25. Multilingualität in der supranationalen Judikative und Rechtspraxis
-
Isabel Schübel-Pfister
Abstract
Das Sprachenrecht der Europäischen Union basiert auf der Anerkennung der Amtssprachen aller Mitgliedstaaten als gleichberechtigte Vertrags-, Amts- und Arbeitssprachen auf Unionsebene. Das Unionsrecht ist mehrsprachig und in allen Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich. In der Praxis der Unionsorgane wird die Gleichrangigkeit der Arbeitssprachen vielfach zugunsten der Konzentration auf einzelne Verkehrssprachen durchbrochen. Alleinige interne Arbeitssprache des Europäischen Gerichtshofs ist das Französische, während seine Urteile nur in der jeweiligen Verfahrenssprache verbindlich sind. Dieses Spannungsverhältnis begünstigt die Entstehung von Divergenzen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen eines Urteils. Bei den EU-Normtexten kann es zu Sprachdivergenzen in Form von Begriffsoder Bedeutungsdivergenzen kommen, die der Gerichtshof im Wege sprachvergleichender Wortlautauslegung und anhand anderer Interpretationsmethoden auflöst. Diese Vorgehensweise trägt dem Vertrauen der Unionsbürger in ihre eigene Sprachfassung nicht immer Rechnung. Auch die mitgliedstaatliche Judikative und Rechtspraxis ist mit der Multilingualität der Europäischen Union als Bestandteil ihrer reichen kulturellen Vielfalt und der Verfassungsidentität ihrer Mitgliedstaaten befasst.
Abstract
Das Sprachenrecht der Europäischen Union basiert auf der Anerkennung der Amtssprachen aller Mitgliedstaaten als gleichberechtigte Vertrags-, Amts- und Arbeitssprachen auf Unionsebene. Das Unionsrecht ist mehrsprachig und in allen Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich. In der Praxis der Unionsorgane wird die Gleichrangigkeit der Arbeitssprachen vielfach zugunsten der Konzentration auf einzelne Verkehrssprachen durchbrochen. Alleinige interne Arbeitssprache des Europäischen Gerichtshofs ist das Französische, während seine Urteile nur in der jeweiligen Verfahrenssprache verbindlich sind. Dieses Spannungsverhältnis begünstigt die Entstehung von Divergenzen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen eines Urteils. Bei den EU-Normtexten kann es zu Sprachdivergenzen in Form von Begriffsoder Bedeutungsdivergenzen kommen, die der Gerichtshof im Wege sprachvergleichender Wortlautauslegung und anhand anderer Interpretationsmethoden auflöst. Diese Vorgehensweise trägt dem Vertrauen der Unionsbürger in ihre eigene Sprachfassung nicht immer Rechnung. Auch die mitgliedstaatliche Judikative und Rechtspraxis ist mit der Multilingualität der Europäischen Union als Bestandteil ihrer reichen kulturellen Vielfalt und der Verfassungsidentität ihrer Mitgliedstaaten befasst.
