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Zur Übersetzung, Neuübersetzung und Rezeption von Robert Musils Werken in der Türkei aus interkultureller Perspektive

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Band 37 2021/2022
Ein Kapitel aus dem Buch Band 37 2021/2022
Cüneyt ArslanZur Übersetzung, Neuübersetzung und Rezeptionvon Robert Musils Werken in der Türkeiaus interkultureller PerspektiveAusgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die Beobachtung, dass MusilsWerk in der Türkei weder durch Neuauflagen noch durch neue Übersetzun-gen eine seiner Komplexität und ästhetischen Vielschichtigkeit entsprechendeBehandlung erfahren hat. Es stellt sich insbesondere die Frage, warum geradeMusils HauptwerkDer Mann ohne Eigenschaftenseit seiner Publikation intürkischer Sprache im Jahr 1999 trotz einer bis dato relativ hohen Anzahl vonNeuauflagen und einer 2018 erschienenen Neuübersetzung auf intellektuellerund wissenschaftlicher Ebene kaum auf Resonanz gestoßen ist. Das mag inerster Linie an der Komplexität des Romans liegen. Durch den Transfer ineine Fremdsprache und in einen anderen kulturellen Kontext wird die Rezep-tion noch erschwert. Zudem mögen auch die neuen digitalen Medien dazuführen, dass Fähigkeit und Bereitschaft abnehmen, sich mit längeren Textenauseinanderzusetzen. Neben Musils akribischer Formulierungskunst stelltdie äußerst reflektierte Verarbeitung moderner Wissensbestände eine gewal-tige Herausforderung für die Leserschaft dar, denn den Stoff (im literaturwis-senschaftlichen Sinn) dieses Romans bildet auch die Wissenschaftsgeschichte.Die Art und Weise, wie Musil verschiedene Wissenschaften wie Physik, Ma-thematik, Wahrscheinlichkeitstheorie, Psychologie der Wahrscheinlichkeiten,Wissenschaftsphilosophie, Zeitgeschichte, Sprachphilosophie etc. verarbeitet,verlangt den Rezipienten einiges ab. Ist man mit diesen Wissensbeständennicht vertraut, so erschwert dies die Lektüre des Romans erheblich. Dazukommt aber noch ein weiteres Moment: Aus interkultureller Perspektivekann – darauf werde ich weiter unten näher eingehen – hinzugefügt werden,dass der Inhalt des Romans und sämtliche dieser Wissensfelder westlich ori-entiert sind, weshalb ein türkisches Lesepublikum sich in einer doppeltenDistanz – sprachlich und kulturell – zum Roman befindet.In diesem Beitrag werde ich zunächst einen Überblick von der erstenÜbersetzung Musils ins Türkische im Jahre 1972, die demTörleßgalt, bis hinzur Neuübersetzung desMann ohne Eigenschaftenim Jahre 2018 geben.1Ineinem weiteren Schritt werde ich mich mit den spezifischen Problemen derRezeption Musils in der Türkei befassen. Schließlich werde ich am Beispiel1Die Übersetzungen von Musils Werken ins Türkische habe ich in den beiden folgenden Auf-sätzen unter anderem Blickwinkel behandelt: Cüneyt Arslan: Ein Blick auf die Übersetzung
© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Cüneyt ArslanZur Übersetzung, Neuübersetzung und Rezeptionvon Robert Musils Werken in der Türkeiaus interkultureller PerspektiveAusgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die Beobachtung, dass MusilsWerk in der Türkei weder durch Neuauflagen noch durch neue Übersetzun-gen eine seiner Komplexität und ästhetischen Vielschichtigkeit entsprechendeBehandlung erfahren hat. Es stellt sich insbesondere die Frage, warum geradeMusils HauptwerkDer Mann ohne Eigenschaftenseit seiner Publikation intürkischer Sprache im Jahr 1999 trotz einer bis dato relativ hohen Anzahl vonNeuauflagen und einer 2018 erschienenen Neuübersetzung auf intellektuellerund wissenschaftlicher Ebene kaum auf Resonanz gestoßen ist. Das mag inerster Linie an der Komplexität des Romans liegen. Durch den Transfer ineine