Krisenbewältigung durch Gesellschaftsrecht - Verlust des halben Kapitals, Pflicht zu ordnungsgemäßer Liquidation und Unterkapitalisierung
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Rüdiger Veil
Abstract
I. Einführung
Die jüngsten Statistiken über Unternehmensinsolvenzen vermitteln ein betrüblich stimmendes Bild. Es ist immer noch an der Tagesordnung, dass Insolvenzverfahren entweder mangels Masse abgelehnt werden oder zu geringfügigen Insolvenzquoten von durchschnittlich 10 % der Forderungen führen. Schon diese Skizze der Realitäten verdeutlicht, dass die Interessen der Gläubiger effizienter geschützt werden müssen. Dabei gerät zunehmend das im Vorfeld der Insolvenz anzutreffende Schutzsystem in das Blickfeld. In dessen Zentrum steht die Pflicht des Geschäftsführers, bei Verlust des halben Kapitals die Gesellschafterversammlung einzuberufen (§ 49 Abs. 3 GmbHG). Diese Pflicht spielt in der Rechtspraxis keine nennenswerte Rolle, obwohl das Unterlassen der Verlustanzeige mit einer Strafsanktion versehen ist (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG). Die Gründe hierfür sind vielfältig. Entscheidend dürfte sein, dass der Pflicht zur Einberufung keine gläubigerschützende Funktion zukommt. Sie soll lediglich gewährleisten, dass die Gesellschafter über die Insolvenzgefahr informiert werden. In der Konsequenz dieses Regelungsansatzes liegt es, dass die Gesellschafter zu Kapitalmaßnahmen oder anderen sanierenden Maßnahmen nicht verpflichtet sind. Unternehmen sie nichts, hat der Geschäftsführer das Gesellschaftsunternehmen solange fortzuführen, bis es insolvenzreif ist. Zum Marktaustritt ist er erst mit drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) berechtigt bzw. mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung verpflichtet (§ 64 Abs. 1 GmbHG). Schon dies zeigt, dass die Aufmerksamkeit der Kommunikation zwischen den gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Regeln gelten muss. Ferner ist es dringlich, missbräuchlichen Verhaltensweisen zu begegnen. Wird ein Unternehmen in der Krise fortgeführt, drohen opportunistische Zugriffe der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen. Auch besteht die Gefahr, dass die Geschäftsführer und Gesellschafter eine übermäßig risikoreiche Geschäftspolitik verfolgen; sie haben nach dem Verlust des eingesetzten Kapitals nichts mehr zu verlieren.
© Walter de Gruyter
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