Kapitel in diesem Buch
- Frontmatter I
- Inhaltsverzeichnis V
- Einleitung IX
-
I. Sprachlichkeit des Rechts/Fachkommunikation im Rech
- 1. Semiotik im Recht 3
- 2. Semantik des Rechts: Bedeutungstheorien und deren Relevanz für Rechtstheorie und Rechtspraxis 22
- 3. Pragmatik des Rechts: Rechtshandeln mit und in Sprache 45
- 4. Mündlichkeit im Recht: Kommunikationsformen/ Gesprächsarten 67
- 5. Schriftlichkeit im Recht: Kommunikationsformen/ Textsorten 91
- 6. Fachkommunikation und fachexterne Kommunikation 118
-
II. Sprachkonzepte im Recht
- 7. Sprachwissenschaftliche Aspekte rechtstheoretischer Ansätze im Überblick 141
- 8. Sprache und Sprachwissenschaft in der juristischen Ausbildung 155
- 9. Strukturierende Rechtslehre als juristische Sprachtheorie 175
- 10. Die Wortlautgrenze 187
-
III. Untersuchungsfelder und Zugänge der Rechtslinguistik
- 11. Rechtslinguistik: Bestimmung einer Fachrichtung 209
- 12. Diskurs- und textlinguistische Ansätze im Recht 233
- 13. Gesprächslinguistik 251
- 14. Forensische Linguistik 271
- 15. Kommentare, einsprachige Wörterbücher und Lexika des Rechts 291
- 16. Übersetzen und Dolmetschen im Recht 310
- 17. Rechtsverständlichkeit in der Sprachkritik der Öffentlichkeit 329
-
IV. Rechtssprache und Normsetzung
- 18. Sprache im Gesetzgebungsverfahren und der Normgenese 349
- 19. Mehrsprachige Rechtsetzung 367
- 20. Verständlichkeit von Gesetzestexten und ihre Optimierung in der Praxis 391
-
V. Rechtssprache und Verwaltung
- 21. Verwaltungssprache und Staat-Bürger- Interaktion 425
- 22. Verständlichkeit der Verwaltungssprache 442
-
VI. Rechtssprache und Justiz
- 23. Rezeption von Gerichtsentscheidungen in der Öffentlichkeit durch Medien 465
- 24. Multilingualität im europäischen Rechtsdiskurs 486
- 25. Multilingualität in der supranationalen Judikative und Rechtspraxis 506
-
VII. Sprachgebrauch im Kontext des Tathergangs
- 26. Verbotene Sprache 527
- 27. Texte als Straftat und im Straftatkontext 547
- Sachregister 567
Kapitel in diesem Buch
- Frontmatter I
- Inhaltsverzeichnis V
- Einleitung IX
-
I. Sprachlichkeit des Rechts/Fachkommunikation im Rech
- 1. Semiotik im Recht 3
- 2. Semantik des Rechts: Bedeutungstheorien und deren Relevanz für Rechtstheorie und Rechtspraxis 22
- 3. Pragmatik des Rechts: Rechtshandeln mit und in Sprache 45
- 4. Mündlichkeit im Recht: Kommunikationsformen/ Gesprächsarten 67
- 5. Schriftlichkeit im Recht: Kommunikationsformen/ Textsorten 91
- 6. Fachkommunikation und fachexterne Kommunikation 118
-
II. Sprachkonzepte im Recht
- 7. Sprachwissenschaftliche Aspekte rechtstheoretischer Ansätze im Überblick 141
- 8. Sprache und Sprachwissenschaft in der juristischen Ausbildung 155
- 9. Strukturierende Rechtslehre als juristische Sprachtheorie 175
- 10. Die Wortlautgrenze 187
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III. Untersuchungsfelder und Zugänge der Rechtslinguistik
- 11. Rechtslinguistik: Bestimmung einer Fachrichtung 209
- 12. Diskurs- und textlinguistische Ansätze im Recht 233
- 13. Gesprächslinguistik 251
- 14. Forensische Linguistik 271
- 15. Kommentare, einsprachige Wörterbücher und Lexika des Rechts 291
- 16. Übersetzen und Dolmetschen im Recht 310
- 17. Rechtsverständlichkeit in der Sprachkritik der Öffentlichkeit 329
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IV. Rechtssprache und Normsetzung
- 18. Sprache im Gesetzgebungsverfahren und der Normgenese 349
- 19. Mehrsprachige Rechtsetzung 367
- 20. Verständlichkeit von Gesetzestexten und ihre Optimierung in der Praxis 391
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V. Rechtssprache und Verwaltung
- 21. Verwaltungssprache und Staat-Bürger- Interaktion 425
- 22. Verständlichkeit der Verwaltungssprache 442
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VI. Rechtssprache und Justiz
- 23. Rezeption von Gerichtsentscheidungen in der Öffentlichkeit durch Medien 465
- 24. Multilingualität im europäischen Rechtsdiskurs 486
- 25. Multilingualität in der supranationalen Judikative und Rechtspraxis 506
-
VII. Sprachgebrauch im Kontext des Tathergangs
- 26. Verbotene Sprache 527
- 27. Texte als Straftat und im Straftatkontext 547
- Sachregister 567