Fremdsprache und in einen anderen kulturellen Kontext wird die Rezep-tion noch erschwert. Zudem mögen auch die neuen digitalen Medien dazuführen, dass Fähigkeit und Bereitschaft abnehmen, sich mit längeren Textenauseinanderzusetzen. Neben Musils akribischer Formulierungskunst stelltdie äußerst reflektierte Verarbeitung moderner Wissensbestände eine gewal-tige Herausforderung für die Leserschaft dar, denn den Stoff (im literaturwis-senschaftlichen Sinn) dieses Romans bildet auch die Wissenschaftsgeschichte.Die Art und Weise, wie Musil verschiedene Wissenschaften wie Physik, Ma-thematik, Wahrscheinlichkeitstheorie, Psychologie der Wahrscheinlichkeiten,Wissenschaftsphilosophie, Zeitgeschichte, Sprachphilosophie etc. verarbeitet,verlangt den Rezipienten einiges ab. Ist man mit diesen Wissensbeständennicht vertraut, so erschwert dies die Lektüre des Romans erheblich. Dazukommt aber noch ein weiteres Moment: Aus interkultureller Perspektivekann – darauf werde ich weiter unten näher eingehen – hinzugefügt werden,dass der Inhalt des Romans und sämtliche dieser Wissensfelder westlich ori-entiert sind, weshalb ein türkisches Lesepublikum sich in einer doppeltenDistanz – sprachlich und kulturell – zum Roman befindet.In diesem Beitrag werde ich zunächst einen Überblick von der erstenÜbersetzung Musils ins Türkische im Jahre 1972, die demTörleßgalt, bis hinzur Neuübersetzung desMann ohne Eigenschaftenim Jahre 2018 geben.1Ineinem weiteren Schritt werde ich mich mit den spezifischen Problemen derRezeption Musils in der Türkei befassen. Schließlich werde ich am Beispiel1Die Übersetzungen von Musils Werken ins Türkische habe ich in den beiden folgenden Auf-sätzen unter anderem Blickwinkel behandelt: Cüneyt Arslan: Ein Blick auf die Übersetzung
© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Kapitel in diesem Buch

  1. Frontmatter I
  2. Inhalt V
  3. Themenschwerpunkt: »Musil übersetzen«
  4. Einleitung 1
  5. »Ähnlichkeit«: Das übersetzerische Potential von Musils Gleichnispoetik 9
  6. Übersetzen als Verstehen und Deuten im Zeichen von Zweisprachigkeit 26
  7. Unterwegs mit dem Fliegenpapier: Robert Musil in Frankreich 45
  8. Der Mann ohne Eigenschaften in italienischer Übersetzung 85
  9. Die unscheinbarsten Dinge sind nicht »Les plus insignifiantes« 121
  10. Fruchtbare Irrtümer der Musil-Übersetzung ins Portugiesische 151
  11. Aus der Übersetzungswerkstatt
  12. Robert Musil in Korea 181
  13. Robert Musil in Armenien 190
  14. Musil übersetzen – aber wie? 197
  15. Zur Übersetzung, Neuübersetzung und Rezeption von Robert Musils Werken in der Türkei aus interkultureller Perspektive 203
  16. Zur Musil-Rezeption in der arabischen Welt 212
  17. Robert Musil in Albanien 221
  18. Robert Musils Mann ohne Eigenschaften und seine Sonderstellung in der kroatischen Kultur 227
  19. Zur Neuübersetzung des Törleß ins Tschechische 234
  20. Im Zeichen von Essayismus und Ironie 242
  21. Robert Musil im 21. Jahrhundert in den USA übersetzen 248
  22. Abhandlungen
  23. »Moosbrugger war einer jener Grenzfälle« 262
  24. »Er ist naiv wie ein heiterer Mönch« 287
  25. Miszellen
  26. Prousts Titel 308
  27. Robert Musils Entlassungsschein aus der k. k. Landwehr 316
  28. Internationale Robert-Musil-Gesellschaft
  29. Nachruf auf Burton Pike (1930–2022) 320
  30. Karl Corino zum 80. Geburtstag 324
  31. Rezensionen 326
  32. Anschriften der Beiträgerinnen und Beiträger 413
  33. Siglen 418
  34. Redaktioneller Hinweis 420
  35. Register 421
Heruntergeladen am 21.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110775891-011/html?lang=de&srsltid=AfmBOorJhef2aD_zvvmj4tdoBKYcgqDQ9j0EmZrkBG-4HdxhA7L6qygg
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