: Gesellschaftliche und rechtliche Kontexte der Suizidassistenz
- Unterschiedliche Ansätze für das gleiche Ziel: Analyse der Entwürfe für ein Gesetz über die Sterbehilfe in Deutschland und in Frankreich 263
- Solidarität statt Suizid. Sind wir auf dem Weg in eine Technokratie des Sterbens? 279
-
Teil V: Ein trialogischer Schluss
- Suizidalität, Suizidprävention und Trialog: Impulse verschiedener Traditionsstränge für die multidisziplinäre Praxis 293
- Autorenverzeichnis 305
Chapters in this book
- Frontmatter I
- Inhalt V
- Einleitung: Gelingende Sterbehilfe? 1
-
Ein resonanzphilosophischer Anfang
- Kann Suizidassistenz ein Sterben in Selbstachtung unterstützen? Plädoyer für eine Resonanzethik des Sterbens in Achtung vor sich selbst und den anderen 15
-
Teil I: Schwerpunkt Anthropologie: Menschliches Sterben als Beziehungsgeschehen
- Altersmedizin und Sterbebegleitung 45
- Begleiten und Loslassen, Sterben und Miteinandersterben – fiktional und autofiktional 67
- Der vergessene Trost. Über die halbierte Anthropologie der Sterbehilfe 87
- Die Zeit des Sterbens 103
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Teil II: Schwerpunkt Sterbensethik: Was sind Formen einer gelingenden bzw. misslingenden Sterbebegleitung?
- Denkperspektiven über die Begleitung eines alten Sterbenden 129
- Die Verletzlichkeit des Sterbenden und ihre Aufforderung zur Sorge 143
- Sterbebegleitung in der medizinischen Praxis 151
- „…jede Hilfe zu spät…“ 161
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Teil III: Schwerpunkt Suizidethik: Was sind Formen einer gelingenden bzw. misslingenden Begleitung von Menschen mit Suizidwunsch und ihrer Angehörigen?
- Assistierter Suizid: Die Bedeutung der psychiatrischen Perspektive und von Suizidprävention 181
- Andere im Ich – Psychoanalytische Reflexionen suizidaler Subjektivierungen als möglicher Beitrag der Sorge um einen freien Willen zu sterben 201
- Praxis klinischer Seelsorge bei Todeswünschen – eine besondere Herausforderung im psychiatrischen Kontext 221
- Trauer und psychische Belastungen nach einem assistierten Suizid 233
- Suizid und assistierter Suizid – ein Blick auf die Angehörigen und Zugehörigen 241
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Teil IV: Schwerpunkt Sozialtheorie: Gesellschaftliche und rechtliche Kontexte der Suizidassistenz
- Unterschiedliche Ansätze für das gleiche Ziel: Analyse der Entwürfe für ein Gesetz über die Sterbehilfe in Deutschland und in Frankreich 263
- Solidarität statt Suizid. Sind wir auf dem Weg in eine Technokratie des Sterbens? 279
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Teil V: Ein trialogischer Schluss
- Suizidalität, Suizidprävention und Trialog: Impulse verschiedener Traditionsstränge für die multidisziplinäre Praxis 293
- Autorenverzeichnis 305