Mit NAO, Dash & Co. die Welt der Roboter entdecken
Zusammenfassung
Die Stadtbücherei Frankfurt am Main beschreitet seit 2019 mit „Robotics – Stadtbücherei 4.0.“ neue Wege in ihrer Programmarbeit, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche. Mit einer vielfältigen Angebotspalette und verschiedenen Robotertypen bekommen alle Altersgruppen niedrigschwelligen Zugang zu Robotics und Coding. Die Angebote für Kinder und Jugendliche setzen mit Lernrobotern und einem offenen pädagogischen Konzept auf selbständiges, experimentelles und kollaboratives Lernen.
Abstract
The municipal library in Frankfurt am Main is breaking new ground with the project „Robotics – Stadtbücherei 4.0“ designed to train children and adults in programming computers. The low-threshold access facilitates the targeting of all age groups and uses different types of robots to address different levels of prior knowledge. Training robots and open forms of learning are the key to promoting independent, experimental and collaborative learning.
Die Stadtbücherei Frankfurt am Main bietet Kindern und Jugendlichen stadtweit einen nahen Zugang zu ihrem umfangreichen Medienangebot. 18 Öffentliche Bibliotheken, die Haltestellen der Fahrbibliothek und über 100 Schulbibliotheken sind über die gesamte Stadt verteilt. Die Ausleihe von Medien ist für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr kostenfrei; das umfangreiche analoge und digitale Veranstaltungsprogramm der Stadtbücherei ist für alle kostenfrei zugänglich.
Robotics und Coding sind Themen, die seit einiger Zeit das Angebot von Bibliotheken bereichern. Dabei geht es um einen Zugang zu Zukunftstechnologien für eine interessierte Stadtgesellschaft, um kostenfreie Teilhabe an relevanten Entwicklungen der Digitalisierung. Wo sonst kann man z. B. mit einem humanoiden Roboter wie dem NAO interagieren, einem Handhabungsroboterarm wie dem Dobot bei seinen Aktivitäten zuschauen oder verschiedene Lernrobotertypen selbst programmieren? Die Gelegenheiten sind nicht so zahlreich. Bibliotheken als bürgernahe und demokratische Institutionen bieten hier unkomplizierte und niedrigschwellige MINT-Kompetenzförderung für alle.
Die Stadtbücherei Frankfurt am Main startete 2019 mit ihrem großen Programm „Robotics – Stadtbücherei 4.0“ zunächst im Erwachsenenbereich mit einem humanoiden NAO-Roboter und zwei Dobot-Roboterarmen. In „Meet & Greet“-Veranstaltungen wurden die Roboter dem interessierten Publikum vorgestellt. Inzwischen sind viele weitere Veranstaltungsangebote hinzugekommen. Das zweite Segment des Roboticsprogramms richtet sich speziell an Kinder und Jugendliche. Es startete 2020 in den Öffentlichen Bibliotheken mit dem „Hands On! Robotics-Lab“ und „Coding mit Robotern“ sowie mit dem ausleihbaren Angebot „Robotics aus der Box“ der Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle für Schulen und Schulbibliotheken. Kinder und Jugendliche lernen in den Formaten vier verschiedene Lernrobotertypen kennen und werden spielerisch ans Programmieren herangeführt.
In Kooperation mit der Technischen Hochschule Wildau konnte 2021 ein besonderes Vorleseprojekt mit dem NAO verwirklicht werden. Bei „Roboter hört mit! – LautLesen 4.0“ lesen Kinder dem humanoiden Roboter Geschichten vor und beantworten von ihm gestellte Quizfragen – eine ungewöhnliche Kombination von Lesetraining und Robotics.
