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10. Die Wortlautgrenze

  • Ralph Christensen
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Handbuch Sprache im Recht
Ein Kapitel aus dem Buch Handbuch Sprache im Recht

Abstract

Am Anfang steht das Wort des Gesetzes. Aber das hilflose Wort wird von den Prozessparteien ergriffen und an ihr Interesse gebunden. So beginnt der Streit der Auslegungen. Damit dieser Streit am Gesetz endet, gibt es die Wortlautgrenze. Gemeint ist nicht die äußere Klanggestalt, sondern der Wortsinn (Larenz 1991, 322; Bydlinski 1991, 445; Schiffauer 1979, 71; Klatt 2004, 36). Nun könnte man sagen, eine Wortsinngrenze gibt es in der Sprache nicht, ihre einzige Grenze liegt in der Verständlichkeit. Aber damit wäre das Problem nicht erledigt. Es bleibt, vor allem im Streit, die Frage nach der Angemessenheit einer Interpretation.

Immer wenn ein Fall auf die Entscheidung zuläuft, muss das Gesetz behaupten, schon da zu sein. Man beansprucht mit dem Urteil, zum ersten Mal das auszusprechen, was im Gesetz für diesen neuen Fall schon immer gedacht war. Die Kommentierung (Foucault 1977, 18) will den Wildwuchs des Diskurses beschneiden und beansprucht die Figur des Rückfalls in den Grund (Metalepse, Jäger 2009, 294 ff.). Aber handelt es sich bei dem Igel, der am Ende der Ackerfurche steht, wirklich um denselben, der auch am Anfang stand? Ist die Metalepse also eine Rückkehr in den Ursprung oder die Erinnerung an einen Verlust? Kann das Gesetz in seine sprachliche Heimat zurückkehren, oder kann es nur versuchen, in der Wanderung durch wechselnde Kontexte eine Kontinuität zu finden?

Abstract

Am Anfang steht das Wort des Gesetzes. Aber das hilflose Wort wird von den Prozessparteien ergriffen und an ihr Interesse gebunden. So beginnt der Streit der Auslegungen. Damit dieser Streit am Gesetz endet, gibt es die Wortlautgrenze. Gemeint ist nicht die äußere Klanggestalt, sondern der Wortsinn (Larenz 1991, 322; Bydlinski 1991, 445; Schiffauer 1979, 71; Klatt 2004, 36). Nun könnte man sagen, eine Wortsinngrenze gibt es in der Sprache nicht, ihre einzige Grenze liegt in der Verständlichkeit. Aber damit wäre das Problem nicht erledigt. Es bleibt, vor allem im Streit, die Frage nach der Angemessenheit einer Interpretation.

Immer wenn ein Fall auf die Entscheidung zuläuft, muss das Gesetz behaupten, schon da zu sein. Man beansprucht mit dem Urteil, zum ersten Mal das auszusprechen, was im Gesetz für diesen neuen Fall schon immer gedacht war. Die Kommentierung (Foucault 1977, 18) will den Wildwuchs des Diskurses beschneiden und beansprucht die Figur des Rückfalls in den Grund (Metalepse, Jäger 2009, 294 ff.). Aber handelt es sich bei dem Igel, der am Ende der Ackerfurche steht, wirklich um denselben, der auch am Anfang stand? Ist die Metalepse also eine Rückkehr in den Ursprung oder die Erinnerung an einen Verlust? Kann das Gesetz in seine sprachliche Heimat zurückkehren, oder kann es nur versuchen, in der Wanderung durch wechselnde Kontexte eine Kontinuität zu finden?

Kapitel in diesem Buch

  1. Frontmatter I
  2. Inhaltsverzeichnis V
  3. Einleitung IX
  4. I. Sprachlichkeit des Rechts/Fachkommunikation im Rech
  5. 1. Semiotik im Recht 3
  6. 2. Semantik des Rechts: Bedeutungstheorien und deren Relevanz für Rechtstheorie und Rechtspraxis 22
  7. 3. Pragmatik des Rechts: Rechtshandeln mit und in Sprache 45
  8. 4. Mündlichkeit im Recht: Kommunikationsformen/ Gesprächsarten 67
  9. 5. Schriftlichkeit im Recht: Kommunikationsformen/ Textsorten 91
  10. 6. Fachkommunikation und fachexterne Kommunikation 118
  11. II. Sprachkonzepte im Recht
  12. 7. Sprachwissenschaftliche Aspekte rechtstheoretischer Ansätze im Überblick 141
  13. 8. Sprache und Sprachwissenschaft in der juristischen Ausbildung 155
  14. 9. Strukturierende Rechtslehre als juristische Sprachtheorie 175
  15. 10. Die Wortlautgrenze 187
  16. III. Untersuchungsfelder und Zugänge der Rechtslinguistik
  17. 11. Rechtslinguistik: Bestimmung einer Fachrichtung 209
  18. 12. Diskurs- und textlinguistische Ansätze im Recht 233
  19. 13. Gesprächslinguistik 251
  20. 14. Forensische Linguistik 271
  21. 15. Kommentare, einsprachige Wörterbücher und Lexika des Rechts 291
  22. 16. Übersetzen und Dolmetschen im Recht 310
  23. 17. Rechtsverständlichkeit in der Sprachkritik der Öffentlichkeit 329
  24. IV. Rechtssprache und Normsetzung
  25. 18. Sprache im Gesetzgebungsverfahren und der Normgenese 349
  26. 19. Mehrsprachige Rechtsetzung 367
  27. 20. Verständlichkeit von Gesetzestexten und ihre Optimierung in der Praxis 391
  28. V. Rechtssprache und Verwaltung
  29. 21. Verwaltungssprache und Staat-Bürger- Interaktion 425
  30. 22. Verständlichkeit der Verwaltungssprache 442
  31. VI. Rechtssprache und Justiz
  32. 23. Rezeption von Gerichtsentscheidungen in der Öffentlichkeit durch Medien 465
  33. 24. Multilingualität im europäischen Rechtsdiskurs 486
  34. 25. Multilingualität in der supranationalen Judikative und Rechtspraxis 506
  35. VII. Sprachgebrauch im Kontext des Tathergangs
  36. 26. Verbotene Sprache 527
  37. 27. Texte als Straftat und im Straftatkontext 547
  38. Sachregister 567
Heruntergeladen am 1.10.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110296198-010/html
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