„Hands On! Robotics-Lab“ und „Coding mit Robotern“
Im Roboticsprogramm für Kinder und Jugendliche arbeitet die Stadtbücherei mit einem offenen pädagogischen Ansatz, der Fünf- bis Dreizehnjährige altersgerecht an „Computational Thinking“ heranführen soll. Über experimentelles und selbstbestimmtes Forschen lernen die Kinder und Jugendlichen die Roboter kennen und eignen sich Funktionen und Programmiersprachen in ihrem Tempo an. Dabei ist immer kollaboratives Miteinander gefragt, neu Entdecktes wird „Peer-to-Peer“ geteilt. Für die Gruppe der Kolleg*innen, die das Programm in Veranstaltungen betreuen, bedeutet dieser Ansatz, dass sie den Kindern und Jugendlichen viel Raum geben, ihre eigenen Methoden und Inhalte zur Erforschung der Roboter anzuwenden. Sie sind nicht anleitend, sondern begleitend dabei und lernen im günstigen Fall sogar von und mit der Zielgruppe. Der Ansatz beinhaltet auch, dass es keine festgelegte Veranstaltungsdramaturgie und kein festgelegtes Lernziel gibt. Von den durchführenden Kolleg*innen werden damit hohe Flexibilität und Improvisationsgeschick gefordert, um sich der Dynamik der jeweiligen Veranstaltung moderierend anzupassen.

Unsere Lernroboter. Foto: Stadtbücherei Frankfurt am Main.
Gemäß diesem pädagogischen Konzept ist das „Hands On! Robotics-Lab“ ein offenes Experimentierlabor für Familien mit Kindern ab fünf Jahren, das mitten in der Bibliothek während der Öffnungszeiten ohne Anmeldung stattfindet. Man kann kommen, gehen oder bleiben und unsere vier Lernrobotertypen Dash, Ozobot Evo, Sphero Bolt und Thymio selbst testen. Durch vorprogrammierte Aktionen können die Roboter schon von Fünfjährigen gesteuert werden, ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene erkunden vielleicht schon die jeweiligen Programmiersprachen auf dem Tablet. Eine wuselige, animierte Atmosphäre ist erwünscht! Das „Hands On! Robotics-Lab“ tourt mit einem mobilen Team durch die Öffentlichen Bibliotheken der Stadtbücherei Frankfurt und ist so stadtweit präsent.
Das zweite Veranstaltungsangebot, „Coding mit Robotern“, richtet sich an acht- bis dreizehnjährige Kinder und Jugendliche, die tiefer in die Materie einsteigen möchten. In der Veranstaltung, die in der Zentralen Kinder- und Jugendbibliothek stattfindet, steht im Wechsel immer nur ein Robotertyp im Mittelpunkt; es geht ums Kennenlernen und Ausprobieren der jeweiligen Programmiersprache. Auch dieses Angebot ist als Experimentierlabor angelegt, d. h. niedrigschwellig, Coding-Vorkenntnisse sind nicht nötig. Die Teilnehmenden erschließen sich die Programmiersprache selbständig und teilen ihr Wissen mit der Gruppe. Der Spaß am Selbstherausfinden ist zentral und verstärkt bekanntermaßen den Lerneffekt.
CODE.BOTS – Die Online-Serie
Leider hat die Corona-Pandemie unser Roboticsprogramm für Kinder und Jugendliche kurz nach dem Auftakt 2020 gestoppt, da keine Präsenzveranstaltungen mehr stattfinden konnten. Eine digitale Variante via Konferenzplattform wurde erwogen. Da aber die Prinzipien „Hands On“ und „Peer-to-Peer“ wesentliche Elemente des Programms sind und diese nur in Präsenzveranstaltungen zum Tragen kommen, haben wir eine Verlagerung der bestehenden Formate ins Internet für nicht sinnvoll erachtet.
Um das Programm auch in der Pandemie weiterzuführen und den Kontakt zum Zielpublikum nicht zu verlieren, wurde stattdessen ein neues Format entwickelt: CODE.BOTS – Die Online-Serie.
In fünf Folgen zeigen die Kolleginnen der AG Robotics für Kinder und Jugendliche in einer Art Online-Codingkurs, wie unsere Lernroboter programmiert werden. Partizipation ist auf niedrigem Level ebenfalls möglich: Zuschauende können an die E-Mail-Adresse von CODE.BOTS Codefolgen einschicken, die in der nächsten Sendung auf die entsprechenden Roboter angewandt werden. Die Videos der Serie CODE.BOTS sind auf YouTube und den Social-Media-Kanälen der Stadtbücherei zu finden. Sie wurden bislang insgesamt knapp 4.000 mal aufgerufen. Insofern hat sich die Produktion der Serie gelohnt.

CODE.BOTS – beim Videodreh. Foto: Stadtbücherei Frankfurt am Main.
Das Veranstaltungsprogramm mit unsren Lernrobotern wird permanent weiterentwickelt. Im Moment sind Konzepte für Kitagruppen und Schulklassen sowie intergenerative Robotics-Angebote im Werden, die nach der Pandemie zum Einsatz kommen sollen.
Roboter hört mit! – LautLesen 4.0
Das jüngste Angebot in unserem Roboticsprogramm für Kinder ist ein ungewöhnliches Vorleseprojekt, bei dem der humanoide Roboter NAO, der bei uns Ada heißt, im Mittelpunkt steht. Das Projekt wurde von der Stadtbibliothek Wildau und dem RoboticLab Telematik der TH Wildau unter dem Titel „Lese-NAO“ entwickelt. Ein Kind liest dem NAO aus ausgewählten Büchern in mehreren Sitzungen laut vor. Über ein Quiz, bei dem der NAO dem Kind anschließend Fragen zur Geschichte stellt, wird das Textverständnis überprüft. Als Forschungsprojekt angelegt geht es darum, zu schauen, wie ein Roboter die Lesemotivation bei Kindern steigert und ob die Hemmschwelle für lautes Vorlesen in der Tandem-Situation mit dem Roboter gesenkt wird.

Roboter hört mit! – LautLesen 4.0. Foto: Stadtbücherei Frankfurt am Main.
Die Stadtbücherei Frankfurt hat das Projekt an den Main geholt und das Konzept in Kooperation mit der TH Wildau leicht verändert. Unter dem neuen Titel „Roboter hört mit! – LautLesen 4.0“ finden in unseren Öffentlichen Bibliotheken jetzt Veranstaltungen statt, bei denen acht- bis zehnjährige Kinder in Kleingruppen reihum unserer Roboterdame von uns ausgewählte Bilderbücher vorlesen. Der Schwerpunkt der Veranstaltung liegt dabei nicht mehr so stark auf dem Aspekt des Lesetrainings, sondern mehr auf dem Erlebnis in der Gruppe. Außerdem können die Kinder im Anschluss an das Vorlesen und das Quiz Fragen zu den Funktionen und zur Programmierung des Roboters stellen.
Das Format ist erst kürzlich (coronakonform) angelaufen und auf großes Interesse gestoßen.
Unsere Veranstaltungen werden von der TH Wildau wissenschaftlich begleitet, das veränderte Konzept ist in der Erprobung und wird situativ weiter angepasst.
Die Investition in „Robotics – Stadtbücherei 4.0“ hat sich bereits als sehr gewinnbringend für die Stadtbücherei erwiesen, nicht zuletzt auch für die beteiligten Kolleg*innen.
Informationen zu Robotics in der Stadtbücherei Frankfurt am Main finden Sie auf unserer Homepage unter https://frankfurt.de/service-und-rathaus/verwaltung/aemter-und-institutionen/stadtbuecherei/das-digitale-wohnzimmer/robotics.
About the author

Tanja Schmidt
© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
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- Aus den Verbänden
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- Stärkung von Bibliotheken in ländlichen Räumen
- Themen
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- Erstellung eines Webportals zur Outputanalyse an der Universitätsbibliothek Potsdam
- Immer auf dem Laufenden – der neue Zeitschrifteninformationsdienst ZinDiT der Bundestagsbibliothek
- Mit NAO, Dash & Co. die Welt der Roboter entdecken
- Digital um jeden Preis?
- 65 Fachwirte für (Medien- und) Informationsdienste
- Neue Wildnis in geordneten Märkten
- Notizen und Kurzbeiträge
- Deutsche Nationalbibliothek beteiligt sich am Aufbau der Forschungsdateninfrastruktur „Text+“
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